125 Jahre IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 11/1996, Seite 3


EDITORIAL


Hilfen beim Strukturwandel

Bundesbauminister
Dr. Klaus Töpfer

Die zentrale Bedeutung der Bauwirtschaft für Wachstum und Beschäftigung ist unbestritten. Die Bauinvestitionen von rd. 500 Mrd. DM machten 1995 fast 15% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und gut 60% der gesamten Bruttoanlageinvestitionen aus. Knapp 10% aller Arbeitsplätze sind im Bereich der Bauausführung zu finden. Die momentan kritische Lage der Baukonjunktur ist nicht zu übersehen. Mit 5500 Konkursen wurde 1995 der höchste Stand seit der Wiedervereinigung erreicht, und die Arbeitslosigkeit ist mit 305.000 Bauarbeitern ohne Beschäftigung überdurchschnittlich hoch. Allerdings konnte niemand erwarten, daß die bisher überaus positive Entwicklung der tragenden Säule "Wohnungsbau" anhalten würde. Sie führte zum höchsten Wohnungsbauniveau seit 20 Jahren. Damit hatte zu Beginn der 90er Jahre keiner gerechnet.

Am 17. April 1996 fand ein Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Rexrodt sowie den Vertretern der Bauwirtschaft und der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zur Lage am Bau statt. Hier ging es vor allem um die Umsetzung des erforderlichen Strukturwandels. Das "Entsendegesetz", das für ausländische Arbeitskräfte die Mindestlöhne der deutschen Bauwirtschaft vorschreibt, muß als Atempause genutzt werden, um auf anderen Gebieten Fortschritte zu erzielen.

Chancen eröffnen sich u.a. durch die Möglichkeiten der privaten Finanzierung öffentlicher Bauinvestitionen. Entsprechende Modelle müssen stärker ausgeschöpft werden, um der schlechten Auftragslage im öffentlichen Sektor entgegenzuwirken. Die Bundesregierung trägt dazu bei, gleiche Wettbewerbschancen zwischen privaten und öffentlichen Anbietern im kommunalen Bereich herzustellen.

Die Bauwirtschaft steht hinsichtlich der Anwendung neuer Techniken in der gesamten Bauproduktion vor einer großen Herausforderung. Hier geht es insbesondere um die Felder Baustoffe, Bauablauf, Vorfertigung und Montage. Die Bundesregierung wird entsprechende Forschungsanstrengungen mit einem Förderprogramm "Bauforschung und Bautechnik" unterstützen. Dafür stellt sie in den nächsten zehn Jahren jährlich 32,5 Mio. DM zur Verfügung. Bei gleichem Mitteleinsatz der Bauwirtschaft können insgesamt über 600 Mio. DM gezielt wirksam werden. Das soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen.

Der Wohnungsbau hat mit einem Anteil von über 50% aller Bauinvestitionen eine große Bedeutung. Nur langfristig verläßliche Rahmenbedingungen und die Vermeidung antizyklischer Maßnahmen können die weiterhin hohe Wohnungsnachfrage befriedigen. Die Kostensenkungsinitiative in Verbindung mit der neuen Eigenheimzulage sowie der verbesserten Bausparförderung unterstützt insbesondere junge Familien mit mittlerem Einkommen und belebt so die Nachfrage. Auch die Modernisierung des Wohnungsbestandes der neuen Bundesländer trägt zur Stabilisierung der Marktlage bei.

Einem effizienteren und zielgenaueren Einsatz von Fördermitteln im sozialen Wohnungsbau dient die geplante Reform des 2. Wohnungsbaugesetzes mit der vorgesehenen Einführung von Kostenobergrenzen sowie einer verstärkten Vergabe von wettbewerbsbezogenen Fördermitteln. Das Mietrecht soll bei Erhalt seiner sozialen Schutzfunktion verständlicher werden. Dabei kommt der Absicherung durch das Wohngeld eine besondere Bedeutung zu. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten bleibt die Wohnungsnachfrage mittelfristig weiterhin hoch, denn das Zinsniveau ist klar unterdurchschnittlich, und für Kapitalanleger gibt es nur wenig vergleichbare Alternativen. Ich gehe auch deshalb davon aus, daß sich die Wohnungsbautätigkeit im laufenden Jahr gegenüber 1995 nur leicht abschwächt. Es kommt zu einer Reduzierung in den alten Ländern auf 440000 bis 450000 neue Wohnungen, aber zu einem weiteren Wachstum in den neuen Ländern auf 140000 bis 150000 Einheiten.


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