IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/1996, Seite 85 f.


RECHT-ECK


Mehr- oder Minderleistung

Anpassung der vereinbarten Vergütung im Sinne des ß 2 Nr. 3 VOB/B

RA Friedrich-W. Stohlmann

Es ist wenig bekannt, daß die Vergütungsregelung in ß 2 Nr. 3 VOB/B auch eine Verpflichtung zur Preisanpassung der Vertragsparteien vorsieht, soweit die ausgeführten Mengen der unter einem Einheitspreis erfaßten Leistungen um mehr als 10 v.H. von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang abweichen.

Die Väter der VOB/B haben früh erkannt, daß es bei Vereinbarung eines Einheitspreises sehr wohl zu Überschreitungen oder Unterschreitungen der Vordersätze, also der bisher im Leistungsbeschrieb enthaltenen Mengenansätze kommen kann. Ist z.B. im Leistungsverzeichnis eine Verlegung von 500 m Abflußrohr vorgesehen, werden aber in Wirklichkeit 780 m verlegt, so liegt eine erhebliche Überschreitung des im Leistungsbeschrieb enthaltenen Mengenansatzes vor.

Im Bereich der Nr. 3 des ß 2 VOB/B ist die Eigenart des Einheitspreises zu beachten. Die Bauleistung stellt dort auch für den Bereich der Vergütung nicht eine einzige und gleiche Leistung dar, sondern sie ist nach der Leistungsbeschreibung gem. Teil A ß 9 in Einzelleistungen (sog. Positionen) aufgeteilt. Diese Positionen sind jeweils nach Art, Umfang und Menge festgelegt. Dabei kommt es im Rahmen des ß 2 Nr. 3 VOB/B allein auf das letzte Merkmal, die sog. Vordersätze an. Die Mengen, von denen die Vertragsparteien bisher ausgegangen sind, können sich im Verlauf der Bauausführung ändern, ohne daß es zu einem den vorgesehenen Leistungsinhalt - die Art und den Umfang betreffend - ändernden, nachträglichen Eingriff des Auftraggebers kommt.

Da sich Leistung und Gegenleistung angemessen gegenüberstehen sollen, muß sich u.U. die Vergütung, mithin der Einheitspreis, ändern, wenn eine bestimmte Über- oder Unterschreitung der im Leistungsverzeichnis in den jeweiligen Positionen vorgesehenen Leistungsmengen eintritt. Aufgabe der Nr. 3 ist es daher, diesen Rahmen zu erkennen und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen, nämlich die erforderliche Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen. Es war dazu zunächst die Grundregel festzulegen, bis zu welcher Grenze sich der Einheitspreis im Rahmen des für den Auftragnehmer erfahrungsgemäß Zumutbaren nicht ändert.

Alsdann war zu klären, welche Änderungen bei einer mengenmäßigen Mehr- oder Minderleistung zu erfolgen haben, wenn gewisse Grenzen überschritten sind. Die Väter der VOB haben die Grundregel geschaffen, daß bei Abweichen der Mengen (Vordersätze) einer unter einem Einheitspreis erfaßten Leistung dann keine Anpassung zu erfolgen hat, wenn diese Änderung nicht mehr als 10% ausmacht. Auf das obige Beispiel bezogen, würde daher eine Verlegung von 540 m keinerlei Änderungsansprüche auslösen.

Preisanpassung

Interessant wird die Frage der Preisanpassung, soweit die Mengenänderungen über 10% hinausgehen oder die Mengenansätze um über 10% unterschritten werden.

Die Feststellung der Angemessenheit der Einheitspreise nach Bauausführung bei einer Abweichung der Leistungsmenge über 10% nach unten oder oben muß daher unter Prüfung jeder Einzelposition geschehen.

