125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 14/1997, Seite 58 ff.


RECHT-ECK


Haftungsproblematik für den Geschäftsführer

Die zivilrechtliche und steuerliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH

RA Friedrich W. Stohlmann Teil 1

Die GmbH erfreut sich als Rechtsform für eine wirtschaftliche Betätigung nach wie vor großer Beliebtheit, wobei ihr Vorteil immer wieder in der Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen liegt.

Dies wird auch bei entsprechenden Gründungsvorhaben als häufigster Grund genannt. Die GmbH ist als juristische Person nicht selbst handlungsfähig, sondern muß sich entsprechender Organe, insbesondere der bestellten Geschäftsführer zur Durchführung ihrer Aufgaben bedienen. Dabei wird häufig übersehen, daß auch der Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer Einmann-GmbH fremde Interessen wahrnimmt, obwohl ihm die Gesellschaftsanteile allein gehören. Das Unternehmerrisiko trägt die Gesellschaft, wobei in Ausnahmefällen aber eine Haftungserstreckung auf den Geschäftsführer denkbar ist. Eine derartige Haftungserstreckung auf den Geschäftsführer kommt aber nur in Betracht, wenn er die ihn treffenden Pflichten verletzt hat.

Die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers

Gem. § 43 Abs. 2 des GmbH-Gesetzes haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft solidarisch (gesamtschuldnerisch) für den der Gesellschaft entstandenen Schaden. Haftungsvoraussetzung ist demnach, daß der Gesellschaft durch ein schuldhaftes Handeln des Geschäftsführers ein Schaden entstanden ist. In diesem Handeln muß zugleich die Verletzung einer dem Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflicht liegen.

Die Geschäftsführerstellung selbst ergibt sich in der Regel aus der Satzung, dem Anstellungsvertrag und der entsprechenden Eintragung im zuständigen Handelsregister. Haftungsauslösend ist nur die Verletzung von Obliegenheiten des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft. Daraus ergibt sich zum einen, daß es sich um Pflichten handeln muß, deren Adressat der Geschäftsführer ist. Anders als man meinen könnte, ist zum einen nicht nur die Verletzung von Pflichten, die dem Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft obliegen, haftungsbegründend, sondern u.U. auch die Verletzung von Pflichten gegenüber einem Außenstehenden, also einem Dritten.

Es versteht sich daher von selbst, daß der Geschäftsführer die Pflicht hat, aktiv die von den Gesellschaftern gesetzten Vorgaben (Unternehmensziel und Unternehmensinteressen) im Rahmen der Gesetze zu verfolgen. Dies bedeutet, daß er die wirtschaftlichen Vorteile zu Gunsten der Gesellschaft zu wahren bzw. zu verwirklichen hat. Allerdings steht dem Geschäftsführer ein weites unternehmerisches Ermessen zur Durchsetzung dieser Interessen zur Seite. Gerade darüber entscheidet der Geschäftsführer selbst im Rahmen der Beschlüsse, die die Gesellschafterversammlung gefaßt hat. Soweit dem Geschäftsführer Pflichten im öffentlichen Interesse auferlegt sind, z.B. Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, Einhaltung von Arbeitsschutz- und Umweltschutzvorschriften, besteht allerdings kein Ermessen

(Siehe dazu Fortsetzung IKZ-HAUSTECHNIK Heft 15/97).

Diese Vorschriften hat er immer streng einzuhalten. Dabei hat er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anzuwenden. Der Geschäftsführer hat darüber hinaus die Grundregeln einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung zu beachten und das Unternehmen nach anerkannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu führen.

Um seine Aufgaben erfüllen zu können, muß sich der Geschäftsführer über alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft informieren. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer erfährt insoweit eine Einschränkung, als durch Satzung, Gesellschafter- oder Geschäftsführerbeschluß die Aufgaben auf einzelne Geschäftsführer aufgeteilt und damit anderen Geschäftsführern oder auch anderen Mitarbeitern des Unternehmens zugewiesen werden. Ist eine solche Aufteilung der Kompetenzen ordnungsgemäß geschehen, hat sich der Geschäftsführer aus dem Verantwortungsbereich eines anderen Geschäftsführers herauszuhalten. Dessen Pflichtverletzungen werden ihm nicht zugerechnet. Gleiches gilt, wenn Aufgaben in zulässiger Weise auf nachgeordnete Mitarbeiter delegiert wurden. Arbeiter und Angestellte der GmbH, Prokuristen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sind nicht Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen des Geschäftsführers, so daß er sich deren fehlerhaftes Verhalten auch nicht gem. §§ 278, 831 BGB zurechnen lassen muß, soweit er bei deren Auswahl ordnungsgemäß gehandelt hat.

Neben den o.g. Pflichten trifft den Geschäftsführer als Sachwalter fremder Vermögensinteressen (den Interessen der GmbH) eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft. Ein breites Gebiet nimmt dabei die Frage des Wettbewerbs ein. Allgemein gilt ein umfassendes Wettbewerbsverbot. Während seiner Amtszeit ist dem Geschäftsführer daher in der Regel jede Teilnahme am geschäftlichen Verkehr im eigenen oder im fremden Namen, für eigene oder fremde Rechnung im Geschäftsbereich der Gesellschaft verboten. Dieses Wettbewerbsverbot muß nicht ausdrücklich in der Satzung oder im Anstellungsvertrag geregelt sein. Es gilt ganz allgemein, um die Interessen der Gesellschaft ordnungsgemäß als deren Geschäftsführer zu wahren.

