125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/1997, Seite 56 ff.


UNTERNEHMEN


Bette

Individualität durch Flexibilität

Die Unternehmenskonzentration innerhalb der SHK-Branche bereitet nicht wenigen Mittelständlern Kopfzerbrechen. Besonders deutlich wird dies bei den Stahl/Email-Wannenherstellern, von denen in Europa nur noch vier namhafte Anbieter vertreten sind. Für die Bette GmbH & Co. KG im ostwestfälischen Delbrück (nach eigenen Angaben mit einer Kapazität zur Fertigung von 600000 bis 700000 produzierten Bade- und Duschwannen pro Jahr die Nr. 4) kein leichter Stand.

Produktvielfalt kennzeichnet die Bette-Modellpalette.

 

Das familiengeführte Mittelstandsunternehmen (50% Fam. Bette, 50% Fam. Pahl) erwirtschaftete 1996 mit 230 Mitarbeitern einen Umsatz von 88 Mio. DM. Dabei greift man im Preßwerk teilweise auf Technologie (Pressenstraßen) zurück, mit deren Entwicklung Anfang der 60er Jahre von eigenen Mitarbeitern begonnen wurde und die ständig weiterentwickelt werden.

Dieser Schritt war seinerzeit notwendig geworden, weil man mit der bis dahin eingesetzten Schweißtechnik nicht mehr konkurrenzfähig war. Über die erforderlichen Millionen für die teure Preßtechnik, mit der die Produktionszeit von 232 min je Wanne auf ca. 1 min verkürzt werden konnte, verfügte man aber nicht. Kurzerhand entwickelte man infolgedessen den Eigenbau.

Produktvielfalt

Mittlerweile verfügt man über zwei Pressenstraßen und im Laufe der Zeit entstanden im eigenen Werkzeugbau ca. 150 Formen für Dusch- bzw. Badewannen aus Stahlemail. Jährlich kommen sechs neue Modelle hinzu. Allein der Duschwannenbereich umfaßt heute bei Bette mehr als 50 Formen. Von der kleinsten Duschwanne (70 x 70 cm) bis zur größten (120 x 120 cm) ist nahezu alles zu haben.

Individualität kennzeichnet die Produktionsabläufe: Im Preßwerk gibt es neben hochmodernen Maschinen (hier eine Laser-Schneidmaschine) auch Handwerk zu sehen (hier Kleinserienteile, die manuell per Schutzgas geschweißt werden).

 

 

Eine enorme Formenvielfalt, die der geschäftsführende Gesellschafter Fritz-Wilhelm Pahl so kommentiert: "Wir sind nach Stückzahlen gerechnet bei weitem kein Marktführer, aber ganz sicher bei der Modellvielfalt. Und das gilt für alle Materialien." Für Pahl ein zentrales Erfolgsargument, denn der Präsident der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld setzt voll auf Innovation: "Wir sind kein Mengendenker und Massenhersteller, sondern fertigen individuelle Vielfalt wirtschaftlich, umweltfreundlich und qualitativ hochwertig."

Für den außenstehenden Betrachter wird diese Firmenphilosophie z.B. an folgenden Abläufen erkennbar:

Auch das Emailwerk wird durch Innovation und Individualität geprägt. Glas, der Grundstoff für den Emailauftrag, wird eingeschmolzen angeliefert. Die Farbeinstellung erfolgt vor Ort. Nur so ist die individuelle Fertigung bestimmter Produkte, auch in "Rustikalgrün", jederzeit möglich.

Im Laufe der Jahre ist es Bette nicht nur gelungen, (fast) alle denkbaren Wannenformen aus Stahlemail zu fertigen, man hat es auch geschafft, die früher bei diesem Material übliche "Orangenhaut" der Email-Oberfläche durch die Bette-Glasur zu beseitigen.

