IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1996, Seite 90 ff.


EDV


3D-Planung ohne Schnörkel

Nachdenken spart Zeit - CAD bei der Gruneko AG, Basel

Die 30 Mitarbeiter der Gruneko AG - Ingenieure für Energiewirtschaft - in Basel sind in drei Abteilungen organisiert: Anlagebau, Leitungsbau (Fernwärmenetze) und HLK (Heizung/Lüftung/Klima). Beinahe an jedem Arbeitsplatz steht heute ein PC. Alle Verwaltungsaufgaben, die Textverarbeitung und die meisten technischen Berechnungen werden per Computer erledigt. Die Rechner sind über ein Novell-Netzwerk verbunden. In dieses Netz sind auch vier CAD-Arbeitsplätze integriert, die von allen Abteilungen genutzt werden.

Seit mehreren Jahren arbeitet man bei Gruneko mit AutoCAD, zuerst mit der Version 11; heute steht man vor dem Umstieg auf Release 13. Bis vor 20 Monaten war ein Tablettmenü mit vielen Makros und allgemeinen Zusatzfunktionen die einzige Ergänzung.

Mit dieser Lösung ließ sich sehr gut und zügig arbeiten. Pläne waren in angemessener Geschwindigkeit gezeichnet. Der Lernaufwand für neue Mitarbeiter war relativ gering, da die meisten mit der Bedienung von AutoCAD vertraut sind. Im Laufe der Zeit waren auch Bibliotheken entstanden, die die wichtigsten Blöcke und Formteile enthielten, die beim Zeichnen immer wieder gebraucht wurden.

Haustechnik-Anlage mit Architektur: Inzwischen sind alle Zeichner bei Gruneko "vom 3D angefressen": M. Garcia konstruierte diese Anlage nach einer vierwöchigen internen Ausbildung innerhalb von einer Woche.

Neue CAD-Lösung

Der zunehmende Arbeits- und Zeitdruck und die Tatsache, daß mehr und mehr Branchenapplikationen von sich reden machten, bewog die Verantwortlichen im Sommer 1994 dazu, sich selbst nach einer für Gruneko passenden Lösung umzusehen. Ein genereller Systemwechsel kam aufgrund der gewachsenen Struktur nicht in Frage, und man entschied sich schließlich im Oktober desselben Jahres, das AutoCAD-Zusatzpaket "RoCAD für die Haustechnik" einzuführen.

Als schweizerisches Unternehmen war für Gruneko natürlich besonders interessant, daß die Software von einem Berner Hersteller stammt, und deshalb nicht nur DIN-gerechte Symbole sondern auch die an die Schweizer Norm SIA angelehnten Symbole enthält.

Außerdem überzeugten die vielfältigen Möglichkeiten der Software: Das Programm enthält Symbole, Formteile und Funktionen für die Gewerke Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär und Abwasser. Es enthält Konstruktionshilfen für alle im Planungsbüro vorkommenden Aufgaben: Schema- und Grundrißplanung bis hin zur wirklichkeitsnahen 3D-Modellierung. Dadurch daß beim Zeichnen automatisch viele Daten und Maße mitgeführt werden, erlaubt das Programm sogar überschlägige Druckverlustberechnungen und vollständige Massenauszüge für eine recht genaue Kostenschätzung, auch in sehr frühen Planungsphasen.

Schweiß vor Erfolg

Jyrki van Berkel, CAD-Supporter bei Gruneko, sah besonders im 3D-Bereich ganz neue Planungsmöglichkeiten: Automatische Stücklisten, schnelleres Erstellen von Schnitten, Kollisionsprüfungen und erleichterte Koordinationsplanung, insgesamt also deutliche Zeiteinsparungen, waren für ihn die wesentlichen Vorteile des neuen Programms.

Doch wie so oft: Vor den Erfolg hatten die Götter hier erst einmal den Schweiß gesetzt. Der floß schon am ersten Schulungstag in Strömen. Da alle vier Mitarbeiter sich bereits sehr gut mit AutoCAD auskannten, konnte man zwar recht tief in die Besonderheiten des Programms einsteigen - in der Praxis kamen dann jedoch noch sehr viele Fragen auf.