Wenn z.B. von zehn Positionen sich fünf im Rahmen der 10%-Klausel halten und die anderen fünf nicht, so bleibt es wegen der ersteren bei den vertraglich festgelegten Einheitspreisen, während wegen der Letzteren jeweils eine Preisänderung in Betracht kommt. Wichtig ist aber, daß sich sonstige Leistungsänderungen, wie z.B. die spätere Änderung der Isolierungsstärke, nicht zu diesem Bereich zählen. Diese Änderungen fallen unter den allgemeinen Teil ß 2 Nr. 5 VOB/B.

In dieser Bestimmung ist die Preisanpassungspflicht des Auftraggebers geregelt, der durch Änderung des Bauentwurfes oder andere Anordnungen die Grundlage des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung einseitig ändert. Dann hat der Auftraggeber unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten mit dem Unternehmer einen geänderten Preis zu vereinbaren.

Der ß 2 Nr. 3 VOB/B regelt lediglich den Fall, daß die vorgesehenen Mengen eine Über- oder Unterschreitung in den einzelnen Positionen von über 10% erfahren, ohne daß die eigentliche Grundlage der Veränderung auf Einwirkung des Auftraggebers gemäß dem oben genannten Beispiel erfolgt.

Für die Ermittlung des neuen Preises sind vorkalkulatorisch die Mehr- oder Minderkosten zu erfassen, also so, als wäre zur Zeit der Angebotsabgabe und dem darauf beruhenden Vertragsabschluß die erhöhte Ausführungsmenge bekanntgewesen und die Preise wären auf dieser Grundlage gebildet worden.

So kann bei einer wesentlichen Mengenüberschreitung eine Herabsetzung des Einheitspreises erfolgen, weil z.B. die Baustellengemeinkosten, wie z.B. Baustelleneinrichtungskosten, allgemeine Geschäftsunkosten, etc. in diesen Mengenansatz einfließen und daher eine Anpassung des Preises nach unten zu erfolgen hat.

Bei der Ermittlung des Preises für die über 10% hinausgehenden Mengen wird nach der baubetriebswissenschaftlichen Grundanschauung, die hier auch für die rechtliche Bewertung maßgebend ist, häufig festzustellen sein, daß die Massenmehrung eine Verringerung der Einzelkosten oder/und der Gemeinkosten im Rahmen der Einzelkosten der betreffenden Teilleistung zur Folge hatte und daß daher der für die Mehrmengen zu bildende neue Einheitspreis entsprechend niedriger ausfallen muß, als der für die bisher vorgesehene Mengen vereinbarte.

Einheitspreiserhöhung

Möglich ist aber durchaus auch die Erhöhung des Einheitspreises, wenn durch die Mengenmehrung für den Auftragnehmer ein bisher nicht gegebener Kostenaufwand entsteht, wie z.B. dadurch, daß die erforderlich gewordenen Mehrmengen an Kies nur aus einer weiter entfernten Kiesgrube gewonnen und angefahren werden können.

Gleiches gilt, wenn z.B. für den Aushub und Abtransport der mengenmäßig erhöhten Leistung schwerere Geräte und mehr Personal eingesetzt werden müßten oder sich auch sonst das Produktionsverfahren infolge der Mehrmengen ändern muß. Denkbar ist eine Erhöhung auch, wenn auf der Grundlage der bisher vorgesehenen Vordersätze einzelne Kostenbestandteile vernachlässigt werden konnten, wie z.B. Gerüstkosten, die aber wegen erheblicher Mengenmehrung von weit über 10% hinaus nicht mehr vertretbar sind. Möglich ist die Erhöhung des Einheitspreises auch dann, wenn die Verarbeitung der Zusatzmengen nur durch Überstunden oder Feiertagsarbeit erbracht werden konnten, um die gesetzten Baufristen einzuhalten.

