IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 4/1996, Seite 86 f.


DESIGN IN DER HEIZUNGSTECHNIK


Die dienende Funktion von Design:

Nutzen für Verarbeiter und Anlagenbetreiber

Dr. Martin Vießmann

Die Ära des Designs eines in Allendorf an der Eder ansässigen Unternehmens begann in den 60er Jahren, als sich der damalige Geschäftsführer und der Grafiker und Maler Anton Stankowski trafen. Die Gestaltungsprinzipien des vom Konstruktivismus beeinflußten Stankowski: Konzentration durch weglassen, vereinfachen, versachlichen, vermenschlichen. Auf der Basis dieser Grundsätze entstand die visuelle Linie des Hauses, bis heute gültig für die Gestaltung von der Visitenkarte bis hin zur Architektur: ein unverwechselbarer, eigenständiger Unternehmensauftritt, in seiner Konsequenz beispielgebend in der Wirtschaft.

Niedertemperatur-Gas-Spezialheizkessel kombiniert mit einem Speicher-Wassererwärmer in der Farbe Vitorange.

Die Grundlagen des Produktdesigns erarbeitete, ebenfalls in dieser Zeit, das Ulmer Atelier Gugelot. Hans Gugelot gehört zu den wegweisenden deutschen Designern nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Schüler Horst Diener, Ulm, zeichnet bis heute verantwortlich für die Produktgestaltung des Allendorfer Herstellers.

Gugelots Gestaltungslehre basiert auf drei Prinzipien: Design hat dienende Funktion; ästhetische Innovation ist auch immer technische Innovation; wenig Design ist gutes Design. Funktionalität, Sachlichkeit und die klare Linie sind für Gugelot und Diener Kennzeichen guten Produktdesigns.

Sachlichkeit und Funktionalität im Falle des Heizkessels und seiner Systemperipherie sind eindeutig durch die Technik definiert. Die dienende Funktion des Designs richtet sich nach diesen technischen Kriterien, vermenschlicht Technik im Sinne Anton Stankowskis: einfache Handhabung und Bedienung der Geräte, Ergonomie, leichte Montage, Wartung und Service.

Die Farbgebung der Heizkessel verdeutlicht diesen Grundgedanken. Bis in die 60er Jahre waren Heizkessel grau, industriegrün oder schwarz. Als erster brachte der Kesselhersteller mit Vitorange Farbe in den Heizungskeller: Orange als Symbol der Wärme - eine Idee, die inzwischen viele andere Hersteller nachahmten (Bild 1).

Die menügeführte Bedienbarkeit hat ein Sichtfenster (Display), das den Benutzer im Klartext Schritt für Schritt zur gewünschten Funktion führt.

Für den Anbieter von Heizungskomponenten ist Heiztechnik gleich Systemtechnik - eine Welt sorgfältig aufeinander abgestimmter Komponenten. Da paßt alles zusammen und ist deshalb schnell montiert. Daher ist Produktdesign Systemdesign - ein Baukasten austauschbarer Elemente.

Die Bausteine des Design-Baukastens sind die Komponenten der Systemtechnik: Heizkessel, Warmwasserspeicher, Brenner, Regelung. Sie bilden zusammen das Heizsystem, funktional und visuell, ein einheitliches Gesamtbild, das aber dennoch zu differenzieren erlaubt im technisch relevanten Bereich. Die Kriterien sind hier: Klein-, Mittel- und Großkessel, Basis-, Komfort- und Hightech-Programm sowie die zugehörigen Komponenten der Systemtechnik.

System in Technik und Design haben denselben Grund: Nutzen für Verarbeiter und Anlagenbetreiber. Die Abstimmung aller Komponenten des Heizsystems, auch in der Gestaltung, erlaubt die leichte Montage, Wartung und Service sowie einfache und komfortable Bedienung der Geräte durch den Benutzer.

Das beginnt bei kompakten Kessel- und Speicherkörpern - leicht zu transportieren und zu montieren. Das setzt sich fort beim Schnellmontagesystem - eindeutig kodierte Steckverbindungen der Systemkomponenten erlauben schnelle und sichere Montage. Und das endet nicht bei der Bedienoberfläche der Regelungen, die menügeführt den Dialog mit dem Heizsystem ermöglichen. Ein weiteres Beispiel: Der patentierte Doppelrohr-Wärmetauscher des neuen Heatpipe-Vakuum-Röhrenkollektors. Sollte der Austausch einer Röhre notwendig werden, ist dies ohne Entleeren des Solarmediums möglich.

Der Doppelrohr-Wärmetauscher umschließt den Kondensator und sorgt so für einen hohen Wirkungsgrad und zwar trocken, ohne direkten Kontakt der Flüssigkeiten. Sollte einmal der Austausch einer Röhre nötig sein, so ist dies ohne Entleerung des Solarmediums möglich.

In den letzten beiden Jahrzehnten mußte funktionales Design zunehmend auch Aspekte der Umweltschonung, der recyclinggerechten Konstruktion mit einbeziehen. Dies erforderte in einigen Fällen neue Materialien, neue Fertigungsverfahren und neue Konstruktionen. Beispiele hierfür sind voll recycelbare Solarkollektoren, Gas-Wandkessel und Heizungsregelungen. Seit 1992 entwickelt das Haus kein neues Produkt mehr, das nicht den unternehmenseigenen Standards der recyclinggerechten Konstruktion entspricht.

Diese Aufzählung ließe sich noch durch weitere Beispiele ergänzen. Sie zeigt: Gutes Design ist keine Frage des "schönen Scheins", sondern der Funktionalität und der Technik. Konstrukteure, Techniker und Designer arbeiten eng zusammen und wissen, was Verarbeiter und Anlagenbetreiber wünschen.

Gutes Design hat natürlich auch eine verkaufsfördernde Funktion. Ästhetisch gestaltete Gebrauchsgüter, die im Sinne des guten Designs funktional sind, besitzen in den Augen der Kunden einen hohen Wert. Das gilt auch für den Heizkessel, der im Laufe der letzten Jahrzehnte sein unbeachtetes Kellerdasein immer mehr aufgab. Dieser Trend setzt sich in Zukunft fort. Der typische Heizungskeller wird seltener, die Heizkessel immer kompakter und werden unter bestimmten Umständen im Wohnbereich installiert.

In diesem Sinne ist Design für das Unternehmen ein wichtiger Faktor für den Markterfolg. Das Systemdesign verbindet fortschrittliche, menschengerechte Technologie, Funktionalität, Ergonomie und Umweltschonung mit Ästhetik.


B i l d e r : Viessmann Werke


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