IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 3/1996, Seite 67


WEITERBILDUNG


Zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung im Bereich der Versorgungstechnik

Dipl.-Päd. Petra Westpfahl

Unter dieser Überschrift trafen sich ca. 170 engagierte Fachleute in Berlin. Ausgehend von veränderten Marktbedingungen, den Entwicklungen im Dienstleistungssektor und den technologischen Veränderungen wurden neue Ideen und Ansätze für die Aus- und Weiterbildung in der Versorgungstechnik vorgestellt, diskutiert und erste Erfahrungen ausgetauscht. Organisiert und vorbereitet wurde die Fachtagung von Vertretern des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der Handwerkskammer Berlin, der Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Berlin, des Oberstufenzentrums Versorgungstechnik Berlin und des Instituts für Technik und Bildung Bremen (ITB).

Eröffnung der Fachtagung

Die Eröffnungsveranstaltung wurde von Professor Manfred Hoppe (ITB) geleitet. Er konnte u.a. Dr. Ute Lauer-Ernst vom BIBB, Heinz-Dieter Heidemann, Präsident des ZVSHK und Hubert Minter, Obermeister der Innung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Berlin, als Redner begrüßen.

Die SHK-Branche sollte die Chance nutzen, die Umweltrelevanz ihrer Berufe durch die Herausforderung der weltweiten Reduzierung des Energieverbrauchs als identitätsstiftendes Merkmal zu entwickeln, um sie für Jugendliche attraktiver zu machen.

Der Präsident des ZVSHK, Heinz-Dieter Heidemann wies auf die von Traditionen geprägten Ausbildungsanstrengungen der Branche hin, die im Gegensatz zu den rückläufigen Zahlen der Lehrstellen in der Industrie beachtliche Steigerungsraten sowohl bei der Zahl der ausbildenden Betriebe als auch der angebotenen Ausbildungsplätze zeigten. Neben den rein quantitativen Aspekten dürfe die Frage der Qualität des Nachwuchses natürlich nicht außer acht gelassen werden, denn: "Qualifizierte Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital der Betriebe, die sich in einem technisch anspruchsvollen und fachlich äußerst interessanten Markt bewegen."

Die Infostände von ITB und BIBB boten einen Überblick über aktuelle Publikationen zu den Workshopkonzepten.

Da die Handwerke der SHK-Branche bei ihrer täglichen Arbeit aktiv den Schutz der Umwelt betreiben, verwies er unter dem Motto "Umweltschutz ist ein Lehrberuf" darauf, daß für diese Arbeitsgebiete die Grundlagen in der Erstausbildung gelegt werden müßten, wobei wegen der Schwierigkeit der Materie Modelle einer engen Zusammenarbeit zwischen Betrieb, Berufsschule und überbetrieblicher Ausbildung gefunden werden müßten.

Dr. Ute Lauer-Ernst (BIBB) würdigte den hohen Beitrag des Handwerks zur Berufsbildung. Handwerk sei heutzutage eine komplexe Dienstleistung zur Erfüllung individueller Kundenwünsche, die technisches, ökologisches und betriebswirtschaftliches Wissen voraussetze. Probleme wären neben der Nachwuchssicherung auch die Bindung der Gesellen innerhalb der Branche. Aus- und Weiterbildung müßten daher Hand in Hand gehen. Ganzheitsbezogenes Lernen, differenzierte Karrierechancen und die Frage nach den notwendigen europäischen Zusatzqualifikationen lagen ihr dabei besonders am Herzen. Daß von den neu entwickelten Lehrformen im Handwerk nur zögerlich Gebrauch gemacht würde, läge vielleicht daran, daß die Ausbildungshilfen und -methoden doch noch nicht maßgeschneidert seien.

Nach der Eröffnung der Fachtagung begann die Arbeit in den Workshops. Hier boten die Veranstalter ein vielfältiges Programm.

Workshops geben Denkanstöße

Da eine ausführliche Berichterstattung aller Workshops den Rahmen des Artikels sprengen würde, sollen hier nur die für die betriebliche Seite der Ausbildung relevanten Workshopthemen angesprochen werden.

