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App & Co – Chance oder Auftragsbremse?

Nach längerem Dornröschenschlaf nimmt das Thema Hausautomation im privaten Wohnumfeld wieder Fahrt auf. Neue Anbieter drängen mit einer Vielzahl internetbasierter Komponenten für mehr Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz auf den Markt. Nachfolgend soll beleuchtet werden, welche Chancen und Risiken diese Entwicklung für das SHK-Gewerbe birgt.

Bild: Viessmann Werke

Anteil der Internetnutzer in Deutschland, die sich besonders für folgende Smart Home-Technologien interessieren.

Internet der Dinge – beispielhafte Smart Home-Ausstattung mit Kontroll- und Steuerungsmöglichkeit per App. Bild: LG Electronics

Heizungskonfiguration mit Internet-Kommunikationsmodul und App für Smartphone oder Tablet. Bild: Bosch Thermotechnik (Buderus)

Nach dem kommunikationsfähigen Wärmeerzeuger sind auch die Einstellungen der webbasierten Einzelraumregelung über das Internet möglich. Die Kommunikation mit den Schaltaktoren erfolgt z. B. über das 230-V-Netz (PLC). Bild: Kermi

 

Als der Schauspieler Götz George im Jahr 2000 in einem Werbespot von EON seine Haushälterin erschreckte, indem er per Mobiltelefon von seiner Yacht aus die Rollläden in seinem Haus hoch und runter fuhr, sahen viele schon den Aufbruch in die digitale Zukunft des Lebens­umfelds der privaten 4 Wände unmittelbar bevor stehen. Dieser ließ dann – im Gegensatz zum Zweckbau, in dem sich Gebäude­automation und Facility Management schon zum Standard entwickelt haben – doch noch auf sich warten.
Mittlerweile sind Schlagworte wie „Smart Home“, „Hausautomation“ und „Internet der Dinge“ wieder in aller Munde. Und diesmal stehen die Chancen für eine flächendeckende Akzeptanz deutlich besser als noch vor wenigen Jahren. Dies liegt vor allem an der Kommunikationsstruktur, die mit LAN/WLAN breiten Einzug in den Privatbereich gehalten hat und mittelfristig im weitaus größten Teil der Haushalte vorzufinden sein wird. Das Sortiment der angebotenen Komfort- und Sicherheitskomponenten reicht von der Beleuchtungs- und Jalousiesteuerung über die Heizungs- und Lüftungsregelung bis hin zu WLAN-fähigen Kühlschränken, Herden, Waschmaschinen und sogar mit Smartphone Apps kommunizierenden Zahnbürs­ten.
Mittlerweile sind es Energieversorger und Telekommunikationsunternehmen sowie häufig auch Hersteller aus der zweiten Reihe, die ihre Geschäftsfelder erweitern und mit internetbasierten Paketangeboten mehr Komfort, Sicherheit und Energieersparnis versprechen. Viele Angebote zielen speziell auf den technisch versierten Kunden, der die Installation und digitale Einbindung in das Heimnetz selbst vornehmen kann und soll. In diesen Paketen ist immer wieder auch von energiesparenden, komfortabel per PC oder Smart Phone-­App zu bedienenden Heizungsregelungen die Rede. Tatsächlich handelt es sich dabei um elektronische Heizkörperthermostate, für die ein oder mehrere Zeitprogramme hinterlegt werden, bzw. über das Internet ferngesteuert werden können. Damit greifen die Anbieter natürlich massiv in die Tätigkeitsfelder und angestammten Kundenbeziehungen u. a. des Heizungs-Fachhandwerks ein.