In einer solchen Phase ist die Gefahr sehr groß, daß eine neu eingeführte Software sang- und klanglos zu den Akten gelegt wird. Denn kein Auftraggeber wartet, bis sich alle Zeichner hinreichend in das neue Programm eingearbeitet haben; die Pläne müssen fertig werden, und zwar termingerecht. Wenn die Software dann nicht tut, was man von ihr erwartet und man anstatt zu produzieren mit der Hotline des Herstellers telefonieren muß, dann ist die Versuchung natürlich groß, auf die bewährten Hilfsmittel zurückzugreifen, und das neue Programm für "untauglich" zu erklären.

Detail Lüftungszentrale: Im ersten Schritt wurden bei Gruneko nur die Zentralen dreidimensional gezeichnet, da diese Technik für die komplexen Darstellungen am besten geeignet war.

So sahen sich auch die Zeichner bei Gruneko plötzlich vor Probleme gestellt, die mit dem Zeichnen eigentlich nur noch am Rande zu tun hatten. J. van Berkel nennt ein Beispiel: "Wenn man mit dem Standard-AutoCAD arbeitet, hat man viel mehr Einfluß auf das Aussehen einer Leitung. Wenn beispielsweise die Leitungsführung an einer Stelle zu eng ist, um mit Standard-Formteilen realisiert zu werden, kann man bei AutoCAD einfach den Radius eines Bogens ändern und der Plan ist ,korrekt‘. Daß an dieser Stelle später beim Bauen eine Sonderform benutzt werden muß, ist in dem Moment völlig uninteressant. Anders bei einer Branchensoftware: Hier sind die Formteile nicht nur in ihrer geometrischen Form vorgegeben, auch Daten wie die Abmessungen, Artikelnummern, Material etc. sind dem Teil zugeordnet. Eine Änderung des Formteils mit den ‘normalen’ AutoCAD-Befehlen würde diesen Zusammenhang zerstören und z.B. spätere Auswertungen unmöglich machen."

Für die Zeichner heißt das, daß sie sich viel stärker als bisher mit der eigentlichen Planung auseinandersetzen müssen. Im genannten Fall könnte der Zeichner z.B. selbst eine baulich realisierbare Leitungsführung finden oder er müßte mit dem Planer Rücksprache halten. Van Berkel ist sicher, daß solche Probleme mit der Zeit immer seltener würden, weil auch die Planungs-Ingenieure stärker auf die Realisierbarkeit achteten. Außerdem erspart eine sorgfältige Planung beim Bauen eine Menge Zeit, so daß sich die Abstimmung zwischen Zeichner und Planer in jedem Fall lohnt.

Die neuen Anforderungen werden oft zunächst als zusätzliche Belastung empfunden, die "Schuld" an dieser Belastung, am Streß und am gesteigerten Termindruck wird auf die neue Software geschoben. Hier bedarf es einer mitunter anstrengenden Überzeugungsarbeit, damit die Arbeitsmotivation insgesamt nicht auf der Strecke bleibt. Van Berkel hat seine Kollegen und die Geschäftsleitung von der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung überzeugt, indem er am konkreten Objekt bewiesen hat, daß eine Verdoppelung der Produktivität bei der CAD-Arbeit möglich ist.

Für ihn persönlich waren das zwei harte Wochen, in denen er sich neben seinen Aufgaben als Lüftungszeichner, CAD-Supporter und Netzwerk-Betreuer so intensiv in das neue Programm einarbeitete, daß er nun quasi die "Hotline" für seine Kollegen ist, und bei Problemen unmittelbar helfen kann.

Van Berkel suchte sich ein "Beweisobjekt", für das die Gruneko AG die gesamte Lüftungsplanung und die Koordinationsplanung durchgeführt hat. Um alle Bereiche der Software zu nutzen, wurde die Lüftungszentrale mit dem RoCAD 3D-Modul geplant.

Leitungssystem Etage: Mittlerweile werden auch die einzelnen Etagen mit dem 3D-Modul geplant. Die Zeitvorteile durch das automatische Erzeugen von Ansichten und Schnitten lohnen den Aufwand.

Die Software bietet hier eine spezielle Zeichentechnik an, die sogenannte Infolinie. Dabei wird zunächst das Gewerk (Lüftung) und das "System" (Außen-, Zu-, Ab-, Fortluft / rundes oder rechteckiges Material) angewählt. Dann wird der Leitungsverlauf einfach durch einen Linienzug im 3D-Raum dargestellt. Höhen- oder Niveauwechsel können in absoluten Koordinaten oder als Abstände von Wänden, Decken, anderen Leitungen oder sonstigen geometrischen Details eingegeben werden. Wenn der Leitungsverlauf festgelegt ist, gibt man die Abmessungen ein. Dazu stehen umfangreiche Tabellen mit Standardmaßen zur Verfügung. Infolinien können miteinander verbunden werden, wobei Verteiler und Übergangsstücke im Dialog ausgewählt werden. Verbraucher, wie Deckenauslässe, Gitter etc., lassen sich einfach anschließen.

