IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1996, Seite 104 ff.


RECHT-ECK


Bauvertragsrecht

Die VOB/B und das AGB-Gesetz Teil 2

RA F.-W. Stohlmann

Im ersten Teil dieses Artikels sind die Fragen angesprochen worden, ob Leistungsbeschreibungen und Verhandlungsprotokolle auch der Prüfung der Wirksamkeit nach dem AGB-Gesetz unterworfen werden können. Dies wurde eindeutig bejaht. So sind Allgemeine Vertragsbedingungen, besondere Vertragsbedingungen, zusätzliche Vertragsbedingungen sowie auch zusätzliche technische Vorschriften bezüglich der darin enthaltenen Klauseln auf Wirksamkeit nach dem AGB-Gesetz überprüfbar, d.h. jede Klausel kann darauf untersucht werden, ob sie wirksam oder unwirksam ist.

Dies gilt auch für Verhandlungsprotokolle, wenn diese einen vorgeschriebenen Text enthalten und lediglich sog. Lücken durch hand- oder maschinenschriftliche Teile ergänzt werden. Wenn der Auftraggeber diese Teile einseitig ergänzt, liegt auch ein vorformulierter Text im Sinne des AGB-Gesetzes vor. Im ersten Teil wurde die Frage beantwortet, wann von der VOB "als Ganzes" und wann von Abweichungen wesentlicher Art auszugehen ist. Im zweiten Teil wird untersucht, ob Abänderungen der VOB in deren wesentliche Kerngehalte eingreifen. Die begonnenen Ziffern werden fortgesetzt.

2.3.8 Abänderungen von ß 13 VOB/B

Wird die Regelung des ß 13 VOB/B komplett durch die Gewährleistungsregelung des BGB ersetzt, so wird damit ein "Kernstück der VOB/B herausgenommen".

Entgegen OLG Düsseldorf ist damit ein ganz wesentlicher Eingriff in den Gerechtigkeitsgehalt der VOB/B verbunden. Sie ist nicht mehr "als Ganzes" erhalten.

Wird dagegen die Regelung des ß13 VOB/B nur insoweit verändert, als die in ß 13 Nr. 4 VOB/B für Arbeiten an einem Bauwerk festgelegte Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre verlängert wird, so wird dies danach zu beurteilen sein, ob die verlängerte Verjährungsfrist aufgrund der Besonderheit des konkreten Gewährleistungsrisikos bei der entsprechenden Art des Vertrages geboten ist, da die VOB insoweit nach allgemeiner Ansicht eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist zuläßt.

Der BGH hat diese Frage bisher offengelassen. Es dürfte jedoch davon auszugehen sein, daß eine generelle Veränderung der Gewährleistungsverjährung auf fünf Jahre den Kernbereich der VOB/B zum Nachteil des Auftragnehmers berührt. Eine ganz andere Frage ist selbstverständlich, ob eine solche Gestaltung trotz dieses Eingriffs in den Kernbereich der VOB/B rechtswirksam ist. Dies wird vom BGH zu Recht bejaht. Eine solche modifizierte Klausel ist daher wirksam.

 

2.3.9 Einschränkung des Rechts auf Abschlagszahlungen, ß 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B

Sehr häufig wird vom Auftraggeber in Ausschreibungen abweichend von ß 16 Nr. 1 VOB/B geregelt, daß der Auftragnehmer Abschlagszahlungen nicht in Höhe der jeweils nachgewiesenen Leistungen (also zu 100%), sondern nur in geringerer Höhe, beispielsweise in Höhe von 90% erhält.

Allein dieser ganz übliche Eingriff in die VOB-Regelung reicht nach Meinung des BGH aus, den in der VOB festgelegten gerechten Interessensausgleich dergestalt zu beeinträchtigen, daß die VOB nicht mehr als Ganzes erhalten ist. Damit unterfallen alle VOB-Bestimmungen der Prüfung, ob sie im Einzelfall wirksam oder unwirksam sind.

