IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/1996, Seite 52 ff.


LÜFTUNG


Wohnungslüftung - aber wie?

Dipl.-Ing. Gerhard Polenske

Mit Schallschutzmaßnahmen und einem immer besseren Wärmeschutz haben wir unseren Häusern eine fugenlos dichte Käseglocke übergestülpt.
Der Wärmeschutz verhindert, daß während der Wintermonate teure Heizwärme verlorengeht. Die Luft in unseren Wohnungen hat es daher gelegentlich in sich, vor allem dann, wenn sie keinen Weg nach draußen findet.

Nie darf das Haus eine Vorrichtung sein, uns von der äußeren Luft abzuschließen.

Max von Pettenkofer (1815 - 1901), Arzt und Begründer der naturwissenschaftlich experimentellen Hygiene, schrieb einmal: "Im ganzen verfolgt das Haus die nämlichen hygienischen Zwecke wie die Kleidung, es hat den Verkehr mit der uns umgebenden Atmosphäre beständig zu unterhalten, aber unseren Bedürfnissen entsprechend zu regeln. Nie darf das Haus eine Vorrichtung sein, uns von der äußeren Luft abzuschließen, sowenig als die Kleidung."

Das wesentliche und unumstößliche Ziel der Raumlüftung bleibt die Sicherung der Luftqualität. Durch gute Versorgung eines Hauses mit frischer Außenluft wird auch ein gewisses Maß an Wohlbefinden und Gesundheit für seine Bewohner bewirkt. Denn durch den Luftaustausch werden überschüssige Raumfeuchte und Luftverunreinigungen wie Gifte aus Baustoffen, Farben und Einrichtungsgegenstände abgeführt. Leider aber auch die teure Heizwärme.

Die Unzulänglichkeit der freien Lüftung

a) Die Fugenlüftung

In konventionell erstellten Wohnungen liegen die natürlichen Luftwechsel bei geschlossenen Fenstern und Türen zwischen n = 0,1 bis 0,3 h-1. Für ein typisches Schlafzimmer, Größe 16 m2, bedeutet das einen Luftaustausch zwischen 4 bis 12 m3 pro Stunde. Nach Pettenkofer wären aber mindestens 20 m3 pro Stunde und Person nötig, um CO2 ausreichend abzulüften. Ähnlich verhält es sich mit der Feuchte.

Kann das Fenster aus Emissionsgründen (Verkehrslärm) zum Lüften nicht geöffnet werden, steigt die CO2-Konzentration auf bedenkliche Werte. Über 3000 ppm sind nach wenigen Stunden nachweisbar. Schnell steigt auch die Raumluftfeuchte an, diese fördert das Wachstum von krankheits- und allergieerregenden Organismen, wie bestimmte Arten von Schimmel und Staubmilben. Folgen: Allergien, Asthma und Feuchteschäden.

b) Die Fensterlüftung

Die Alternative, das Fenster in Kippstellung zum Lüften zu öffnen, führt zwar zu einem hohen Luftaustausch, aber auch zu Lärm, Kälte, Zugerscheinungen und überhöhtem Heizwärmeverbrauch. Bei nur 6 cm Lüftungsspalt wird während einer Heizperiode über das Fenster eine Wärmemenge hinausgelüftet, die einem äquivalenten Heizenergieverbrauch von 500 m3 Erdgas entspricht. Die Fensterlüftung ist eine der Hauptsünden bei allen Ansätzen, Heizenergie rational einzusetzen.

c) Die Schachtlüftung

Mit einer solchen nach DIN 18017 Teil 1 (Kölner Lüftung) erstellten Einrichtung lassen sich bei genügender Temperaturdifferenz zwischen den zu lüftenden Räumen und außen große Luftwechsel erreichen. Bei Temperaturgleichheit ist keine Luftbewegung möglich und ist es draußen wärmer, kehrt sich die Bewegungsrichtung der Luft um. Schlechte Luft verbreitet sich in der Wohnung.

Der Lüftungswärmeverbrauch dieser Einrichtungen kann aber beachtliche Größen annehmen und das ist nicht im Sinne der Wärme-Schutz-Verordnung (WSchV).

