IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 23/1996, Seite 86 f.


INTERVIEW


Europäische Ziele

Seit Anfang März ist Hans Joachim Leydecker Präsident des Bundesverbandes der deutschen Heizungsindustrie (BDH). Aus der Redaktion der IKZ-HAUSTECHNIK sprachen Günther Klauke und Detlev Knecht mit ihm und dem Geschäftsführer des BDH, Andreas Lücke, über Vorhaben und Ziele des Verbandes.

IKZ-HAUSTECHNIK: Schildern Sie bitte unseren Lesern zunächst einmal die grobe Struktur des BDH.

Hans Joachim Leydecker, Präsident des BDH, Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie.

Leydecker: Der BDH hatte in der Vergangenheit eine sehr starke Ausrichtung auf das reine Heizungsbauergeschäft mit Schwerpunkt bodenstehende Gas- und Öl-Wärmeerzeuger. Vor etwa zwei Jahren beschloß der BDH-Vorstand, einen ganzheitlicheren Vertretungsanspruch für die Heizungsindustrie sicherzustellen. Dazu sind verschiedenste Aktivitäten in Richtung Erweiterung gestaltet worden, wobei die Erweiterung dem Markttrend folgend auch Wandgeräte umfaßt. Auch mußte der Trend hin zum Gas stärker berücksichtigt werden. Inzwischen sind wir einen Schritt weitergekommen. Der BDH fühlt sich nun kompetent für Schornsteine, Heizkörper, bodenstehende Kessel und für wandhängende Geräte.
Aus unserer Vorstellung ist dieser Entwicklungsprozeß noch nicht zu Ende. Wir bemühen uns, diese Verbreiterung weiterzuführen, so daß wir irgendwann die Heizungsindustrie im gesamten vertreten.

"Hatten wir früher eine Konfrontation im Innenverhältnis, so müssen wir heute nach außen hin möglichst geschlossen auftreten"

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Interessen vertreten Sie wem gegenüber?

Leydecker: Wir versuchen, unsere Interessen oder unsere Meinung dem Markt gegenüber zu artikulieren.

IKZ-HAUSTECHNIK: Hat man sich in der Vergangenheit unterrepräsentiert gefühlt, da man jetzt versucht, stärker aufzutreten?

Andreas Lücke, Geschäftsführer des BDH, Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie.

Lücke: Die Notwendigkeit, stärker aufzutreten, hat zugenommen, da der Druck aus der Politik gestiegen ist. Gab es früher getrennte Läger und bis heute die Kontrahenten Gas und Öl, so interessiert diese Politik nur am Rande. Im Vordergrund für die Umwelt- und Energiepolitik bzw. Wohnungsbaupolitik besteht die allgemeine Forderung an die Heizungsindustrie, eine schadstoffarme und energieeinsparende, moderne Heizungstechnologie am Markt durchzusetzen. Hatten wir früher eine Konfrontation im Innenverhältnis, so müssen wir heute nach außen hin möglichst geschlossen auftreten.

"Jetzt müssen wir mit der Politik einen gemeinsamen Weg einschlagen"

IKZ-HAUSTECHNIK: Druck aus der Politik? Wie äußert sich dieser der Heizungsindustrie gegenüber?

Leydecker: Er äußert sich dadurch, daß man versucht, die - in Einzelfällen - besseren technischen Leistungen einzelner Firmen in Vorschriften zu verallgemeinern und auf alle Unternehmen auszubreiten. Auf der anderen Seite haben sich viele Hersteller Selbstverpflichtungen auferlegt. Aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, an dem es heißt, mit der Politik eine anderen Weg einzuschlagen. Wir sind an vielen Stellen unserer Technik fast schon an physikalische Grenzen herangekommen. Und deswegen müßten wir eigentlich in der Umweltpolitik jetzt Europäer werden und sagen, wir haben einen sehr hohen technischen Stand erreicht. Wir sollten mit der Politik versuchen, diesen sehr hohen Standard an Anforderungsprofilen zu exportieren. Das müßte eigentlich aus Sicht der deutschen Industrie die Hauptstoßrichtung der nächsten Jahre werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Werden Sie auf der anderen Seite durch die politische Umsetzung des Energieeinsparens als deutsche Industrie in eine Ecke gedrängt, aus der nur noch schwer wieder herauszukommen ist? Bedenkt man doch, daß man bei Einfamilienhäusern die Geräte nicht hat - zumindest im Ölbereich -, mit denen man diese geringen Leistungen realisieren könnte.

Leydecker: Der Energiebedarf je Haushalt hat tatsächlich sinkende Tendenz. Aber es gibt auch einen ganz eindeutigen Gegentrend, und das ist der Komfortanspruch des Kunden. Der drückt sich z.B. beim Warmwasserkomfort aus. Das Bedürfnis, Warmwasser zur Verfügung zu haben zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Mengen, mit bestimmten Temperaturen ist losgelöst von der Wärmebedarfsberechnung des Hauses.

