IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 10/1996, Seite 56 f.


HEIZUNG


Mehrstufige Abgaswärmerückgewinnung

Rationelle Energieverwendung und Betriebskostensenkung

Dipl.-Phys. Hendrik Höfer*

Im allgemeinen geht man davon aus, daß beim Betrieb von Heizkesseln bis 20% der eingesetzten Energie als feuerungstechnische Verluste dem Gebäude nicht zugute kommen und statt dessen durch den Schornstein nach außen entweichen. Mancherlei Techniken sind entwickelt worden, um dies zu minimieren oder sogar ganz zu verhindern. Hierzu zählt die Brennwerttechnik, deren Möglichkeiten und Grenzen erläutert werden sollen.

Definition der Begriffe Brennwert und Heizwert

Es wäre richtiger, den Begriff "Brennwerttechnik" gegen den Begriff "Wärmenutzung" bzw. "Brennwert" mit "Wärmeinhalt" zu tauschen. Denn falsch verstanden kann der Ausdruck "Brennwerttechnik" zu völlig falschen Betriebsweisen und Entscheidungen führen. Über die Definition muß also nachgedacht werden, bevor über die Technik und deren Nutzen diskutiert wird. Dieser Vorschlag ist nicht nur wegen der Grenzen bekannter Geräte gerechtfertigt, sondern auch wegen des Umstandes, daß Gerichte bemüht werden, Klarheit über die Benennung der Geräte zu schaffen, die als Brennwertgeräte bezeichnet werden.

Der gesamte Wärmeinhalt eines Brennstoffes ist der Brennwert, während der Wärmeinhalt ohne den Anteil der Verdampfungswärme - 11% bei Erdgas und 6% bei Heizöl - gemeinhin als Heizwert bezeichnet wird. Bei älteren Kesseln liegen die Abgasverluste, bezogen auf den Heizwert, bei über 10%, bei neueren Heizkesseln bei unter 10%. (Die zulässigen Verluste regelt die Bundes-Immissionsschutzverordnung in Abhängigkeit der Kesselgröße.) Der Heizwert ist also ein Teil des Brennwertes. Er bildet einen Anteil von 89% bei Erdgas und 94% bei Heizöl. Da der Anteil der Verdampfungswärme zur Zeit der Begriffsdefinition, also vor rund 20 Jahren, ohnehin als verloren galt, hatte man den Heizwert kurzerhand als 100% der im Brennstoff enthaltenen Energie bezeichnet. Sind die Abgasverluste null, vermutet man eine 100%ige Energieausnutzung. Als man feststellte, daß zum Teil auch die im Brennstoff enthaltene Verdampfungswärme genutzt werden kann, entstand der Begriff "Brennwertnutzung". Wird nun ein Teil der Verdampfungswärme genutzt, zum Beispiel 3%, entsteht das Phänomen der Energienutzung von 103%. "Heizwertnutzung" ist jedoch richtiger, denn in Wirklichkeit beträgt die Ausnutzung - bezogen auf die gesamte Energie - nur 92% bei Erdgas und 97% bei Heizöl.

Wärmeerzeugungsanlagen

Die Abgasverluste dokumentieren sich u.a. in der Höhe der Abgastemperaturen vor Eintritt in den Schornstein. Die Abgasverluste sind null, wenn die Abgastemperatur 57°C bei Erdgas und 47°C bei Heizöl nicht übersteigt. Denn dies sind die Grenztemperaturen, d.h. die Kondensationstemperaturen der beiden Brennstoffe: Haben die Abgase eine niedrigere Temperatur als 57°C bzw. 47°C, kondensiert der Wasserdampf aus.

Heißes Abgas kühlt auf 57°C bzw. 47°C ab, wenn es über einen Wärmetauscher geführt wird, der mit Wassereintrittstemperaturen von 47°C bei Erdgas bzw. 37°C bei Heizöl arbeitet. Mindestens diese Betriebszustände werden üblichen Brennwertkesseln unterstellt. Wird also dieser Betriebszustand erreicht, so ist der Heizwert des eingesetzten Brennstoffs genutzt. Der Kessel hat einen Wirkungsgrad von 89% bzw. 94% bezogen auf den gesamten Wärmeinhalt; die Kondensationswärme geht weiterhin verloren.

