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Gebäudewärme ohne Öl- und Gasheizungen

Um die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, muss Deutschland seine gesamte Energieversorgung radikal umbauen

 

Bild 1: Mögliche Temperaturänderungen als Folge des Klimawandels. Daten: IPCC, NASA

Bild 2: Bisherige Entwicklung der Kohlendioxidemissionen und Reduktionspfade zur Begrenzung der globalen Temperaturerwärmung auf 1,5 °C. Daten: IEA, IPCC, eigene Berechnungen

Bild 3: Entwicklung der Kohlendioxidemissionen in Deutschland. Daten: UBA, AGEB

Bild 4: Kohlendioxidfreie Alternativen der Wärmeversorgung [1].

Bild 5: Prinzip der Herstellung von EE-Gas [1].

 

Mit großen Worten wurden die Ergebnisse des jüngsten Klima­gipfels gefeiert. Das Abkommen bietet tatsächlich erstmals die Chance, die schlimmsten Klimafolgen noch abzuwenden. Die Herausforderungen dazu sind allerdings enorm. Meinen wir unser Bekenntnis zum Klimaschutz wirklich ernst, bedeutet das einen deutlich radikaleren Umbau unserer Energieversorgung, als alle aktuellen Planungen vorsehen.

„Wir haben heute alle zusammen Geschichte geschrieben“, resümierte die Bundesumweltministerin auf ihrer Internetseite den Pariser Klimagipfel vom Dezember 2015. Und weiter: „Zum ersten Mal machen sich alle Länder dieser Welt gemeinsam auf den Weg, den Planeten zu retten.“
Sollten die Vereinbarungen von Paris wirklich umgesetzt werden, wäre das in der Tat ein großer Schritt, um katastrophale Klimaveränderungen gerade noch rechtzeitig zu stoppen. Wenn nämlich die Treibhausgasemissionen wie in den letzten Jahrzehnten unvermindert ansteigen, sagen Klimaforscher eine globale Erwärmung von 4 bis 5 °C bis zum Jahr 2100 und um bis zu 12 °C bis zum Jahr 2300 voraus. In Deutschland könnten dann Klimaverhältnisse wie in Nordafrika herrschen. Andere Teile der Erde würden sich sogar zeitweise in Todeszonen verwandeln, in denen Menschen die Spitzentemperaturen ohne technische Kühlung kaum überleben könnten. Und in den Küstenregionen würde durch einen Anstieg der Meeresspiegel um weit über 10 m die Heimat von Hunderten Millionen Menschen im Meer versinken. Angesichts der zu erwartenden Anzahl an Klimaflüchtlingen sind die heutigen Flüchtlingszahlen eher noch bescheiden.

1,5-Grad-Temperaturbegrenzung für echten Klimaschutz nötig
Nun wurde in Paris ein völkerrechtliches Abkommen ausgehandelt, das den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2 °C begrenzen soll. Da hierbei auch schon der Untergang tiefliegender Inselstaaten in den steigenden Meeresfluten droht, sollen die Vertragsstaaten die Temperaturen möglichst nicht um mehr als 1,5 °C steigen lassen. Dafür müssten den großen Worten jetzt allerdings auch große Taten folgen. Inzwischen beträgt nämlich der weitweite vom Menschen verursachte Temperaturanstieg bereits 1 °C (Bild 1).
Hauptübeltäter beim Klimawandel ist Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdgas oder Öl, das für rund zwei Drittel des weltweiten vom Menschen verursachten Treibhauseffekts verantwortlich ist. Um unter der 1,5-°C-Grenze zu bleiben, sollen die globalen Kohlendioxidemissionen bis 2070 auf null sinken.
Dann haben wir allerdings schon zu viele Treibhausgase ausgestoßen. Darum müssten ab 2070 große Mengen an Kohlendioxid durch BE-CCS-Verfahren wieder der Atmosphäre entzogen werden. BE-CCS steht für „Bio Energy with Carbon Dio­xide Capture and Storage“. Hierzu können zum Beispiel Holzplantagen dienen, die beim Wachstum Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. Das Holz lässt sich dann in speziellen Kraftwerken verbrennen, die das Kohlendioxid wiederum aus den Verbrennungsabgasen herausfiltern. Das abgetrennte Treibhausgas wird anschließend zu unterirdischen Endlagerstätten transportiert und dort entsorgt.
Was auf dem Papier erst einmal bestechend klingt, hat allerdings einige Nachteile. CCS ist teuer und Endlager für Kohlendioxid sind bei der Bevölkerung ähnlich beliebt wie atomare Endlager. Ganz unbegründet ist die Sorge vieler Bürger dabei nicht. Ist das Lager nicht dicht, kann das Treibhausgas wieder entweichen und für den Klimaschutz wäre nicht viel gewonnen. Werden größere Mengen Kohlendi­oxid freigesetzt, breitet sich es am Boden aus und lässt Mensch und Tier in der direkten Umgebung ersticken. Darum sollten oberhalb von Kohlendioxidendlagern Mess- und Warnanlagen installiert werden, was wiederum nicht unbedingt das allgemeine Vertrauen in das Verfahren erhöht. Prinzipiell ließe sich Kohlendioxid auch irgendwo im schwach besiedelten Sibirien unterirdisch entsorgen. Doch dann fallen zusätzlich noch Kosten für Kohlendioxidpipelines und die Nutzung fremder Gebiete an.

