IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 18/1996, Seite 21 f.


AUSBILDUNG


Chancen für die Jugend - Perspektiven für den Betrieb

Zufrieden schaut Gas- und Wasserinstallateurmeister Peter W. aus H. sich um: Die Eröffnung seiner neuen Betriebsräume war ein voller Erfolg. Den ganzen Tag über haben sich zahlreiche Besucher in der Ausstellung "Komfortbad 2000" gedrängt; es gab viele aussichtsreiche Geschäftskontakte. Jetzt hocken noch einige Kunden mit Christian B., seiner "rechten Hand" in der Firma, bei einem Glas Sekt am Besprechungstisch zusammen.

Ja, der Christian! Phantastisch, wie er "mitgezogen" hat, um diesen Tag gemeinsam mit dem Großhandel und einem Werbefachmann vorzubereiten. Bis in’s Detail war alles durchdacht und geplant. Vor sieben Jahren noch sah das ganz anders aus. Da hatte der junge Mann ihm noch eine Menge Kopfzerbrechen bereitetÖ

Lernmüde Schüler oft praktisch begabt

Christian war als Abiturient zu Peter W. in die Lehre gekommen - voller Frust, weil die Eltern ihn zu diesem Schulabschluß gedrängt hatten, obgleich ihm das theoretische Lernen keinen Spaß gemacht hatte. Das Abiturzeugnis war entsprechend kläglich ausgefallen. Typische Folge: Demotivation und Auflehnung gegen Vorgesetzte. Häufig war Christian auch bei Kollegen angeeckt, und fast hätte Peter W. resigniert; denn all die Mühe und Kosten, die er in seine Ausbildung investierte, schienen im ersten Lehrjahr vergebens.

Dann aber hatte Peter W. entdeckt, daß hinter der unzugänglich scheinenden Fassade ein sehr wacher und intelligenter Bursche steckte - voller Interesse gegenüber modernen Technologien und vor allem auch gestalterischen Fragen. Peter W. verstand es, diese erkennbaren Fähigkeiten gezielt einzusetzen, die Leistungsfreude des jungen Mannes zu fördern, und das brachte schließlich den Durchbruch.

Leistungswillige Lehrlinge wollen gefordert werden

Je anspruchsvoller die Herausforderungen, desto mehr ging Christian im Lernen und Arbeiten auf. Er wurde immer kooperativer und mit fortschreitendem Können eine wertvolle Hilfe im Betrieb. Einige Zeit nach erfolgreich abgelegter Gesellenprüfung fing er an, sich in Abendschulen fortzubilden. Inzwischen hatte er auch die Meisterprüfung im Gas- und Wasserinstallateurhandwerk mit Bravour abgelegt. Längst war er aus dem expandierenden Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Mit seiner Fachkompetenz sorgte er für eine wesentliche Entlastung des Chefs und war Triebfeder mancher Innovation. Sicher würde er in einigen Jahren auch einen guten Nachfolger für Peter W. abgeben, dessen eigene Kinder einen anderen Berufsweg eingeschlagen hatten.

Berufschancen im Handwerk noch zu wenig bekannt

Christian B. war ein "Spätentwickler" gewesen. Aber so wie ihm geht es heute vielen jungen Leuten. Schulmüde und verunsichert, weil der Arbeitsmarkt immer weniger verläßliche Perspektiven bietet, aber gleichzeitig voller Hoffnung, nun endlich etwas "Vernünftiges" anfangen zu können, gehen sie in die Lehre hinein. Häufig haben sie gar keine rechte Vorstellung davon, was sie erwartet. Untersuchungen zeigen, daß Schüler - insbesondere Gymnasiasten - oft nur unzureichend über die Vielfalt handwerklicher Berufe, die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten und Zukunftschancen informiert sind. Nicht wenige begegnen dem Handwerk mit Vorurteilen. Konsequenz: Den Betrieben fällt es seit einigen Jahren immer schwerer, motivierte, qualifizierte Schulabgänger zu bekommen. Dieser Entwicklung wirken gerade die SHK-Handwerke - ihre Verbände und Innungen - seit einiger Zeit mit verstärkten Info-Kampagnen erfolgreich entgegen.

