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Was kostet die Energiewende?

Wege zur Transformation des deutschen Energiesystems bis 2050.

Die Abbildung fasst zentrale Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Ein Szenario mit 85 % Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen wird mit dem heutigen Energieversorgungsystem, unverändert bis 2050 weitergeführt, als Referenzfall verglichen. Im Ergebnis nimmt das Primärenergieaufkommen für das 85-%-Szenario um 42 % gegenüber heute ab. Die kumulativen Kosten zum Betrieb und Erhalt des heutigen Energiesystems liegen um 27 % unter den vergleichbaren Kosten des 85-%-Szenarios, wenn keine Kosten auf CO2-Emissionen erhoben werden und Preise für fossile Energieträger nicht steigen. Steigen dagegen die auf CO2-Emissionen erhobenen Kosten auf 100 € pro Tonne im Jahr 2030 an und bleiben dann konstant auf diesem Wert und steigen zugleich die Preise für fossile Energieträger um 2% pro Jahr, so liegen die Kosten zum Betrieb und Erhalt des heutigen Energiesystems um 8 % über den vergleichbaren Kosten des 85-%-Szenarios. Bild: Fraunhofer ISE

 

Die Energiewende in Deutschland ist erklärtes politisches Ziel der Bundesregierung. Um mindestens 80 %, bezogen auf 1990, sollen die Treibhausgasemissionen bis 2050 reduziert werden. Hierfür ist eine massive Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen erforderlich, die einen fundamentalen Umbau hin zu einer weitgehend dekarbonisierten Energieversorgungsstruktur bedingen. Dieser Umbau, der erhebliche Investitionen erfordert, ist allerdings kein Selbstläufer. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für
Solare Energiesysteme ISE stellen jetzt eine Studie zur System- und Kostenentwicklung einer klimaschutzkompatiblen Transformation des deutschen Energiesystems von heute bis 2050 vor. Die modell-basierte Untersuchung erstreckt sich über alle Sektoren und Energieträger und analysiert detailliert, wie Deutschland seine Klimaschutzziele durch Maßnahmen der effizienten Energienutzung und den Einsatz Erneuerbarer Energien erreichen kann. Dabei werden auf Basis unterschiedlicher Szenarien verschiedene, kostenoptimierte Transformationspfade aufgezeigt.

»Die Szenarien unterscheiden sich dabei hinsichtlich der in der Zukunft verwendeten Antriebskonzepte im Bereich der Mobilität, hinsichtlich des Umfangs der energetischen Sanierung von Gebäuden und hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung erfolgt«, so Autor Prof. Hans-Martin Henning, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer ISE und Inhaber einer Professur für Technische Energiesysteme am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). »Außerdem betrachten wir
unterschiedliche Zielwerte der Minderung energiebedingter CO2-Emissionen – um 80 %, 85 % und 90 % bezogen auf den Referenzwert im Jahr 1990«, ergänzt Andreas Palzer, Mitautor der Studie.

Mix der Energieträger
Bei allen Szenarien spielen fluktuierende Erneuerbare Energien zur Stromerzeugung – also Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen – eine Schlüsselrolle der zukünftigen Energieversorgung. Die notwendigen installierten Leistungen dieser erneuerbaren Energieträger schwanken je nach Szenario von in der Summe 290 GW (bei 80-%iger Reduktion der CO2-Emissionen) bis knapp 540 GW (bei 90-%iger Reduktion). Sie werden ergänzt durch Kraftwerke unterschiedlichen Typs zur komplementären Stromerzeugung, Solarthermie-Anlagen für die direkte Wärmebereitstellung und die Infrastruktur für die Bereitstellung eines Mixes aus fossilen, biogenen und synthetisch hergestellten, flüssigen und gasförmigen Energieträgern. Zugleich ergeben sich insbesondere in der Wärmeversorgung massive Änderungen hinsichtlich der verwendeten Techniken auf der Nutzungsseite.

Diese neue Zusammensetzung der Energieerzeuger erfordert ein hohes Maß an Flexibilisierung in der Stromerzeugung ebenso wie in der Stromverwendung. Über die klassischen auf Strom basierenden Anwendungen hinaus müssen neue Stromanwendungen insbesondere im Bereich der Gebäude und des Verkehrs hinzukommen. Zugleich impliziert die Nutzung von Strom in diesen Bereichen, dass Verbrennungs-techniken wie Heizkessel und Verbrennungsmotoren zunehmend durch elektrische Maschinen wie elektrische Wärmepumpen und Elektromotoren ersetzt werden. Diese wandeln die Endenergie Strom effizienter in Wärme oder Traktion als die heutigen auf Verbrennungsprozessen basierenden Techniken Brenn- bzw. Kraftstoffe.

Alle Szenarien zeigen eine Zunahme von Erzeugung und Verbrauch von Strom, ebenso die Notwendigkeit der zunehmenden Substitution fossiler Brennstoffe wie Gas oder Erdöl durch erneuerbar erzeugte Brennstoffe. Dies wiederum erfordert die großflächige Installation von Anlagen zur Herstellung synthetischer Energieträger aus erneuerbarem Strom, also Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff, Methan oder flüssigen Brenn-/Kraftstoffen aus Wind- und Sonnen-strom. Der notwendige Ausbaugrad steigt hier allerdings stark mit dem Zielwert der Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen.
Die Wärmeversorgung zeichnet sich durch eine starke Elektrifizierung aus. Elektrische Wärmepumpen werden in nahezu allen untersuchten Szenarien zur wichtigsten Technik für die Wärmebereitstellung in Einzelgebäuden. Solarthermie deckt in allen untersuchten Szenarien anteilig den Bedarf an Niedertemperaturwärme in Gebäuden und der Industrie. Signifikant positiv wirkt sich ein beschleunigter Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2040 auf das Erreichen der Klimaschutzziele im Bereich der Energieversorgung aus.

Kosten der Transformation
Die Kosten für die Transformation des Energiesystems werden für unterschiedliche Szenarien der Preisentwicklung für fossile Energieträger und der Kosten, die auf CO2-Emissionen erhoben werden, untersucht. »Bleiben die Preise für fossile Energieträger bis 2050 gleich und die Kosten für CO2-Emissionen langfristig niedrig«, so Hans-Martin Henning, »dann liegen die kumulativen Gesamtkosten für das kostengünstigste Szenario um rund 1100 Mrd. €, d. h. 25 %, höher als im Fall eines Weiterbetriebs des heutigen Energiesystems in unverändertem Zustand. Geht man allerdings von einer Erhöhung der Preise für fossile Energieträger um jährlich 3 % aus, dann bleiben die kumulativen Gesamtkosten für eine Transformation des Energiesystems praktisch gleich wie die Kosten für einen Weiterbetrieb des heutigen Systems, und das bei gleichzeitiger Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen um 85 %.«
Die neuen Berechnungen bestätigen die Ergebnisse des 2013 durch das Fraunhofer ISE veröffentlichte erste Energiemodell

 


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