IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 8/1997, Seite 49 f.


AUSSTELLUNG


49. Internationale Handwerksmesse

Die Internationale Handwerksmesse in München als Leitmesse der Handwerkswirtschaft ist seit Jahrzehnten neben dem dichten Angebot in den Messehallen gleichermaßen Podium für politische Diskussionen und fachliches Forum, das die Besucher über wichtige Hintergründe und Sachzusammenhänge informiert. So war es auch in diesem Jahr: eine Vielzahl von Tagungen, Kongressen, Workshops und auch die Denkwerkstatt boten Gelegenheit, sich über drängende Probleme auszutauschen und im Gespräch damit auseinanderzusetzen. Hier nahmen Fachleute Anregungen und Ideen für das Alltagsgeschäft mit nach Hause.

DHZ-Fachforen und ZDH-ZERT diskutieren aktuelle Handwerksthemen

Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche "Brennthemen" standen im Mittelpunkt der Fachforen der Deutschen Handwerkszeitung und der ZDH-ZERT Workshops. Aktuelle Probleme des Handwerks wurden analysiert, Alternativen erörtert und mögliche Lösungswege aufgezeigt.

Und so zeigte sich: Umstrukturierung aller Orten, Globalisierung der Märkte, Aufbruch in ein digitales Zeitalter und herannahende Informationsgesellschaft, die Auswirkungen des Europäischen Binnenmarktes und schließlich die neue Orientierung der Arbeitswelt von der Produktion hin zur Dienstleistung - zum ausgehenden Jahrtausend sind Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen gefordert, ihre Stärken unter Beweis zu stellen und den Fragen von Heute mit Antworten für Morgen zu begegnen. Immer wichtiger wird es, aus der technischen Informationsflut Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und das herauszufiltern, was für die eigenen Interessen von Belang ist.

Mittelstand - letzter Hoffnungsträger für Arbeit

Das erklärte Heinrich Traublinger, MdL, Vorsitzender des Aufsichtsrates der GHM, anläßlich der Eröffnung der 49. Internationalen Handwerksmesse. Großkonzerne lösen ihre Kostenprobleme, indem sie Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Kleine und mittlere Betriebe bleiben im inländischen Kostenfeuer zurück - und stabilisieren trotzdem den Arbeitsmarkt, so Traublinger. Arbeitsplätze entstünden, wenn die Beschäftigungszerstörenden Lohnzusatzkosten abgesenkt werden. Die verfassungswidrigen Fremdlasten müßten schrittweise aus der Sozialversicherung genommen werden. Die Zielgenauigkeit innerhalb der verschiedenen Sozialkassen ist ebenso zu erhöhen wie allgemeine Sparanstrengungen, erklärte Traublinger. Wir brauchen eine neue Solidarität durch mehr Eigenverantwortung.

Für Öffnung der Gasmärkte

Die Politik muß ihre Hausaufgaben machen, um den Standort Deutschland wieder attraktiver zu gestalten, erklärte Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rexrodt. Hauptaufgabe sei es, diese Reform auch gegen enorme Widerstände aus vielen Bereichen der Gesellschaft - vor allem im Bundesrat - durchzusetzen. Die Kernelemente der Reform müßten erhalten bleiben.

- Eine nette Entlastung der Bürger und Unternehmen in der Größenordnung von 30 Mrd. DM.

- Mehr Steuergerechtigkeit.

- Und drittens eine Senkung des gesamten Tarifs bei deutlich niedrigerem Eingangssteuersatz und Senkung des Spitzensteuersatzes auf unter 40%.

Nur so werde Deutschland wieder für Investoren attraktiv. Die Schmerzgrenze dessen, was die Wirtschaft an Belastungen vertrage, sei längst erreicht, die Sozialbeiträge müßten unter 40% sinken. Auch die Strom- und Gasmärkte müßten für den Wettbewerb geöffnet werden. Der Wegfall der Demarkationen und der Wettbewerb der Stromanbieter werde zur Verbilligung des Stroms gerade für gewerbliche Kunden führen. Rexrodt warb um Unterstützung für diese Politik auch durch das Handwerk. Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt sei weiterhin angespannt. In diesem Jahr rechne das Bundeswirtschaftsministerium mit 13.000 zusätzlichen Bewerbern. Rexrodt forderte die Wirtschaft auf, ihre Zusage von 1996 zu wiederholen und warb um Unterstützung.

