IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/1997, Seite 54


REPORT


Zukunft der Zentralheizungstechnik

Dr.-Ing. Heinrich-Hermann Schulte* · Teil 1

Die weitere Entwicklung in der Zentralheizungstechnik wird von vielen Einlußfaktoren, wie z. B. immer schärfere Gesetzesvorhaben, härtere Marktbedingungen, Kundenwünsche/-Service, Angebot der Technik, der verwendbaren Energie und Umwelt-Anforderungen, geprägt sein.

Einleitung

Die Zukunft der Heiztechnik und hier insbesondere die der Wärmeerzeuger zu prognostizieren, erscheint aufgrund der fast unüberschaubaren Menge an Einflußparametern als eine kaum lösbare Aufgabe. Tatsache ist, daß häufig je nach Interessenverfolgung singuläre Zusammenhänge und Parameter ausgewählt werden, die die gewünschte zukünftige Technologieentwicklung scheinbar plausibel auf zeigen. So gelingt es den Forschungsinstitutionen, die Photovoltaik oder Brennstoffzelle als die sichere zukünftige Technologie darzustellen und den traditionsabhängigen Zünften überholte Technologien zur Wärmeerzeugung auch fur die nächsten 20 Jahre unverändert als zukunftssicher zu bezeichnen. Diese Verunsicherung in Deutschland hat dazu beigetragen, daß der Heizungsbranche verschiedenste Förderprogramme und gesetzliche Auflagen aufgezwungen wurden, so daß heute eine relativ hohe Fremdbestimmtheit bezüglich einzuhaltender Emissionsgrenzwerte anzutreffen ist mit der Konsequenz, daß die deutschen Produkte gegenüber den anderen europäischen Produkten überteuert sind. Die Heizungsbranche muß sich aus eigenem Interesse dringend von diesen fremdbeeinflußten Steuerungsmechanismen durch Überwindung der kontroversen Standpunkte und Findung einer gemeinsamen zukunftsweisenden Position befreien. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Planern, Ingenieurbüros und der Baubranche, wird deswegen unerläßlich. Für die Fachleute der Heizungsbranche bedeutet dies, zunächst Licht in die tatsächlich große Menge von Einflußparametern zu bringen, um einheitliche Aussagen zu ermöglichen. Auf Basis der Haupteinflußgrößen sind realistische Zukunftsprognosen zu entwickeln, die mehr Mitspracherecht und Gestaltungskraft in allen maßgeblichen Bereichen verschaffen.

Einflußfaktoren einer zukünftigen Entwicklung

Die Haupteinflußgrößen zur Ermittlung einer realistischen Zukunftsprognose lassen sich in vier Gruppen unterteilen:

Da sind zunächst die Rahmendaten des Marktes, wie die Struktur des Wohnungsbestandes, die gesetzlichen Auflagen, die Einkommensentwicklung sowie die Investitions- und Betriebskosten eines Zentralheizungssystems. Zweite wichtige Einflußgröße ist die Erwartungshaltung des Kunden bezüglich Behaglichkeit, Komfort und Hygiene des installierten Heizungssystems. Der dritte wichtige Parameter ist das Angebot der Technik zur Wärmeerzeugung und viertens wirkt das jeweilige Energieangebot als entweder fossile Energie oder erneuerbare Energie auf die zukünftige Technologieentwicklung ein. Im Bild 1 sind die vier Einflußgrößen mit den jeweils bestimmenden Faktoren dargestellt, wobei unter der Rubrik Technik die heute bekannten und zukünftig möglichen Wärmeerzeugertechnologien aufgeführt sind.

Ausgehend von diesen vier Hauptgrößen soll im folgenden eine Aussage zur künftigen Entwicklung der Heiztechnik bis zum Jahr 2010 gemacht werden. Dabei wird in drei Kategorien unterschieden: Keine Änderung, gezielte Technolgieanpassung oder eine gravierende Technologieumstellung.

