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Versuchsanlage für Grauwassernutzung

Hafen City Universität Hamburg testet neuartige Sanitärsysteme im eigenen Gebäude

Hafen City Universität (HCU) Hamburg, Ansicht Ost. Bild: CODE UNIQUE

Hafen City Universität (HCU) Hamburg, Lageplan. Bild: CODE UNIQUE

Regenspeicher mit 2 x 7,5 m³ Fassungsvermögen, hinter der Flutschutzmauer vor der Anfüllung mit Bodenmaterial. Überläufe aus dem Regenspeicher und Oberflächenabfluss vom Außenbereich der Universität fließen direkt in die Elbe. Bild: König

Schema eines Membranbioreaktors mit Ultrafiltration. Bild: ewuaqua

Grauwasseranlage im Technikraum des Untergeschosses, flexible Anschlussleitungen mit Wasserzähler zu den Verbrauchsstellen bzw. Nachspeisung für Trinkwasser bei Leerstand. Bild: König

Elektronisches Steuergerät für die Grauwasseranlage mit Regulierung der Füllstände in den einzelnen Behältern und Steuerung der Entnahmepumpe. Trinkwassernachspeisung bei Bedarf. Bild: König

Grauwasseranlage im Technikraum im Untergeschoss mit 3 x 2000 l Fassungsvermögen. Bild: König

Vakuumstation zur Leerung der Toiletten im Gebäude mit Unterdrucktechnik. Bild: König

 

Mit dem Sommersemester 2014 begann an der Hafen City Universität (HCU) ein neues Kapitel in der Erforschung zukunftsfähiger Haustechnik, speziell im Umgang mit Regen- und Abwasser. Wiederverwendung ist die Devise, auch bei Grauwasser, das aus Wasch- und Ausgussbecken stammt. Nutzer sind die Mitarbeiter und Studenten, denn die Anlagen sind fest als Teil der Haustechnik im Universitätsgebäude eingebaut. Der extravagante Neubau an der Elbe entlastet das Hamburger Kanalsystem und ermöglicht die Erprobung zukunftsfähiger Stoffkreisläufe.

Neben den Ideen, die aus dem Fachgebiet Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung der HCU stammen, war eine weitere Triebfeder für die Installation der verschiedenen Sanitärsysteme im Neubau der Hochschule das Zertifizierungssystem der Hafen City Hamburg GmbH (HCH).

Öffentliche Gebäude, die im Stadtteil Hafen City zurzeit entstehen, unterliegen der Quartierszertifizierung der HCH. Das heißt, sie müssen Mindestanforderungen in Bezug auf Umweltstandards erfüllen. Der Hafen City Universität gelang dies überdurchschnittlich. Sie erhielt die Auszeichnung in Gold für eine Summe von verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem

  • Gebäudetemperierung durch Nachtauskühlung,
  • Wärmedämmung der Gebäudehülle besser als nach den EnEV-Anforderungen,
  • 3-fach-Fensterverglasung,
  • Dachbegrünung,
  • Wassersparmaßnahmen und gleichzeitig Vermeidung von Abwasser durch
    - Regenwassernutzung,
    - Grauwassernutzung,
    - Gelbwassertrennung mit wasserlosen Urinalen.

Gemäß Landeshaushaltsordnung in Hamburg muss für den HCU-Neubau eine sogenannte ?-Wirtschaftlichkeit der voran genannten Maßnahmen nachgewiesen werden. Das statische Verfahren geht von den aktuellen Energie- und Wasserkosten aus. Mit diesen Zahlen müssen aus heutiger Sicht 66 % Wirtschaftlichkeit der Investition erreicht werden.

Versorgung der Toilettenspülung

Abwasser aus Waschbecken sowie Ausgussbecken für Putzwasser wird als Grauwasser im Technikraum gesammelt und für die Toilettenspülung aufbereitet. 100 WC-Anlagen sind laut Arbeitsstättenrichtlinie für dieses Universitätsgebäude vorgesehen und erforderlich.

Allerdings wird nur ein Versorgungsstrang (übereinanderliegende Toiletten) mit dem aufbereiteten Grauwasser versorgt. In einem weiteren Strang sind wasserlose Urinale eingebaut. Die anderen WCs sind zum Teil mit Regenwasser und, zum Zweck des Vergleichs, teilweise konventionell mit Trinkwasser versorgt.

Grauwasseranlage

Die in dem Hamburger Referenzprojekt eingesetzte Technik für Aufbereitung und Nutzung von Grauwasser funktioniert nach einem bereits bewährten Verfahren. Mehrere Wohn- und Geschäftsgebäude in Mönchengladbach und verschiedene Studentenwohnheime in Düsseldorf wurden in den Jahren 2010 bis 2012 damit ausgestattet. Danach folgten für den Hersteller Aufträge in ganz Deutschland und Eu­ropa. Auch eine Forschungsstation in der Antarktis und ein Krankenhaus in Afghanistan zählen zu den Referenzen1).