Wachstum und Investitionen

Andererseits setzt man bei Bette auf Eigenständigkeit und Wachstum. Bis zum Jahr 2000 streben die Delbrücker einen Jahresumsatz von ca. 100 Mio. DM an. Dazu bedarf es an Investitionen, mit denen man schon in der jüngeren Vergangenheit nicht geizte. So investierte man in verschiedene Produktionsbereiche in den letzten fünf Jahren insgesamt mehr als 25 Mio. DM. Für das laufende Kalenderjahr stehen weitere 12 Mio. DM für die Modernisierung bereit.

Das gilt auch für das Emailwerk, in dem der Glasüberzug nicht nur von Spritzrobotern (sie sind so programmiert, daß jedes Teil am Förderband sich von dem vorhergehenden unterscheiden kann), sondern auch manuell aufgebracht wird.

 

 

Doch auch bei diesem ehrgeizigen Ziel setzt Pahl nicht auf "Rennermodelle": "Wir sind im Bereich der Standardware nicht besonders aktiv, Wachstum resultiert bei uns auch zukünftig aus der individuellen Fertigung." Gute Chancen sieht der Firmenchef auch im Export. Bette, nach eigenen Angaben Marktführer im niederländischen Stahl/Emailwannenbereich, fertigt z.B. alle Wannen für das skandinavische Unternehmen Gustavsberg sowie Rohlinge für den schweizer Markt bzw. American Standard.

Doch sieht Pahl auch "weiße Flecken" auf der Landkarte: "Vor einigen Jahren lag unser Exportanteil noch bei ca. 60%. Heute fertigen wir eben diese 60% für den heimischen Markt." Den Marktanteil in "Entwicklungsländern" möchten die Ostwestfalen durch Sondermodelle steigern.

Zukunft

Auch zukünftig setzt man bei Bette auf die Erweiterung der bisherigen Modellreihen sowie die Sicherstellung des hohen Qualitätsstandards. Zusätzlichen Gebrauchsnutzen will man den Endverbrauchern u.a. durch die neuen Echtglas-Duschabtrennungen und exclusive Wannenverkleidungen bieten. Allerdings wird bisher nicht an einen "großen Auftritt" im Duschabtrennungsmarkt gedacht. Man möchte lediglich für besondere Produkte, wie etwa die Modelle der Serie "Cora", optimal aufeinander abgestimmte Produkte "aus einer Hand" liefern.

Leider etwas teuer: Die von Bette entwickelte "Zargentechnik" ermöglicht den Einbau von Dusch- und Badewannen ohne lästige dauerelastische Dichtungsfugen.

 

Von "lean production" demnach keine Spur. Im Gegenteil: Fertigungstiefe prägt die Produktion. Anders läßt sich der Anspruch auf "Individualität durch Flexibilität" wohl auch nicht verwirklichen. Ein schwieriger Weg zum Erfolg, den nur noch wenige verantwortungsvolle Unternehmer in Deutschland beschreiten.

Fünf Fragen - Fünf Antworten

Fritz-Wilhelm Pahl, geschäftsführender Gesellschafter der Bette GmbH & Co. KG, zur gegenwärtigen Situation mittelständischer SHK-Unternehmen.

?: Der Mittelstand verliert langsam den "Boden unter den Füßen". Speziell in ihrem Marktsegment gibt es eine starke Unternehmenskonzentration. Wird auch der kleinste europäische Stahl/Email-Wannenhersteller bald "gefressen"?

Der "Herr der Stahl/Emailwannen", Fritz-Wilhelm Pahl, kämpft für einen gesunden Mittelstand in Deutschland.

 

Pahl: 1863 hat mein Urgroßvater in Dortmund eine der ersten Fabriken zur Herstellung von Gummiwaren gegründet. Als mit meinen Kindern in der 5. Generation die Zahl der Gesellschafter schneller stieg als der Umsatz, sah ich für mich in diesem Unternehmen keine Möglichkeit, unternehmerisch tätig zu werden. Bei Bette sorgen schon die Gesellschafterverträge dafür, daß eine ähnliche Entwicklung nicht eintreten kann. Die Bette Mannschaft und die Inhaber sind hochmotiviert, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Unternehmens zu erhalten. Wir fühlen uns gut gerüstet für den Wettbewerb, die Entscheidung liegt letztendlich bei unseren Kunden im Handwerk und Handel, aber natürlich auch bei den Endverbrauchern.