Aspekte für die maschinelle Lüftung

Die erforderlichen Luftmengen sollen sich nach den Bedürfnissen der Menschen richten. Sie sollten so bemessen sein, daß die von den Bewohnern selbst herrührenden Luftbelastungen sicher abgeführt werden. Eine ständige Grundlüftung muß dafür sorgen, daß auch alle anderen Luftschadstoffe soweit verdünnt werden, daß sie für die Bewohner keine gesundheitliche Belastung mehr darstellen. Eine geregelte Grundlüftung schafft behagliche, hygienisch einwandfreie Wohnverhältnisse, verhindert die gefürchteten Feuchteschäden und reduziert so ganz nebenbei, durch den kontrollierten Luftaustausch, den Heizwärmeverbrauch.

Lüftungssysteme so einfach wie möglich

Vom Grundsatz ist es gleichgültig, welcher Anlagentyp und welches Lüftungskonzept für den kontrollierten Luftaustausch zur Anwendung kommt. Nach Ole Fanger*) sind aber Lüftungsanlagen häufig Mitverursacher von hygienischen Beanstandungen. Aus diesem Grunde sollten alle Anlagenteile, die mit der Zuluft in Berührung kommen, wie Luftleitungen, Filter, Wärmetauscher und Lufteinlässe, glattwandig, leicht zugänglich und leicht zu reinigen sein. Zuluftkanäle sind so kurz wie möglich zu halten. Eine Luftbehandlung durch Kühler und Befeuchter ist zu meiden. Eine Befeuchtung ist im Wohnbau überflüssig.

Schlecht zugängliche Anlagenteile, wie Filter, Wärmetauscher, flache Zuluftkanäle führen zu Wartungsproblemen und sind Hauptquelle für das sogenannte "Sick-Building-Syndrom".

Lüftungsanlagen in Wohnungen müssen von den Bewohnern bedient, gepflegt, gewartet und ihre Funktionen von ihnen verstanden werden. Schon das führt zu einfachen Systemen hin.

Bild 1: Das Konzept der Wohnungslüftung.

Das Konzept

Hygienische Bedenken, komplizierte Installationen und Einregulierungsarbeiten sowie Wartungsprobleme sprechen für einfache Abluftanlagen in den Prozeßräumen mit Zuluft über Außenwand-Luftdurchlässe im Schlaf- und Wohnbereich (Bild 1).

Die Beschaltung der Anlagen ist einfach. Eine Grundlüftung auf niedriger Stufe läßt sich einfach realisieren. Bei Bedarf, bei Nutzung der Prozeßräume, kann auf eine höhere Stufe geschaltet werden. Einfache Regelorgane sind in der Lage, die Grundlüftung selbsttätig regelnd, in Abhängigkeit von einer geeigneten Führungsgröße, z.B. die relative Raumluftfeuchte, durchzuführen.

Mit einer Grundlüftung, die als Führungsgröße die CO2-Konzentration in der Raumluft nutzt, ist eine ausreichende Lüftung nicht zu erwarten. Die Erfahrung zeigt, daß bei Abwesenheit der Bewohner die Lüftung so weit eingeschränkt wird, daß Feuchte und Luftschadstoffe sich stark anreichern und beim Wiedereintreffen es in der Wohnung müffelt. Feuchtequellen sind dagegen in ständig genutzten Wohnungen immer, auch bei Abwesenheit der Bewohner, vorhanden.

Bild 2: Komponenten für die Wohnungslüftung: Feuchtegeführte Wohnungslüfter und Außenwand-Luftdurchlässen (ALD).

Die Absauggeräte sollen ein gutes Filter aufweisen, um Ventilator und Leitung vor Verschmutzung zu schützen und eine lange Lebensdauer der Anlage zu gewährleisten. Bei den Außenwand-Luftdurchlässen ist ein Insekten- und Grobfilter ausreichend. Alle Teile müssen zum Reinigen leicht herauszunehmen sein. Eine Winddrucksicherung mit Durchflußbegrenzung erlaubt einen vielfältigen Einsatz der Durchlässe (Bild 2).

