IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 13/1996, Seite 52 ff.


REPORT


Ideal Standard

Global Player

Eines der wenigen Gebäude in Teplice mit frischem Außenanstrich: Das Ideal Standard Werk.

Im September 1992 sorgte folgende Pressemeldung für Aufsehen: "Ideal Standard kauft tschechisches Sanitärkeramikwerk". Als erste deutsche Zeitschrift hatte die IKZ-HAUSTECHNIK im April Gelegenheit, das traditionsreiche Werk Keramické Zßvody Teplice (KZT) im westböhmischen Teplice zu besuchen.

Daten und Fakten

Die Konzernmutter American Standard hat ihre geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland in der Wabco Standard GmbH gebündelt. Zu diesem Geschäftsbereich gehört heute die Ideal Standard. Die Wabco Standard GmbH beschäftigt in Deutschland ca. 6500 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von ca. 1 Mrd. DM.

Sichtbar investierte Millionen: Vom Rohstofflager, ...

Seit 1992 hält Ideal Standard 72% der Anteile des tschechischen Keramikherstellers KZT. Von den restlichen Anteilen des 520 Mitarbeiter starken Unternehmens befinden sich 20% in Streubesitz, 5% gehören Betriebsangehörigen und 3% einem Restitutionsfonds.

Ideal Standard beabsichtigte 1992 die Kapazität des Werkes von 500000 Teilen auf die doppelte Menge auszubauen. Rund 25 Mio. DM wurden dafür freigestellt. Die Investitionsmaßnahmen begannen kurze Zeit später.

... über die Masseaufbereitung, ...

Zwar sind bis dato noch nicht alle Umbaumaßnahmen abgeschlossen, doch präsentiert sich das Werk heute bereits mit westlichem Standard: Vom Rohstofflager über die Masseaufbereitung, den Formenbau, die Gießanlagen, den Glasurauftrag, die modernen Riedhammer-Öfen bis zur Qualitätskontrolle wird nichts dem Zufall überlassen.

Tradition

"Tor nach Osteuropa" oder "Billiglohn für Produkte die für den deutschen Markt bestimmt sind"? Wird man mit der eingangs zitierten Pressemeldung konfrontiert, so stellt sich diese Frage zwangsläufig. Vergessen wird dabei gerne, daß auch Unternehmen wie KZT eine lange Tradition besitzen und die osteuropäischen Arbeitnehmer ebenso ein Recht auf Lohn und Brot haben wie ihre westeuropäischen Kollegen.

... moderne Gießbänke, ...

In Westböhmen blickt die Glas- und Keramikindustrie auf eine lange Tradition zurück. Rohstoffe bester Qualität, wie sie in der näheren Umgebung reichlich vorhanden sind, ließen schon zu Beginn der Industriealisierung Glas- und Keramikbetriebe entstehen. Demzufolge herrscht in Teplice kein Mangel an Fachleuten. Im auch heute noch von handwerklichen Tätigkeiten geprägten Keramikbereich ein wichtiger Pluspunkt.

Keramické Zßvody Teplice wurde bereits 1885 von den Brüdern Alfred und Otto Urbach für die Produktion von Tafelware und Zierkeramik in das Handelsregister eingetragen.

... neue Tunnelöfen ...

Nach dem Jahre 1905 erweiterten sie die Produktion um die Sanitärkeramik. Im Jahre 1924 wurde das Unternehmen zum Bestandteil der Aktiengesellschaft Ditmar-Urbach mit Sitz in Znojmo. Durch zahlreiche Reorganisationen nach dem zweiten Weltkrieg wurde KZT ein Werk der VEB Keramické Zßvody in Znojmo. Obwohl der Betrieb bis zu den achtziger Jahren technisch zurückblieb - ab 1938 wurde kaum investiert - konnten die Erzeugnisse weltweit exportiert werden.

Tiefgreifende Veränderungen

Durchgreifende politische und wirtschaftliche Änderungen nach November 1989 spiegelten sich auch in der weiteren Entwicklung der Fabrik wider. Das keramische Monopolunternehmen wurde 1990 in drei selbständige staatliche Unternehmen gegliedert. Der Betrieb in Teplice, mit Dipl.-Ing. Josef Makalous als Unternehmensdirektor, hieß fortan Sanvit. Dank seinen Bemühungen wurde das staatliche Unternehmen 1991 zur Aktiengesellschaft und 1992 erwarb die Ideal Standard Europe 72% des Stammkapitals.

