IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/1996, Seite 94 ff.


DESIGN IN DER HEIZUNGSTECHNIK


Die Ästhetik der Multiplikation des Feuers

Prof. Dr. Peter Zec

Der Autor geht nochmals den Weg seit der offenen Feuerstelle im Haus des 19. Jahrhunderts bis heute, zu den mit designorientierten Heizungsprodukten ausgestatteten zentral beheizten Wohnhäusern.

Der Clou bei diesem Wärmekörper: Er spendet Wärme, läßt sich als Raumteiler einsetzen und übernimmt die Funktion eines Handtuchhalters.
(Bild: Zehnder)

Jeder Mensch braucht Wärme, und deshalb ist jedes Haus heutzutage mit Heizkörpern ausgestattet. Aber in wieviel Häusern sind diese Wärmespender immer noch nichts weiter als lästige visuell vernachlässigte Beigaben im Wohnbereich. Wie wenig wird - insbesondere von Hauseigentümern - überhaupt darüber nachgedacht, daß Heizkörper je nach Raum auch spezielle Aufgaben übernehmen können. Im Bad zum Beispiel kann ein Heizkörper gleichzeitig die Funktion eines Handtuchtrockners und Handtuchhalters, in großen Räumen die eines Raumteilers übernehmen. Innovative Überlegungen - gepaart mit neuen Ideen zur Ästhetik dieses Objektes - sind bei Designern und Herstellern durchaus vorhanden. Warum aber übernehmen Hausbesitzer diese Ideen nur sehr langsam? Das liegt sicher an der allgemein vorherrschenden urbildlichen Vorstellung von der Funktion des Feuers als Wärmespender.

Dieser Ölbrenner aus dem Jahre 1963 wurde von den Designern Hans Gugelot und Hans Sukopp gestaltet und stellt ein für diese Zeit neuartiges Konzept dar. Die kompakte, verkapselte Einheit findet man heute in der ständigen Sammlung des Museums für angewandte Kunst in Münster.
(Bild: Weißhaupt)

Der Heizkörper soll Wärme spenden und hat sich deshalb in den Köpfen noch viel zu wenig als raumgestaltendes Element etabliert. Das ist, gemessen an der historischen Zeitspanne, in der uns Heizkörper und die damit zusammenhängenden Systeme begleiten, im Vergleich zu der Millionen Jahre alten Geschichte des Feuers durchaus verständlich.

Die "Vermöblierung" des Feuers

So wie Thomas A. Edison der Vater der zentralen Stromversorgung war, war der Amerikaner Birdsill Holly der Erfinder der Heizungsindustrie. 1866 legte er eine Leitung zwischen einem Heizkessel in seinem Wohnraum und einem Stallgebäude im hinteren Teil seines Grundstücks. Im Jahre 1876 errichtete er seine erste Probeanlage in Lockport im Staat New York. Von dort aus konnten im folgenden Winter eine Reihe von Wohnhäusern, Geschäften und Büros erfolgreich beheizt werden. Die Idee eines flächendeckenden zentralen Heizungssystems wurde von hier aus um die ganze Welt getragen. Es war - so könnte man sagen - der Beginn des Systemdesigns im Heizungsbereich, das sich heute von den Kraftwerksanlagen über die Heizkessel, Brenner und Regler bis hin zu den Heizkörpern erstreckt.

Der Bedienbereich des Gas-Spezial-Heizkessels und die verkleidete Kesseltechnik zeichnen sich dadurch aus, daß Farbe und Material voneinander abgesetzt sind. 1995 wurde der Heizkessel mit dem rotem Punkt für "Hohe Designqualität" des Design Zentrum Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
(Bild: Weißhaupt)

