IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 6/1997, Seite 184 ff.


HEIZUNGSTECHNIK


Wärmepumpen sind im Kommen

Immer mehr heizen mit Umweltwärme

Dipl.-Ing. Michael Birke

Sie waren ein wenig in Verruf geraten, von anderen sogar schon für tot erklärt worden. Dennoch erleben sie zur Zeit eine wahre Renaissance: Die Rede ist von Wärmepumpen.

1. Allgemeines

In der durch den Ölschock provozierten Goldgräber-Mentalität glaubten zu viele Firmen - denen letztendlich das nötige Know-how fehlte - sich mit der Wärmepumpe eine goldene Nase zu verdienen: Zu hohe Erwartungen, teilweise von der Industrie selbst geschürt, technische Mängel und falsches Auslegen von Anlagen führten zu zahlreichen Pannen und trugen zum Negativimage bei. Die Anfangsbegeisterung bei den Nutzern der Wärmepumpe schlug in schroffe Ablehnung um.

Inzwischen hat sich der Anbietermarkt neu gruppiert. Heute widmen sich nur noch Unternehmen mit entsprechendem technischen Wissen diesem aufkeimenden Markt. Auch beim installierenden Fachhandwerk gibt es mittlerweile zahlreiche Firmen, die - was Planung und Installation von Wärmepumpenanlagen angeht - über das richtige Maß an Können verfügen.

2. Was Wärmepumpen leisten

Die Wärmepumpe ist durch die Nutzung von Umwelt- oder Abwärme eine der effizientesten Technologien zur Erzeugung von Heizungsenergie. Nach neuesten Berechnungen und der Auswertung einer Vielzahl in Betrieb befindlicher Anlagen verbrauchen beispielsweise Wasser/Wasser- oder Sole/Wasser-Wärmepumpen zwischen 34 und 49% weniger Energie als Gasbrennwert- oder Ölkessel. Heizen mit der Wärmepumpe führt zudem zu einer Verminderung der CO2- und Schadstoffemissionen. Gerade der CO2-Ausstoß steht aufgrund der damit in Zusammenhang gebrachten Klimagefahren im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Auch hier liegt die Wärmepumpe mit Werten zwischen 31 und 60% unter Gasbrennwert- oder Ölkesseln.

Bild 1: Prinzip der Wärmepumpe.

Das Prinzip ist identisch mit der seit Jahrzehnten bewährten und ausgereiften Technologie der Kälteerzeugung. Der entscheidende Unterschied: Heizwärme wird hier nicht durch Verbrennung sondern durch einen thermodynamischen Prozeß gewonnen (Bild 1).

Die ersten Heizungs-Wärmepumpen kamen in Deutschland vor genau 20 Jahren auf den Markt. Seit dieser Zeit erzielte man in der Wärmepumpentechnologie beachtliche Fortschritte: Neben den "äußeren Werten" wie dem Design, der Verkleinerung der Aggregate und der Gewichtsersparnis nahm besonders die Leistungsfähigkeit der Wärmepumpen enorm zu. 1976 gewannen die Anlagen aus einem Teil Strom lediglich zwei Teile Heizenergie, während heute vier bis fünf Teile gewonnen werden.

Die Industrie bietet ein komplettes Programm ausgereifter Produkte an: Luft/Wasser-Wärmepumpen, Wasser/Wasser- und Sole/Wasser-Wärmepumpen für die Beheizung kleinster Einfamilienhäuser und größter Mehrfamilienhäuser.

Wärmepumpen eignen sich für Neubauten ebenso wie für bestehende Heizungssysteme. Bei der Entscheidung über den möglichen Einsatz einer Wärmepumpe spielt das Wärmeverteilsystem - insbesondere die erforderliche Vorlauftemperatur - eine Rolle. Für Neubauten empfehlen sich Niedertemperaturheizungen wie beispielsweise Fußbodenheizungen mit Vorlauftemperaturen von maximal 35°C. Auch bestehende Anlagen mit konventionellen Wärmeverteilungssystemen lassen sich mit dieser Technologie betreiben. Je geringer die Vorlauftemperatur, desto besser ist die Leistungszahl.

