IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/1997, Seite 67 f.


SANITÄR/HEIZUNGSTECHNIK


Sicherheit beim Gasschweißen und Brennschneiden

Dipl.-Ing. Günter Aichele

In den Heften 5 und 12 des Jahres 1994 hat diese Zeitschrift sehr ausführlich über das Thema "Sicherheit beim Gasschweißen und Brennschneiden auf Baustellen" berichtet. Der heutige Beitrag soll die damaligen, sehr ausführlichen Beiträge noch mit zwei abgeschlossenen Aspekten ergänzen: dem Schweißen und Schneiden in Brand- und explosionsgefährdeten Bereichen (vorliegender Aufsatz) und dem Transport von Flaschen in geschlossenen Fahrzeugen (Artikel folgt in einem der nächsten Hefte).

Brand- und explosionsgefährdete Bereiche

Mit Recht ist in IKZ-HAUSTECHNIK Heft 12/94 bereits gesagt worden: Bei Schweiß- und Schneidarbeiten ist fast immer mit Brandgefahr zu rechnen. Schließlich arbeitet der Schmelzschweißer ebenso wie der Brennschneider (nicht zu vergessen das Anwärmen mit der Flamme) mit Zündquellen, er erzeugt Wärmestrahlung, glühendes Metall, Spritzer, Funken, bei bestimmten Voraussetzungen auch eine Sekundärflamme.

In der Werkstatt des Metallverarbeiters dürften die Gefahren, Stoffe zu entzünden, gut überschaubar sein. Auch auf der Baustelle, soweit es sich um einen Rohbau handelt, sollte der mit Flamme oder Lichtbogen Arbeitende den Überblick bewahren können. Wie sieht es aber aus, wenn in oder an fertigen Gebäuden Arbeiten mit Flamme oder Lichtbogen vorgenommen werden müssen?

Ein trauriger Anlaß

Eine Katastrophe, ausgelöst durch "Schweißarbeiten" im Flughafen Düsseldorf, hat die Öffentlichkeit vor einiger Zeit aufgeschreckt. Mit Recht fragt sie, ob denn nicht bei solchen Arbeiten Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben sind. In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, was geschweißt worden ist - ob Metalle oder Isolierstoffe.

Natürlich gibt es genügend Vorschriften - zu viele, wie deutsche Unternehmer oft beklagen. Wo es um das Schweißen oder die schweißtechnische Bearbeitung von Metallen geht, gibt es eine Unfallverhütungsvorschrift "Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren" (VBG 15), die einschließlich ihrer Durchführungsanweisungen ausführlicher nicht sein könnte. Fast nichts zum Thema Gefährdung von Menschen oder Sachen, was darin nicht erwähnt wäre. Ein besonderes Kapitel, der § 30, ist "brand- und explosionsgefährdeten Bereichen" gewidmet.

Die Fünf-Finger-Regel

Aus den im nüchternen Text von Vorschriften gehaltenen mehrseitigen Hinweisen des § 30 hat sich bei der praktischen Schulung von Schweißern und Schweißaufsichtspersonen ein griffiges Schema herausgebildet, das als "Fünf-Finger-Regel" in den Schweißkursen (beispielsweise denen des DVS - Deutschen Verbandes für Schweißtechnik) gelehrt und in den Prüfungen abgefragt wird. Mit dem Hinweis auf die fünf Finger an einer Hand soll vermieden werden, daß auch nur eine einzige der notwendigen Maßnahmen vergessen wird. Im Kurztext heißen die fünf Stichworte: Entfernen, Abdecken, Abdichten, Löschmittel, Brandwache.

Ausführlicher erläutert sagt dazu die Unfallverhütungsvorschrift VBG 15: Als erste Maßnahme hat der Unternehmer dafür zu sorgen, daß die Brand- und Explosionsgefahr beseitigt wird. Das bedeutet "vollständiges und genügend weites Entfernen brennbarer und explosionsfähiger Stoffe und Gegenstände von der Arbeitsstelle und ihrer Umgebung, unter Umständen auch aus Nachbarräumen". Was sich alles in Brand setzten läßt, ist in der Durchführungsanweisung zu § 30 an einigen Beispielen erwähnt: Staubablagerungen, Papier, Pappe, Packmaterial, Textilien, Faserstoffe, Isolierstoffe, Holzwolle, Spanplatten, Holzteile, bei längerer Wärmeeinwirkung auch Holzbalken. Natürlich ist das Entfernen aus "baulichen oder betriebstechnischen Gründen" nicht immer möglich. Dann muß der Unternehmer - so steht es in Absatz 2 des § 30 - "die anzuwendenden Sicherheitsmaßnahmen für den Einzelfall in einer schriftlichen Schweißerlaubnis festlegen".

Als zweite Maßnahme gilt das Abdecken verbleibender brennbarer Stoffe und Gegenstände "z.B. durch Sand, Erde, geeignete Pasten oder Schäume oder schwer entflammbare Tücher", zur Verbesserung der Wirkung evtl. noch durch Feuchthalten.

Drittens gehört ferner das "Abdichten von Öffnungen, z.B. durch Lehm, Gips, Mörtel oder feuchte Erde" dazu; und als Öffnungen sind "Fugen, Ritzen, Mauerdurchbrüche, Kanäle, Rohröffnungen, Rinnen, Kamine, Schächte" aufgezählt.

