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Kaum Aussicht auf Erfolg

Branchenverband regt eine Absenkung der Abgasverlustgrenzwerte an, um das Kesseltauschgeschäft anzukurbeln

Alltag in der Praxis: Ermittlung des Abgasverlustes durch den Schornsteinfeger.Bild: ZIV

Führen strengere Abgasverlustgrenzwerte zu einer höheren Austauschrate alter Kessel? Bei der letzten Verschärfung des Abgasverlustgrenzwerts vor über 10 Jahren in der 1. BImSchV war der Effekt eine rasante Steigerung der Kesselmodernisierungen. Bild: Dittmar Koop

Das Bundesumweltministerium favorisiert nicht den ordnungspolitischen Weg, sondern sieht ein anderes Instrument als zielführend an: Ab 2016 sollen Kessel im Bestand analog zu neuen Kesseln ein Energielabel erhalten. Bild: ZVSHK

 

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) regt niedrigere Abgasverlustgrenzwerte in der 1. BImSchV an. Das soll mehr Kessel zum Austausch bringen. Wenig zielführend sei das, sagen andere Branchenvertreter – aus verschiedenen Gründen. Sie setzen ebenso wie die Bundesregierung auf andere Instrumente, um die Modernisierungsrate zu erhöhen.

Die Zahlen wären schon beeindruckend. „Nach unseren Schätzungen würde eine Senkung des Abgasverlustgrenzwerts um 1 Prozentpunkt jedes Jahr den zusätzlichen Austausch von 100000 Kesseln nach sich ziehen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer beim BSW-Solar. Der Turbo für den Wärmemarkt findet sich in § 10 der 1. Bundesimmissionsschutzverordnung (1. BImSchV). Hier sind die Abgasverlustgrenzwerte aufgeführt. Sie gelten für Öl- und Gasfeuerungen. Der BSW argumentiert für seinen Vorstoß mit den Wirkungen der letzten Verringerung. Die liegt Urzeiten zurück, am 5. Juli 1996 wurde sie gültig. In einer Übergangsfrist von maximal 8 Jahren sollten dann alle Anlagen die neuen Werte einhalten. Die letzte Übergangsfrist war am 1. November 2004 abgelaufen.
Was danach geschah, darauf bezieht sich der BSW: Die Zahl der neu installierten Kessel schnellte im folgenden Jahr 2005 nach oben. Von rund 307000 Kessel (2004) auf rund 541000 Kessel (2005) beim Öl und von rund 274000 Kessel (2004) auf rund 479000 Kessel (2005) beim Gas. Es lässt sich nicht auseinanderdividieren, welche Anteile der Steigerung auf welche Leistungsklassen entfallen sind – jedoch griff die letzte Übergangsfrist vom November 2004 für Kessel im Leistungsbereich 4 bis 25 kW, die 12% Abgasverlust aufwiesen (dann 11) und bei Kessel im Bereich größer 25 bis 50 kW, die 11% Abgasverlust aufwiesen (dann 10). Sowie bei allen Leistungen darüber, die 10 % aufwiesen (dann 9). Das war also eine Grenzwertsenkung um einen Prozentpunkt, die Wirkung war enorm. Allerdings flauten die Installationszahlen in den folgenden Jahren dann ab.

Fluss statt Welle durch Stufenmodell?
Verspricht da ein Grenzwert-Stufenmodell mehr Kontinuität? Der BSW schlägt ein solches vor. Die Abgasverlustgrenzwerte sollen in drei Jahresstufen auf den Zielwert 8% gesenkt werden. Für Anlagen bis 25 kW Nennwärmeleistung (jetzt 11%) sähe das so aus: 10% (2015), 9% (2016), 8% (2017). Für die anderen Leistungsbereiche entsprechend. Für neu errichtete Anlagen sieht der Vorschlag gleich die Einhaltung eines Abgasverlustes von maximal 8% vor.
Dieter Stehmeier, Vorstand Technik beim Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband (ZIV) – ist skeptisch, ob es überhaupt eine Welle geben werde, weil es beim Abgasverlust in der Praxis viele Stellschrauben gäbe. „Ich glaube nicht, dass die Absenkung um einen Prozentpunkt akut viel bewirken wird“, sagt er. Heizungsbauer könnten die neue Anforderung über entsprechende Einstellungen und kleinere Einbauten relativ schnell lösen. Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) sieht das ähnlich: „Durch regelmäßige Reinigung und Wartung sowie die Optimierung der Brennereinstellungen kann eine Reduktion der Emissionen erreicht werden“, sagt ZVSHK-Sprecher Frank Ebisch.
Die meisten Feuerungsanlagen lägen im Bereich von 5 bis 10 % Abgasverlust, berichtet Stehmeier. „Man müsste den Wert um deutlich mehr als einen Prozentpunkt verringern“, resümiert er, was aber unter Umständen zu Funktionsproblemen führen könnte. Die Absenkung würde bei neu installierten Kesseln ohnehin verpuffen. „Die heute überwiegend eingebauten Brennwertkessel haben erheblich niedrigere Abgasverluste“, sagt Stehmeier.