Markt- und Rahmendaten

Die wichtigste Einflußgröße bei den Markt- und Rahmendaten ist die zu erwartende Veränderung beim Wohnungsbestand. Zu den 35 Mio. Wohnungen im Altbestand (Bild 2) werden bis zum Jahre 2010 ca. 5,5 Mio. Wohnungen hinzukommen, die dann zumindest nach den neuen Vorgaben der Wärmeschutzverordnung 1995 ausgeführt sind. Die Veränderung für die Heiztechnik wird sich aufgrund dieser Zahlen nicht nach der Neubautätigkeit, sondern in erster Linie danach richten, wie sich der Umfang der Sanierungen im Altbestand darstellt. Kleinere Leistungen der Systeme, bezogen auf den Jahresdurchschnitt, werden die sichere Konsequenz dieser Entwicklung sein. Der Jahresheizwärmebedarf, der in Abhängigkeit von der Bestandsstruktur im Bild 3 dargestellt ist, zeigt eine Abnahme des Wärmebedarfes von 250 kWh/m²a über 150 kW/hm²a auf ca. 100 kWh/m²a, der bei Niedrigenergiehäusern auf ca. 70 kWh/m²a sinken wird. Geprägt von der Bestandsstruktur bei den Wohnungen wird sich auch der Markt hinsichtlich des Einsatzes der verwendeten Energieträger entwickeln.

Begünstigt durch den generellen Trend zu kleineren gut regulierbaren Leistungen, wird sich bis zum Jahre 2010 der Einsatz von Gas als Hauptenergieträger auf ca. 58 % weiter erhöhen während der Öleinsatz auf ca. 28 % zurückgeht ( Bild 4). Der Stromeinsatz bleibt fur die Wohnungsbeheizung weiterhin gering vorausgesetzt, es bleibt bei den heute charakteristischen Daten einer Stromerzeugung aus überwiegend festen Brennstoffen. Bei einer Gegenüberstellung der verschiedenen Beheizungsstrukturen aus dem Jahr 1993 mit einer Abschätzung fur 2010 zeigt sich, daß die gasbetriebenen Zentralheizungssysteme einen weiter steigenden Anteil an der Gesamtaufteilung haben werden. Bild 5 dokumentiert auch, daß alle anderen Beheizungsformen bis hin zur Einzelraumheizung keine signifikanten Veränderungen erfahren. Bei den Investitionsmaßnahmen zur Senkung der Wärmekosten eines Gebäudes zeigt sich, wie im Bild 6 dargestellt, daß nur 2 Pfennig pro eingesparter kWh bei Einsatz der Brennwerttechnik aufgewandt werden müssen, gefolgt von einigen teueren bautechnischen Maßnahmen. Vergleichsweise unrentabel sind mit 63 Pf/kWh und 83 Pf/kWh die Dreifachverglasung und eine Wärmerückgewinnungsanlage. Diese in der Praxis ermittelten Werte werden in einer Kosten- Nutzenbetrachtung zur Beurteilung der Wirkungsweise von Wärmedämmschichten bestätigt. Zwar sinken mit zunehmender Wärmedämmschichtdicke auch die Wärmeverluste, wie Bild 7 zeigt, allerdings wirken sich bei Dämmschichtdicken oberhalb von 0,08 bis 0,1 m die Lüftungsverluste so kostentreibend aus, daß eine optimale Dämmschichtdicke unter Gesamtkostengesichtspunkten bei ca. 0,06 bis 0,08 m festgestellt werden kann. Vergleicht man die in der Praxis durchgeführten Energieeinsparmaßnahmen, so werden die genannten Grunderkenntnisse bestätigt, daß zu ca. 76 % eine Erneuerung der Heizungsanlage erfolgt, häufig gepaart - wie Bild 8 zeigt - mit einer Erneuerung der Thermostatventile und Regelungen. Wärmedämmaßnahmen werden dagegen nur zu einem geringen Prozentsatz durchgeführt.

Neben den detailliert dargestellten Zusammenhängen bei der Änderung der Wohnungsstruktur spielt bei der Ermittlung künftiger Heiztechnologien die Nettoverdienstentwicklung der Endkunden eine ausschlaggebende Rolle. Bild 9 zeigt, daß fur einen Angestellten-4-Personen-Haushalt von 1988 bis 1995 ein fast stetiger Rückgang des Nettoverdienstes von 70,6 % auf 66,7 % - bezogen auf den Bruttoverdienst - eingetreten ist. Die anhaltende Verknappung finanzieller Mittel führt auch bei der Nachfrage nach Heizungssystemen zu preisgünstigen aber zuverlässigen Systemen. Teuere - sogenannte High-tech-Produkte - werden zunehmend einem Nischenmarkt vorbehalten bleiben.