2.4 Eingriffe in die VOB als "Ganzes", wenn der Auftragnehmer Verwender ist

Kommt der Vertrag nicht, wie es dem Regelfall entspricht, durch Ausschreibung des Auftraggebers zustande, sondern aufgrund eines Auftragnehmerangebotes, dessen Inhalt dieser selbst festlegt, so ist auch in diesem Fall die VOB/B nur dann einer Prüfung durch das AGBG entzogen, wenn sie nicht durch Eingriffe des Auftragnehmers in ihrem Kernbereich zu Lasten des Auftraggebers verändert wurde.

Ein solcher Eingriff ist beispielsweise dadurch gegeben, daß der Auftragnehmer die Regelungen der Quasi-Unterbrechung der Gewährleistung gem. ß 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B dahingehend abändert, daß eine Unterbrechung der Verjährungsfrist nur dann eintritt, wenn der Auftragnehmer die Mängel anerkennt, der Auftraggeber ein Beweissicherungsverfahren einleitet oder Klage erhebt.

Diese einseitige Änderung durch den Unternehmer führt dazu, daß jede Vertragsklausel auf Wirksamkeit überprüft werden kann.

Von den Gerichten für unwirksam erklärte VOB/B-Klauseln (Verwender: Auftraggeber)

Bei Verträgen, die nicht die VOB "als Ganzes" zur Vertragsgrundlage haben, kann, wie oben unter 2.2 ausgeführt wurde, jede Vertragsklausel einschließlich der "VOB-Restklauseln" auf ihre Wirksamkeit nach dem AGB-Gesetz überprüft werden.

Hieraus entwickelt sich die Frage, welche VOB-Regelungen, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer gestellt hat, "isoliert" betrachtet, einer Inhaltskontrolle durch das AGB-Gesetz nicht standhalten.

Im Klartext: In der VOB/B sind unwirksame Klauseln enthalten, die aber bei Anwendung der VOB im Ganzen gültig sind.

2.5.1 Unwirksamkeit von ß 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B

In ß 1 Nr. 4 Satz l VOB/B ist geregelt, daß der Auftragnehmer auch nicht vereinbarte Leistungen auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen hat, wenn sie zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden.

Durch diese Regelung wird der Auftragnehmer aber zum Abschluß eines (zusätzlichen) Vertrages mit dem Auftraggeber - noch dazu zu vorgegebenen Bedingungen (ß 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B) - gezwungen.

Ein solcher formularmäßiger Kontrahierungszwang ist in Hinsicht auf die Grundsätze des bürgerlichen Rechts, nämlich dem dort verankerten Grundsatz der Vertragsfreiheit, problematisch.

Das LG München I hält ß 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B deshalb bei einer isolierten Überprüfung außerhalb der "VOB als Ganzes" wegen Verstoßes gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und damit gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG für unwirksam.

 

2.5.2 Unwirksamkeit von ß 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B

ß 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B ist ebenfalls bei einer isolierten Inhaltskontrolle sehr problematisch. Diese Regelung nimmt dem Auftragnehmer nämlich im Falle von Änderungsanordnungen des Auftraggebers den in ß 632 BGB geregelten Anspruch auf die "übliche" Vergütung. Die Preisvereinbarung ist vielmehr unter Berücksichtigung der vertraglich festgelegten "Mehr oder Minderkosten" zu treffen.

Der Auftragnehmer ist deshalb daran gehindert, in der Nachtragsvereinbarung einen zu niedrigen Preis des Hauptangebotes zu korrigieren. Dies verstößt nach Auffassung des LG München I gegen gesetzliche Grundgedanken und damit gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG.

 

2.5.3 Unwirksamkeit von ß 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B

Nach ß 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B steht dem Auftragnehmer für eine vom Auftraggeber zusätzlich in Auftrag gegebene Leistung nur dann ein Vergütungsanspruch zu, wenn er dem Auftraggeber diesen Anspruch ankündigt, bevor er mit der Ausführung der zusätzlichen Leistung beginnt.

Diese Regelung der VOB/B weicht in entscheidender Weise von der gesetzlichen Bestimmung des ß 632 BGB ab, wonach auch ohne eine solche vorherige Ankündigung ein angemessener Vergütungsanspruch für zusätzlich vom Auftraggeber erteilte Aufträge besteht.