Ist die Temperatur des in den Wärmeaustauscher eintretenden Wassers höher als 47°C bzw. 37°C - mit der Folge der Abgastemperaturerhöhung -, stellen sich wiederum Abgasverluste ein. Der Heizwert wird nicht völlig genutzt. Die Verhinderung von Abgasverlusten ist also abhängig von der Rücklauftemperatur des Heizkessels.

Die Temperatur des Rücklaufwassers wiederum ist abhängig von der Brennerlast, und sie ist abhängig von der Außentemperatur. In der Übergangszeit (Frühling/Sommer und Herbst/Winter) sind Rücklauftemperaturen von 47°C erreichbar. Der Brenner arbeitet dann mit etwa 60% seiner maximalen Leistung. Bei niedrigeren Außentemperaturen und 100% Brennerleistung ist die Rücklauftemperatur in der Regel wesentlich höher als in der Übergangszeit. Deshalb sind in Zeiten hohen Energieverbrauchs, also im Winter, Abgasverluste vorhanden. Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit müssen diese Zusammenhänge berücksichtigt werden.

Bei Abgastemperaturen von 57°C bzw. 47°C ist der Taupunkt der Abgase erreicht. Werden die Abgase mit dieser Temperatur in den Schornstein geleitet, kühlen sie weiter aus. Der Wasserdampf kondensiert. Deshalb ist der Einsatz feuchtigkeitsunempfindlicher Schornsteine oder andere kondensattaugliche Abgassysteme notwendig. Diese Kosten wirken sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus.

Wird als Material für den Wärmetauscher - auch hochwertiger - Edelstahl eingesetzt, läßt sich diese Technik in ölbefeuerten Heizungsanlagen nicht einsetzen. Es entstehen Korrosionen. Sie werden auch festgestellt, wenn gasbefeuerte Kessel angeschlossen werden, und zwar besonders dann, wenn halogenbelastete Luft als Verbrennungsluft angesaugt wird, z.B. chlorhaltige Luft in Schwimmbädern.

Wird bei der Wärmeübertragung eine Abgastemperatur von unter 57°C erreicht (Erdgas), entsteht Kondensat. Dies verursacht Schwermetallauswaschungen bei Edelstahlwärmetauschern. Außerdem sollte auf die Neutralisation des Kondensats, auch aus kleinen Feuerungen, nicht verzichtet werden. Denn der apparative Aufwand und die Betriebskosten sind als gering einzustufen.

Zusammenfassung

Eine 100%ige Ausnutzung des Heizwertes ist bei gasbefeuerten Kesseln möglich, wenn die Temperatur des den Tauscher durchströmenden Wassers 47°C nicht übersteigt und die Abgastemperatur 57°C erreicht. Der Kesselwirkungsgrad beträgt dann 89%. Diese Abhängigkeit macht herkömmliche Brennwertgeräte in den meisten Anwendungsfällen maximal zu "Heizwertgeräten".

Soll zumindest ein geringer Anteil der Verdampfungswärme verfügbar gemacht werden, muß die Abgastemperatur bei Erdgasfeuerung unter 57°C sein, d.h. das Rücklaufwasser muß mit einer Temperatur in den Wärmetauscher strömen, die unter 47°C liegt.

Eine 100%ige Ausnutzung des Heizwertes bei ölbefeuerten Kesseln ist wegen der Korrosionsgefahr bisher nicht möglich. Ein enormer Nachteil in Anbetracht des gegenüber Gas wesentlich höheren Anteils an Primärenergie in der Wärmeversorgung.

Der nachträgliche Einsatz der Brennwerttechnik ist meist mit einer Schornsteinsanierung verbunden.

Schwermetallauswaschungen sind bei Einsatz von Wärmeaustauschern aus Edelstahl nicht zu vermeiden.