Vorteile der Absaugsysteme

Absaugsysteme lassen sich einfach von jedermann bedienen. Am gebräuchlichsten sind die dezentralen Einzelraumlüfter nach DIN 18017 Teil 3, eingebaut in den Prozeßräumen in Küche, Bad und Toilettenraum. Wird einer dieser Räume stark genutzt und der betreffende Lüfter zur intensiven Lüftung auf eine höhere Stufe geschaltet, bleiben die anderen Absaugstellen davon unabhängig. Das spart Heizenergie und Strom.

Dezentrale Einzellüfter sind für die Energiebilanz sehr vorteilhaft. Gute Ventilatoren haben in der Grundstufe weniger als 10 Watt Leistungsaufnahme und in der höchsten Stufe um die 20 bis 30 Watt. Weil die Ventilatoren für die Belüftung entfallen, reduziert sich der Jahresstromverbrauch gegenüber Be- und Entlüftungsanlagen um mindestens 85%. Das ist auch verständlich, denn der zweite Lüfter, der Wärmetauscher und die langen Luftleitungen mit ihren Luftwiderständen entfallen.

Der Lüftungswärmeanteil am gesamten Heizwärmeverbrauch kann mit selbsttätig regelnden dezentralen Einzellüftern stark reduziert werden. Wird die Raumluftfeuchte als Regelgröße herangezogen, dann verringert sich der Lüftungswärmeanteil an kalten Wintertagen besonders auffällig. Ein solches System lüftet während der Heizzeit sehr wirtschaftlich. Eine Wärmerückgewinnung ist da nicht mehr lohnend.

In betrieblicher Hinsicht wird mit RLT-Anlagen dieser Art die angesetzte Energieeinsparung im Vergleich zur freien Lüftung im Sinne der WSchV sichergestellt. Das honoriert auch die neue WSchV in Anlage 1, Ziffer 1.6.3, mit einem Bonus.

Abluftanlagen erwirken im Haus gegenüber seiner Umgebung einen leichten Unterdruck. Das ist sehr vorteilhaft, weil dadurch die Infiltration von Außenluft bei Winddruck oder infolge von Temperaturdifferenzen weitgehend unterbleibt.

Einzig die Abluftventilatoren bestimmen über ihre Betriebsweise (Drehzahlstufe) den momentanen Luftaustausch. Die nachströmende Außenluft wird gezielt dort in den Wohnbereich hineinströmen, wo die Außenwand-Luftdurchlässe geöffnet sind. Demzufolge ist die Raumluftqualität in diesen Räumen am besten. Die fast kostenfrei nachströmende frische Außenluft wird dann quasi mehrfach genutzt, weil sie auf ihrem Weg in die Prozeßräume alle anfallenden Luftverunreiniger mitnimmt.

Wie vorteilhaft Abluftsysteme gegenüber einer natürlichen (freien) Lüftung oder einer ausbalancierten Be- und Entlüftungsanlage sind, wurde bereits vor einigen Jahren in einer Studie "VENTILATION STRATEGIES FOR DIFFERENT CLIMATES" der University of California 1986 festgestellt. Dort heißt es: "Bei Kälte und windigem Wetter sollte man Absaugsysteme ohne jede Wärmerückgewinnung bevorzugen, weil sie besser sind."

Bild 3: Zusammenhang zwischen Luftvolumenstrom, der absoluten Außenluftfeuchte und der Feuchteproduktion durch die Bewohner. - Feuchtesteuerung mit Schalthysterese in den Umschaltpunkten und mit Zeitverzögerung zwischen den Stufen.

Bedarfsgeregelte Wohnungslüftung mit feuchtegeführten Wohnungslüftern

In den Wintermonaten beinhaltet die Außenluft absolut wenig Feuchte. Die in die Wohnung nachströmende Außenluft kann deshalb, wenn sie sich erwärmt, sehr viel mehr an Feuchte aufnehmen, als in den Übergangszeiten zwischen Sommer und Winter. Sensibel reagiert der Sensor im Lüfter auf jede Änderung der relativen Raumluftfeuchte und setzt daher automatisch über die Steuerung die Drehzahl des Lüftermotors herab. Ein solches System lüftet daher bei Kälte besonders energiesparend. Andererseits registriert der Sensor auch jede vermehrte Feuchteproduktion durch die Bewohner, z.B. Trocknen von Tüchern. Er steigert dann die Ventilatordrehzahl so lange, bis der Sollzustand in der Wohnung wieder hergestellt ist (Bild 3).

