IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1996, Seite 93 ff.


KLEMPNEREI


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Dipl.-Ing. Willy Stahl

Stellen Sie sich vor ... Sie müssen 20 Wandanschlüsse, 15 Mauerabdeckungen und 15 Kehlrinnen mit speziellen Abmessungen und Winkeln biegen. Die Baustelle ist 25 Kilometer entfernt und Ihre Mannschaft wartet schon auf die Bleche. Mit der Technik von gestern hat es mehrere Stunden gedauert, bis die Teile programmiert und gebogen waren. Viel zu lange, um kurzfristig reagieren zu können.

Bei einer neuentwickelten Schwenkbiegemaschine wählen Sie das Bild des gewünschten Profils an der Steuerung aus. Sie klicken es einfach an und schon öffnet sich ein Fenster. Dort sehen Sie das gewählte Biegeteil nochmals separat. Sie geben nur noch die Schenkellängen und Winkel ein, die Sie auf der Baustelle gemessen haben. Das ist schon alles und augenblicklich erzeugt der RISC-Prozessor in der CNC-Steuerung das passende Biegeprogramm mit den gewünschten Winkeln, Hinteranschlag-Positionen und Oberwangen-Öffnungen. Die Steuerung sagt Ihnen, wie breit der Blechstreifen für das Profil sein muß und wann Sie das Blech beim Biegen drehen oder wenden müssen.

Klingt unmöglich? Klingt nach Traumvisionen aus dem 21. Jahrhundert? Weit gefehlt. Eine neuentwickelte Schwenkbiegemaschine macht’s möglich.

Schwenkbiegemaschine mit CNC-Steuerung.

Waren es bisher meist die Kosten und die aufwendige Bedienung, die viele Anwender von der CNC-Technik abschreckten, so kann heute jeder Klempner, jeder Bauspengler und jeder Metallbauer den Schritt in die Automatisierung gehen. Einzelteile biegen ist jetzt ohne zeitaufwendige und umständliche Programmierung möglich.

Sie nehmen das erste Blech zur Hand und die Maschine macht daraus ein perfektes Biegeteil - in Sekunden. Wenn Sie kein geeignetes Biegeteil-Bild finden, können vorhandene Bildprogramme geändert, eigene Bildprogramme erzeugt oder zusätzliche Bildprogramme über einen Dienstleistungsservice erworben werden.

Wer bis jetzt denkt, das Programmieren sei schnell, sollte einen Blick auf die Maschine selbst werfen. Die Biegewange schwenkt mit rasanten 80 Grad pro Sekunde auf und ab und erreicht mit Frequenzumrichter-Technik eine Genauigkeit von +/- 1/10 Winkelgrad.

Ein Blick auf die voluminöse Biegewange und Sie wissen, weshalb Ihre Biegungen in Zukunft auch auf die volle Biegelänge von 3150 mm gerade sind. Die Torsionskastenbauweise verbindet vorbildlich die Forderungen nach extremer Steifigkeit und Leichtigkeit, die Voraussetzung für das dynamische Fahrverhalten der Biegewange ist. Aufgrund dieser Steifigkeit läßt sich mit einer nur 10 mm breiten Biegeschiene bis zu 1,25 mm dickes Blech biegen. Für die maximale Blechdicke von 1,5 mm wird eine zweite 19 mm breite Biegeschiene mitgeliefert. Doch hiermit nicht genug.

Biegeteil

Automatische Biegewangeneinstellung

Noch erstaunlicher ist die automatische Biegewangeneinstellung für unterschiedliche Blechdicken. Erhält man einmal einen Eilauftrag für ein Profil aus 1,25 mm dickem Aluminiumblech das zwischen einem laufenden Auftrag abgewickelt werden muß, so ist das in Zukunft kein Problem mehr. Kurz die Biegewange für das dickere Blech verstellen, die Teile für den Eilauftrag biegen und anschließend wieder auf den ersten Auftrag zurückstellen.

Wie das so einfach möglich ist? Die beiden CNC-Achsen für die Oberwangen- und Biegewangenbewegung erzeugen durch geschicktes Zusammenspiel eine dritte virtuelle Achse für die Biegewangenverstellung. Hier wird aus 1 + 1 = 3 gemacht! Innerhalb von 10 Sekunden stellt sich die Biegewange auf eine neue Blechdicke ein, ohne daß der Bediener Hand anlegen muß. Die Genauigkeit beträgt 0,1 mm und Handräder oder Einstellskalen gehören der Vergangenheit an.

Da der Verstellbereich weit über dem Blechdickenbereich liegt, erlaubt die Schwenkbiegemaschine auch das Biegen von Radien. Dies wird gerne genutzt, um beispielsweise bei Zink und Aluminium sanftere Übergänge zu biegen.

Bildprogramm-Auswahl der Steuerung ...