Rechtliche Bedenken
Ein Problem am BSW-Vorschlag ist auch, dass eine solche Änderung in der
1. BImSchV mit einer anderen Verordnung aneinander gerät, der Energieeinsparverordnung (EnEV), und zwar im Fall der Niedertemperaturkessel. „Diese Heizkessel wurden bei der letzten Überarbeitung der EnEV ausdrücklich von einer Austauschverpflichtung ausgeschlossen, da ansons­ten das Wirtschaftlichkeitsgebot im Ener­gieeinspargesetz verletzt worden wäre“, sagt Christian Küchen, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik, IWO. „Eine weitere Absenkung der heute geltenden Grenzwerte der 1. BImschV könnte dazu führen, dass diese Niedertemperaturheizkessel ausgetauscht werden müssten. Dies wäre rechtlich problematisch“, analysiert Küchen.
Und beim Bundesumweltministerium (BMUB) selbst? Dort stößt der Solarverband mit seiner Forderung auf wenig Gegenliebe: „Der vom BSW-Solar vorgeschlagene Ansatz ist nicht zielführend, weil zahlreiche Parameter, die für die Effizienz der Heizungsanlage von Bedeutung sind, durch die Messung des Abgasverlustes nicht erfasst werden. Die Reduzierung der Betrachtung auf den Abgasverlust suggeriert eine Trennschärfe, die so nicht vorhanden ist“, sagt ein Ministeriumssprecher. Infolge könnten in der Praxis zahlreiche technisch veraltete Anlagen auch verschärfte Grenzwerte einhalten. Dieser Anteil würde sich nach einer Wartung noch deutlich erhöhen.
Eine Überarbeitung der 1. BImSchV mit dem Ziel, die Abgasverlustgrenzwerte für Öl- und Gasfeuerungen zu verschärfen, ist vom BMUB nicht geplant. Es weist stattdessen auf die EnEV hin. Die jüngsten Änderungen traten am 1. Mai 2014 in Kraft. Zu denen zählt die Ausweitung der Pflicht zum Austausch alter Heizkessel. „Die damit ausgelösten Nachrüstpflichten kommen dem Anliegen von BSW-Solar entgegen“, sagt der Sprecher.

Neues Instrument Label
Die Regierung will andere Instrumente als den Abgasverlustgrenzwert, um die Modernisierungsrate zu erhöhen. Im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE), der vom Kabinett Anfang Dezember beschlossen wurde, ist eine Kennzeichnung von alten Kesseln mit einem Energielabel vorgesehen. Schornsteinfeger sollen verpflichtet werden, Energielabel an Heizkessel zu vergeben, die älter als 15 Jahre sind. Mit dem Energielabel wird der Heizkessel einer bestimmten Energieeffizienzklasse zugeordnet und die Eigentümer sollen Informationen über Energieeinsparung und Energieberatung erhalten (z. B. durch den Heizungscheck).
Allerdings wird die Pflicht zum Labeln über einen Zeitraum von 7 Jahren gestreckt. Begründung im NAPE: Die dadurch erzeugte Nachfrage soll gleichmäßig verteilt werden. Und: Die Labelvergabe soll erst 2016 beginnen. Das klingt nicht, als würde eine solche Maßnahme akut die Modernisierungsrate stark erhöhen. Wirkungsvoller könnten die Steuerabschreibungen sein, die der NAPE (auch für Teilsanierungen) vorsieht und dem die Länder Mitte Dezember 2014 grundsätzlich zustimmten (siehe Bericht in IKZ 1/2/2015). Darauf setzen Heizungsindustrie und Handwerker die Hoffnung. „Wir setzen auf NAPE und das Aktionsprogramm Klimaschutz“, sagt ZVSHK-Sprecher Ebisch.

Vorstoß hat kaum Aussicht auf Erfolg
Der Vorstoß des Bundesverbands Solarwirtschaft greift zwar das latente Problem des überalterten Kesselbestands von einer anderen Seite auf. Doch hat dieser kaum Aussicht auf Erfolg. Nicht nur beim BMUB, auch in der Heizungsbranche selbst stößt er auf Ablehnung. Wenn schon die 1. BImSchV ändern, folgert das IWO, dann anders. Im Abgasverlust spiegelt sich eben nur ein Teil der gesamten Wärmeverluste. Das IWO nimmt diese grundsätzliche Problematik auf. „Aus unserer Sicht ist es völlig unverständlich, dass mehr als 20 Jahre nach Einführung der Brennwerttechnik bei der Angabe der Abgasverluste in der Schornsteinfegerbescheinigung nicht genutzte Kondensationswärme unberücksichtigt bleibt“, sagt Christian Küchen: „Wenn ein Kunde heute einen Abgasverlust von beispielsweise 8% bescheinigt bekommt, kann er sich kaum vorstellen, dass eine Modernisierung für ihn sinnvoll wäre. Stünde in der Abgasverlustbescheinigung dagegen beim gleichen Abgasverlust ein Wert von 14 bis 19%, abhängig vom eingesetzten Energieträger, sähe das schon anders aus.“

Autor: Dittmar Koop, Fachjournalist für Erneuerbare Energien

 


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