Von Gebäudeautomation zur Hausautomation
Die Anfänge der Vernetzung einzelner Komponenten reichen in die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück und hatten zum Ziel, verschiedenste Funktionen der Produktions- und Fertigungssteuerung und Sicherheit innerhalb eines Zweckgebäudes zu verknüpfen. Bestimmende Merkmale waren die Erzielung maximaler Produktivität und eines wirtschaftlichen Gebäudebetriebs. Diese Gebäudeautomation hat sich schnell durchgesetzt und ist heute unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Facility Managements. Über Messgeräte und Sensoren werden alle Betriebs- und Umfelddaten, wie z. B. aktueller Stromverbrauch, Innen- und Außentemperatur, Windstärke, Sonneneinstrahlung, Raumnutzung, Wasserverbrauch sowie gebäudespezifische Daten, erfasst und in einer zentralen Leitstelle verarbeitet. In komplexen Systemen laufen hier zum Teil mehrere Tausend Informationsstränge zusammen. Nach Auswertung und anhand logischer Verknüpfungen werden Befehlsstrukturen erstellt, um mittels Aktoren beispielsweise Beschattungsanlagen und Heizungssteuerungen zu aktivieren oder bestimmte, nicht benötigte Anlagen stromlos zu stellen. Auf diese Weise werden optimale Betriebsbedingungen mit hohen energetischen Einsparungen und Kosteneinsparungen geschaffen. Die Kommunikation erfolgt über verschiedene drahtgebundene BUS-Systeme, die im Laufe der Zeit um Funkkomponenten erweitert wurden, um auch bislang schwer zu erreichende Bereiche zu erschließen. Daran hat sich in diesem gewerblichen Bereich bis heute nichts wesentlich geändert. Gab es zu Beginn noch eine Vielzahl herstellerspezifischer BUS-Systeme, hat hier in der Zwischenzeit eine Bereinigung und Verständigung auf eine übersichtliche Anzahl von Datenprotokollen stattgefunden. Beispielhaft genannt seien hier nur LON und KNX, die eine weite Verbreitung gefunden haben.
Natürlich lag es nahe, diese Strukturen zumindest teilweise auch auf den privaten Bereich der Hausautomation zu übertragen. Vorwiegend auf Basis des EIB (Europäischer Installations Bus), der mittlerweile im KNX-System aufgegangen ist, entstanden auf das private Wohnumfeld abgestimmte Lösungen mit Sicherheits- und Komfortfeatures, die meist über ein zentrales Display gesteuert werden konnten. Klassische Anwendungen waren beispielsweise Fenster- und Türkontakte mit Alarmfunktion, Türsprechanlagen, Rollladen- und Markisensteuerungen sowie die Kontrolle und Schaltung von Stromkreisen. Die Komponentenkosten, der Preisdruck im Neubaubereich und die fehlende BUS-Leitung in der Renovierung standen einer großflächigen Akzeptanz durch die privaten Bauherren entgegen. Das Thema Hausautomation verschwand für Jahre aus dem Fokus und nimmt erst jetzt mit der fortschreitenden Digitalisierung wieder Fahrt auf.
Von der Öffentlichkeit eher unbemerkt hat die Vernetzung zumindest im Teilbereich Einzug in Privatwohnungen gehalten. Abrechnungsdienste und Wohnungswirtschaft standen alljährlich vor dem Problem der Ablesung von Heizkostenverteilern und Energiemessgeräten, wie Wasser-, Wärmemengen- und Elektrizitätszählern, und den damit verbundenen zeit- und kostenaufwendigen Ablesemaßnahmen. Diese scheiterten häufig auch daran, dass die Wohnungen nicht zugänglich waren. Hier kommen mittlerweile dialogfähige Messgeräte zum Einsatz, die per 2-Drahtleitung oder per Funk ohne Anwesenheit der Mieter ausgelesen werden können. Speziell für diese Anwendungen wurde beispielsweise der verhältnismäßig kostengünstige M-BUS (Metering Bus) entwickelt.

Auswirkungen auf das Fachhandwerk
Positive Effekte auf die Auftragsgenerierung für das Fachhandwerk durch diese Entwicklung sind als eher gering anzusehen. Auch die aktuelle Entwicklung der Hausautomation ist unter diesem Aspekt kritisch zu betrachten. Mit LAN/WLAN steht mittlerweile ein sich dynamisch verbreitendes, offenes, von vielen Nutzern beherrschbares System für die Informations­übermittlung zur Verfügung. Die IP-basierten Hausautomationskomponenten sind in der Mehrzahl darauf ausgelegt, vom Nutzer selbst installiert und, wenn nicht sowieso als Plug-and-Play-Version ausgeführt, in die heimische Netzstruktur integriert zu werden. Die in-house-Kommunikation erfolgt dabei in der Regel über Funk oder PLC (Power-Line-Communication) über das 230-V-Stromnetz. Diese Entwicklung wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Als negativer Effekt sind Auftragseinbußen für das SHK-Handwerk zumindest bei Lieferung und Installation von Heizkörperthermostaten zu erwarten.