... bis zur Qualitätskontrolle ...

Besonders hart für viele Unternehmen jenseits des ehemals "eisernen Vorhangs": Durch den Zusammenbruch der osteuropäischen Handelszone brach der angestammte Markt fast völlig zusammen. Davon war natürlich auch KZT betroffen, allerdings verfügte das Unternehmen bereits damals über ausgezeichnete Kontakte und Lieferverträge mit westeuropäischen Handelspartnern. Auch das mag traditionell begründet sein, war doch Teplice - neben Karlsbad - bis zum Anfang unseres Jahrhunderts eines der berühmtesten Heilbäder Europas.

Besonders belgische und deutsche Adelshäupter und Industriemagnate zeigten sich mit ihren Familien gern in Teplice. Bis heute ist, wenn auch so manches Stadtviertel einen äußerst bemittleidenswerten Eindruck ausstrahlt, der Glanz vergangener Zeiten nicht verblaßt.

... und einer neuen, riesigen Lager- und Verpackungshalle.

Für die Region Teplice ist KZT ein wichtiger Arbeitgeber. Makalous, der noch in diesem Jahr seinen Posten als Unternehmensdirektor aus Altersgründen räumen und in den Aufsichtsrat wechseln wird, sieht derzeit einer rosigen Zukunft entgegen: "Die Modernisierung ermöglicht eine erhebliche Erhöhung der Produktion von Sanitärkeramik bei Einhaltung der zusätzlichen traditionellen Produktion von Zierkeramik, was die Beschäftigungslage in der Region positiv beeinflussen wird."


Interview

Über Absichten und Aussichten der ehemaligen Keramické Zßvody Teplice sprach die IKZ-HAUSTECHNIK-Redaktion mit Wolfram Wenzel, Geschäftsführer der Ideal Standard in Deutschland und Dipl.-Ing. Josef Makalous, Chef der KZT.

IKZ-HAUSTECHNIK: Für welche Märkte wird im Werk Teplice überwiegend produziert?

Wenzel: Einen Großteil werden wir für den deutschen Markt verwenden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Setzen Sie sich damit nicht dem Vorwurf aus, Arbeitsplätze zu exportieren?

Wenzel: Die Ideal Standard ist ein international tätiger Konzern, der überall in der Welt Produktionsstätten unterhält. Unsere europäischen Aktivitäten beschränken sich nicht allein auf KZT. Wir haben auch in jüngster Zeit das Armaturenwerk in Sevlievo (Bulgarien) sowie die Firma Porcher in Frankreich gekauft. Während KZT einen eigenständigen Konzernbereich repräsentiert, wird das Armaturenwerk in Sevlievo von Wittlich aus mitgesteuert. Porcher stellt mit insgesamt sechs Werken, vier Keramik- und zwei Armaturenwerken, die größte Investition dar. Sie können daran erkennen, daß unsere Werke überwiegend der Marktbefriedigung in den Standortländern dienen.

Makalous: Wenn ich das richtig verstehe, befürchten die deutschen Bürger durch die Aktivitäten der Industrie in Osteuropa den Verlust von Arbeitsplätzen. Wir hatten bereits lange vor der Übernahme durch Ideal Standard hervorragende Geschäftsbeziehungen nach Deutschland. Bereits damals wurde der größte Teil unserer Produktion an deutsche Handelspartner verkauft. Insofern ist, was uns betrifft, diese Befürchtung völlig grundlos.

Wolfram Wenzel (r.) und Josef Makalous standen Christopher Strobel und Günther Klauke in Teplice Rede und Antwort.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Stückzahlen hat man damals nach Deutschland abgesetzt?

Makalous: 130.000 bis 150.000 Stück pro Jahr.

Wenzel: Dazu kommt jetzt die Garantie, daß in Teplice Ideal-Standard-Qualität produziert wird, die sich nicht von der Qualität der deutschen Werke unterscheidet.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Stückzahlen werden gegenwärtig in Teplice produziert?

Makalous: Für 1996 rechnen wir mit 750.000 produzierten Einheiten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie hoch ist die Kapazitätsgrenze des Werkes?

Makalous: Ca. 1 Mio. keramische Teile pro Jahr.