ß 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B enthält deshalb gegenüber der gesetzlichen Regelung eine deutliche Benachteiligung des Auftragnehmers, die zur Unwirksamkeit gemäß ß 9 AGBG führt, wenn die VOB nicht "als Ganzes" vereinbart wurde.

Der BGH hat zwar zur Frage der Wirksamkeit von ß 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B noch keine Entscheidung getroffen. Aus seinem Urteil vom 31. Januar 1991 kann jedoch vermutet werden, daß diese Regelung, ebenso wie ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B bei isolierter Inhaltskontrolle unwirksam sein dürfte.

 

2.5.4 Unwirksamkeit von ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B und Abs. 2 Satz 2 VOB/B

Nach ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B in Verbindung mit ß 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B steht dem Auftragnehmer bei Ausführung von nicht beauftragten, für die Erfüllung des Vertrages jedoch notwendigen Leistungen nur dann ein Vergütungsanspruch zu, wenn er die Ausführung dieser zusätzlichen Leistungen unverzüglich beim Auftraggeber angezeigt hat. Ohne diese Anzeige bleibt der Auftragnehmer ohne Vergütungsanspruch.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu entschieden, daß ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B nur dann nicht unwirksam ist, wenn dem Vertrag die VOB äals Ganzes“ zugrundeliegt (Urteil vom 14.7.94, AZ: VII ZR 186/93, Baurecht 94,760).

ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B regele eine schwerwiegende, den Auftragnehmer hart treffende Folge und weiche entscheidend zu Lasten des Auftragnehmers von der gesetzlichen Regelung dadurch ab, daß der Vergütungsanspruch von einer Anzeige des Auftragnehmers abhängig sei.

Bei Anwendung der gesetzlichen Regelung könnte der Auftragnehmer dagegen in solchen Fällen in aller Regel u.a. Ansprüche aus sogenannter Geschäftsführung ohne Auftrag durchsetzen, ohne daß dies von einer Anzeige abhängig wäre.

Deshalb benachteiligt ß 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B den Auftragnehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung entscheidend, was mit den Grundsätzen des AGB-Gesetzes unvereinbar ist.

Der Entscheidung des BGH vom 14. Juli 1994 ist im übrigen zu entnehmen, daß die in ß 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 enthaltene Regelung "isoliert" unwirksam ist, wonach eine unverzügliche Anzeige, von ohne Auftrag erbrachten Leistungen, Wirksamkeitsvoraussetzung eines Vergütungsanspruchs ist.

2.5.5 Unwirksamkeit von ß 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B

Während die Schlußzahlung nach dem gesetzlichen Leitbild sofort mit der Abnahme fällig wird, räumt ß 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B dem Auftraggeber eine Frist für die Abschlußzahlung von zwei Monaten, ab dem Zugang der Schlußrechnung, ein.

Diese für den Auftragnehmer erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung zu seinem Nachteil, verstößt nach einem Urteil des OLG München gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, wenn die VOB in ihrem Kerngehalt beeinträchtigt ist. Es lohnt also sehr, sich mit diesen Fragen zu befassen.

 

2.5.6 Unwirksamkeit von ß 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B

Nach ß 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B, alte Fassung bis Sommer 1990, ist der Auftragnehmer mit weiteren Zahlungsansprüchen ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber Schlußzahlung geleistet und der Auftragnehmer nicht innerhalb von zwölf Werktagen nach Zahlungserhalt einen dahingehenden Vorbehalt beim Auftraggeber angemeldet hat, daß er weitere Zahlungen fordere.

Diese Regelung verkürzt die gesetzlich geregelten Fristen für die Verjährung bzw. Verwirkung von Forderungen in gravierender Weise.

Der BGH hat hierzu entschieden, daß diese VOB-Regelung gegen ßß 9, 10 Nr. 5 AGBG verstößt, wenn die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart ist.

Die Neufassung der VOB/B vom Sommer 1990 hat die bisherige Regelung der Ausschlußwirkung des ß 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B zwar dadurch entschärft, daß sie nur mehr dann eintritt, wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer über die Abschlußzahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlußwirkung hingewiesen hat.