Heizzentrale – Domäne des SHK-Fachhandwerks
Im Bereich der Wärmeerzeugung, gleich ob herkömmliche Heizkessel für fossile Ener­gieträger oder alternative Systeme wie Wärmepumpen, ist die Kompetenz des Anlagenmechanikers aus dem SHK-Handwerk jedoch unverzichtbar. Aus gutem Grund ist meist die Heizungssteuerung in allen marktüblichen Angeboten der Hausautomation ausgeklammert. Der SHK-Fachhandwerker steht als alleiniger Kompetenzträger für die Installation, nicht selten auch Projektierung, und Wartung der gesamten Heizungsanlage.
Die von nahezu allen Herstellern angebotene Fernwartungsmöglichkeit der Heizzentralen kann diesen Kompetenz­anspruch in der Außendarstellung des ausführenden Betriebs noch unterstützen.
Die Auslegung der Kommunikationsstrukturen der Heizanlagen ist in der Regel ähnlich. Die meisten an der Steuerung einstellbaren Parameter lassen sich mit einem System der Fernwartung durch den Fachhandwerker auch per Internet am PC vornehmen und überprüfen. Gleichzeitig sind Meldefunktionen bei Betriebsstörungen hinterlegt, die entweder beim SHK-Betrieb direkt auflaufen oder in einer zentralen Datenbank des Herstellers mit Weiterleitung an den SHK-Betrieb verwaltet werden. Die Benachrichtigung erfolgt je nach Auslegung per SMS, E-Mail oder Anruf.
Für den Bauherren bzw. Nutzer steht oft ebenfalls eine Bedienebene zur Verfügung, die jedoch lediglich unkritische Funktionen wie das Ein-/Ausschalten oder das Einstellen von Vorlauf- und Brauchwassertemperatur erlaubt. Herstellerspezifisch können diese Einstellungen auch über eine App für iOS- oder Android-Betriebssysteme vorgenommen werden.
Was vordergründig wie eine Beschneidung des Aufgabenspektrums des Heizungsbauers erscheint, kann andererseits eine wirkungsvolle Entlastung bewirken, da die auf Kundenwunsch veränderte Temperaturverstellung häufig als Serviceleis­tung ohne Berechnung erbracht wird.
Die tatsächlichen und dem Kunden in der Regel gut zu vermittelnden Vorteile liegen auf der Hand. Durch die Einbindung der Fernwartung in einen Wartungsvertrag ergibt sich neben einer an die Kundenanforderungen angepassten, flexiblen Parametrierung eine hohe Versorgungssicherheit durch unmittelbare, verzögerungsfreie Störungsmeldung mit deutlich vereinfachtem Störungsmanagement. Durch die Angabe der Störungsursache kann der Servicetechniker bereits die erforderlichen Ersatzteile mit zum Kunden nehmen, bzw. wird die Abstimmung mit dem Hersteller wesentlich vereinfacht.
Je nach Datentiefe der jeweiligen Anlage kann auch bei Abweichungen von Sollwerten eine vorbeugende Wartung initiiert werden.
Die konsequente Ausnutzung dieses Servicepotenzials erlaubt eine hohe Wertschöpfung und kann weitreichende Auswirkungen auf die Kundenbeziehung haben. Durch schnelle Reaktionszeiten und gesteigerte Servicequalität findet in den Augen des Kunden eine deutliche Qualifizierung und Kompetenzsteigerung des Fachpartners statt. Diese fungiert als wertvolle, nicht zu unterschätzende Kundenbindungsmaßnahme mit der Chance auf Auftragsgenerierung in allen Bereichen der Angebotspalette des Fachbetriebs.

Fazit
Die Entwicklung zu internetbasierten, installationseinfachen Komfort- und Sicherheitssystemen wird sich zweifellos fortsetzen und verstärken. Nicht zu vermeidenden Auftrags-/Umsatzeinbußen im Peripheriebereich stehen die Chancen zu einer Kompetenz­erweiterung im Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik gegenüber. Die sich weiter verschärfenden gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der energetischen Effizienz von Gebäuden werden mittelfristig zu komplexen Systemen aus Heiztechnik, kontrollierter Wohnraumlüftung und Klimatisierung führen – natürlich mit kommunikationsfähigen, elektronischen Regelungen. In diesen Segmenten ist das Fachhandwerk gefordert, durch permanente Marktbeob­achtung und aktive Kundenansprache die Kompetenz in der Heiztechnik nahtlos auch auf die neuen Bereiche zu transferieren. Hier bieten sich vielversprechende Chancen für die Auftragsgenerierung – sowohl bei Verkauf, Installation als auch im After-Sales-Bereich und Wartung.

Autor: Rüdiger vom Hagen, Ottobrunn

 


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