IKZ-HAUSTECHNIK: Und wie hoch ist der Exportanteil des Werkes in Teplice?

Zwei Drittel für den Export

Makalous: Rund zwei Drittel der hier gefertigten Produkte gehen in den Export. Allerdings nicht allein nach Deutschland.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Gründe sind dafür verantwortlich, daß Sie die Auslastung noch nicht erreicht haben?

Makalous: Wir installieren gegenwärtig einen weiteren Riedhammer-Ofen. Die Montage steht kurz vor dem Abschluß und Ende diesen Monats beginnt die Versuchsphase. Verlaufen alle Tests erfolgreich, so können wir ab 1997 mit voller Auslastung rechnen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Können Sie uns etwas zur Produktpolitik bezüglich der hier in Teplice hergestellten Serien sagen?

Sortiment für das Stapelgeschäft

Wenzel: Unsere Stärke im deutschen Markt, bezogen auf die Sanitärkeramik, liegt im wesentlichen im Luxus- und im Mittelklassesektor. Die Produkte werden im Werk Neuss sowie in Italien produziert. Dort sind wir auf diese Marktsegmente spezialisiert. Dazu gehören sieben sanitärkeramische Serien. In Teplice fertigen wir ein Sortiment im Stapelprogramm, das überwiegend für Objektgeschäfte vorgesehen ist. Für Ideal Standard ein wichtiger Schritt, da wir im Stapelgeschäft in Deutschland so gut wie nicht vertreten sind. Ich schätze unseren Anteil an diesem Markt in Deutschland auf unter 2%.

IKZ-HAUSTECHNIK: Investitionen in Höhe von 25 Mio. DM sind kein Pappenstil. Wo wurden und werden Veränderungen durchgeführt?

Makalous: Als Ideal Standard das Werk übernahm, verfügte KZT bereits über einen neuen Riedhammer-Ofen. Ein zweiter wird, wie schon erwähnt, derzeit montiert. Kostenpunkt: ca. 2,5 Mio. DM. Darüber hinaus wurden die Gießerei und die Glasuraufbereitung vollkommen neu gestaltet und ein neuer Wiederbrandofen installiert. Auch die Kläranlage wurde erneuert und im Bereich des Versandes investiert. Was noch ansteht ist der Bau einer neuen Ausstellung sowie ein Schulungszentrum. Abschließend steht die Renovierung der Bürogebäude an.

IKZ-HAUSTECHNIK: Also fast ein Neubau. Wie reagieren die Arbeitnehmer auf die umfassenden Veränderungen?

Im Einklang mit der Belegschaft

Makalous: Natürlich ist das für die Mitarbeiter dieses Werkes eine neue Erkenntnis, auch bedingt durch die Mentalitätsunterschiede. Im großen und ganzen wurde und werden die Umstrukturierungen jedoch schonend, im Einklang mit der Belegschaft, über die Bühne gebracht.

IKZ-HAUSTECHNIK: Hat das Werk in Teplice für Sie auch eine strategische Bedeutung?

Wenzel: Unbedingt, sogar unter mehreren Gesichtspunkten. Zum einen liegt Teplice nur rund 60 km von Dresden entfernt und hat damit eine besondere Bedeutung für den deutschen, insbesondere den ostdeutschen, Markt. Langfristig könnte es sogar interessant sein, Teplice für den osteuropäischen Raum zur Servicestation für die deutsche Ideal Standard auszubauen. Zum anderen hat dieses Werk natürlich eine besondere strategische Bedeutung für Osteuropa. Und zwar weil die Tschechen viel bessere Beziehungen nach Osteuropa haben, als wir jemals hatten. Aus der Sicht des "Global Player Ideal Standard" kommt noch hinzu, daß es für uns, außer den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, keine "weißen Flecken" auf der Weltkarte mehr gibt. Ein derzeit instabiler Markt, der uns auf absehbare Zeit von Investitionen Abstand nehmen läßt, andererseits aber von Teplice aus gut bedient werden kann.

Makalous: Darüber hinaus darf auch unser heimischer Markt nicht vergessen werden. Immerhin verlangt dieser Markt, trotz stagnierender Absatzzahlen, nach jährlich rund 300.000 Stück Sanitärkeramik.


[Zurück]   [Übersicht]   [www.ikz.de]