IKZ-HAUSTECHNIK, Ausgabe 2/1996, Seite 26 ff.


GAS


Gasinstallation

in Wohngebäuden

Prof. Dr.-Ing. Rudolf Rawe Teil 34

8. Abgasanlagen (Fortsetzung)

8.5 Feuchteunempfindliche Schornsteine und Abgasleitungen

Die Abgase von Feuerstätten wurden bisher fast ausnahmslos über konventionelle Schornsteine abgeführt. Die Entwicklung von Heizkesseln mit niedrigen Abgastemperaturen hat jedoch neue Lösungen notwendig gemacht. Der Wunsch nach Energieeinsparung durch weitere Steigerung des Wirkungsgrades führte in den letzten Jahren vermehrt zu Kesselkonstruktionen, die eine möglichst weitgehende Abkühlung der Abgase bewirken, bis hin zur Kondensation des im Abgas enthaltenen Wasserdampfes (Brennwertnutzung).

Bei diesen Wärmeerzeugern kühlt das Abgas im Schornstein in der Regel so weit ab, daß der Taupunkt des Wasserdampfes unterschritten wird und sich Kondensat an den Schornsteinwänden bildet.

Bild 1: Abführung von Abgasen durch Schornsteine über Dach.
(Bild: Schiedel)

Hinzu kommt, daß die abgekühlten Abgase von Brennwertgeräten möglicherweise nicht mehr genügend Auftrieb erzeugen, sondern mit mechanischer Unterstützung (z.B. durch ein Gebläse) abgeführt werden müssen. Der Einbau von Brennwertgeräten stellt deshalb besondere Anforderungen an den Abgasweg.

Im Prinzip gibt es heute drei verschiedene Möglichkeiten der Abgasabführung (Bild 1):

Wie bereits dargestellt, müssen bei herkömmlichen Schornsteinen bestimmte Temperatur- und Druckbedingungen eingehalten werden: Im Schornstein darf keine Kondensation des Abgases eintreten (Tiob > Tp), und es muß Unterdruck herrschen (Pze ³ Pz).

Eine wesentliche Erweiterung des Einsatzbereiches von Schornsteinen ergibt sich durch feuchteunempfindliche Konstruktionen. Bei ihnen darf die Abgastemperatur so weit abgesenkt werden, daß planmäßig Kondensation im Schornstein auftritt. Damit können auch die Abgase von Brennwertgeräten schadlos abgeführt werden, wenn im Schornstein Überdruck herrscht und die Eintrittstemperatur mindestens 40°C (= 313 K) beträgt.

Bild 2: Druckverhältnisse in Kessel und Schornstein- bzw. Abgasleitung.
(Bild: Schiedel)

Bei der Abführung der Abgase über Abgasleitungen entfallen diese Forderungen. Statt dessen gilt, daß ein Überdruck von maximal 200 Pa zulässig ist und die Mindesttemperatur an der Schornsteinmündung über 0°C (= 273 K) liegen muß, um Vereisung zu vermeiden. Bild 2 verdeutlicht die unterschiedlichen Druckverhältnisse im Heizkessel, im Verbindungsstück und im Schornstein bzw. in der Abgasleitung.

8.5.1 Feuchteunempfindliche Schornsteinkonstruktionen

In den letzten Jahren wurden neue konstruktive Wege beschritten, um Schornsteine zu erstellen, die gegen den Ausfall von Feuchtigkeit aus Abgasen unempfindlich sind. Dabei wird kondensierende Feuchtigkeit so abgeführt, daß am Schornstein selbst und in angrenzenden Bauteilen keine Schäden auftreten.

Bild 3: Schnitt durch einen Schornstein mit glasierter Innenschale.

Jeder feuchteunempfindliche Schornstein besteht aus der Innenschale, einer Dämmschicht aus Mineralfaserplatten und einem äußeren Mantelstein aus Leichtbeton. Die Innenschale wird in der Regel aus Schamotte gefertigt.

Grundsätzlich kann Feuchtigkeit, die im Abgasweg anfällt, auf zwei Arten aus dem Innenrohr in weiter außen gelegene Schichten des Schornsteins gelangen: gasförmig oder flüssig. Der Transport des gasförmigen Wasserdampfes wird als Diffusion bezeichnet. Sie tritt auch bei höheren Temperaturen immer dann auf, wenn Konzentrationsunterschiede bestehen, wie im hier betrachteten Fall: Innen im Schornstein befinden sich mit Feuchtigkeit gesättigte Abgase mit hohem Dampfdruck, außen die weniger feuchte Außenluft mit geringerem Dampfdruck.