Allerdings kann die Haftung ausgeschlossen oder eingeschränkt sein, soweit der Geschäftsführer z.B. ausdrücklich bindende Weisung der Gesellschafter ausgeführt hat. Die Gesellschafter sind oberstes Organ der Gesellschaft, so daß die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung für den Gesellschafter bindend sind, es sei denn, es handelt sich um rechtswidrige Beschlüsse der Gesellschaft, die der Geschäftsführer keinesfalls auszuführen berechtigt ist.

In der Regel ist der Geschäftsführer von allen Ansprüchen frei, wenn die Gesellschafter von seinem Handeln Kenntnis hatten und diese Handlungen entweder unterstützt oder geduldet haben. Auch kann die Gesellschaft jederzeit auf Ersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer verzichten oder aber mit ihm einen Vergleich bei etwaigen Haftungsfragen abschließen.

Die hier behandelten Ansprüche verjähren gem. § 43 Abs. 4 des GmbH-Gesetzes innerhalb von 5 Jahren.

Haftung des Geschäftsführers aus Sondertatbeständen

Insbesondere ist auf die Haftung des Geschäftsführers gem. § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz hinzuweisen. Leistet die Gesellschaft nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung ihrer Überschuldung Zahlungen, so sind die Geschäftsführer ihr gem. § 64 Abs. 2 GmbH-Gesetz zu deren Ersatz verpflichtet, es sei denn, die Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar. Zweck dieser Regelung ist die Verpflichtung zur Erhaltung der Haftungsmasse im Interesse der Gläubiger. Deshalb ist der Wortlaut über den Begriff "Zahlungen" erweiternd so auszulegen, daß auch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten und die dadurch erfolgte Belastung der Masse haftungsbegründend ist.

Für die Frage, wann Zahlungsunfähigkeit anzunehmen ist, kann auf § 102 Abs. 2 der Konkursordnung und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Überschuldung bedeutet, daß bei einer auf den bestimmten Stichtag aufgestellten Liquidationsbilanz die Passiva die Aktiva (unter Berücksichtigung stiller Reserven) übersteigen. Entgegen dem Wortlaut kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Überschuldung positiv festgestellt ist, d.h. die Kenntnis der Unternehmensleitung hiervon ist nicht Haftungsvoraussetzung.

Haftung gem. § 9 a Abs. 1 GmbH-Gesetz

Gem. dieser Bestimmung haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft ggf. für fehlende Einzahlungen, wenn zum Zwecke der Errichtung der Gesellschaft falsche Angaben gemacht wurden. Erfaßt werden dadurch nicht nur Angaben gegenüber dem Registergericht, sondern auch gegenüber Geschäftsführern, Sachverständigen oder Mitgesellschaftern. Diese falschen Angaben müssen innerhalb des Gründungsverfahrens gemacht worden sein. Nicht ausreichend sind dagegen Falschangaben, z.B. bei Vertragsschluß gegenüber Mitgesellschaftern.

Haftung gegenüber Dritten

Fällt die GmbH Dritten gegenüber als Vertragspartner aus, weil sie zwischenzeitlich insolvent geworden ist, liegt es nahe, daß sich die Gläubiger an den Geschäftsführer als "Ersatzschuldner" halten. Oftmals wird dies darauf gestützt, daß der Geschäftsführer die wahre Finanzlage verschwiegen habe und man bei deren Kenntnis nicht mehr mit der Gesellschaft kontrahiert hätte. Als Anspruchsgrundlage für diese Schadensersatzansprüche ist insbesondere an die Grundsätze des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) und an die Deliktsvorschriften zu denken. Durch ein neueres Urteil des Bundesgerichtshofes ist hier Bewegung in die zuvor festgefahrenen Fronten gekommen.

Insbesondere die Frage, ob ein Verschulden bei Vertragsschluß nicht nur die GmbH, sondern auch den Vertreter der GmbH, also den Geschäftsführer, trifft, wird in der Rechtsprechung und Literatur heftig diskutiert. Die Rechtsprechung ging zunächst davon aus, daß ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Geschäftsführers bei derartigen Geschäften bestehen müsse. Dies wurde bejaht, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter beteiligt war. Da damit praktisch für jede Einmann-GmbH, bei der der Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist, die Haftungsbegrenzung praktisch aufgehoben wäre, änderte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung aufgrund der heftig geübten Kritik zu diesen Urteilen.

Ein wirtschaftliches Eigeninteresse wurde anschließend nur noch in folgenden Fällen bejaht:

1. Der Geschäftsführer macht über seine Beteiligung an der Gesellschaft das Schicksal des Unternehmens durch die Zurverfügungstellung von Bürgschaften oder dinglichen Sicherheiten für von der Gesellschaft in Anspruch genommenen Kredite zu seiner eigenen Angelegenheit.

2. Der Geschäftsführer will durch sein Handeln als Vertreter der Gesellschaft Schäden von ihr abwenden, für die er andernfalls persönlich hätte aufkommen müssen.

3. Der Geschäftsführer wollte die der Gesellschaft geschuldete vertragliche Gegenleistung für sich selbst behalten.

Die Rechtsprechung ist in diesen Fragen noch nicht einheitlich, da verschiedene Denkansätze immer wieder neu diskutiert werden. Zu einer Aushöhlung der Haftungsbeschränkung der GmbH wird es auch durch solche Urteile, die Extremfälle behandeln, nicht kommen.

(Fortsetzung folgt)


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