Hochhalte- und Hinteranschlagsystem

Nun zum integrierten Hochhalte- und Hinteranschlagsystem. Zuerst fällt seine kompakte Bauweise auf. Vordere und hintere pop-up-Finger garantieren höchste Dynamik beim Positionieren des Biegeteils. Zum Drehen der Bleche verschwinden die Finger in der Tischebene. Somit können auch keine Kratzer auf der Materialoberfläche entstehen. Die Anschlagfinger werden von einem bürstenlosen AC-Servomotor mit integriertem digitalen Meßsystem angetrieben. Die Finger positionieren das Blech auf ± 0,15 mm genau. Das geschieht auf jedes Maß zwischen 8 und 1000 mm in weniger als zwei Sekunden. Mit einem CNC-Hinteranschlag erspart man sich zukünftig erstens die zeitverschlingenden Anreiß- und Körnarbeiten, zweitens kann ein einziger Bediener die Teile biegen, da niemand mehr nach den Anrißmarkierungen peilen muß und drittens lassen sich wiederholgenauere Teile in einem Bruchteil der Zeit biegen.

Schlüsselfaktoren sind ebenso die Ober- und Unterwange. Die Unterwange ist mit ihrer tiefen Kastenbauweise extrem steif und torsionsfrei konstruiert. Das sichert sehr hohe Genauigkeiten am Biegeteil. Die Oberwange bewegt sich flüsterleise mit hoher Geschwindigkeit und Dynamik. Den 120 mm maximalen Spannweg legt sie in unter 2 Sekunden zurück. Dies ist verbunden mit weichen Bewegungsabläufen und hohen Spannkräften zum Zudrücken von Umschlägen. Gleichzeitig positioniert die Oberwange programmgesteuert auf unterschiedliche Schließpositionen zum Biegen von offenen oder geschlossenen Umschlägen.

... mit Variablen-Eingabe.

Technik und Design

Doch was wäre alle Technik und Schnelligkeit, wenn nicht auch die Optik zum Zuge kommen würde. Die Maschine schafft mit ihrem gerundeten "Cockpit-Design" einen Arbeitsraum, in dem der Bediener den Mittelpunkt bildet. Die ausgeschwenkte Steuerung erlaubt einen hervorragenden Blick auf den Flachbildschirm. Und da Design immer auch funktional sein muß, sind die Antriebsmotoren nicht unter die Maschine gepackt, sondern leicht zugänglich an der Seite plaziert. Gleiches gilt für alle Schalter und Elektronikkomponenten, die sich ebenfalls als Funktionsblock unter den Seitenabdeckungen befinden.

Dieses Gesamtkonzept einer Schwenkbiegemaschine läßt jedes Klempner-, Bauspengler- und Metallbauerprofil mit simpler Bildauswahl und Maß- oder Winkelanpassung entstehen. Das ist der einfachste, genaueste und schnellste Weg, um von einer Handskizze zum fertigen Biegeteil zu kommen.

Passende Schwingschnitt-Schere

Bevor mit dem Biegen begonnen werden kann, müssen die passenden Blechstreifen zugeschnitten werden. Wie breit der Streifen für das aktuelle Biegeteil sein muß, sieht der Bediener an der CNC-Steuerung.

Nicht jede Schere die eine bestimmte Blechdicke schneidet entspricht den Anforderungen, die Klempner, Bauspengler und Metallbauer an solch eine Maschine stellen. Daher haben die Entwickler die Arbeitsabläufe in Klempnereien unter die Lupe genommen und passend zur Schwenkbiegemaschine eine Schwingschnitt-Schere für diesen Markt entwickelt.

Hochhalte- und Hinteranschlagsystem.

Die Schwingschnitt-Schere schneidet Stahlbleche bis zu 2 mm und Aluminium bis zu 3 mm auf 3100 mm Arbeitsbreite. Besonderes Augenmerk haben die Konstrukteure dem Handling mit dem Blech gewidmet. Gerade die dünnen Bleche von 0,6 mm stellen besondere Anforderungen an das Scherentisch-Design. Zwei Dinge ärgern die Bediener erfahrungsgemäß am meisten an ungünstig gestalteten Scherentischen. Erstens werden die Blechkanten bereits beim Auflegen des dünnen Materials angebogen und müssen anschließend gerichtet werden. Und zweitens kann der Bediener das Blech schlecht greifen, da es keine Griffmulden gibt. Um beides zu verbessern, erleichtern vier seitlich abgeschrägte Scherentische das Handling mit dem Blech. Der Bediener kann es schnell auf den Scherentisch ziehen und das Blech kann dabei nirgendwo anecken. Die groß dimensionierten Griffmulden erlauben ihm, das Blech bis zum Fingerschutz gut zu greifen und somit das Material optimal auszunutzen.