Bild 4: Schnitt durch einen Schornstein mit Hinterlüftung.

In Abhängigkeit vom Druckgefälle setzt ein Transport des gasförmigen Wasserdampfes von innen nach außen ein. Die Menge der transportierten Feuchtigkeit ist allerdings auch abhängig vom Dampfdiffusionswiderstand der Schornsteinkonstruktion. Dieser muß grundsätzlich von innen nach außen abnehmen, damit sich in den Zwischenschichten keine Dampfsperren bilden, an denen die Feuchtigkeit kondensiert.

Wenn die Eintrittstemperatur der Abgase sinkt, wird irgendwann die Taupunkttemperatur des Wasserdampfes im Schornstein unterschritten. Zunächst kondensiert Wasserdampf im oberen Teil des Schornsteins und schlägt sich an der Innenseite des Innenrohres nieder. Bei weiterer Temperatursenkung verlagert sich die Taupunktunterschreitung immer mehr nach unten.

Sobald das Schamottematerial mit Kondensat benetzt ist, gelangt Wasser nicht nur durch Diffusion, sondern auch durch kapillare Leitung in die Schornsteinkonstruktion. Der kapillare Transport des flüssigen Wassers durch Poren und Undichtigkeiten der Schornsteininnenwand übersteigt den Feuchtetransport durch Dampfdiffusion um ein Vielfaches (je nach Schamottetyp auf das bis zu 20fache).

Bild 5: Bauarten feuchteunempfindlicher Hausschornsteine (nach Schlee).

Bei feuchteunempfindlichen Hausschornsteinen gibt es zwei Möglichkeiten, die mehrschaligen (in der Regel dreischaligen) Wände vor Durchfeuchtung zu schützen:

In Bild 5 sind die verschiedenen Bauarten der dreischaligen, feuchteunempfindlichen Hausschornsteine einander gegenübergestellt.

Kompaktbauweise

Beim feuchteunempfindlichen Hausschornstein in Kompaktbauweise ist das keramische Innenrohr glasiert. Die Glasur erhöht den Dampfdiffusionswiderstand stark und verhindert einen kapillaren Feuchtetransport.

Bild 6: Hinterlüftete Wärmedämmung an einer Außenwand mit vorgesetzter Klinkerschale.
(Bild: Deutsche Rockwool)

Zu Beginn der Entwicklung war die Sperrschicht auf der Innenseite der Rohre angeordnet. Innenglasuren sind allerdings erheblichen Belastungen durch Temperaturwechsel, mechanische Beanspruchung und Säureangriff ausgesetzt. Bei eventuellen Fehlstellen (Risse usw.) saugt sich das gesamte Schamotterohr kapillar voll. Dieser Kapillartransport zieht einen wesentlich größeren Durchfeuchtungsbereich nach sich, als ihn die Fehlstellen selbst bilden [1].

Günstiger verhalten sich Rohre mit Außenglasur, denn hier entspricht der Durchfeuchtungsbereich lediglich der eng begrenzten Fehlstelle.

Eine Außenglasur auf qualitativ hochwertiger Schamotte kann auch im Hinblick auf die taktende Betriebsweise von realen Feuerungen als ideale Lösung betrachtet werden. Die Schamotte speichert die Feuchtigkeit und gibt sie (wenn eine Nebenluftvorrichtung vorhanden ist) in den Betriebspausen der Feuerstätte oder in Phasen geringer Schornsteinbelastung wieder ab.

Bild 7: Rundumhinterlüftung.
(Bild: Isomit)

Besonderes Augenmerk kommt der Verfugung der Innenrohre zu. Eine einwandfreie Verbindung der Formstücke ist nur gewährleistet, wenn der in der Schornsteinzulassung genannte Säurekitt verwendet und entsprechend den Verarbeitungshinweisen angewandt wird.

Eine Variante der Kompaktbauweise stellen feuchteunempfindliche Stahlschornsteine für verminderte Anforderungen dar. Hier bildet ein Rohr aus Edelstahl die Innenschale. Diese Konstruktionen sind gegen Rußbrände im Inneren des Schornsteins oder Brände in Gebäuden nur vermindert widerstandsfähig und deshalb nur für Gasfeuerungen zugelassen.