Auch auf die Umwelt wurde bei der Entwicklung neuer Wärmepumpen großen Wert gelegt. Das heute in den Geräten oftmals eingesetzte Kältemittel R 290 ist chlorfrei, es hat kein Ozon-Abbaupotential und trägt nicht zum Treibhauseffekt bei.

Bild 2: Die neuen Luft/Wasser-Wärmepumpen arbeiten mit dem umweltfreundlichen HFCKW-freien Kältemittel R 290.

3. Woher kommt die Wärme?

3.1 Aus der Luft

Die Wärmequelle Luft steht überall ausreichend zur Verfügung - sie unterliegt allerdings jahreszeitlichen Temperaturschwankungen. Die Erschließung dieser Wärmequelle stellt sich im allgemeinen als unproblematisch und preisgünstig dar. Die Industrie bietet Luft/Wasser-Wärmepumpen für die Innen- und Außenaufstellung an. Das Einsatzspektrum reicht wärmequellenseitig von -18 bis +30°C Außentemperatur. Damit ist diese Wärmepumpe auch in der Lage, ein Wohnhaus allein, also ohne einen zweiten Wärmeerzeuger - monovalent - zu beheizen (Bild 2).

Sollte die Wärmepumpe jedoch nicht allein den Wärmebedarf decken können, schaltet sich ab etwa -5°C bedarfsabhängig zum Beispiel eine kleine elektrische Zusatzheizung bzw. ein Gas- oder Ölkessel zu. Man spricht hier von einer bivalenten Heizung. Für die Nacherwärmung müssen im Schnitt nur rund 15% des gesamten Jahres-Heizenergiebedarfs aufgewendet werden.

Der besondere Vorteil der Luft/Wasser-Wärmepumpe liegt in der einfachen Installation - denn Erdreicharbeiten oder Brunnenbohrungen entfallen.

3.2 Aus dem Wasser

Grundwasser speichert Sonnenwärme. Selbst an kältesten Wintertagen sinkt die Temperatur des Wassers nicht unter 8 bis 12°C. Darin liegt der Vorteil. Leider steht Grundwasser nicht überall ausreichend und in geeigneter Qualität zur Verfügung. Aber dort, wo es möglich ist, lohnt sich der Einsatz. Die Nutzung von Grundwasser muß durch die zuständige Behörde (im allgemeinen die unteren Wasserbehörden) genehmigt werden. Für die Wärmenutzung ist ein Saugbrunnen sowie ein Schluck- oder Sickerbrunnen zu erstellen. Auch Flüsse und Seen eignen sich zur Wärmegewinnung (siehe das Fallbeispiel am Ende des Beitrags).

3.3 Aus dem Erdreich

Auch Erdreich speichert eingestrahlte Sonnenenergie. Sie wird entweder direkt in Form von Einstrahlung oder in Form von Wärme aus Regen und Wind vom Erdreich aufgenommen. Die im Erdreich gespeicherte Wärme wird über horizontal verlegte Erdwärmeaustauscher - auch als Erdreichkollektoren bezeichnet - entzogen und der Wärmepumpe zugeführt.

Bild 3: Erdwärmesonde: Heizen mit Wärme aus der Tiefe.

3.4 Erdwärmesonde setzt sich durch

Mittlerweile drängen zunehmend senkrecht verlegte Wärmeaustauscher, sog. Erdwärmesonden, in den Vordergrund (Bilder 3 und 4). Gerade bei bereits fertigen Gartenanlagen oder kleinen Grundstücken sind sie die ideale Möglichkeit, um in den Genuß der Erdwärmenutzung zu kommen.

Bild 4: Bis zu 150 m Tiefe dringt der Bohrer in das Erdreich ein

Das Erdreich hat ab einer Tiefe von 15 m eine fast konstante und von der Jahreszeit unbeeinflußte Temperatur (t = 10°C). Diese Tatsache wirkt sich überaus positiv auf den Betrieb von Wärmepumpen aus. Bei der Nutzung dieser Energiequelle erzeugt die Wärmepumpe aus einem großen Teil Umweltwärme und einem kleinen Teil Antriebsenergie die Heizwärme. Damit ist die Erdreich-Wärmepumpe in der Lage, ein Wohnhaus allein, also monovalent, zu beheizen.