Tischverlängerungen verhindern, daß auch breitere Bleche nicht durchhängen können ohne die Zugänglichkeit zum Scherentisch einzuschränken. Ein Winkelanschlag von 610 mm Länge mit Skala kann links oder rechts montiert werden. Reicht diese Länge nicht aus, ist auch ein 1160 mm langer Winkelanschlag erhältlich.

In das "Cockpit-Design" integrierte Steuerung.

Ein Niederhaltersystem mit Kunststoff-Schutzkante schont einerseits empfindliche Oberflächen wie etwa bei weichem Aluminium und hält das Blech beim Schneiden verrutschsicher fest. Gleichzeitig integriert dieses System auch den Fingerschutz entlang der gesamten Arbeitsbreite der Schere.

Ein patentiertes Hinteranschlagsystem läßt sich von vorne einstellen. Der Bediener muß zum Verstellen des Anschlags nicht extra auf die Rückseite der Maschine gehen. Zudem benötigt die Maschine dadurch weniger Platz in der Werkstatt. Der Hinteranschlag läßt sich auf jedes Maß zwischen 5 und 610 mm (auf Wunsch 750 mm) einstellen. Sollen breitere Bleche geteilt werden, können sie unter dem Hinteranschlag hindurchgeführt werden. Der Anschlag kann stufenlos auf jedes Maß gespannt werden. Die Verstellzeit beträgt nur etwa 2 Sekunden und ist damit schneller als mit einem motorisierten Hinteranschlag bei wesentlich geringerer Investition.

Soll für Schrägschnitte ohne Hinteranschlag und dafür nach Anriß gearbeitet werden, hat der Bediener eine gute Einsicht auf die Schnittlinie. Verantwortlich für die dauerhafte Schnittqualität ist eine computeroptimierte, stabile und verwindungsfreie Schweißkonstruktion. Alle Maschinenteile sind kräftig dimensioniert und garantieren eine lange Lebensdauer der Maschine. Wartungsfreie Lagerungen sind überdimensioniert ausgelegt und sorgen für die Zuverlässigkeit der Maschine. Hervorzuheben ist auch der geräuscharme Lauf des dynamischen Getriebemotors.

Ganz konsequent wurde das Schwingschnitt-Prinzip verfolgt. Es bietet entscheidende Vorteile gegenüber den kulissengeführten Scheren. So ist die Schnittqualität besser, die Teile sind schon beim Schneiden von schmalen Streifen torsionsfrei und die Bleche können nicht zwischen Messer und Hinteranschlag deformiert werden. Zudem ist die Standzeit der Messer höher und das Einstellen des Schnittspalts nach dem Messerwechsel erfolgt schnell und einfach. Ein Unterlegen der Messer entfällt, da die Bombierung schon in den Messerbalken eingearbeitet ist.

In der Standardausführung enthalten ist eine von vorne bedienbare Schnittgut-Weiche. Sie kann unterschiedlich breite Streifen gezielt nach vorne oder hinten separieren. Damit entfällt das unbeliebte Sortieren unterschiedlicher Blechabmessungen nach dem Schneiden. Ebenso kann die Schnittgut-Weiche beispielsweise Gutteile nach vorne führen und sie damit von Anschnittstreifen trennen, die nach hinten fallen. Dies verhindert, daß Gutteile und Anschnittstreifen kreuz und quer durcheinanderfallen. Dies bringt zusätzliche Erleichterung, da unnötige Sortierarbeiten entfallen.

Schwingschnitt-Schere

Ein mechanisches Blech-Hochhaltesystem führt das Blech exakt an den Anschlag. Selbst dünne Bleche können nicht durchhängen. Die abgeschnittenen Streifen gleiten in einen an der Maschinen-Vorderseite eingehängten Schnittgut-Sammler. Sollen die Streifen anschließend auf der Schwenkbiegemaschine gebogen werden, empfiehlt sich statt des eingehängten Schnittgut-Sammlers ein verfahrbarer Stapel- und Transportwagen. Er wird mit seinen vier Lenkrollen vorne in das Maschinengestell eingeschoben. Seine spezielle Konstruktion erlaubt es erstmals in dieser Maschinenklasse, daß die Zuschnitte gestapelt werden können. Nachdem der Bediener den Stapel- und Transportwagen zur Schwenkbiegemaschine geschoben hat, schließt sich der Kreis.

Beide Maschinen zusammen bilden daher eine perfekte und ideal aufeinander abgestimmte Einheit, die in dieser Konsequenz den Wünschen des Klempner- und Spengler-Handwerks gleichermaßen nachkommt. Dies gilt selbstverständlich nicht nur für Technik und Gestaltung, sondern ganz besonders für den attraktiven Preis.


A l l e   B i l d e r :   RAS Reinhardt Maschinenbau GmbH


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