Uns kommt es heute selbstverständlich vor, daß wir saubere Energie von einer zentralen Quelle aus geliefert bekommen und daß das Heizen heute ohne den Verbrauch der Raumluft und ohne schmutzige Rückstände in der Wohnung möglich ist. Noch im letzten Jahrhundert war das eine Utopie für viele Stadtmenschen. Die Feuerstelle im Haus gehörte zum Alltag und mit ihr das Schleppen von Brennholz, die Beseitigung der Asche und der Smog in den Städten. Wie auch heute brachte in den vorangehenden Jahrhunderten der Zwang, Energie zu sparen - zu der damaligen Zeit also Brennholz - die Menschen dazu, Energiesysteme zu entwickeln. Die Kunst, die Wirkung des Feuers ästhetisch und funktional zu gestalten und zu multiplizieren, nahm ihren Anfang mit der Entwicklung der ersten Heizöfen. Die Feuerstelle und der Kamin wurden "vermöbliert", wie es die Energiekritiker und Ästheten des 18. Jahrhunderts feststellten. Benjamin Graf von Rumford war einer der ersten, der im Zuge der überall geforderten Holzsparkunst seine Experimente mit der Wärmeentwicklung des Feuers systematisch vorantrieb. Er erarbeitete aus seinen praktischen Beobachtungen höchst wirksame Wärmemaschinen. Nach seinen Plänen entstanden Öfen und die ersten Küchenherde für verdeckte Befeuerung.

Gleichzeitig war die Aufteilung des Hauses in immer mehr beheizbare Spezialräume feste Gewohnheit geworden. Die Entwicklung der Zentralheizung für einzelne Häuser war die logische Folge. Die erste Heizung dieser Art war eine 1823 in einem Wiener Haus angelegte Luftheizung, bei der die in einem Heizraum erwärmte Luft oben abgeleitet und den Räumen zugeführt wurde, während die kühle Luft absank und wieder dem Heizraum zuströmte. In dieser Zeit wurden auch die ersten Rippenheizkörper und somit die Vorläufer für das heutige Design der Heizkörper konstruiert.

Der Hersteller dieses Röhrenradiators entwickelte 1928 den ersten Prototyp eines neuen Heizkörpers. Modelle dieser Art zeigen, daß es auch rund zugehen kann, wenn es um Wärme geht.
(Bild: Zehnder)

Mit der Entwicklung des vollelektrischen Haushalts zum intelligenten Haushalt in unserem Jahrhundert bekam die gute Gestaltung von Heizungssystemen einen immer größeren Stellenwert. Denn je weiter der Mensch sich vom Feuer entfernte, desto einfacher und menschengerechter mußten die noch sichtbaren Geräte gestaltet sein, mit denen die Heizungsanlage geregelt und in Gang gehalten wird. Zusätzlich ist die Herausforderung des Energiesparens nicht nur an Techniker und Ingenieure, sondern auch an die Designer gestellt. Hier zeigt sich die gesellschaftspolitische Verantwortung des Designers: Er muß sich Gedanken machen über die Verwendung des passenden Materials, das zugeschnitten sein muß auf die Aufgabe des Heizkörpers oder des Heizkessels oder des Thermostaten. Dabei darf er die sichere Bedienerführung nicht aus den Augen verlieren.

Heizungssysteme und ihr Design

Seitdem das Feuer unsichtbar ist und seine Wärme mittels Heizungssystemen verbreitet wird, rückt der Mensch als Bediener der Regeltechnik im eigenen Haus in den Vordergrund. Bei der Gestaltung ist deshalb neben der Beachtung der Funktionalität - das heißt, das Produkt muß allen Anforderungen hinsichtlich der Handhabbarkeit, der Bedienbarkeit, der Sicherheit und der Wartungsfreundlichkeit gerecht werden - die Ergonomie als weiteres Kriterium wichtig. Das Heizungssystem muß den physischen und den psychischen (den körperlichen und den geistigen) Bedingungen des Benutzers angepaßt werden. Zusätzlich sind gerade im Energiebereich die Kriterien der Langlebigkeit und der ökologischen Verträglichkeit zu berücksichtigen.

