IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 9/1997, Seite 83 ff.


RECHT-ECK


Außerordentliche Kündigung

Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber

RA F.W. Stohlmann

Der außerordentlichen Kündigung kommt eine nicht unerhebliche Bedeutung in der betrieblichen Praxis zu. Aus wichtigem Grund ist der Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, also mit sofortiger Wirkung, zu beenden.

Eine solche Kündigung ist jedoch nur möglich, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann. Berücksichtigung finden hierbei nur bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretene Umstände.

Die zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen. Die außerordentliche Kündigung darf nur die letzte unausweichliche Maßnahme für den Kündigungsberechtigten sein.

Wirksamkeitsvoraussetzungen einer fristlosen Kündigung im Überblick

1. Es muß eine ordnungsgemäße Kündigungserklärung vorliegen.

2. Bei Vorhandensein eines Betriebsrates, Personalrates oder Sprecherausschusses muß dieser ordnungsgemäß angehört worden sein.

3. Besondere Kündigungsschutzbestimmungen dürfen nicht vorliegen (Beispiel: § 9 Mutterschutzgesetz, §§ 15 und 21 Schwerbehindertengesetz).

4. Es muß ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen.

5. Die Kündigungserklärungsfrist muß eingehalten worden sein.

Ordnungsgemäße Kündigungserklärung

Die außerordentliche Kündigung ist wie die ordentliche Kündigung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, sie muß daher dem Empfänger wirksam im Sinne des § 130 BGB zugehen. Ein an die Heimatadresse gerichtetes Kündigungsschreiben geht dem Arbeitnehmer auch dann zu, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, daß der Arbeitnehmer während seines Urlaubs verreist ist oder sich in Untersuchungs- oder Auslieferungshaft befindet. Soweit ein Anwalt die Kündigung ausspricht, muß er eine Originalvollmacht des von ihm vertretenen Unternehmers vorlegen.

Für den Arbeitnehmer muß erkennbar sein, daß es sich um eine außerordentliche und nicht um eine ordentliche Kündigung oder lediglich um eine Abmahnung handelt. Notwendig aber auch ausreichend ist ein Verhalten des Kündigenden, aus dem der Arbeitnehmer eindeutig erkennen kann, daß die Beschäftigung sofort endgültig eingestellt und das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll.

Grundsätzlich kann die Kündigungserklärung formfrei erfolgen. Eine Ausnahme enthält § 15 Abs. 3 Bundesbildungsgesetz. Die Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses muß schriftlich erfolgen.

Auch wenn Schriftform der Kündigung nicht zwingend vorgeschrieben oder vereinbart wurde, ist dies weitgehend üblich und zur Beweissicherung dringend anzuraten.

Eine bestimmte Form kann entweder durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung oder auch einzelvertraglich vereinbart werden. Ist z.B. Schriftform für die Kündigung vorgeschrieben, so ist die Kündigung von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift zu unterzeichnen. Eine Kündigung durch Telefax ist jedoch nach herrschender Ansicht möglich, da die Unterschrift abgebildet ist.

Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 Betriebsverfassungsgesetz

Gem. § 102 Betriebsverfassungsgesetz ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber anzuhören. Eine ohne Anhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn das Anhörungsverfahren nicht wirksam eingeleitet, durchgeführt oder abgeschlossen wurde. Der Arbeitgeber darf erst nach Abschluß des Anhörungsverfahrens die Kündigung des Arbeitnehmers aussprechen.

Achtung:

Die gleichzeitige Einleitung des Anhörungsverfahrens und der Ausspruch der Kündigung führen zur Unwirksamkeit. Das Anhörungsverfahren ist daher vor Ausspruch der fristlosen Kündigung durchzuführen. Die Anhörung muß vor jeder Kündigung, also grundsätzlich auch vor einer Wiederholungskündigung erfolgen. Eine nachträgliche Anhörung heilt den Mangel selbst dann nicht, wenn der Betriebsrat die Kündigung billigt.

Zustimmungsbedürfnis gem. § 103 Betriebsverfassungsgesetz

Auch ist zu beachten, daß die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugendvertretung, des Wahlvorstandes oder von Wahlbewerbern ebenfalls der Zustimmung des Betriebsrates bedarf. Lehnt der Betriebsrat die Zustimmung der außerordentlichen Kündigung eines o.g. Organmitglieds ab, muß der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung im Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht verfolgen.

Auch bei der außerordentlichen Kündigung ist der besondere Kündigungsschutz für Frauen während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung (§ 9 Mutterschutzgesetz), während des Erziehungsurlaubs und für Schwerbehinderte (§§ 15, 21 Schwerbehindertengesetz) zu beachten.

Was stellt einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar?

Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann.

Zur außerordentlichen Kündigung geeignet sind insbesondere schwere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Haupt- und Nebenpflichten.

Dazu gehören insbesondere grobe Verletzungen der Arbeitspflicht, wie beharrliche Arbeitsverweigerung, eigenmächtiger Urlaubsantritt, wiederholte Unpünktlichkeiten, unentschuldigte Fehlzeiten und Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit, Androhung künftiger Erkrankungen, Arbeitsunfähigkeit durch Trunkenheit am Arbeitsplatz, Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik.

Wiederholte Unpünktlichkeiten sind allerdings nur dann an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie den Grad einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreicht haben.

Arbeitsverweigerung wegen offenstehender, nicht nur geringfügiger Vergütungsansprüche berechtigen regelmäßig nicht zur außerordentlichen Kündigung. Insoweit besteht ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers. Für das Vorliegen entsprechender Kündigungsgründe zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist regelmäßig eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich. Diese liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsablauf oder der Betriebsfrieden "abstrakt" gefährdet ist, sondern nur dann, wenn insoweit eine konkrete Störung eingetreten ist. Störungen im Leistungsbereich sind allerdings regelmäßig nur dann geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, wenn eine einschlägige Abmahnung erfolglos war.