Diese Änderung räumt allerdings nur Bedenken wegen Verstoßes gegen ß 10 Nr. 5 AGBG (unzulässige Fiktionen), nicht jedoch wegen Verstoßes gegen ß 9 AGBG aufgrund der unangemessenen Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsvorschriften aus. Die Verlängerung der früheren Zwölf-Tage-Frist auf nunmehr 24 Werktage ändert hieran ebenfalls nichts, so daß beide Fassungen des ß 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B wegen Verstoßes gegen ß 9 AGBG unwirksam sind, wenn die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart wurde.

Dies führt in der Praxis zu einer weitestgehenden Entschärfung dieser für den Auftragnehmer "härtesten" Bestimmung der VOB/B.

 

2.5.7 Unwirksamkeit von ß 16 Nr. 6 Satz 1 VOB/B

ß 16 Nr. 6 Satz 1 VOB/B ermöglicht es dem Auftraggeber Zahlungen direkt an einen Subunternehmer seines Vertragspartners (meist Generalunternehmer) zu leisten, wenn sich der (General)-Unternehmer gegenüber seinem Subunternehmer in Zahlungsverzug befindet.

Der BGH hat hierzu entschieden, daß diese Regelung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweiche. Nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches könne nur dann mit befreiender Wirkung an einen Dritten eine Zahlung geleistet werden, wenn dieser dem ausdrücklich zustimme. Eine solche Zustimmung sei aber nach ß 16 Nr. 6 Satz 1 VOB/B gerade nicht erforderlich. Deshalb sei ß 16 Nr. 6 Satz 1 VOB/B nur dann rechtswirksam, wenn dem Vertrag die VOB/B "als Ganzes" zugrunde liege. (Urteil des BGH vom 21.6.1990, AZ: VII ZR 109/89, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 2384).

 

2.5.8 Unwirksamkeit von ß 18 Nr. 4 VOB/B

Die Regelung in ß 18 Nr. 4 VOB/B, wonach "Streitfälle" den Auftragnehmer nicht dazu berechtigen, die Arbeiten einzustellen, verstößt möglicherweise ebenfalls gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 ABGB.

Die Klausel ist nach Ansicht des LG München I so weit und so undifferenziert gefaßt, daß sie auch dann eingreift, wenn ein vertragswidriges Verhalten des Auftraggebers Anlaß des Streitfalles ist. Damit kann die gesetzliche Regelung des Zurückbehaltungsrechtes ausgeschlossen werden.

 

2.5.9 Weitere problematische VOB-Klauseln wenn der Auftraggeber Verwender ist (noch nicht gerichtlich entschieden)

 

a) Unwirksamkeit von ß 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 VOB/B

Ebenso wie ß 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B regelt ß 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 VOB/B, daß der Auftragnehmer im Falle der Anordnung von Zusatzleistungen durch den Auftraggeber auf eine Vergütung festgelegt wird, die sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die ursprüngliche vertragliche Leistung richtet. Nur auf dieser Basis dürfen dann evtl. Mehrkosten berücksichtigt werden. Diese Regelung nimmt dem Auftragnehmer u.U. den gesetzlich verankerten Anspruch auf "übliche" Vergütung nach ß 632 BGB, nämlich dann, wenn er im Hauptangebot einen zu niedrigen Preis vereinbart hatte.

ß 2 Nr. 6 Abs. 2 Satz 1 VOB/B verstößt damit - ebenso wie dies das LG München für ß 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B entschieden hat - gegen gesetzliche Grundgedanken und damit gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, wenn man sich dieser Rechtsprechung anschließt.

 

b) Unwirksamkeit von ß 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B

Das Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet den Auftragnehmer nur dazu, eine vereinbarte Werkleistung mangelfrei zu erbringen, ohne daß der Auftraggeber Einfluß darauf nehmen könnte, ob die Leistung vom Vertragspartner selbst erbracht wird oder dieser sich hierzu anderer Fachleute (Nachunternehmer) bedient. Von diesem Grundsatz weicht ß 4 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B entscheidend zu Lasten des Auftragnehmers ab.