8.5.1.1 Hinterlüftung

Wärmedämmstoffe verlieren mit zunehmender Durchfeuchtung ihre Dämmeigenschaften. Im Bauwesen wird deshalb bei mehrschaligen Außenwänden und Dächern seit langem die Hinterlüftung eingesetzt, um Feuchtigkeitsschäden zu verhindern. Ein typisches Beispiel ist die wärmegedämmte Außenwand mit Klinker-Vorsatzschale (Bild 6). Die Belüftung des Raumes zwischen Klinker und Wärmedämmschicht muß durch Be- und Entlüftungsschlitze sichergestellt werden. Die Luftzirkulation erfolgt durch Winddruck- und Auftriebskräfte.

Als die Entwicklung der Heizungstechnik zu Beginn der 80er Jahre feuchteunempfindliche Schornsteine erforderlich machte, lag es nahe, die positiven Erfahrungen mit der Hinterlüftung auch auf Hausschornsteine zu übertragen.

Bild 8: Eckhinterlüftung.
(Bild: Schiedel)

Grundsätzlich ist die Hinterlüftung im Schornsteinbau nicht neu. So wird zum Beispiel bei freistehenden Schornsteinen mit Stahlbetonaußenmantel, Wärmedämmung und keramischem Innenrohr häufig der Außenmantel hinterlüftet, um Feuchtigkeitsschäden infolge von Dampfdiffusion zu vermeiden.

8.5.1.2 Aufbau hinterlüfteter Schornsteine

Bei Hausschornsteinen war die Hinterlüftung allerdings lange Zeit nicht üblich. Dabei bieten die baulichen Gegebenheiten auch hier viele Möglichkeiten, Schächte für die Hinterlüftung anzuordnen. In der Praxis haben sich zwei Bauweisen durchgesetzt:

Die Belüftung der Schächte muß durch geeignete Ein- bzw. Ausströmöffnungen sichergestellt werden. Der thermische Auftrieb bewirkt dann eine nach oben gerichtete Luftströmung. Diese Luft nimmt vom Schornstein abgegebene Feuchtigkeit auf und transportiert sie über die Mündung ins Freie.

Diese Abführung von Wasserdampf über die Hinterlüftungsschächte ist auch in den Stillstandszeiten der Heizung wirksam. Sie verhindert, daß sich Feuchtigkeit in der Schornsteinkonstruktion ansammelt. Damit sichert sie dauerhaft die Wirkung der Dämmschicht und schützt den Außenmantel vor Feuchtigkeitsschäden.

Bild 9: Schornsteinsystem mit Hinterlüftung.
(Bild: Schiedel)

Die Entwicklung feuchteunempfindlicher Hausschornsteine mit Hinterlüftung wurde Anfang der 80er Jahre durch einen namhaften Hersteller eingeleitet [3]. Bei der in Bild 9 dargestellten Schornsteinkonstruktion sind in den Eckbereichen des Außenmantels vier vertikale Hinterlüftungskanäle angeordnet. Am Schornsteinfuß tritt die Luft über ein Gitter in diese Kanäle ein.

Der Luftaustritt wird durch einen speziell ausgebildeten Konus an der Schornsteinmündung ermöglicht. Die auf der Außenseite der Wärmedämmung zirkulierende Luftschicht kann diffundierende Feuchtigkeit aufnehmen und sie schadlos abführen, ohne daß ein Feuchtigkeitsstau entsteht.

Dieses hinterlüftete Schornsteinsystem, das der Wärmedurchlaßwiderstandsgruppe 1 zugeordnet wird, hat sich nicht nur bei vielen Anlagen mit niedrigen Abgastemperaturen, sondern auch in Verbindung mit Brennwertgeräten bewährt. Aufgrund der positiven praktischen Erfahrungen hat das Institut für Bautechnik in Berlin dem System 1993 eine Zulassungserweiterung bis hin zu minimalen Abgastemperaturen von 30°C (am Austritt des Wärmeerzeugers) erteilt.

(Fortsetzung folgt)


B i l d e r, wenn nicht extra angegeben: Information Erdgas, Essen


L i t e r a t u r :

[1] König,N.; Sprung, J.: Schamotte als Baustoff im feuchtigkeitsunempfindlichen Hausschornstein. DBZ (1993) Nr. 6.

[2] Schlee, G.: Feuchteunempfindliche Hausschornsteine. HLH 42 (1991) Nr. 2.

[3] Dreesen, H.W.: Moderne Heizungskessel erfordern moderne Abgassysteme. Stadt- und Gebäudetechnik (1994) Nr. 3.


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