Das klare Design und die Flachrelief-Struktur zeigen, daß Heizkörper auch zur Wandgestaltung genutzt werden können. Nicht zuletzt deshalb wurde dieser Heizkörper 1993 mit dem Roten Punkt für "Hohe Designqualität" vom Design Zentrum Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.
(Bild: Baufa)

Die Notwendigkeit für die Anwendung dieser Kriterien durch Designer wurde von einigen Firmen frühzeitig erkannt. So arbeitet beispielsweise ein großer Brennerhersteller seit den 60er Jahren mit namhaften Gestaltern zusammen. Hans Gugelot, ein Designer, der in der Tradition des Bauhauses stand und an der Hochschule für Gestaltung in Ulm lehrte, entwickelte 1963 den Brennertyp "W". Es handelt sich um eine Design-Innovation, die heute ein Klassiker ist und in die ständige Sammlung des Museums für angewandte Kunst in München aufgenommen wurde. Es entstand eine kompakte, verkapselte Einheit, staubgeschützt und geräuschgedämmt durch eine nach allen Seiten geschlossene Haube. Darunter befand sich die aufgeräumte, logische Anordnung der einzelnen Komponenten. Gugelot entwickelte ebenfalls für dieselbe Firma eine neue Generation von Schaltschränken, deren ergonomische Bedienungsfront mit ihrer klaren Gestaltung radikal mit den bis dahin üblichen Formen brach. Mitte der 80er Jahre entwickelte sich in Europa der Trend, komplette Heizkesselanlagen anzubieten. Jetzt mußte das gesamte Heizungssystem mit Kessel, Brenner und Regeltechnik, schlicht "Unit" genannt, durchgängig gestaltet werden. Die Firma erarbeitete mit dem Prof. Slany Designteam eine Thermo-Unit, die über viele Neuerungen im Design verfügte. Auch bei den Heizkörpern haben einige Firmen Designgeschichte geschrieben. 1928 wurde in der Schweiz der erste Röhren-Radiator der Welt entwickelt. Dies erlaubte die Entwicklung von Heizkörpern, die nicht nur auf die Wärmeleistung ausgerichtet waren, sondern auch attraktiv gestaltete Objekte für Bad, Küche und Wohnraum sein konnten. Der Heizkörper muß heute kein notwendiges optisches Übel mehr sein. Maßgerecht auf bauliche Erfordernisse abgestimmt, kann er ein attraktives Wandelement sein: ein Raumteiler, ein Handtuchhalter oder ein flacher Heizkörper ohne Rippen und Röhren. Design-Innovationen gab es auch bei den Armaturen zur Bedienung der Heizkörper. Hier ist insbesondere die einfache Bedienbarkeit, die mit einer klaren Gestaltung einhergehen muß, wichtig. Das gleiche gilt für Thermostate, deren formale Gestaltung heute oft an Videogeräte erinnert. Hier kann wie bei vielen Bedienelementen noch einiges durch eine klarere Gestaltung verbessert werden.

Und 1995 wurde dieser Heizkörper mit dem Roten Punkt für "Hohe Designqualität" vom Design Zentrum Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Der glatte Flachheizkörper dient neben der Badbeheizung auch zum Trocknen von Handtüchern und Wäschestücken.
(Bild: Baufa)

Der jährliche internationale Wettbewerb "Design Innovationen" des Design Zentrum Nordrhein-Westfalen zeigt immer wieder, daß noch weitere Verbesserungen möglich sind. Viele Beispiele dafür zeigt die ständige internationale Design-Ausstellung in Essen. Wettbewerbe zur Förderung von Design-Innovationen sind im Heizungsbereich, angetrieben vom Energiespargedanken, schon lange üblich. 1763 schrieb Friedrich der Große einen Wettbewerb für die Konstruktion eines Holzsparofens aus. Johann Paul Baumer, der daraufhin den Prototyp des sogenannten "Berliner Ofens" entwickelte, wäre heute sicherlich Designer. Heute geht es ebenfalls um Ressourcenschonung durch bessere Energieausnutzung. Gerade deshalb kümmern sich auch Designer um die Verbesserung des Wirkungsgrades und um die Verbesserung der Wärmedämmung durch die Verwendung eines entsprechenden Materials. Und sie bemühen sich vor allem darum, die Bedienbarkeit des Heizungssystems ständig zu verbessern.


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