Kein Erdöl, Erdgas und keine Kohle mehr in 30 Jahren
Deutlich preiswerter wäre es, auf CCS zu verzichten. Doch dann müssten die Kohlendioxidemissionen bereits zwischen den Jahren 2040 und 2050 auf null sinken. Das bedeutet, wir müssen dann bereits in 30 Jahren vollständig ohne Kohle, Erdöl und Erdgas auskommen.
Wir Deutschen sehen uns gerne als Klimaschutzvorbild. Immerhin haben wir eine Klimakanzlerin, und im Gegensatz zu vielen anderen westlichen Industriestaaten konnten die Kohlendioxidemissionen in Deutschland zwischen 1990 und 2014 immerhin um rund 24 % gesenkt werden. Das bisherige Tempo lässt aber nicht erwarten, dass in den nächsten 30 Jahren die noch fehlenden 76 % an Einsparungen folgen.
Ein größerer Teil des Emissionsrückgangs in Deutschland geht zudem auf die Wiedervereinigung zurück (Bild 3). In den neuen Bundesländern sind wie in vielen osteuropäischen Staaten in den 1990er-Jahren durch extreme wirtschaftliche Umbrüche der Energiebedarf und damit die Emissionen stark gesunken. In den alten Bundesländern war der Emissionsrückgang hingegen bescheiden.
Ohne massive zusätzliche Anstrengungen wird Deutschland eine schwarze Null bei den Treibhausgasemissionen erst nach dem Jahr 2100 erreichen. Nehmen wir unsere zugesagten Klimaschutzversprechungen ernst, müssten dann Kohlendi­oxidendlager in ­enormen Dimensionen entstehen. Dann sollte die Regierung aber fairerweise bereits heute die Diskussion um die Endlagerung von Kohlendioxid beginnen.