Ebenso gehören Störungen im Vertrauensbereich zu den möglichen Gründen für eine fristlose Kündigung. Zur Zerstörung im Vertrauensbereich zählen insbesondere Annahme von Schmiergeldern, grobe Beleidigung von Vorgesetzten oder des Arbeitgebers, schwere Tätlichkeiten im Betrieb, Spesenmißbrauch sowie Mißbrauch von Kontrolleinrichtungen wie Stempeluhren und Vermögensstraftaten zum Nachteil des Arbeitgebers bzw. am Arbeitsplatz zum Nachteil von Arbeitskollegen. Ausreichend ist bei Vermögensstraftaten schon die Entwendung einer Sache in einem räumlich weit entfernten Betrieb des Arbeitgebers, auch außerhalb der Arbeitszeit. Ehrverletzungen, insbesondere durch Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdungen des Arbeitgebers, seiner Angehörigen oder seiner leitenden Angestellten sind stets an sich geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen.

Richtet sich die Handlung gegen andere Personen, insbesondere Arbeitskollegen und deren Angehörige, so berechtigt dies nur dann an sich zur außerordentlichen Kündigung, wenn der Betriebsfriede dadurch gestört wird.

Störungen im betrieblichen Bereich, insbesondere durch grobe Störung des Betriebsfriedens und der Betriebsordnung, berechtigen regelmäßig zur außerordentlichen Kündigung. Es kommt hierbei jedoch entscheidend auf den Grad der konkreten Beeinträchtigung an. Ausländerfeindliche Äußerungen im Betrieb in erheblichem Umfang rechtfertigen die fristlose Kündigung des Arbeitnehmers. Gewerkschaftliche Tätigkeit des Arbeitnehmers scheidet als wichtiger Grund von vornherein aus, weil diese Tätigkeit sich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken darf (§ 75 Betriebsverfassungsgesetz).

Kündigungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB

Gemäß der o.g. Bestimmung kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen - ab Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den Kündigungsgründen - erfolgen. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlußfrist für die Kündigungserklärung, die sachlich den Tatbestand einer Verwirkung des wichtigen Grundes durch Zeitablauf regelt. Die Kündigungsfrist ist eine unabdingbare gesetzliche Vorschrift. Wiedereinsetzung ist nicht möglich. Die Versäumung der Frist führt zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung.

Die zweiwöchige Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangen. Es muß positive Kenntnis des Kündigungsberechtigten, der selbst grob fahrlässige Unkenntnis nicht gleichzustellen ist, vorliegen.

Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung vorsorglich und hilfsweise immer auch eine ordentliche Kündigung auszusprechen ist.

Kommt das Arbeitsgericht zu der Auffassung, die Gründe für die außerordentliche Kündigung seien ungenügend, so hat das Arbeitsgericht dann auch weiter zu prüfen, ob die Gründe für eine ordentliche Kündigung ausreichen.

Gem. § 4 Kündigungsschutzgesetz hat der sich gegen die fristlose Kündigung wehrende Arbeitnehmer eine dreiwöchige Klagefrist zu beachten. Dies gilt jedoch nur, wenn das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar ist, also das Arbeitsverhältnis ununterbrochen länger als sechs Monate zwischen den Parteien besteht und es sich nicht um einen Kleinbetrieb gem. § 23 Kündigungsschutzgesetz handelt. Hierbei ist zu beachten, daß der Schwellenwert gem. § 23 Kündigungsschutzgesetz von mehr als fünf Arbeitnehmern auf mehr als zehn heraufgesetzt wurde, wobei die Übergangsregelungen zu beachten sind. Die Klagefrist beginnt mit Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer. Daher kann die Kündigung per Einschreiben mit Rückschein besonders problematisch sein. Bei begründetem Verdacht, der Arbeitnehmer werde die Annahme von Einschreiben ablehnen, ist die Kündigung mit einfachem Brief oder die stets aus Beweisgründen vorzuziehende Kündigungsübergabe per Boten anzuraten. Die Klagefrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz ist auch dann ab Aushändigung des Einschreibbriefs zu berechnen, wenn der Postbote den Arbeitnehmer nicht antrifft und dieser das Einschreiben zwar nicht alsbald, aber innerhalb der ihm von der Post gesetzten Aufforderungsfrist abholt oder abholen läßt.

Unbedingt zu beachten ist, daß die Klagefrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz nur dann einzuhalten ist, wenn das Kündigungsschutzgesetz in persönlicher und betrieblicher Hinsicht anwendbar ist, also wenn das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz) und es sich nicht um einen Kleinbetrieb im Sinne des § 23 Kündigungsschutzgesetz handelt. Arbeitnehmer, die durch das Kündigungsschutzgesetz nicht geschützt sind, können auch noch nach Ablauf der Dreiwochenfrist eine auf § 256 Zivilprozeßordnung gestützte Klage erheben. Nach Ablauf eines längeren Zeitraums kann jedoch das Klagerecht verwirkt sein.

Schlußanmerkung

Bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird, muß sich der Betrieb darüber im klaren sein, daß er das Für und Wider eines solchen Eingriffs abzuwägen hat. Hat der Unternehmer Zweifel, ob eine fristlose Kündigung im Klagefalle als berechtigt angesehen wird, so sollte er immer auch hilfsweise und vorsorglich die ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aussprechen. Der Unternehmer hat zu beachten, daß bei Vorhandensein eines Betriebsrates vor Ausspruch der fristlosen oder der ordentlichen Kündigung immer das o.g. Anhörungsverfahren durchzuführen ist.


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