 

c) Unwirksamkeit von ß 6 Nr. 6 VOB/B

In ß 6 Nr. 6 VOB/B ist geregelt, daß der Auftragnehmer im Falle auftraggeberseitiger Behinderungen entgangenen Gewinn nur dann geltend machen kann, wenn den Auftraggeber Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit hieran trifft. Bei nur leichter Fahrlässigkeit ist dieser Anspruch ausgeschlossen.

Dieser Ausschluß des gesetzlichen Schadensersatzanspruches, auch bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, verstößt bei isolierter Inhaltskontrolle, wenn also die VOB nicht "als Ganzes" vereinbart ist, gegen ß 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG.

 

2.6 Unwirksame VOB-Klauseln, wenn der Auftragnehmer Verwender ist

Bei Verträgen, bei denen (ausnahmsweise) der Auftragnehmer Verwender ist, sind für den Fall von Eingriffen des Auftragnehmers in die VOB "als Ganzes" die VOB-Restklauseln auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen:

 

a) Unwirksamkeit von ß 7 VOB/B

Gemäß ß 7 VOB/B (in Verbindung mit ß 12 Nr. 6 VOB/B) hat der Auftraggeber das Risiko der Beschädigung oder völligen Zerstörung der vom Auftragnehmer ausgeführten Leistungen durch höhere Gewalt oder andere von ihm nicht zu vertretende Umstände schon vor der Abnahme zu tragen.

Dies verbessert die Rechtsstellung des Auftragnehmers gegenüber der in ß 644 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffenen gesetzlichen Regelung, wonach diese Gefahr erst mit der Abnahme auf den Auftraggeber übergeht, erheblich zu Lasten des Auftraggebers.

Aus diesem Grund hält ß 7 VOB/B nach der hier vertretenen Meinung, die allerdings nicht der überwiegenden Meinung der Literatur entspricht, einer außerhalb der VOB "als Ganzes" durchzuführenden Inhaltskontrolle nicht stand. Die in ß 7 VOB/B geregelte Verlagerung der Vergütungsgefahr auf den Auftraggeber schon vor der Abnahme ist dann rechtsunwirksam.

 

b) Unwirksamkeit von ß 12 Nr. 3 VOB/B?

Gemäß ß 12 Nr. 3 VOB/B kann der Auftraggeber die Abnahme nur wegen wesentlicher Mängel verweigern. Demgemäß stehen der Abnahme Mängel, die die Funktionsfähigkeit der Leistung nicht beeinträchtigen, nicht entgegen.

Dies weicht von der gesetzlichen Abnahmeregelung über Werkleistungen gemäß ß 640 Abs. 1 BGB in wesentlicher Hinsicht ab, wonach eine Abnahme verweigert werden kann, soweit überhaupt noch Mängel - auch ganz geringe - vorhanden sind.

Ob diese Besserstellung des Auftragnehmers gegenüber der gesetzlichen Regelung zu Lasten des Auftraggebers einer Inhaltskontrolle nach ß 9 AGBG standhält, wenn die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart ist, ist strittig. Während einige Kommentatoren eher zur Unwirksamkeit neigen, halten andere Baurechtsfachleute wegen der ihrer Meinung nach geringfügigen Abweichung von der gesetzlichen Abnahmeregelung ß 12 Nr. 3 VOB/B auch bei isolierter Inhaltskontrolle für wirksam.

 

c) Unwirksamkeit von ß 12 Nr. 5 VOB/B

ß 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B regelt, daß die Abnahme der vom Auftragnehmer erstellten Leistung mit Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung "automatisch" durch Fiktion eintritt, ohne daß der Auftraggeber hierauf ausdrücklich hingewiesen wird. Dies verstößt gegen ßß 10 Nr. 5, 9 AGBG und stellt eine unbillige Benachteiligung des Auftraggebers dar, wenn die VOB nicht "als Ganzes" vereinbart wurde (noch nicht durch BGH bestätigt).

 

d) Unwirksamkeit von ß 13 Nr. 4 VOB/B

In ß 13 Nr. 4 VOB/B ist die für Bauwerke geregelte Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von 5 auf 2 Jahre verkürzt.