Für die Hafen City Universität wurden drei 2000-l-Behälter zu einer Anlage verbunden und in einem Technikraum im Kellergeschoss untergebracht. In den ersten Tank fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall. Das benötigt keine Energie. „Herzstück“ der Grauwasseranlage ist die Membranfiltertechnik. Als Ultrafiltration hält sie zurück, was größer als 0,00005 mm ist.

Diese Aufbereitung findet im mittleren Behälter statt, unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen eingeblasene Luft in den unteren Teil des mit Grauwasser gefüllten Behälters drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mitten drin. Die Luft blubbert am hauchdünnen Membrangewebe entlang und reinigt es von Ablagerungen der gefilterten Stoffe. Das herausgefilterte Material wird automatisch als Feinschlamm aus den ersten beiden Behältern abgesaugt.

Vom ersten in den zweiten und nach Reinigung aus dem Inneren der Membranen in den dritten Tank wird das Wasser periodisch durch kleine, automatisch laufende Pumpen gefördert. Ist der dritte Behälter leer, weil der Bedarf größer war als der Zulauf von Grauwasser, so fließt automatisch Regenwasser ins System – ist das nicht verfügbar, wird Trinkwasser eingeleitet. Im letzten Tank, dem Reinwasser- oder Vorratsbehälter, wird nach Bedarf das klare Betriebswasser entnommen und damit das separate Grauwasser-Leitungsnetz versorgt.

Eine Grauwasseranlage muss störungsfrei und wartungsarm funktionieren, sagt Geschäftsführer Axel Pungs vom Hersteller iWater Wassertechnik. „Zusätzlich optimieren wir die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung als auch den Pumpenbetrieb so stromsparend wie möglich konzipieren“.

Vorrangiges Ziel sei allerdings die Wasserqualität, meint Pungs. Es darf laut Trinkwasserverordnung keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Das könnte theoretisch bei der Nachspeisung von Trinkwasser in den leeren Reinwasserbehälter passieren. Doch hier gibt eine nach DIN EN 1717 genormte Übergabeeinrichtung die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit. Sie ist Teil der im Werk vorgefertigten Anlage. Damit ist gewährleistet, dass diese bei der Montage nicht vergessen oder falsch eingebaut wird.

Laut Pungs ist die Aufbereitung bei diesem Projekt für die Behandlung von Grauwasser aus den Duschen von Mitarbeitern der HCU sowie von Ausguss- und Handwaschbecken ausgelegt. „Unsere Technologie garantiert durch die Barrierewirkung der Ultrafiltrationsmembran einen nahezu vollständigen Bakterienrückhalt“, bestätigt er und ergänzt: „Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten.“ Die Nutzer der Hafen City Universität werden allerdings nicht baden in diesem Wasser – es dient schließlich nur zur Toilettenspülung.

1) Beispiele siehe: König, K. W.: Grauwassernutzung – ökologisch notwendig, ökonomisch sinnvoll. Fachbuch mit farbigen Abbildungen, 1. Auflage, 130 Seiten. Verlag: iWater Wassertechnik, Troisdorf, 2013.

Autor: Klaus W. König, Überlingen

www.klauswkoenig.de/

Projekttafel

Projektdaten

Adresse: Überseeallee 16, 20457 Hamburg
Bauherrschaft: Behörde für Wissenschaft und Forschung
Planung, Projektleitung: CODE UNIQUE Architekten BDA, Dresden
Technische Gebäudeausrüstung: Ing.-Ges. Ridder + Meyn mbH, Hamburg ein Unternehmen der Planungsgruppe M+M AG
Fertigstellung: April 2014

Komponenten Grauwasseranlage   

Funktionsweise: Membranbioreaktor mit UltrafiltrationLieferant: iWater Wassertechnik, TroisdorfTyp: PowerClear 4500Herkunft Grauwasser: Putzwasser- und Waschbeckenausguss Verwendung: Toilettenspülung

Deutscher TGA-Award

Bei der Vergabe des ersten Deutschen TGA-Awards hatte iWater Wassertechnik die Nase vorn. Der Hersteller erhielt den Preis in der Sparte Neubau/Wassertechnik/Bildungseinrichtungen für die in der Hafen City Universität Hamburg eingebaute Grauwasseranlage. Die Preisverleihung fand am 20. Mai 2014 in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Berlin während der Berliner Energietage statt. 