Der Workshop "Kundenaufträge im SHK-Handwerk - Chancen für eine ökologische Weichenstellung" - unter Leitung von H.-D. Eheim (BIBB) und H.-D. Schulz (ITB) befaßte sich mit den Fragestellungen:

Die Berücksichtigung ökologischer Potentiale in Kundenaufträgen wurde grundsätzlich positiv beurteilt. Als Hindernisse für die Einführung ökologischer Techniken und Systeme konnten hohe Kosten, fehlende Rahmenbedingungen, aber auch mangelnde Erfahrungen und ungünstige Betriebsorganisationen festgemacht werden. Es müßten hierzu spezielle Medien, die eine Beratungs- und Umweltkompetenz im Rahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung wirkungsvoll fördern, entwickelt werden.

Zukunftsorientierte Ausbildung im Betrieb

Heiß diskutiert wurden im Workshop "Die Zukunft des Lernortes Betrieb", unter der Leitung von Juliane Hemfort (SHK-Innung Berlin) und Petra Westpfahl (ZVSHK), die Fragen:

Fast alle an der Ausbildung Beteiligten beklagten, daß die Auszubildenden von heute eine sehr stark freizeitorientierte Jobmentalität besäßen. Um berufliches Handeln wieder ein Stück weit zum Lebensinhalt werden zu lassen, müßten die Strukturen beruflicher Ausbildung dahingehend verändert werden, daß sie den Auszubildenden die Möglichkeiten bieten, möglichst selbständig ihre Lernprozesse zu organisieren, durchzuführen und zu bewerten.

Man war sich einig, daß dies nirgendwo realitätsnäher und effektiver gelernt werden kann als beim betrieblichen Ersthandeln. Wie sich Auszubildende eines großen Industriebetriebes mittels selbstorganisierter Projektarbeit betriebliche Fertigkeiten und Kenntnisse aneignen, stellte der Ausbildungsleiter der Mannesmann Röhrenwerke Düsseldorf, Friedhelm Bertram, anschaulich vor.

Freude am Beruf durch aktivierende Lernformen

Daß sich dieses Verfahren in wesentlichen Teilen auch in handwerklichen Betrieben umsetzen läßt, demonstrierten zwei Lehrlinge eines Berliner Handwerksbetriebes (1. Lehrj.), die ein zweiwöchiges Praktikum bei Mannesmann unter den Fittichen von Bertram absolviert hatten.

Mit Hilfe von Leittexten haben sie sich nach dem Grobraster "Informieren - Planen - Entscheiden - Durchführen - Kontrollieren - Bewerten" Kenntnisse über die Herstellung und Montage des Preßfittingverfahrens selbständig erarbeitet.

Die gelungene Demonstration ihrer Lernschritte vor den Workshop-Teilnehmern machte deutlich, daß sie das Prinzip der Leittextmethode verinnerlicht hatten, stolz auf ihre selbständig erbrachte Leistung waren und zu alledem noch Spaß am Lernen und Arbeiten hatten. Neben den Einsatzmöglichkeiten wurden in der Diskussion aber auch die Grenzen dieser Methode sichtbar:

Da die Arbeit mit Leittexten nur einen begrenzten Raum in der betrieblichen Ausbildung einnehmen wird, muß auch über andere Formen motivationsfördernder, systematischer Ausbildungshilfen nachgedacht werden.

Als Fazit stellten die Teilnehmer fest, daß eine Ausbildung nach Berufen auch über das Jahr 2000 hinaus Sinn macht, wenn es gelingt, den Auszubildenden durch interessante und komplexe Aufgabenstellung wieder Freude am beruflichen Handeln und Lernen zu vermitteln.

Um die Entwicklung handwerksgerechter Leittexte ging es auch in dem Workshop von Dr. Klaus Hahne (BIBB). Anhand vorgestellter Leittextentwürfe wurden hier nicht nur die aktivierenden Lernformen im allgemeinen, sondern deren besondere Wirkung in der integrierten beruflichen Umweltbildung diskutiert. Die leittextgestützte Umwelterkundung wurde dabei als ein Ansatz zur "Öffnung der Berufsschule" thematisiert.