"Ein Niedrigenergiehaus-Problem für Heizkörper sehen wir nicht"

IKZ-HAUSTECHNIK: Sehen Sie eine gewisse Gefahr, daß, bedingt durch den niedriger werdenden Wärmebedarf des Raumes, der Heizkörper, so wie man ihn kennt, aus den Räumen verschwindet?

Leydecker: Wenn das Gebäude dicht ist, muß für Frischluft gesorgt werden. Dann spielen die Themen Warmluftheizung, Wärmerückgewinnung oder Frischluftheizung mit Wärmerückgewinnung eine Rolle. All diese Dinge setzen einen willigen Bauherrn, einen mutigen Architekten und einen hilfswilligen Installateur voraus. Anspruchsvolle Techniken beinhalten zunächst einmal einen relativ hohen Lernbedarf, und zwar so lange, bis eine Erfahrungsbasis geschaffen worden ist.

"Übergang von der Gerätetechnik, hin zu einer Systemtechnik, das muß unser gemeinsamer Ansatz sein"

Lücke: Früher war es so, daß die beiden Fachausschüsse Heizkessel und Heizkörper im BDH miteinander nichts zu tun hatten. Dies hat sich grundlegend geändert. Die Heizung wird angesichts der Notwendigkeit, Energieverbräuche zu senken und Schadstoffe zu mindern, als System optimal abgestimmter Komponenten gesehen. Es gibt somit genügend Gesprächsstoff zwischen Herstellern von Heizkesseln, Wärmeverteilsystemen, Regelungen und Heizkörpern.

Das heißt also, ein Niedrigenergiehausproblem für die Heizkörperindustrie sehen wir nicht. Ganz im Gegenteil sehen wir eher eine Chance als Folge von Komfortgedanken und der Energieeinsparung. Wir glauben, eine optimale energetische Situation und optimalen Komfort durch die richtige Auslegung von Heizkörpern gemäß der in unserer Branche bereits verbreitete Philosophie ,Die neue Wärme 55/45°C‘ geschaffen zu haben.

Zu dem System zählen wir selbstverständlich auch die Regelungen. Sie werden im Vergleich zu konventionellen Ansätzen schnell auf sich verändernde klimatische Verhältnisse reagieren müssen.

Wir stehen mit dem Wohnungsbauministerium und Umweltministerium in engem Kontakt und stellen fest, daß sie durchaus Interesse daran haben zu erfahren, welche Möglichkeiten im technischen Bereich bestehen. Diese Erkenntnisse fließen in den Dialog ein. Das Haus sehen wir als Gesamtheit und nicht nur als Bauhülle.

Leydecker: Übergang von der Gerätetechnik, hin zu einer Systemtechnik, das muß unser gemeinsamer Ansatz sein. Das Zweite ist damit verbunden, daß es nicht darum geht, jetzt einzelne Komponenten aus diesen Systemen herauszuoptimieren, sondern Gesamtoptimierung herbeizuführen. Und der dritte Ansatz heißt, hinauszugehen aus der Enge des deutschen Marktes und zu versuchen, diese ganzen Erkenntnisse auch auf die europäisch politische Ebene zu stellen. Wenn wir das nicht tun, besteht die Gefahr, daß wir uns eigene Wettbewerbshemmnisse im eigenen Markt schaffen. Denn wenn andere in ihren Heimatmärkten diese Ansprüche nicht zu erfüllen brauchen, werden sie trotzdem in unseren Markt drängen und ihre Produkte anbieten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Ist man dann nicht mit den Bemühungen in Brüssel, nämlich die Stärke der deutschen Industrie und ihre Technologie in Europa durchzusetzen, fünf Jahre zu spät?

Leydecker: Zu spät würde ich nicht sagen. Man hat sich zu viel mit seinen eigenen Normen beschäftigt und hat dabei vergessen, sie woanders voranzutreiben. Zwar hat man mitgewirkt in europäischen Gremien, aber immer auf einer - wie es so schön heißt - Spiegelgremienebene statt gleich ins Hauptgremium zu gehen. Das würde ich als ein Versäumnis betrachten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kann der BDH mit seiner starken Position im europäischen Markt da noch etwas retten.

Leydecker: Ich denke schon. Andere europäische Industrieverbände haben die gleichen Probleme wie wir. Es geht oft nur darum, wie die Bandbreiten aussehen, die man den jeweiligen Märkten zugesteht. In erster Linie geht es um die Interessen, in welche Richtung das Ganze marschiert und wie sich der Markt entwickelt.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß im Sinne des Umweltgedankens, im Sinne der Energieausnutzung, im Sinne des technologischen Fortschritts eine Annäherung entsteht. Unterschiede wird es aber immer geben. Also behaupte ich, daß es in absehbarer Zeit kein europäisches Produkt gibt. Es wird immer wieder auf den Endkunden und dessen Gewohnheiten zugeschnitten sein.