?: Die meisten Manager bevorzugen heute "lean production", bis hin zur reinen Montagearbeit. Sie dagegen setzen voll auf "Innovation durch Flexibilität". Das bedeutet Fertigungstiefe und teilweise handwerkliche Arbeit bei Bette. Können Sie sich das am Standort Deutschland überhaupt noch leisten?

Pahl: Ich sehe die Gefahr, daß sich auch in unserer Branche Produkte zu "Commodities" entwickeln, d.h. sie werden ausschließlich über den Preis verkauft, da sie austauschbar geworden sind. Für derartige Produkte ist die Produktion in Deutschland zu teuer geworden. Bette-Wannen werden sich nicht zu einem Commodity-Produkt entwickeln. Individualität durch Flexibilität, Kundennähe, Service, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit kann nur mit tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort erreicht werden. Deshalb können wir uns den Produktionsstandort Deutschland leisten und im übrigen ist Ostwestfalen ein bevorzugter Standort innerhalb der Bundesrepublik.

Die Fertigungstiefe ist das Ergebnis unserer Spezialisierung, wir haben die Badewannen-Umformtechnik selbst entwickelt und nicht eingekauft. Wir haben die Emaillierung so weiterentwickelt, daß auch sie Bette spezifisch ist. Outsourcing könnten wir nur betreiben durch Preisgabe unseres Know-hows. Dies wollen wir nicht.

?: Welchen Stellenwert hat der professionelle Vertriebsweg für Ihr Unternehmen?

Pahl: Die Stahlwanne ist nach unserer Meinung ein klassisches Produkt des dreistufigen Vertriebsweges, denn sie braucht die professionelle Begleitung von der Herstellung bis zur Verwendung im Badezimmer.

Unser Programm ist so umfangreich, daß es von Handwerk und Handel dem Endverbraucher, den Architekten, den Planern erläutert werden muß. Erst durch die Erklärung wird unsere Vielfalt deutlich. Ohne den professionellen Vertriebsweg würde Bette erhebliche Schwierigkeiten bekommen, deshalb haben und werden wir für die Wettbewerbsfähigkeit des dreistufigen Vertriebsweges kämpfen.

?: Individuelle Modellvielfalt erfordert einen starken Markennamen. Was halten Sie von "Hausmarken" des Fachhandels?

Pahl: Der Handel und inzwischen auch das Handwerk versuchen mit Hausmarken eine eigenständige Exklusivität aufzubauen und mit dieser sich ein Stück dem Wettbewerbsdruck zu entziehen. Dafür habe ich durchaus Verständnis. Hausmarken richten sich aber, wenn sie denn nennenswerte Volumina im Markt erreichen, gegen die Interessen der Industrie. Diese wird bei erfolgreichen Hausmarken zur verlängerten Werkbank des Handels, die Aufgabenteilung zwischen Industrie, Handel und Handwerk wird außer Kraft gesetzt. Sie richten sich mittelfristig auch gegen die Interessen unserer Branche, da neue Märkte nur durch die Marken der Industrie geschaffen werden. Die Märkte für Badmöbel, für Duschabtrennungen und auch für Stahlwannen als Beispiel sind durch die Industrie und nicht vom Handel über Hausmarken entwickelt worden.

?: Die Gemeinschaftswerbung des VDS liegt seit einiger Zeit im "Tiefschlaf". Befürchten Sie nachteilige Folgen für den professionellen Vertrieb?

Pahl: Ein Tiefschlaf kann die Nerven beruhigen, Entspannung und Erholung schaffen und neue Kräfte freisetzen. Ich bin überzeugt, daß wir 1998 unter dem Dach der VDS erneut zu einer gemeinsamen Branchenwerbung kommen werden.


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