Besonders wichtig dann der "vierte Finger": Der Unternehmer "hat dafür zu sorgen, daß während der Ausführung der Schweißarbeiten in Bereichen, in denen die Brandgefahr aus baulichen oder betriebstechnischen Gründen nicht restlos beseitigt ist, der brandgefährdete Bereich und seine Umgebung durch eine mit geeigneten Feuerlöscheinrichtungen ausgerüstete Brandwache überwacht wird".

Und schließlich das fünfte Stichwort: Im Anschluß an die Schweißarbeiten "muß der brandgefährdete Bereich und seine Umgebung wiederholt kontrolliert werden". Die Durchführungsanweisung zur Unfallverhütungsvorschrift nennt dazu "für die folgenden Stunden eine regelmäßige Kontrolle der Arbeitsstelle und ihrer Umgebung auf Glimmnester, verdächtige Erwärmung und Rauchentwicklung".

Kann man mehr vorschreiben?

Interessant und gerade für Unternehmer wichtig ist der Querverweis auf die UVV 1 "Allgemeine Vorschriften". In ihrem § 6 behandelt diese Unfallverhütungsvorschrift die Koordinierung von Schweißarbeiten in anderen Unternehmen und auf Baustellen.

Der "Schweißerlaubnisschein"

Im Handwerk ist man geneigt, Formulare als Auswüchse der Bürokratie und als Papierkrieg anzusehen. Und leider gibt es dafür genügend Beispiele und für den Handwerker deshalb Gründe genug für sein Mißtrauen dem Papier gegenüber. Eines steht aber fest: Wer gezwungen wird, sich schriftlich festzulegen, schaut sich eine Sache - und hier ist es dann ein Bereich, bei dem sich die Brand- und Explosionsgefahr nicht vollständig beseitigen läßt - doch genauer an.

Die rein praktische Frage, wie nämlich die Erlaubnis überhaupt aussehen soll, welche Formvorschriften erfüllt werden müssen, ist schnell gelöst. Der Verband der Schadenversicherer e.V. (früherer Name war Verband der Sachversicherer) beispielsweise - der an einer Brandvermeidung besonders interessiert ist - hat in Zusammenarbeit mit dem DVS und dem BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) Richtlinien herausgegeben, zu denen das Formular "Erlaubnisschein" und das Merkblatt "Richtlinien für den Brandschutz bei Schweiß-, Löt- und Trennarbeiten" gehört.

Tödliche Unwissenheit

Den Lesern dieser Zeitschrift als Verarbeitern von Metallen gibt das Düsseldorfer Unglück aber Anlaß für eine Reihe von Fragen, die auch sie betreffen können:

1. Kann der verantwortliche Unternehmer erkennen, daß er seine Arbeitskräfte in einen brandgefährdeten Bereich schickt? Können die Arbeitskräfte die Brandgefährdung erkennen? Wer in ein Papierlager, ein Textillager oder eine Holzwollefabrik geschickt wird, dürfte die Brandgefahr aufgrund seiner allgemeinen Lebenserfahrung kennen. Wie steht es aber in der Lagerhalle, deren Gegenstände mit Mehlstaub oder Textilstaub bedeckt sind? Wer hat denn Erfahrungen mit Staubexplosionen? Und wie ist das mit eventuellen Zwischendecken?

2. Ist der Unternehmer, sind die Arbeitskräfte über die zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen überhaupt unterrichtet? Ist die geltende Unfallverhütungsvorschrift je einmal durchgelesen worden?

Bleiben wir beim Unternehmer - oder demjenigen, dem der Unternehmer die Unternehmerpflichten übertragen hat: Hinter vorgehaltener Hand erfährt man als Fragesteller, daß man bei der Fülle der Vorschriften ja gar nicht alles lesen und beachten könne. Und dabei befindet man sich in guter Gesellschaft, denn auch ein originell veranlagter Bundesinnenminister bekannte früher einmal, daß er nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen könne.

Dazu eine rein statistische Beobachtung: Erheblich mehr Menschen gehen mit Schweißgeräten um als sich in den schweißtechnischen Kursstätten oder Gewerbeschulen daran ausbilden lassen und deshalb die Fünf-Finger-Regel nicht beherrschen.

3. Und ist denn allen Unternehmern bekannt, daß sie - nach den "Allgemeinen Vorschriften" (VBG 1) - "die Versicherten über die bei ihrer Tätigkeit auftretenden Gefahren sowie über die Maßnahmen zu ihrer Abwendung vor der Beschäftigung und danach in angemessenen Zeitabständen, mindestens jedoch einmal jährlich, zu unterweisen haben"? Aber wer macht das schon! Erstens hat man selbst keine Zeit dazu. Zweitens fühlt man sich für solche schulende Tätigkeit nicht unbedingt berufen - aber dafür gibt es ja dann Leute auf dem freien Markt, die so etwas können und deren Kosten für eine jährliche Schulung auch für einen kleineren Handwerksbetrieb noch durchaus tragbar sind. Aber drittens - und da liegt das Problem: Man müßte die Arbeitskräfte während ihrer bezahlten Arbeitszeit zusammenrufen. Diese eine oder zwei Stunden je Mann fehlen in der Produktion und kosten Geld. Obwohl das vielleicht - weitsichtig gesehen - viel Geld sparen könnte. Auch dem eigenen Betrieb: Durch Vermeidung von Schäden, Vermeidung von Betriebsunfällen, Reduzierung von Arbeitsausfall. Und vielleicht könnte es auch Schaden von anderen fernhalten.


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