Persönliche Zukunftsperspektive bindet Fachkräfte

Da das Bildungsniveau der künftigen Bewerber für die SHK-Berufe sehr heterogen sein wird, müßte eine differenzierte Ausbildung im Sinne einer Unterstützung für die lernschwächeren Gruppen und zusätzlicher Arbeitsaufgaben und Anreize für Realschul- und Gymnasialabgänger ermöglicht werden.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist eine Ausbildung in Form von in sich geschlossenen Berufen für die SHK-Branche auch für die Zukunft attraktiv, da nach Abschluß der Ausbildung die volle Berufstätigkeit der Absolventen immer noch einen hohen Marktwert besitzt. Konsens bestand bei den Teilnehmern darin, daß Berufe im Handwerk keine Sackgasse sein dürfen. Sie sollten von vornherein so angelegt sein, daß ein differenziertes System von Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten zur Verfügung steht. Wenn es gelingt, eine für ein ganzes Berufsleben attraktive Laufbahnstruktur zu entwickeln in Richtung einer klar gegliederten Karriereleiter, so kann dies letztendlich auch zu einer Neubewertung des Verhältnisses von praktischen zu akademischen Berufen führen.

Nur eine erkennbare persönliche Zukunftsperspektive für die "Junggesellen" sichert deren Verbleib in der Branche. Ziel müßte es sein, sie für einen Bereich kompetenter zu machen, z.B. als Ausbildungsgeselle, Umweltberater, Kundendiensttechniker o.ä., um den Meister zu entlasten.

Attraktive Berufsperspektiven in den SHK-Berufen

Die Frage nach der "Attraktivität von Berufsperspektiven" wurde auch im Workshop von Prof. Martin Twardy (FBH) erörtert. Seiner Meinung nach müßte die Frage dringend im umgekehrten Sinn gestellt werden:

- Inwieweit muß sich die Ausgestaltung der Berufsperspektiven im eigentlichen Arbeitsfeld positiv verändern, damit Aus- und Weiterbildung in Zukunft noch attraktiv bleiben?

Dabei spielt nicht nur das veränderte Bildungsverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener eine entscheidende Rolle (gemäß Prognosen der Kultusministerkonferenz werden bis zum Jahr 2006 41% der Schulabsolventen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluß erlangen), sondern auch die Beschäftigungsperspektiven in diesem Zeitraum.

Interessante Gespräche fanden auch in den Tagungspausen statt.

Die Beschäftigungschancen für Erwerbspersonen mit Universitätsabschluß werden in Zukunft durch einen hohen Arbeitskräfteüberhang gekennzeichnet sein. Demgegenüber verbessern sich die Beschäftigungssituationen für Erwerbspersonen mit betrieblicher oder schulischer Berufsausbildung stark. Insbesondere in den neuen Bundesländern reagieren die Gymnasiasten bereits auf die prognostizierten Aussichten, indem sie zu einem gleich hohen Prozentsatz eine Ausbildung beginnen bzw. ein Studium aufnehmen.

Für das SHK-Handwerk zeichne sich auf den ersten Blick ein positives Bild bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Nachwuchssicherung ab. Dennoch sprächen zwei Argumente dafür, daß sich gerade das SHK-Handwerk über die zukünftige Attraktivität des Berufszweiges Gedanken machen sollte.

Gleichwertigkeit der Bildungssysteme

Eine Attraktivitätssteigerung versprächen sich die Spitzenverbände der Wirtschaft von einer Aufwertung der Berufsbildung gegenüber der Allgemeinbildung, so daß eine "Gleichwertigkeit der Bildungssysteme" entsteht. Hier müsse unterschieden werden zwischen der externen und internen Gleichwertigkeit:

Externe Gleichwertigkeit heißt, daß das berufliche Bildungssystem bezüglich des Zugangs zu den Hochschulen durchlässiger gestaltet wird. Die konkrete Forderung, den Zugang zu Fachhochschulen und Hochschulen mit dem Meisterbrief zu erleichtern, hat dazu geführt, daß einige Bundesländer ihre Hochschulgesetze dahingehend geändert haben, daß fachspezifische Studiengänge ermöglicht werden. Es werden verschiedene länderspezifische Varianten derzeit entwickelt und erprobt.

Die interne Gleichwertigkeit ist davon abhängig, inwieweit sich in der Berufsausübung nach der Ausbildung attraktive Karriereperspektiven als Alternative zur Hochschulausbildung ergeben. Die Attraktivität einer Berufsausbildung drückt sich unter anderem durch die Verwertungsmöglichkeit aus in bezug auf Arbeitsbedingungen, den konkreten Tätigkeitsinhalt, den sozialen Status, dem Einkommen, den Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.

