IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1997, Seite 197 ff.


ELEKTROTECHNIK


Gebäudeautomation durch Systemintegration

Gewerkeneutralität mit LonWorks

Thomas Andraczek

Eine entscheidende Forderung in der Gebäudeautomation muß die Integration aller Gewerke in den Automatisierungsprozeß sein. Erst dann ist wirklich ein universelles Gebäudesystem realisierbar, erst dann kann man wirklich anfangen, von einem "intelligenten Gebäude" zu sprechen. Andernfalls werden Teillösungen, z.B. für Lichtsteuerung, Heizung/Lüftung/Klima und Gebäudesicherheit nebeneinander existieren - mit allen technischen und verwaltungstechnischen Nachteilen.

LonWorks

Die Technologie, die diese Integration leisten kann, heißt LonWorks. Als Netzwerktechnologie überzeugt LonWorks durch ihr interoperables Konzept, welches auf dezentralisierter Intelligenz in einzelnen Netzwerkkomponenten aufbaut.

Gebäudeautomation ist die Summe aller Automatisierungsmaßnahmen in Gebäuden und an Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung. Sie ermöglicht es, die technischen Anlagen so präzise zu regeln, zu steuern und zu überwachen, daß gleichzeitig eine gesteigerte Wirtschaftlichkeit u.a. durch die Einsparung von Primärenergie und eine erhöhte Produktivität durch die Vereinfachung von Wartungs- und Servicearbeiten im Gebäudebetrieb erzielt wird. Die Anhebung des Komforts im Gebäude sowie die Implementierung von Sicherheitssystemen sind zwei weitere Aspekte, die sich organisch aus einem intelligenten Gebäudekonzept ergeben.

Je nach Art des Gebäudes finden wir die verschiedensten technischen Gebäudeausrüstungen, die automatisiert und überwacht werden müssen, um das Konzept eines "intelligenten Gebäudes" zu verwirklichen. Die wesentlichen Anlagen sind: Wärme- und Kälteerzeugungsanlagen, Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Sanitäranlagen, Elektrizitätsverteilanlagen, Beleuchtungsanlagen, Jalousieanlagen, Aufzug- und Förderanlagen, Fernmeldeanlagen, Sicherheitsanlagen. Die LonWorks-Technologie deckt gewerkeübergreifend das gesamte Spektrum denkbarer Automatisierungsanwendungen ab und zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität aufgrund der modularen Konzeption aus.

Dezentralisierung

Die revolutionäre Weiterentwicklung der Feldbustechnologien (integrierte Schaltkreise, Mikromechanik, Integration, Mikrocontroller) ermöglicht es heutzutage, die Intelligenz bis in die Feldgeräte zu verlagern. Die zunehmende Miniaturisierung und die weitergehende Integration in der Mikroprozessortechnik führt zu Mikrocontrollern mit integrierten, in den ICs implementierten Kommunikationssystemen. Intelligente und somit kommunikationsfähige Sensoren und Aktoren können auf dieser Basis entwickelt, gebaut und in den Markt gebracht werden.

Durch wirtschaftliche Produktion intelligenter Sensoren und Aktoren entstehen neue Strukturen der Gebäudeautomatisierungssysteme. Dies führt zu einer neuen Aufgabenverteilung innerhalb dieser Systeme. Die Automatisierungsfunktionen Steuern, Regeln, Optimieren, Adaptieren werden dezentralisiert und auf die Sensoren und Aktoren verteilt. Ebenso wird ein Teil der Überwachungsfunktionen dezentralisiert. In der Folge werden Regler, Optimierer, Steuerungen als eigenständige Geräte vom Markt verschwinden. Ein wesentlicher Vorteil der Dezentralisierung für den Anwender ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems mit den Merkmalen "schneller", "sicherer", "überschaubarer", die Erweiterung der Funktionalität sowie zusätzliche Kostenvorteile.

Integrierte Diagnose- und Wartungssysteme

Mit der Dezentralisierung der intelligent gesteuerten Automatisierungsfunktionen in ein Netzwerk lassen sich völlig neue Funktionen in komplexe Gebäudesysteme integrieren. Integrierte Diagnose- und Wartungssysteme stellen für den Gebäudebetreiber eine der interessantesten Typen neu realisierbarer Applikationen dar. Solche neuen Systemverwaltungs- und -betreuungsanwendungen werden die Inbetriebnahme, die Qualität der Automatisierung, die Konzepte der Wartung und den Betrieb von Gebäuden revolutionär verändern. Der Übergang von der planorientierten Wartung zur bedarfsorientierten Wartung wird mit diesem Ansatz möglich. Dabei müssen die Wartungsarbeiten nicht unbedingt vor Ort ausgeführt werden, sondern ein großer Teil der Arbeiten ist über Fernsteuerungseinheiten per Modem praktisch von jedem Schreibtisch aus durchführbar.

Heimautomation mit LonWorks.