Rexrodt stellte klar heraus: eine Ausbildungsabgabe darf es nicht geben! Sie würde die Eigenverantwortung der Unternehmen für einen qualifizierten Nachwuchs schwächen und keinen zusätzlichen Ausbildungsplatz schaffen. Die Bundesregierung werde das ihre dazu beitragen, daß die Ausbildungsbereitschaft gestärkt wird. Für die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze stelle die Bundesregierung zur Investitionsfinanzierung zinsgünstige und langlaufende Darlehen zur Verfügung. Vielleicht helfe es, so Rexrodt, sich daran zu erinnern, daß viele der ganz Großen der deutschen Wirtschaft einmal als Lehrlinge angefangen haben. Karl Benz war Schlosser von Beruf, August Borsig war Zimmermann und Gottlieb Daimler hat als Büchsenmacher-Lehrling begonnen.

Eingehend auf die Änderung der Handwerksordnung erklärte Rexrodt: die 1994 in Kraft getretene Novelle verbessere die Möglichkeiten zur Leistung aus einer Hand und erleichtere den Zugang zur Handwerksausübung. Noch zu erledigen sei der zweite Teil der Hausaufgabe: Änderung der Anlage A. Mit dieser Reform solle das Handwerk weder geknebelt noch ausgehebelt werden. Mit der Reform der Anlage A soll den handwerklichen Unternehmen die Marktchance eröffnet werden, die Basis für eine zukunftssichere Ausbildung zu schaffen und den Großen Befähigungsnachweis zu stärken. Die Modernisierungs- und Innovationskräfte im Handwerk müßten gestärkt werden. Es sei aber nicht das Ziel der Reform, den Status quo des Handwerks festzuschreiben.

Die Systeme haben uns im Griff

Der neugewählte Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Dieter Philipp, der zum ersten Mal als Redner auf der Internationalen Handwerksmesse auftrat, erklärte: dieses Land braucht Reformen. Die Systeme, die das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben bestimmen, müssen wir wieder in den Griff bekommen. Fehlentwicklungen haben über viele Jahre hinweg dazu geführt, daß es heute genau umgekehrt ist: die Systeme haben uns im Griff. Es sei Aufgabe des Handwerks, so Philipp, Reformen zu einem Zeitpunkt anzugehen, zu dem die Soziale Marktwirtschaft wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden kann, ohne daß sie dabei kaputt geht.

Die soziale Verantwortung, die dieses System voraussetzt, gebietet das. Ein solidarisches Miteinander sei aber nur möglich, wenn wir den wirklich Schwachen in unserer Gesellschaft helfen können. Die Betriebe brauchten im übrigen Planungssicherheit, von ihnen werde zu Recht erwartet, daß sie investierten und Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen. Aber nicht Glücksspieler und Traumtänzer sorgen für zukunftssichere Arbeitsplätze und moderne Lehrstellen, so Philipp, sondern mutige, verantwortungsbewußte und rational handelnde Unternehmer. Diese schauten mit Recht auf die Rahmenbedingungen, sie wägen Kosten und Nutzen ab. Würde der Unternehmer nicht alles daran setzen, die Kosten zu minimieren und den Nutzen zu optimieren, hätte er seinen Beruf verfehlt. Wenn jedoch die Rahmenbedingungen nicht mehr erlaubten, auf den Gewinn maßgeblich Einfluß zu nehmen, dann helfen die besten Konjunkturprogramme nichts. Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften sind daher nochmals aufgefordert, gemeinsam den Betrieben das Signal zu geben: "Wir schaffen Spielräume für Investitionen".

Information und Kommunikation - Schlüssel zur Zukunft

Information und Kommunikation, so ergänzte Philipp, gelten als die Schlüssel zur Zukunft. Das Handwerk verstehe seinen Auftrag als Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe so, diese Zukunft aus seiner Position heraus und seiner aktuellen Verfassung mit zu gestalten. Umweltgerechte Produkte, modernes Design und ein witziges, freches Marketing, daß das Selbstbewußtsein der Handwerker widerspiegelt, das sind keine seltenen Beispiele, dahin gehe der Trend. Es ist viel Neugier im Handwerk spürbar und große Bereitschaft auszuprobieren, was der Markt hergibt, erklärte Philipp unter großem Beifall. Wir können unsere Leistungsfähigkeit aber nur unter Beweis stellen, wenn man uns nicht weiter stranguliert. Die heutige Rundum-Versorgung führe zu immer größeren Belastungen des Mittelstandes. Sie führe zu einer Demokratie die jeden Arbeitsplatz in einem kleinen Betrieb mit durchschnittlich rund 7.000 DM an reinen Bürokratiekosten jährlich belastet, als Belastung, die im übrigen 22mal höher liege als bei Großbetrieben. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe ist kompetent und bereit, erklärte Philipp, die Voraussetzungen dafür mit zu schaffen, daß wir alle gut in einem neuen Zeitalter ankommen. œ


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