Erwartungshaltung des Kunden

Die zweite Gruppe der Haupteinflüsse, die die Zukunft der Zentralheizungstechnik bestimmt, ist der Komfortanspruch des Endkunden. Geprägt durch in der Vergangenheit großzügig ausgelegte Heizungsanlagen und ein relativ preisgünstiges Angebot an fossilen Energieträgern, erwartet der Endkunde heute, daß eine Anlage so ausgelegt wird, daß ein Zustand der thermischen Behaglichkeit in kürzester Zeit erreicht oder wiederhergestellt wird. Hierbei bedeutet thermische Behaglichkeit 17° C Wandtemperatur und 20° C Raumtemperatur. Hinzu kommt die Erwartung einer komfortablen Brauchwasserbereitung, die zwischen 20 l und 70 l pro Tag und Person liegt. Schnelle Betriebsbereitschaft, einfache Bedienung und umfassender Service sind heute selbstverständlich, so daß der Grundsatz gilt: Der Kunde kann trotz eines ausgeprägten Energieeinsparwunsches auf alles verzichten, nur nicht auf Komfort!

Im Bild 10 sind die wesentlichen Kriterien erfaßt. Der Wiederherstellung der Behaglichkeit kommt dabei eine Schlüsselposition mit gravierenden Auswirkungen auf die leistungsmäßige Auslegung eines Wärmeerzeugers zu.

Geht man von einem Niedrigenergiehaus aus, das - bezogen auf die Jahresheizleistung - mit einem 5 kW-Kessel rechnerisch exakt ausgelegt ist, so ergibt sich bei einer einstündigen Unterbrechung der Heizleistung - bedingt durch eine entsprechende Brauchwasserbereitung - eine Absenkung der Wandtemperatur von 17° C auf 16° C und der Raumtemperatur von 20° C auf 18° C. Zur Wiederherstellung der bekannten thermischen Behaglichkeitswerte innerhalb einer Stunde wird dann ein Heizkessel mit einer Leistumg von 9,7 kW erforderlich (Bild 11). Wird die Heizungsanlage zur Brauchwasserversorgung um zwei Stunden unterbrochen, so kann eine thermische Behaglichkeit innerhalb einer Stunde nur wiederhergestellt werden, wenn die Kesselleistung auf 14,4 kW ausgelegt wurde. Die minimal auszulegende Kesselleistung wird damit maßgeblich von dem individuellen Behaglichkeitsanspruch gesteuert, der sich in der Zeit zur Wiederherstellung einer geprägten Komforterwartung niederschlägt und nicht von der rechnerisch ermittelten Größe eines theoretischen Wärmebedarfs abhängt. Bild 12 zeigt die Abhängigkeit der Kesselleistung von der jeweiligen Heizpause.

Neben den Komfortansprüchen des Endkunden sind auch die Wünsche und Erwartungen des Heizungsbauers und des verarbeitenden Gewerbes unbedingt zu erfullen. Die Kriterien, die hieraus für den Hersteller resultieren, sind in Bild 13 aufgelistet. (Fortsetzung folgt)

B i l d e r: Buderus Heiztechnik GmbH

Bild 1: Mögliche Entwicklung der Heiztechnik bis zum Jahr 2010.
Bild 2: Wohnungsbestand. Ausgangssituation in Deutschland 1993.
Bild 3: Analyse des Wohnungsbestandes.
Bild 4: Entwicklungen der Energieträger bei Zentralheizungen bis 2010.
Bild 5: Gegenüberstellung der Beheizungsstruktur (1993-2010).
Bild 6: Wärmekosten der eingesparten Energie bei verschiedenen Maßnahmen.
Bild 7: Beispiel Kosten-Nutzenbetrachtung anhand zusätzlicher Wärmedämm- Maßnahmen.
Bild 8: Durchführungsquoten verschiedener Energiesparmaßnahmen.
Bild 9: Analyse der Einkommensentwicklung (Auswirkungen auf die Heizungstechnik).
Bild 10: Komfortansprüche des Endkunden.
Bild 11: Funktioneller Ablauf der Speicherladung im Niedrigenergiehaus und erforderliche Heizleistung bei 1 Stunde Ladedauer.
Bild 12: Minimal erforderliche Kesselleistung unter Berücksichtigung der Warmwasserbereitung.
Bild 13: Erwartungen des Heizungsbauers.


*) Dr.-Ing. Heinrich-Hermann Schulte, Mitglied der Geschäftsführung Buderus Heiztechnik GmbH, Wetzlar


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]