Um einen normgerechten (zweidimensionalen) Plan oder ein 3D-Modul zu erhalten, stehen entsprechende Befehle zur Verfügung, die das ganze System oder ausgewählte Teile davon in der gewünschten Weise darstellen. Die Darstellung läßt sich jederzeit für Änderungen und Ergänzungen wieder rückgängig machen. Abmessungen können auch nachträglich verändert werden, einzelne Formelemente, Teilstrecken oder komplette Systeme können gelöscht oder verschoben werden. Jede dieser Änderungen wird in der Infolinie gespeichert, so daß Berechnungen und Auswertungen immer wieder korrekt ausgegeben werden können.

Wenn die 3D-Darstellung aktiv ist, bietet RoCAD eine Funktion "Kollisionsprüfungen", die alle Schnittpunkte einer Leitung mit anderen Leitungen oder mit der Architektur aufzeigt. In vielen Fällen genügt allerdings schon die Darstellung am Bildschirm, wo man kritische Punkte mit "bloßem Auge" erkennen kann.

Für die Konstruktion der komplexen Lüftungszentrale hat Jyrki van Berkel drei Tage gebraucht. "Inklusive Ausprobieren und Testen," betont er. Beim zweiten Projekt benötigte er dann bloß noch die Hälfte der Zeit. Für Präsentationszwecke hat er die dreidimensional dargestellte Zentrale an das Programm 3D-Studio übergeben und eine fotorealistische Darstellung produziert.

"Die wirklichen Vorteile zeigen sich erst nach der Konstruktion," erläutert van Berkel und nennt zwei Beispiele. Es mußten zehn Schnitte von jeder Zentrale erstellt werden. Mit Hilfe des CAD-Programms war dies eine Sache von zwei Stunden - inklusive x-faches Plotten der Schnitte. Wenn diese Schnitte aus einem konventionellen Plan hätten abgeleitet werden müssen, hätte ein geübter Zeichner sicherlich eine bis eineinhalb Wochen zu tun gehabt.

Ein weiteres Beispiel ist die Möglichkeit, aus dem 3D-Plan vollständige Stücklisten zu erzeugen: Kostenschätzungen müssen schon in frühen Planungsphasen abgegeben werden. Im Zuge der engeren Budgets hat das Ingenieurbüro hier eine Fehlertoleranz von 5%. Bei konventioneller Planung bedeutet dies entweder eine Schätzung "über den Daumen gepeilt" - mit einer ziemlich hohen Fehlerwahrscheinlichkeit; oder stundenlanges Zählen und Rechnen anhand der Pläne. Aus dem 3D-Modell der Lüftungszentrale produziert RoCAD in kurzer Zeit automatisch vollständige Stücklisten für jeden Leitungstyp. Diese Listen liegen als einfache, unformatierte Textdateien vor. Van Berkel hat die Listen noch in ein Textverarbeitungsprogramm eingelesen und sie optisch ein wenig aufbereitet. So konnte er nach weniger als einer Stunde seinem Kollegen eine vollständige, gut vorbereitete Kalkulationsgrundlage zur Verfügung stellen.

RoCAD ist jetzt seit ca. 21 Monaten im Hause Gruneko im Einsatz. Inzwischen werden alle HLK-Planungen mit dieser Software abgewickelt. Obwohl die Einführungsphase recht hart war, wird das Programm jetzt überall in der Firma als wertvolles Werkzeug geschätzt. Je nach Ausbildungsstand der Mitarbeiter wird zweidimensional oder im 3D-Modus gearbeitet. Bei komplexen Anlagen gibt es zum 3D-Modul keine Alternative.

In Zukunft wird man noch einen Schritt weitergehen: Die Evaluierung von Visualisierungs- und Animationssoftware läuft gerade auf Hochtouren. Ziel ist, in absehbarer Zeit fotorealistische Renderings und Animationen der mit RoCAD konstruierten Anlagen als Sonderleistungen anzubieten.


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