Energiewende um den Faktor 4 bis 5 zu langsam
Verabschieden wir uns berechtigterweise von der Idee der Kohlendioxid-Endlager, müssen wir das Tempo der Energiewende allerdings um den Faktor 4 bis 5 steigern. Packen wir das nicht an, ist der Klimaschutz gescheitert und trotz Klimaschutzabkommen von Paris werden die bereits erwähnten dramatischen Folgen, möglicherweise in leicht abgeschwächter Form, auf unsere Kinder und Enkelkinder zurollen. Wenn wir es dazu nicht kommen lassen wollen, wenn wir wirklich den Planeten retten und nicht nur darüber reden wollen, dann sind radikale Maßnahmen zum Umbau unserer Energieversorgung erforderlich.
Soll die Stromversorgung in 30 Jahren vollständig auf Erneuerbaren Energien basieren, muss deren Ausbautempo deutlich gesteigert werden. Der jährliche Zubau müsste bei der Windkraft verdoppelt und bei der Photovoltaik in etwa versechsfacht werden. Momentan laufen die Bestrebungen der Regierung aber genau in die andere Richtung. Der Zubau der Photovoltaik wurde von über 7,5 GW im Jahr 2012 auf unter 1,5 GW im Jahr 2015 reduziert. Auch bei der Windkraft sind für dieses Jahr spürbare Einschnitte geplant.
Knapp 40 GW an Photovoltaikanlagen sind in Deutschland derzeit installiert, die gut 6 % unseres Strombedarfs decken.
Mindestens 250 GW sind für eine kohlendioxidfreie Stromversorgung nötig. Diese Menge ließe sich durchaus auf Gebäuden installieren, wenn alle geeigneten Dachflächen und Fassaden genutzt werden. Durch die aktuellen politischen Rahmenbedingungen geht der Trend aber zu immer kleineren Anlagen. Schon heute bleiben viele Photovoltaikanlagen unterhalb von 10 kW, um die sonst fällige Eigenverbrauchsumlage zu umgehen. In diesem Jahr könnten die Zusatzkosten der von der Regierung geplanten Zwangseinführung von Smart-Metern die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen bereits ab 7 kW weiter verschlechtern. Durch die stark reduzierte Einspeisevergütung müssen sich Photovoltaikanlagen außerdem zunehmend über den Eigenverbrauch rechnen, was wiederum die Anlagengröße reduziert. Größere Anlagen, die ihre hohen Überschüsse zu immer schlechteren Konditionen ins Netz einspeisen, rechnen sich immer weniger. Verbesserte Einspeisebedingungen müssen künftig dafür sorgen, dass möglichst keine Dachflächen bei der Installation von Photovoltaikanlagen ungenutzt bleiben.
Die Kohleverstromung ist in Deutschland allein für rund 40 % der Kohlendi­oxidemissionen verantwortlich. Ein Ausstieg aus der Kohleverstromung muss daher bereits in den nächsten 15 Jahren angepeilt werden. Ein schnellerer Ausbau der regenerativen Stromerzeugung würde das durchaus ermöglichen. Für eine sichere Stromversorgung werden dann allerdings schon bald große Speicherkapazitäten erforderlich.
In den letzten zwei Jahren ist die Integration von Batteriespeichern in dezentralen Photovoltaikanlagen recht erfolgreich angelaufen. Das dafür sehr hilfreiche KfW-Speicherförderprogramm sollte allerdings auf Wunsch des Wirtschaftsministeriums Ende 2015 wieder auslaufen. Erst der Haushaltsausschuss setzte eine Fortsetzung des Programms durch. Nun ist zumindest zu erwarten, dass dringend benötigte Batteriespeicher in absehbarer Zeit flächendeckend zur Marktreife geführt werden. Batteriespeicher bei der Realisierung von neuen PV-Anlagen einzuplanen, ist daher eine wertvolle Unterstützung für die Energiewende und den Klimaschutz.
Auch im Verkehrsbereich dürfen in 30 Jahren keine Treibhausgase mehr freigesetzt werden. Dazu muss der Transport größtenteils durch die Elektromobilität erfolgen. Im Jahr 2015 hatten gerade einmal rund 0,3 % aller neu zugelassenen Autos einen Elektroantrieb. In 15 bis 20 Jahren müsste der Wert auf 100 % emporschnellen, damit bei einer Lebensdauer der Autos von 10 bis 15 Jahren die gesamte Flotte auch in 30 Jahren umgestellt ist.
Dies über Kaufanreize zu forcieren ist ein teurer Weg. Sinnvoller wäre es, die Automobilkonzerne über deutlich strengere Kohlendioxidgrenzwerte zu schnelleren Innovationen und Kostensenkungen bei der Elektromobilität zu bewegen. Der Staat sollte mit seinen finanziellen Ressourcen lieber den Ausbau einer engmaschigen Ladeinfrastruktur vorantreiben, um dadurch eine große Hürde bei der Einführung der Elektromobilität zu beseitigen.
Endkunden und Planer sollten bei der Realisierung von Photovoltaikanlagen bereits heute die kostengünstige Eigenversorgung von Elektrofahrzeugen vorsehen. Eine 2-kW-Photovoltaikanlage kann die Menge an elektrischer Energie bereitstellen, die ein Elektrofahrzeug für eine Fahrleistung von 10 000 Kilometern pro Jahr benötigt.