Soviel zur Theorie. Werfen wir nun einen Blick in die Praxis. Installierte Wärmepumpen in Ein- und Zweifamilienhäusern gibt es zur Genüge. Noch nicht ganz so häufig sind Großanlagen mit mehreren Wärmepumpen. Bei unserer Suche sind wir auf eine hochinteressante, nicht alltägliche Anlage am Vierwaldstätter-See gestoßen.

Bild 5: Die Rohrschlangen wurden im See verlegt.

4. Wärmepumpenanlage für Mehrfamilienhäuser

Heizen aus dem See

Ein paar frierend am Seeufer von Küßnacht stehende Einheimische und Touristen argwöhnten, daß hier einige den Verstand verloren haben müßten: Wollten die doch tatsächlich den See leerpumpen. Mißtrauisch beobachteten sie damals, wie emsige Taucher zwei lange Rohrleitungen im Vierwaldstätter See versenkten (Bild 5).

Bild 6: Vorbereitung von Entnahmerohr und Rückgaberohr.

Natürlich dachte niemand auch nur im Traum daran, den See trockenzulegen. Was die Unwissenden sahen, gehörte zu Rohrleitungsarbeiten für eine neue Wärmepumpenanlage. Fünf Wasser/Wasser-Wärmepumpen beheizen von einer gemeinsamen Zentrale aus vier an der Uferpromenade gelegene Mehrfamilienhäuser im schweizerischen Küßnacht am Rigi. Dazu saugt ein Kunststoffrohr (Durchmesser 250 mm) 50 Meter vor dem Ufer Seewasser ab und führt es zu einem Pumpschacht am Ufer. Zwei Pumpen mit einer jeweiligen Leistung von 36 m3/h fördern das Wasser zur Heizzentrale und dort durch die Verdampfer der Wärmepumpen. Zur Vermeidung eines ungewollt geschlossenen Kreislaufes transportiert eine zweite, noch um 50 Meter längere Rohrleitung das um rund zwei Grad abgekühlte Wasser wieder zurück in den See. Filtersysteme im Ansaugrohr, vor den Pumpen, im Zubringer und vor den Wärmepumpen schützen die Anlage vor Verunreinigungen aus dem See (Bild 6).

Bild 7: Fünf Wasser/Wasser-Wärmepumpen beheizen von einer gemeinsamen Zentrale aus die vier Mehrfamilienhäuser.

Augenweide für Technik-Begeisterte

Ein Blick auf die drei Wohnhäuser und die Heizzentrale zeigt, hier haben Küßnachter Firmen zusammengearbeitet, die ihr Handwerk verstehen: Vom Architekturbüro Alex Burger über das Planungsbüro Möwa bis hin zur installierenden Firma Isenschmid. Die ausgeführte Anlage ist eine wahre Augenweide (Bilder 7 und 8).

Die Planungsarbeiten für die Überbauung "Seeplatz Gerbi" in Küßnacht mußten sich vorrangig an vorhandenen herrschaftlichen, barocken Gebäudestrukturen orientieren. Die empfindliche Lage neben der Kirche und den historischen Bauten verlangte ein behutsames Einbinden der neuen Baukörper in das traditionelle Umfeld. Konsequent setzte Architekt Burger daher auf eine dreigeschossige Massivbauweise, klarer Kubenbildung und Lochfassade mit hohen, zweigeschossigen, in Leichtbauweise konstruierten Walmdächern.

Bild 8: Die Verteilerstation.

"Ich bin offen für alles Neue", erläuterte Burger. "Bereits seit 1980 planen wir in unsere Bauten Systeme zur Nutzung regenerativer Energien ein. Wir zeigen damit auf, welche energieeinsparenden und umweltentlastenden Systeme es bereits heute für jeden Hausbesitzer gibt. Deshalb wollten wir auch bei diesem Bauprojekt mit der 'Heizen aus dem See' ein weiteres ökologisches Zeichen setzen, beziehungsweise eine Vorreiterrolle übernehmen. Selbst an kältesten Wintertagen sinkt die Temperatur des Seewassers nicht unter 8°C ab."