Schon im Jahre 1982 hat der BGH erklärt, daß ß 13 VOB/B als isolierte Regelung keinen angemessenen Ausgleich für den Auftraggeber für diese Verkürzung enthalte. Die Verkürzung ist im Gegenteil vom Gesetzgeber ausdrücklich untersagt (ß 11 Nr. 10 f AGBG), wenn die VOB nicht "als Ganzes" vereinbart ist (ß 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG). Sie hält dann einer Inhaltskontrolle nach ß 9 AGBG nicht stand, ist also unwirksam (Urteil des BGH vom 10.10.1985, AZ: VII ZR 325/84, BB 86, 24). Es kommt dann die fünfjährige Gewährleistung zur Anwendung.

 

e) Unwirksamkeit von ß 13 Nr. 7 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/B

In ß 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B ist geregelt, daß ein Schadenersatz nur für wesentliche Mängel an der "baulichen Anlage", die die Gebrauchsfähigkeit der Leistung erheblich beeinträchtigen, gefordert werden kann.

Hierdurch ist eine deutliche Abweichung zu Lasten des Auftraggebers vom gesetzlich in ß 635 BGB geregelten Schadenersatzanspruch gegeben, der eine solche Einschränkung nicht kennt.

Da Einschränkungen von Schadenersatzansprüchen gemäß ßß 9, 11 Nr. 7 AGBG unwirksam sind, führt dies zur Unwirksamkeit von ß 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B, wenn dem jeweiligen Vertrag die VOB/B nicht "als Ganzes" zugrunde liegt. Auch dies ist äußerst bedeutsam.

Da die für ß 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B genannten Einschränkungen von Schadenersatzansprüchen auch für "darüber hinausgehende Schäden" bestehen, ist ß 13 Nr. 7 Abs. 2 VOB/B schon aus diesem Grunde ebenfalls unwirksam, wenn die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart ist.

Darüber hinaus wird in ß 13 Nr. 7 Abs. 1 und 2 VOB/B der Schadenersatzanspruch wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft ebenfalls davon abhängig gemacht, daß das Fehlen der Eigenschaft einen wesentlichen Mangel darstellt, der die Gebrauchsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Dies verstößt gegen ß 11 Nr. 11 AGBG und damit auch gegen ß 9 AGBG, wenn die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart ist.

Schlußanmerkung

Wie sich aus den Darlegungen ergibt, spielt bei der Beurteilung von Bauverträgen nicht nur die Verdingungsordnung für Bauleistung, Teile B und C, sondern insbesondere das AGB-Gesetz eine wesentliche Rolle. Ein Jurist kann keinen Bauvertrag ohne Hinzuziehung entsprechender Kommentare zu unwirksamen Bauvertragsklauseln mehr richtig beurteilen, weil inzwischen die Rechtsprechung zu diesen Problemfragen so umfangreich geworden ist, daß eine genaue Sichtung derartiger unwirksamer Bauvertragsklauseln in jedem Prüfungsfall notwendig ist. Selbstverständlich hängt die Beurteilung einer Rechtsfrage insbesondere davon ab, ob die VOB/B "als Ganzes" zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde oder ob Abweichungen vom Kerngehalt der VOB vorliegen, so daß der anderen Vertragspartei, die dem Verwender gegenübersteht, die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Inhaltskontrolle auch einzelner VOB-Bestimmungen über das AGB-Gesetz durchzuführen. Dies kann selbstverständlich einen Vertrag völlig "kippen", weil eine Klausel, die im Ganzen - also eingebettet in die VOB/B - wirksam ist, bei Einzelbetrachtung nicht mehr der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes standhält, also unwirksam ist. Aus diesem Grunde ist die erste Frage, die ein Jurist bei Prüfung eines Bauvertrages zu stellen hat, ob die VOB unverändert oder abgeändert dem Bauvertrag zugrunde liegt. Danach richtet sich dann auch seine weitere Prüfung der Vertragsklauseln und auch der einzelnen VOB-Klauseln. Auf die obigen Darlegungen wird verwiesen.


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