Bei einer über 10% hinausgehenden Unterschreitung des Mengensatzes ist auf Verlangen der Einheitspreis für die gesamte tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhung der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhält. Die Erhöhung des Einheitspreises soll im wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtungs- und Baustellengemeinkosten und der allgemeinen Geschäftsunkosten auf die verringerte Menge ergibt. Die Umsatzsteuer wird entsprechend dem neuen Preis vergütet. Auch hier ist zu beachten, daß die Unterschreitung nicht durch einen Eingriff des Auftraggebers im Wege der einseitigen Änderung der bisher vereinbarten Leistungsmengen herbeigeführt worden sein darf. Vielmehr muß auch hier eine Änderung der Vordersätze im Verhältnis zum Vertrag festgestellt werden, nachdem das Aufmaß gemeinsam erstellt ist. Stellt sich jetzt eine Minderung in den Positionen von über 10% heraus, so hat eine Anpassung des Preises, in der Regel eine Erhöhung des Einheitspreises, zu erfolgen.

Ausgleich

Für eine solche Erhöhung des Einheitspreises besteht jedoch dann kein Bedürfnis, wenn der Ausgleich auf andere Weise erzielt wird. Das kann dadurch geschehen, daß die Vergütung im Bereich anderer Ordnungszahlen bzw. Positionen sich erhöht, weil deren Mengenansatz 10% übersteigt. Grundlegende Voraussetzung der Ausgleichsregelung ist aber ferner, daß die Umstände, die die Annahme des Ausgleichs auf andere Weise rechtfertigen, erst nachträglich während der Bauausführung, also der tatsächlichen Verwirklichung der Bauaufgabe, eingetreten sind. Daher genügt es nicht schon, einen Ausgleich auf andere Weise dadurch anzunehmen, daß der Auftragnehmer bei den verbliebenen Positionen bzw. Leistungsteilen schon von vornherein "satt" kalkuliert hat, dieser Preis vom Auftraggeber durch Annahme des Angebotes akzeptiert wurde, also Gegenstand des Vertrages geworden ist. Dieses Argument der Auftraggeberseite ist unbeachtlich. Entscheidend ist in der Baupraxis aber, daß der Kostenausgleich nur dann vorzunehmen ist, wenn einer der Vertragsteile es verlangt.

Es ist häufig der Fall, daß die Auftraggeberseite bei Mengenüberschreitungen eine Preisanpassung verlangt, während die Auftragnehmerseite sich mit einem Preisanpassungsverlangen sehr zurückhält. Dabei ist es gut möglich, daß der Auftragnehmer bei Beachtung dieser Vorschrift erhebliche Nachzahlungen erhält, soweit sein Verlangen berechtigt ist. Dazu gehört aber, daß der Auftragnehmer eine einwandfreie Kalkulation vorlegen kann und sein Preisanpassungsverlangen durch Vorlage entsprechender Belege und Kalkulationsunterlagen sowie der gemeinsamen Mengenermittlungen belegt.

Kommentar

Immer häufiger wird von der Auftraggeberseite unter Bezugnahme auf diese Vorschrift eine Anpassung der Preise verlangt, insbesondere wenn sich die Leistungsmengen erhöht haben. Dagegen stellt man fest, daß ein derartiges Verlangen von der Auftragnehmerseite nicht einmal dann gestellt wird, wenn die Mengen sich erheblich verringern, obwohl aufgrund der Baustellenkalkulation insgesamt eine Anpassung des Einheitspreises verlangt werden könnte. Die vorstehenden Ausführungen sollen daher die SHK-Unternehmen anregen, über die Anwendung dieser Bestimmung vermehrt nachzudenken. Der Nachteil liegt allerdings darin, daß sich der Unternehmer ggf. in seine Kalkulation "hineinblicken" lassen muß. Ein weiterer Nachteil liegt evtl. darin, daß ein bisher treuer Auftraggeber aufgrund eines Preisanpassungsverlangens möglicherweise in Zukunft von weiteren Beauftragungen Abstand nimmt. Diese kaufmännischen Überlegungen sind daher vor dem Begehren einer Preisanpassung mit ins Kalkül zu ziehen.


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