Wie ein stufenförmiger Wasserfall

Die fünf Wärmepumpen (Heizleistung insgesamt 152,5 kW) sind in Kaskade geschaltet - die Anzahl der in Betrieb befindlichen Wärmepumpen richtet sich nach der jeweiligen Leistungsanforderung. Drei 5000-Liter-Speicher nehmen auf der Kondensatorseite die von den fünf Wärmepumpen erzeugte Wärme auf und speisen sie mit 50/40°C in das Heizungsnetz ein. Witterungsabhängige Regelgeräte mit automatischem Tag/Nacht-Programm passen sämtliche Vorlauftemperaturen der einzelnen Heizgruppen den jeweiligen Außentemperaturen an. Ein Zentralgerät steuert alle Heizkurven und das gewünschte Heizprogramm. Die Wärmeabgabe in den insgesamt 20 Wohnungen der drei Gebäude erfolgt über Radiatoren, kombiniert mit Fußbodenheizung. Für warmes Wasser sorgen in jeder Wohnung installierte 300-Liter-Schrankboiler - ein in der Schweiz häufig vorkommendes System. Besonderheit: Das Brauchwasser wird zusätzlich über einen eingebauten Wärmeaustauscher vom Heizsystem vorgewärmt.

In einer späteren Phase soll die Heizzentrale zusätzlich die Wärmeversorgung für ein bestehendes Mehrfamilienhaus auf einem Nachbargrundstück übernehmen. Den erhöhten Wärmebedarf deckt eine bereits eingeplante sechste Wärmepumpe gleichen Typs ab. Die Seewasserpumpen sowie die Leitungsquerschnitte sind bereits für diese zusätzliche Ausbaustufe dimensioniert.

Die Wärmepumpenanlage in Küßnacht geht in die dritte Heizsaison. Bereits in den ersten beiden Wintern lief die Heizung zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten - insbesondere der Mieter. Die Anlage am Vierwaldstätter See ist eine Referenzanlage, wie sie nicht jeden Tag anzutreffen ist. Sie zeigt aber, wo bei entsprechendem Ideenreichtum von Planern und ausführendem Handwerk sinnvolle Einsatzmöglichkeiten der Wärmepumpe liegen.

Geld gibt's auch noch

Mitentscheidend für den heutigen Aufschwung der Wärmepumpen in Deutschland sind Fördermittel, die von Bund, Ländern und vielen Energieversorgungsunternehmen bereitgestellt werden. So unterstützt beispielsweise der Bund den Einbau mit 300 DM je kW errichteter oder erweiterter Heizleistung bis 15 kW und 100 DM je kW, die über 15 kW hinausgeht. Dabei können nur Anlagen mit H-FCKW-freien Arbeitsmitteln/Kältemitteln gefördert werden. Soweit es sich um Elektrowärmepumpen handelt, ist eine vom Anlagenbauer zu bestätigende, unter den jeweiligen Standortbestimmungen errechnete Jahresarbeitszahl nachzuweisen, die bei Errichtung

- im Jahr 1997 größer als 3,2 und

- im Jahr 1998 größer als 3,3 und

- im Jahr 1997 größer als 3,5 und

- im Jahr 1998 größer als 3,8 sein muß.

Der Maximalbetrag für einen Zuschuß liegt bei 20 000 DM pro Einzelanlage. Hierbei besteht ein Kumulierungsverbot zu den Fördermitteln auf Landesebene.

Weitere Zuschüsse sind über die steuerliche Wohneigentumsförderung (Ökozulage), die Deutsche Ausgleichsbank sowie von zahlreichen Energieversorgungsunternehmen erhältlich.

Auch ein namhafter Wärmepumpenanbieter steuert zusätzlich einen attraktiven Teil bei und zahlt einen Umweltbeitrag zwischen 500 und 4000 DM je nach Größe der Wärmepumpenanlage.


B i l d e r : Stiebel Eltron, Holzminden


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