Für Ausbildungsbetriebe gut zu wissen: Der Beruf bedeutet jungen Menschen heute sehr viel. Eine vom Institut für Demoskopie, Allensbach, im Auftrag des Westdeutschen Handwerkskammertages (WHKT) durchgeführte Umfrage unter Realschülern und Gymnasiasten hat ergeben, daß "der Beruf heutzutage unter den Lebenszielen junger Menschen eine herausragende StellungÖ (einnimmt). Fünf von sechs Lebenszielen betreffen den Beruf".

Sichere Arbeitsplätze stehen hoch im Kurs

Interessanterweise spielen Sicherheitsaspekte dabei eine bedeutende Rolle: Die Sicherheit des Arbeitsplatzes - das geht aus der vom WHKT initiierten Untersuchung ebenfalls hervor - rangiert bei jungen Menschen auf der Wertigkeitsskala neben der Freude am Beruf noch vor einem guten Betriebsklima, aussichtsreichen Zukunftsperspektiven, einem hohen Einkommen und einer abwechslungsreichen Tätigkeit (siehe Schaubild).

Wem die Zukunft seines Unternehmens am Herzen liegt, der sollte sich auch in Zukunft der Ausbildung qualifizierter Nachwuchskräfte stellen. Denn das Beispiel von Christian B. zeigt: Ausbildung erschließt Perspektiven - nicht nur der Jugend, sondern auch den Betrieben.

Diese Tatsache spricht - wenn eigene Lehrlinge mit ihrer Arbeit zufrieden sind - prinzipiell auch für eine hohe Betriebstreue. Denn mittlerweile spricht sich auch bei Jugendlichen herum, daß Arbeitsplätze im Handwerk im Schnitt sicherer sind als in der Industrie. Während Industrieunternehmen konsequent durchrationalisieren oder Produktionsstätten ins Ausland verlagern, um dem Kostendruck zu begegnen, bleibt die Zahl der Stellen im Handwerk trotz konjunktureller und struktureller Belastungen noch relativ stabil.

Mit anderen Worten: Das Risiko, gute Mitarbeiter nach erfolgreicher Ausbildung an die Industrie zu verlieren, dürfte in Zukunft eher sinken.

Viele Jugendliche mit Ausbildung vollauf zufrieden

Ausbilder wie Peter W., die sich intensiv um ihre Lehrlinge kümmern, sind im Handwerk offenkundig keine Ausnahme. Das läßt sich aus einer Umfrage schließen, die das Allensbacher Forschungsinstitut im Rahmen der zitierten Erhebung bei Lehrlingen durchgeführt hat. Danach ist die Mehrzahl der Jugendlichen, die sich für eine Ausbildung im Handwerk entschieden haben, mit der getroffenen Wahl sehr zufrieden. 54% der befragten Jugendlichen würden bei einer neuerlichen Entscheidung wieder den gleichen Beruf wählen; 48% sehen ihre an die Lehre geknüpften Erwartungen voll und ganz bestätigt, teilweise sogar übertroffen; weitere 20% sind von den Erfahrungen im Ausbildungsbetrieb sogar angenehm überrascht.

Von einem großen Teil der befragten Lehrlinge - so berichtet der WHKT - werden die "Modernität des Betriebes und die Möglichkeit, im Betrieb eine vielseitige Ausbildung zu erlangen", hervorgehoben.

So positive Erfahrungen dürften sich förderlich auf die Motivation und die Arbeitsleistung auswirken. Jugendliche werden angespornt, ihrem Ausbildungsstand angemessene Aufgaben zu übernehmen und sie verläßlich auszuführen. Und das wiederum bedeutet für das Unternehmen: Amortisation der Ausbildungskosten.

ZVSHK-Präsident Dieter Heidemann: "Es kommt immer wieder vor, daß gerade intelligente Jugendliche es ihren Ausbildern nicht ganz leicht machen. Sie sind kritisch und wollen gefordert werden. Aber ich rate meinen Kollegen: Durchhalten! Mühe und Geduld lohnen sich. Nicht selten werden aus diesen jungen Leuten die besten Fachkräfte, deren Aubildung sich dauerhaft auszahlt!"


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