IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 5/1996, Seite 88 f.


LÜFTUNG


Raumklimatisierung mittels Kühldecke und Quellüftung

Dreijähriges Verbundprojekt abgeschlossen

Nach neuesten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis können Arbeitsplätze in Büros oder in der industriellen Fertigung so belüftet bzw. klimatisiert werden, daß es zu keiner Belästigung durch Zugluft kommen muß. Die neuartigen Lüftungs- und Klimasysteme, bestehend aus Quellüftung und Kühldecke, führen nicht nur zu einer sehr hohen Akzeptanz durch den Nutzer, sondern kommen auch mit weniger Energie für Ventilatoren und die Kaltwassererzeugung aus.

Beteiligt an der dreijährigen Untersuchung mit dem Titel "Menschengerechte Raumklimatisierung durch Quellüftung und Flächenkühlung" waren das Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin (Grundlagen, Feldmessung), das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen (thermische Behaglichkeit), die KST, Klimasystemtechnik Esdorn Jahn GmbH, Berlin, (Computersimulation), die Heinrich Nickel GmbH, Betzdorf, (Luftdurchlässe, Temperatur- und Schadstoffprofile im Raum) sowie die Kraftanlagentechnik Heidelberg GmbH (Arbeitsplätze mit erhöhten Luftqualitätsanforderungen). Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms Arbeit und Technik. Eine überarbeitete Fassung des Abschlußberichts ist kürzlich als Buch beim Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IBR) in Stuttgart erschienen [1].

Optimierung zwischen Luftqualität und thermischem Komfort

Die zugfreie Klimatisierung von Arbeitsplätzen in Büros und industriellen Fertigungsstätten mittels Quellüftung und Flächenkühlung findet seit etwa fünf Jahren auch in Deutschland eine immer stärkere Verbreitung. Was bislang dem Praktiker allerdings nur lückenhaft zur Verfügung stand, waren wissenschaftlich abgesicherte Auslegungskriterien, die zuverlässige Aussagen zur Wechselbeziehung zwischen Kühldeckenleistung und Quellüftung zuließen. So stellten die Wissenschaftler des Hermann-Rietschel-Instituts fest, daß die Luftqualität in einem durch Quelluft belüfteten Raum durch den thermischen Effekt der Kühldeckenleistung stark beeinflußt wird. Der Planer hat demnach die Möglichkeit, das Klimasystem entweder nach dem thermischen Komfort (hohe Kühlleistung) oder nach der Luftqualität im Aufenthaltsbereich der Personen zu optimieren. Dabei spielt die Luftströmung in "Nasenhöhe" einer Person, also die Höhe der Atemzone, eine ausschlaggebende Rolle. Im Idealfall sollte sich die Person bis zu dieser Grenzlinie im ungestörten "Zuluftsee" aufhalten, aber auch bei einer geringeren Zuluftseehöhe wird eine Luftqualitätsverbesserung erreicht.

Bei konventionellen Klimaanlagen wird kalte Luft meist von der Decke mit hoher Induktion in den Raum eingeblasen. Im Gegensatz dazu erfolgt die Luftzufuhr bei Quelluftsystemen über großflächige Zuluftöffnungen am Fußboden mit sehr milden Lufttemperaturen. Wärmequellen im Raum, zum Beispiel Menschen, Büromaschinen oder Beleuchtung, induzieren eine Auftriebsströmung und damit den Transport der frischen und kühlen Zuluft vom Fußboden zur Decke, wo die dann erwärmte Luft abgesaugt wird. Höhere Kühllasten lassen sich am besten durch eine Kombination von Quellüftung und Kühldecke abführen. Diese wasserdurchflossenen Kühlflächen nehmen Wärme aus dem Raum durch Strahlung und zum Teil durch Konvektion auf und geben sie an einen Wasserkreislauf ab.
(Bild: Fraunhofer-Institut für Bauphysik)

Optimale Klimabedingungen sind möglich

Daß Klimaanlagen älterer Bauart in der Vergangenheit immer wieder in die Schußlinie von Betriebsräten, Arbeitsmedizinern und letztendlich von "klimatisierten Mitarbeitern" gerieten, hat viel mit den thermischen Umgebungsbedingungen in klimatisierten Gebäuden, am meisten aber mit Zuglufterscheinungen zu tun. Bereits frühere Untersuchungen am Fraunhofer-Institut für Bauphysik ergaben, daß Klagen über Zugerscheinungen wesentlich durch Turbulenzen in Luftströmen verursacht werden. Aus der Sicht der Wissenschaftler war die Forderung nur konsequent, die Luft von der Kühlfunktion zu entbinden und die reduzierte, hygienisch notwendige Zuluftmenge turbulenzarm, mit niedriger Geschwindigkeit und mit geringer Temperaturdifferenz zur Raumluft in Fußbodennähe in den Raum "quellen" zu lassen.