Der Begriff "Karriere" wird überwiegend durch die Kriterien sozialer Status, Einkommen und Aufstieg charakterisiert. Diese Kriterien dürften aber nicht losgelöst vom Aufgabenfeld und der zur Aufgabenbewältigung benötigten Qualifikationen diskutiert werden. Der Aufstieg im Betrieb ist beispielsweise nicht zwangsläufig an mehr Weisungsbefugnisse zu binden.

Höheres Einkommen läßt sich legitimieren z.B. über neue verantwortungsvollere Aufgabenfelder, die neben der Ausbildung zum Facharbeiter auch der Weiterbildung bedürfen.

Es gelte, die bestehenden flachen Hierarchien im Handwerk zu bewahren, aber eine stärkere horizontale Arbeitsteilung auf Grundlage sinnvoller Aufgabenzuordnungen zu entwickeln, so daß eine höhere Entlohnung auf der Basis von Leistung und Qualifikation begründbar ist.

Das SHK-Handwerk hat über die Schaffung einer neuen Position den "SHK-Kundendiensttechniker" bereits einen Schritt in Richtung Attraktivitätssteigerung gewagt. Der SHK-Kundendiensttechniker ist in der Hierarchie zwischen Meister und Geselle angesiedelt. Mit dieser Positionierung würde zwar eine neue Hierarchiestufe eingeführt, jedoch auch ein neues attraktives Aufgabenfeld für motivierte und qualifizierte Mitarbeiter konstruiert. Insbesondere die langjährig berufstätigen hochqualifizierten Mitarbeiter sollen mit dieser Maßnahme im Handwerk gehalten und für den Kundendienst entsprechend qualifiziert werden.

Damit wird neben dem Meister eine Alternative in der Weiterbildung geschaffen, die mit einer Erweiterung des Aufgabenfeldes und damit der Verantwortung verbunden ist.

Weiterbildung als permanenter Faktor im Betrieb

Die branchenspezifische Weiterbildung für das SHK-Handwerk problematisierte Dipl.-Ing. Uwe Otto. Er erprobt innerhalb eines Modellversuchs in Berlin neue Konzepte und Organisationsformen, die eine zukunftsweisende und gleichzeitig alltagsgerechte Umsetzung von Weiterbildungsmaßnahmen für das SHK-Handwerk darstellen.

Die Organisatoren des Handwerks müßten Weiterbildung als permanenten Faktor aufgreifen und sich zu Weiterbildungsdienstleistern für ihre Mitgliedsbetriebe entwickeln. Gleichzeitig gelte es, den Betrieben Möglichkeiten aufzuzeigen, sich die notwendigen Freiräume für das Inanspruchnehmen von Weiterbildungsmaßnahmen zu schaffen.

Weitere Themen der Workshops waren:

Am zweiten Tag stand ein umfangreiches Exkursionsprogramm auf der Tagesordnung. Vom zukunftsorientierten Umgang mit Wasser und Energie am Beispiel des Stadtteils Kreuzberg über die künftigen Aufgaben der überbetrieblichen Ausbildung der Lernorte bis zum Beitrag von Herstellerunternehmen und kommunalen Versorgungsunternehmen zur Qualifizierung im SHK-Handwerk reichten die Themen.

Bedauerlich, daß trotz der Fülle interessanter Workshopthemen - aufgrund der zeitgleichen Organisation - die Teilnehmer nur in den Genuß eines dieser Workshops kommen konnten.

Für alle Interessierten wird der Arbeitskreis Versorgungstechnik eine Dokumentation der dritten bundesweiten Fachtagung Versorgungstechnik herausgeben. (Anfragen unter: Arbeitskreis Versorgungstechnik, c/o Institut Technik und Bildung, Tel.: 0421/218-2303, Fax: 0421/218-2624).

Den Teilnehmern der Tagung bot sich die Chance, die Probleme der Berufsausbildung aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Es bleibt zu hoffen, daß einige Anregungen umgesetzt und sich im Aus- bzw. Weiterbildungsalltag bis zur 4. bundesweiten Fachtagung bewähren werden.


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