RISA – Regeninfrastrukturanpassung

Klimastudien prognostizieren für Norddeutschland eine Zunahme der Niederschlagsmenge im Winterhalbjahr als Folge des Klimawandels, auch Starkregenereignisse können häufiger auftreten. Hinzu kommt die fortschreitende Flächenversiegelung. Beides führt zu einer Überlastung der Entwässerungssysteme der Stadt. Vor diesem Hintergrund hat die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt gemeinsam mit HAMBURG WASSER das Projekt RISA ins Leben gerufen.

Ziel ist es, ein zukunftsfähiges Regenwassermanagement in und für die Stadt Hamburg zu gewährleisten. Mit RISA sollen innovative und unkonventionelle Wege gefunden werden, den heutigen Entwässerungskomfort zu erhalten, den Binnenhochwasserschutz zu wahren und die Gewässer vor Belastungen zu schützen.

Begriffsdefinitionen

  • Abwasser: Wasser, bestehend aus jeglicher Kombination von abgeleitetem Wasser aus Haushalten, Industrie- und Gewerbebetrieben, Oberflächenabfluss und unbeabsichtigtem Fremdwasserzufluss.
  • Betriebswasser: Nutzbares Wasser ohne Trinkwasserqualität, z. B. für Bewässerung, WC-Spülung, Waschmaschine.
  • Brauchwasser: Alternativbezeichnung für Betriebswasser, außerdem traditioneller Begriff für Warmwasser aus Trinkwasser in Gebäuden.
  • Grauwasser: Schwach verschmutztes Wasser, z. B. im Haushalt aus Waschmaschine, Waschbecken, Badewanne und Dusche, das unter bestimmten Umständen wiederverwendet werden kann als Betriebswasser.
  • Regenwasser: Übliche Form des natürlichen Niederschlags neben Schnee, Hagel, Graupel, Reif, Tau, Nebel; außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeter Begriff für Betriebswasser aus Niederschlägen von Dächern und anderen Oberflächen.
  • Schmutzwasser: Verunreinigtes Wasser, das reinigungsbedürftig ist, z. B. Trink- und Betriebswasser nach der WC-Spülung; auch Niederschlagswasser, das von befestigten Flächen abfließt, nach Verunreinigung mit wassergefährdenden Stoffen.

 

Literatur zu Grauwassernutzung 

  • DWA-Regelwerk, Arbeitsblatt DWA-A 272. Grundsätze für die Planung und Implementierung Neuartiger Sanitärsysteme (NASS). Hrsg.: Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) Hennef, Juni 2014.
  • fbr-top 4: Wasser zweimal nutzen, Grauwasser-Recycling. Loseblatt-Reihe zu grundsätzlichen Themen der Regenwassernutzung. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., fbr-Dialog GmbH, Darmstadt, September 2010.
  • fbr-Hinweisblatt H 201: Grauwasser-Recycling, Planungsgrundlagen und Betriebshinweise. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., fbr-Dialog GmbH, Darmstadt, April 2005.
  • König, K. W.: Grauwassernutzung – ökologisch notwendig, ökonomisch sinnvoll. Fachbuch mit farbigen Abbildungen, 1. Auflage, 130 Seiten. Verlag: iWater Wassertechnik, Troisdorf, 2013.
  • Nolde, E., Rüden, H., König, K. W.: Innovative Wasserkonzepte, Betriebswassernutzung in Gebäuden. Grau- und Regenwasseranlagen in Berliner Gewerbe- und Wohngebäuden sowie in öffentlichen und kulturellen Einrichtungen der deutschen Hauptstadt. (Hrsg.:) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, 59 Seiten, Berlin 2003. Kostenlos als 

Rohstoffe aus Abwasser

In rohstoffarmen Ländern wie Deutschland besteht die Möglichkeit, die in großen Mengen im Abwasser enthaltenen Elemente wie Phosphor und Stickstoff zurückzugewinnen. Diese mit dem Urin ausgeschiedenen Mineralien werden als Dünger in der Landwirtschaft benötigt und müssen heute zu Weltmarktpreisen importiert werden. Trennsysteme erleichtern die Aufbereitung des sogenannten „Gelbwassers“, da es nicht mit anderen Stoffen verunreinigt ist.

Solche Optionen bieten schon heute sogenannte Neuartige Sanitärsysteme (kurz NASS). Dabei werden die verschiedenen Bestandteile des häuslichen Abwassers, wie Urin mit Spülwasser („Gelbwasser“), Fäkalien („Braunwasser“) und Abwasser aus dem Waschbecken oder der Waschmaschine („Grauwasser“) separat erfasst und abgeleitet. (Quelle: DWA Broschüre „Unser Wasser – alles klar? Wasser im Haushalt nutzen und schützen“, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), Hennef, 2014)

 


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