Untersuchungen in einem Versuchsraum mit 50 Testpersonen haben gezeigt, daß selbst bei optimalen Raumklimabedingungen, wie sie bei richtig eingestellter Quellüftung und Kühldecke vorliegen, nur bis zu 80% der Probanden das Raumklima akzeptabel finden. Wer eine höhere Akzeptanz erreichen wolle, müsse die Möglichkeit für ein individuell regelbares Raumklima schaffen, beispielsweise durch Einzelraum- bzw. Arbeitsplatzregler, die auf die Kühldecke wirken, so die Bauphysiker.

Luftauslässe großflächig auslegen

Das Prinzip der Quellüftung läßt sich sowohl als reine Hygienelüftung als auch zur Abfuhr von Wärmelasten (Raumkühlung) einsetzen. Verschiedene experimentelle Untersuchungen im Klimatechnischen Laboratorium der Heinrich Nickel GmbH in Betzdorf haben gezeigt, daß die Leistung dieses Lüftungssystems auf bestimmte Auslegungsparameter begrenzt ist. Zum Beispiel sollte bei einer Komfortklimaanlage die Auslaßhöhe der Quellluftauslässe die Höhe von 0,80 m nicht überschreiten, wenn die Quellüftung auch Kühlfunktion übernehmen soll. Begründet wird dies damit, daß "herabfallende" Kaltluft zu Geschwindigkeitserhöhungen im Bereich der Luftauslässe führt, die wiederum Luftturbulenzen hervorrufen und damit Zugerscheinungen auslösen können. Je großflächiger und niedriger die Quelluftauslässe dimensioniert werden, desto höhere Wärmelasten könnten mit diesem Lüftungsprinzip abgeführt werden, so die Ingenieure des Nickel-Forschungslabors. Sehr hohe Leistungswerte ließen sich z.B. erzielen, wenn die Luft über einen Doppelboden vollflächig durch einen luftdurchlässigen Teppichboden ausgeblasen werde.

Quelluft für Arbeitsplätze mit hohen Reinheitsanforderungen

Quellüftung und Kühldecke führen aber nicht nur in Büro- und Verwaltungsgebäuden zu einem komfortableren Raumklima, sondern auch zu besonders wirtschaftlichen Lösungen in "Reinen Räumen" der Reinheitsklasse >1000. Bei Experimenten in den Labors der Kraftanlagentechnik GmbH, Heidelberg, stellte sich heraus, daß eine gleichmäßig verdrängende Quellüftung für viele Anwendungsgebiete in der Mikroelektronik, Präzisionsmeßtechnik, Beschichtungstechnik, Lebensmitteltechnik und in physikalischen Labors ausreichend "Reine Arbeitsplätze" garantiert. Herausgestellt wird die geringe Luftmenge in Verbindung mit dem hohen Reinheitsgrad der Luft, was zu wesentlichen Kostensenkungen bei der Installation und beim Betrieb von "Reinen Arbeitsplätzen" führt. Diese Erkenntnisse sind um so wichtiger, da mehr und mehr Güter unter Reinraumbedingungen produziert, montiert oder verpackt werden. Ein wichtiger Nebeneffekt der Reinraum-Quellüftung ist für die Beschäftigten der höhere Komfort gegenüber konventionellen Reinraumanlagen.

Option auf freie Kühlung reduziert Energiekosten

Schon seit ihrer Einführung in Deutschland vor etwa fünf Jahren, geht Kühldecken und Quellüftungen der Ruf voraus, mit besonders wenig Antriebsenergie für Ventilatoren und Kälteerzeugung auszukommen. Bei mehreren Vergleichsrechnungen mit Hilfe eines neuen Simulationsprogramms, entwickelt von der KST Klimasystemtechnik Esdorn Jahn GmbH, Berlin, wurde diese Praxiserfahrung jetzt auch wissenschaftlich untermauert.

Um das Energieeinsparpotential voll auszuschöpfen, sollten nach den Berechnungen der KST die Kühleinrichtungen für den Kaltwasserkreislauf zugunsten der freien Kühlung mittels nasser Rückkühlsysteme optimiert werden.

Die Arbeitsgruppe der KST warnt vor einem Einsatz der Kühldecke ohne ausreichende Lüftung, da sonst die Kühldeckenleistung bei hoher Luftfeuchte reduziert werden muß, um Tauwasser zu vermeiden. Die Kombination mit Quellüftung eröffne dagegen die Möglichkeit, neben der Hygienelüftung auch einen Teil der Grundkühllast zu übernehmen. Für lang anhaltende Hitzeperioden errechnete die Computersimulation, daß die Anlagen möglichst durchgehend Tag und Nacht sowie am Wochenende betrieben werden sollten, da dieses Klimatisierungskonzept gegenüber der konventionellen Luftkühlung eine gewisse Trägheit aufweise.


L i t e r a t u r :

[1] Erhard Mayer: Menschengerechte Raumklimatisierung durch Quellüftung und Flächenkühlung. IRB-Verlag, Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau, Stuttgart.


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