Damit das System an sehr kalten Tagen nicht gegen Null-Luftaustausch herunterregelt, ist eine automatische Begrenzung von Vmin auf einen ca. 0,3fachen Luftwechsel, bezogen auf das anrechenbare Luftvolumen VL der Wohnung (WSchV, Anlage 1, Ziff. 2.2) sicherzustellen.

Bild 4: Luftaustausch bei feuchteabhängiger Wohnungslüftung.

Nach oben sind Volumenstromsteigerungen bis zu Luftwechsel von ca. 0,6 h-1 bis höchstens 0,8 h-1 möglich. Eine Intensivlüftung bei Nutzung der Prozeßräume sollte jederzeit durch eine Vorrangschaltung durchführbar sein (Bild 4).

Zum Ende der Heizzeit und während der Sommermonate ergeben sich keine Vorteile zugunsten der von der Raumluftfeuchte geführten Lüftung. Feuchteschäden sind dann auch nicht zu erwarten und damit die Ventilatoren nicht ständig mit erhöhter Drehzahl laufen, wird durch eine sog. Sommerschaltung die Feuchtesteuerung reaktiviert und auf eine ständige Grundlüftung mit min umgeschaltet. So wird auch bei längerer Abwesenheit (Urlaub) ein minimaler Luftaustausch in der Wohnung sichergestellt.

Bild 5: Heizenergieeinsparung durch feuchteabhängige Wohnungslüftung.

Heizenergieeinsparung

Das Diagramm Bild 5 verdeutlicht das Einsparpotential, welches mit einer dezentralen feuchteabhängig gesteuerten Wohnungslüftung erreichbar ist.

Bei konsequenter Anwendung dieser Systemtechnik kann in einer normal genutzten Wohnung bis zu 60% an Lüftungswärme eingespart werden und das ohne Wärmerückgewinnung.

Resümee

- Der Käseglockeneffekt muß durch eine sinnvolle technische Einrichtung aufgehoben werden. Das Haus soll wärmedicht sein, aber es darf unter der dichten Hülle nicht schwitzen und müffeln.

- Für seine Bewohner ist vorrangig die Wohnhygiene. Die Bereitschaft, Energie rationell einzusetzen, ist zwar vorhanden, aber nicht vordergründig.

- Was nutzen Fenster mit ganz vorzüglichen Wärmedurchgangskoeffizienten, wenn diese dann aus den verschiedensten Beweggründen zur stundenlangen Dauerlüftung in Kippstellung offenstehen.

- Was nützt die schönste und technisch vollkommene Lüftungsanlage, wenn die Bewohner durch so viel Technik und aus Unwissenheit darüber beim Betreiben und Pflegen überfordert sind.

- Der Wärmeabfluß durch Transmission ist durch geschickte Baumaßnahmen auf jeden gewünschten Wert zu reduzieren. Eine Grundvoraussetzung für gesundes Wohnen und Wohnkomfort ist aber die Luftqualität.

- Einfache, technisch verständliche Lösungen sind gefragt und es sind meist auch die Besten. Ihre Wartung ist einfach und nie tritt bei Absaugsystemen mit geregelter Grundlüftung und Außenwand-Luftdurchlässen das "Sick Building-Syndrom" in Erscheinung.

Mit diesem Beitrag sollte aufgezeigt werden, wie mit wenig Aufwand die Wohnhygiene bei rationellem Energieeinsatz in den Griff zu bekommen ist. Allen Beteiligten am Wohnbaugeschehen muß aber klar sein, daß, um dieses Ziel zu erreichen, noch ein gehöriges Maß an Aufklärung auf allen Ebenen notwendig sein wird.


* Prof. P. Ole Fanger, Technische Universität Dänemark


B i l d e r :   Lunos Lüftung GmbH & Co. Ventilatoren KG


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