Verbot von Öl- und Gasheizungen nötig
Den Kohlendioxidausstoß bei der Wärmeversorgung in den nächsten 30 Jahren ebenfalls auf null zu reduzieren, dürfte die größte Herausforderung der Energiewende darstellen. Ein entscheidender Schritt ist sicherlich, die energetische Sanierungsrate deutlich zu erhöhen und den Wärmebedarf zu drosseln. Heute dominieren allerdings noch Öl- und Gasheizungen den Wärmemarkt. 49 % des Gebäudebestands werden mit Erdgas und 27 % mit Erdöl beheizt. In 30 Jahren müssen diese vollständig durch kohlendioxidfreie Alternativen ersetzt sein.
Heizungsanlagen können durchaus eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren erreichen. Wer in fünf Jahren noch eine neue Öl- und Gasheizung einbaut, schafft damit künftige Altlasten, die dann vor dem Ende ihrer Lebensdauer wieder ausgetauscht werden müssten. Im Neubaubereich sollten daher Öl- und Gasheizungen bereits heute verboten werden. Auch Altanlagen dürften in 5 Jahren nicht mehr ersetzt werden. Was in Dänemark bereits heute umgesetzt ist, wird allerdings in Deutschland derzeit nicht einmal diskutiert. Die stark gesunkenen Gas- und Ölpreise ermöglichen außerdem, eine Klimaschutzabgabe auf Erdöl- und Erdgas zu erheben, um damit Maßnahmen zur Beschleunigung der Ener­giewende zu finanzieren.
Bild 4 zeigt kohlendioxidfreie Alternativen zu den heutigen Heizungssystemen, die Erdöl oder Erdgas nutzen. Bei strombasierten Wärmesystemen kommt der effizienten Wärmepumpe eine steigende Bedeutung zu. Das Potenzial für Biomasseheizungen, Solarthermieanlagen und Wärmesysteme auf Basis der Tiefengeothermie ist in Deutschland allerdings begrenzt. Daher muss künftig ein Großteil der Heizungssysteme auf regenerativem Strom und sogenanntem EE-Gas basieren.
Unter EE-Gas versteht man Wasserstoff oder Methan, das über Elektrolyse- und Methanisierungsanlagen mit Strom aus erneuerbaren Kraftwerken erzeugt wird (Bild 5). Methan auf der Basis Erneuerbarer Energien kann klimaschädliches Erdgas direkt ersetzen. Damit eine Umstellung innerhalb der nächsten 30 Jahre gelingen kann, muss allerdings der Gasverbrauch erheblich reduziert werden. Soll nämlich das gesamte derzeit in Deutschland verbrauchte Erdgas durch EE-Gas ersetzt werden, würde sich durch die Herstellung der deutsche Gesamtstromverbrauch mehr als verdreifachen. Ausreichend Standorte für die dafür nötigen Solar- und Windkraftanlagen sind zwar theoretisch vorhanden. Ob sich in Deutschland allerdings die Akzeptanz für eine Verfünfzehnfachung der installierten Windkraftleistung und den Aufbau gigantischer Photovoltaikfreiflächenanlagen herstellen lässt, bleibt mehr als fraglich. Wenn Gas für Heizungszwecke zum Einsatz kommt, sollte das daher künftig entweder durch effiziente Gas-Wärmepumpen oder stromgeführte Kraft-Wärmekopplungsanlagen erfolgen.

Fazit
Da die Folgen des Klimawandels inzwischen kaum mehr zu übersehen sind, ist die Akzeptanz für wirksame Klimaschutzmaßnahmen durchaus vorhanden. Das Klimaabkommen von Paris lässt hoffen, dass den Ankündigungen auch Taten folgen. In Deutschland müssen Politik und Bürger aber offensichtlich erst noch begreifen, dass für einen wirksamen Klimaschutz ohne teure und höchst umstrittene Kohlendioxidendlager ein Komplettumbau unserer gesamten Energieversorgung innerhalb der nächsten 30 Jahre erfolgen muss. Die dafür nötigen Technologien und Maßnahmen sind durchaus bekannt und finanzierbar.
Das Tempo der deutschen Energiewende ist dafür aber heute noch um den Faktor fünf zu niedrig. Für eine erfolgreiche Energiewende brauchen wir darum eine mutige Politik, die die nötigen Schritte zum Erhalt der Lebensgrundlagen unserer Kinder nun auch beherzt anpackt. Wir brauchen aber auch engagierte Bürger, die diese Schritte von der Politik einfordern und zu Hause auch ohne gesetzlichen Druck auf kohlendioxidfreie Alternativen umsteigen. Und wir brauchen fortschrittliche Planer, die nicht durch Fehlplanungen die Altlasten von morgen schaffen. Sie müssen ihren Kunden zu Versorgungssystemen raten, die auch in 30 Jahren noch mit gutem Gewissen errichtet und betrieben werden können. Und das sind Wärme- und Stromversorgungssysteme, die bereits heute komplett ohne fossiles Erdöl, Erdgas oder Kohle auskommen.

Autor: Prof. Dr. Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin

Literatur: [1] Quaschning, V.: Regenerative Energiesysteme. 9. Auflage 2015, Hanser Verlag

www.volker-quaschning.de

 


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