Neue Definition der Brennwerttechnik

Mit dem Begriff Brennwerttechnik sollte die Technik charakterisiert werden, die den gesamten Wärmeinhalt der eingesetzten Energie verfügbar macht. Die Abgastemperatur sollte nach dem Wärmeaustausch ca. 20°C betragen. Die Abhängigkeit der Abgasauskühlung von nur einem Heizkreis muß durch einen zweiten Heizkreis aufgehoben werden. Eine dem Markt zur Verfügung stehende Technik erfüllt diese Forderungen. Im einzelnen sind es:

Rationelle Energieverwendung für Kesselanlagen

Bei der hier vorgestellten Technik erfolgt die Auskühlung der Abgase in der 1. Stufe des Gerätes auf das Niveau des Heizungsrücklaufs. Somit kann man diesen Vorgang als Rücklauftemperaturanhebung verstehen. Das Abgas kühlt auf ca. 68°C ab. In der 2. Stufe des Gerätes wird ein eigener Heizkreis betrieben. Die auf diesen Heizkreis übertragene Wärme dient zur Vorerwärmung des Brauchwassers. Da beide Abnehmer jedoch die gesamte im Abgas befindliche Wärme nicht aufnehmen können, wird zusätzlich ein Register in den Ansaugkanal der Frischluft eingebaut und die Außenluft erwärmt. Die Temperatur der Außenluft bestimmt wesentlich die Auskühlung der Abgase. Es ist keine Seltenheit, daß Abgastemperaturen von unter 20°C entstehen.

Wegen des Einsatzes von Chlor kommt es in Bädern zu Problemen mit Brennwertkesseln. Denn Chlor gelangt über die Verbrennungsluft in den Abgasstrom und wird so in die Kondensationsstufe geleitet. Brennwertnutzung in Bädern ist deshalb problematisch, weil Lochfraß auch bei hochwertigen Edelstählen entsteht. Der hier vorgestellte Wärmetauscher ist aus Graphit hergestellt, einem Werkstoff mit besserer Wärmeleitfähigkeit als Edelstahl. Und da Graphit korrosionsbeständig ist, ist der Wärmetauscher auch bei ölbefeuerten Kesseln einsetzbar. Die Standzeit des Wärmetauschers ist praktisch unbegrenzt.

Bei der massiven Auskühlung der Abgase fällt eine erhebliche Menge an Kondensat an, das mit entsprechendem Mittel neutralisiert wird. Danach kann das Kondensat ohne weiteres in die Kanalisation eingeleitet werden. Dem ausgekühlten Abgas ist der größte Anteil Wasser entzogen - bei 20°C rund 90%. Dennoch ist das Abgas zu 100% mit Feuchtigkeit gesättigt. Bei weiterer Abkühlung im Schornstein würde Kondensat ausfallen. Deshalb erfolgt eine Nacherwärmung um ca. 20°C innerhalb des Gerätes über Kontaktwärme, so daß die relative Feuchtigkeit herabgesetzt wird und in aller Regel keine Nachkondensation entstehen kann. Ausnahmefälle wie zum Beispiel freistehende nicht wärmegedämmte Schornsteine verlangen mitunter eine Kunststoffleitung zur Ableitung des Abgases.

Diese Technik ist grundsätzlich in allen Gebäuden einzusetzen, in denen wenigstens eine Luftvorwärmung möglich ist. Hohe Wirtschaftlichkeit ermöglicht eine Finanzierung über die zurückgewonnene Wärme. Kapitalrückflußzeiten sind bei größeren Gebäuden mit entsprechendem Energieverbrauch zwischen drei und sechs Jahren anzusiedeln.


* Dipl.-Phys. Hendrik Höfer: Jahrgang 1963. Nach dem Studium der Physik an der Uni Bonn und Examen an der Maximilian Universität München ist er seit 1985 Gesellschafter und Geschäftsführer der Construktal - Gesellschaft für Energierückgewinnung und Umwelttechnik mbH, Bad Honnef.


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