Lücke: Ich kann das Gesagte nur bestätigen. Unterschiede gibt es immer, nehmen Sie Frankreich, Deutschland, Österreich und dann eben andere, die Mittelmeerländer mit anderen klimatischen Bedingungen. Dennoch gibt es eben einige Schnittmengen von Interessen, die man durchaus gemeinsam in Brüssel vertritt.

Leydecker: Industriepolitik ist auch zunehmend eine europäische Industriepolitik. Und insofern ist es sicherlich gut, wenn wir deutsche Kompetenz mit einbringen. Denn in letzter Konsequenz sind es ja Verwaltungsbeamte, politische Institutionen, die froh sind, wenn man ihnen sagt, welche technischen Möglichkeiten es gibt und wie man sie in praktischer Form umsetzen kann. Und insofern ist es um so wichtiger, daß wir uns als Deutsche viel stärker auf der Normungsebene, auf der Gestaltungsebene, aber auch auf Lobbyebene engagieren und nicht Daheim. Das sieht auch die Bundesregierung ein und fordert uns auf, dort mitzuhelfen, die gemeinsamen Interessen zu vertreten.

"Wenn ein Baumarkt eine Einzelaktivität startet und eine Heizungsanlage in die Ausstellung bringt, dann darf man das nicht überbewerten"

IKZ-HAUSTECHNIK: Sehen Sie für den Bereich der Heizungsindustrie bzw. des Heizungsmarktes ähnliche Wege wie das im Moment auf der Sanitärseite mit der ,Bäderwelt‘ geschieht?

Leydecker: Nein, denn es geht ja nicht darum, nur eine Armatur oder Badewanne zu verkaufen. Wir vertreiben doch im Heizungssektor ein Systemgeschäft, was nicht so schnell solchen Einflüssen ausgesetzt ist wie der Sanitärbereich. Wenn ein Baumarkt eine Einzelaktivität startet und eine Heizungsanlage in die Ausstellung bringt, dann darf man das nicht überbewerten.

Lücke: Kaum jemand erwartet ernsthaft, daß nach der ,Bäderwelt‘ die ,Heizungswelt‘ kommt. Dennoch sind wir uns darüber im klaren, daß nach wie vor in geringen Mengen die Heizung auch im Baumarkt eine Rolle zu spielen beginnt. Nun ist die Heizung leider ein ,Low-Interest-Produkt‘ - ein Produkt mit wenig Interesse beim Kunden. Und es bietet nicht die optischen Anreize wie Sanitärartikel. Es ist also kaum zu erwarten, daß Endverbraucher mit dem Ziel der Auswahl von Heizungen nach optischen oder ästhetischen Kriterien in Ausstellungsräume bzw. Baumärkte gehen werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Ziele haben Sie sich als Präsident des BDH gesetzt?

Leydecker: Ziele haben wir vorhin angesprochen. Erstens: Zunächst möchte ich die Heizungsbranche in der Politik breiter vertreten sehen. Die zweite Aufgabenstellung heißt - und hier setze ich die Priorität - unsere Stärke als deutsche Heizungsindustrie in den europäischen Raum zu tragen. Und dazu müssen wir die deutschen Interessen dem Ausland gegenüber glaubhaft machen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kommen wir zu einem anderen Thema. Das deutsche Messewesen treibt kuriose Blüten zutage, wenn man sich die vielen Ausstellungen und Messen vor Augen hält. Was sagt der BDH dazu? Was ist die Meinung des Verbandes?

Leydecker: Es gibt einen BDH-Beschluß der da heißt 1 plus 4. Die 1 steht für die ISH, die 4 für vier weitere Messen. Wir sind der Meinung, daß es heute in Deutschland zu viele solcher Veranstaltungen gibt. Nicht zuletzt wegen der Kosten, die da auf einen zukommen. Man sollte doch von einem Besucher erwarten, daß er zu einer Messe reist, und nicht die Messe zu ihm. Mitunter liegen zwischen zwei Veranstaltungen nur acht Wochen und wenige hundert Kilometer auseinander.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Messen favorisieren Sie dann?

Leydecker: Zum einen die ISH. Hinzu kommen die Messestandorte Hamburg, Essen, Nürnberg sowie Berlin mit Leipzig im Wechsel. Wir glauben, damit eine zweckmäßige Messelandschaft zu haben.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Leydecker, Herr Lücke, wir danken für das Gespräch.


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