Integrierte Kommunikation

Gerade im Baubereich sind jedoch, historisch gewachsen, die spezifischen Ausrüstungen entsprechenden Gewerken zugeordnet - der Heizungs- und Lüftungsbauer sorgt für die Heizung, der Elektriker für die Elektroinstallation. Das bedeutet, daß der notwendige Informationsaustausch auf der technischen Ebene schon im Produkt angelegt sein muß. Denn dann können alle Gewerke in ein System integriert werden, ohne daß z.B. der Heizungs- und Lüftungsbauer zusätzliches, spezielles Know-how erwerben muß. Hier setzt das Konzept von LonWorks an. In LON-Produkten ist die Kommunikation schon in der Hardware verankert und durchgehend standardisiert, so daß verschiedene Geräte problemlos mittels normierter Datenpakete Informationen austauschen können. Dadurch wird die Kompatibilität der Applikationen verschiedener Hersteller sichergestellt.

Die Gründe für die gesamtheitliche, systemorientierte Betrachtungsweise der Einzelkomponenten sind gemeinsame Strategien, z.B. das Prozedere beim Nutzungsbeginn des Gebäudes am Morgen und Stillegung am Abend sowie das Einsparen von doppelten Sensoren für Informationen, die gemeinsam genutzt werden, wie z.B. der Belegsensor (Bewegungsmelder) in einem Raum für Lichtsteuerung und Alarmanlage. Diese systemische Betrachtungsweise der Funktionen "Automatisierung eines Gebäudes", "Optimieren der zugeführten Energie", "Führen einer Betreibermannschaft für das Gebäude", "Fernbedienung und -kontrolle von Applikationen" setzt die zunehmende Vernetzung voraus.

Beleuchtungssystem mit LonWorks.

Ganzheitliche Betrachtungsweise

Doch um diese technisch machbaren Veränderungen umsetzen zu können, muß ein Umdenken derer einsetzen, die bei der Planung, Installation, Inbetriebnahme und Betreiben beteiligt sind. Die wesentliche Voraussetzung für diese Veränderung ist die gesamtheitliche Betrachtungsweise der kompletten Systemlösung bis hin zum Betreiben und Warten. Die Aufteilung der Planungsverantwortlichkeit für Sicherheitssysteme und der MSR-Technik hat z.B. bisher die Integration der Brandmelde- und Gebäudeleitsysteme verhindert. Einsparungen, die durch die Wandlung von der planorientierten Wartung hin zur bedarfsorientierten Wartung erfolgen, können nur durch das Betrachten der Investitions- und Unterhaltungskosten erkannt werden. Wer nur die Kosten der Sensoren und Aktoren vergleicht, wird nie den wirtschaftlichen Vorteil, der sich aus dem Wegfall nicht benötigter Regler ergibt, erkennen können.

Da die Automatisierungsgeräte von verschiedenen Herstellern für die verschiedenen Gewerke hergestellt, in den Markt gebracht und installiert werden, haben sich die großen Hersteller der Gebäudeautomation entschlossen, die Technologie mit der größten konzeptionellen Offenheit und mit der weitesten Anwendungsbreite für unterschiedlichste Nutzungsfelder wie z.B. Sicherheitstechnik, Beleuchtungstechnik, Fördertechnik usw. einzusetzen. Weiterer ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Auswahl einer bestimmten Technologie ist die Wirtschaftlichkeit mit der Forderung eines möglichst optimalen Kosten/Nutzen-Verhältnisses. Bei der Erkundung des Marktes nach einer derartigen Technologie stößt man zwangsläufig auf LonWorks, das als universelles Kontrollnetzwerk von der Firma Echelon für die Bereiche Automatisierung und Systemintegration entwickelt wurde. LonWorks ist auf dem Sprung, sich als Defacto-Standard in der Gebäudeautomation durchzusetzen. Daher setzen große Hersteller der MSR-Technik für Gebäudeautomation wie z.B. IBM, Philips, Tour & Andersson, Weidmüller auf LonWorks.

Dezentralisierte Systemintelligenz

Das herausragende Merkmal von LonWorks ist seine Interoperabilität: LonWorks nutzt zur Kommunikation verschiedenste physikalische Übertragungsmedien (verdrillte Zweidrahtleitung, Modulation der normalen Stromversorgung, Infrarot...). Hierdurch wird der Verdrahtungsaufwand zum Vernetzen der Systemkomponenten minimalisiert. Die Systemintelligenz ist dezentralisiert und sitzt in den einzelnen Sensoren und Aktoren sowie in speziellen Netzwerkknoten. Der Informationsaustausch ist vom physikalischen Netzwerk abgelöst und standardisiert, das Informationsmanagement findet auf einer übergeordneten logischen Ebene statt. Die Systemkonzeption basiert ausschließlich auf dieser logischen Netzebene und ist nicht durch spezielle physikalische Vorgaben eingeschränkt, was die Systementwicklung entscheidend vereinfacht. Auf diese Weise ist es möglich, verschiedenste Anwendungen unterschiedlicher Hersteller in ein Gesamtsystem zu integrieren. Die Integration aller Gewerke in der Gebäudeautomation bleibt nicht nur ein Wunsch, sie ist mit LonWorks schon heute Realität.


B i l d e r : Echelon GmbH, Baldham


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