„Unternehmen sollten besser heute als morgen handeln“ - Ab 2017 fordert das Digitalisierungsgesetz den schrittweisen Einbau vernetzter Stromzähler
Es ist beschlossene Sache: Ab Januar 2017 werden im Rahmen des Digitalisierungsgesetzes schrittweise vernetzte Stromzähler, sogenannte Smart Meter, eingeführt. Diese sind für Kunden ab einem bestimmten Verbrauch verpflichtend. Was das für Unternehmen bedeutet, was konkret zu tun ist und wie Stromkunden davon profitieren können – darüber haben wir mit Stefan Harder, Geschäftsführer des mittelständischen Energieversorgers E.VITA aus Stuttgart, gesprochen.
IKZ-ENERGY: Herr Harder, mit der Vorlage zum Digitalisierungsgesetz ist auch die Umsetzung von Smart Meter auf den Weg gebracht worden. Was bedeutet die vernetzte Strommessung für Unternehmen konkret?
Stefan Harder: Die Unternehmen erhalten dadurch zunächst einmal eine höhere Transparenz. Sie sehen nicht mehr nur die Summe des Stromverbrauchs, sondern können diesen auch einzelnen Verbrauchern zuordnen und damit steuernd eingreifen.
IKZ-ENERGY: Der Stromkunde bekommt also eine aktivere Rolle als bisher?
Stefan Harder: Ja, bisher konnte der Kunde bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen seine Energiekosten nur über absolute Verbrauchssenkungen verringern. Durch Smart Meter kann er zusätzlich über die gezielte Lastverschiebung weitere Einsparungen erzielen. Und langfristig ermöglicht eine Übertragung der Verbrauchsdaten in Echtzeit weitere Vorteile, beispielsweise weitaus individuellere Tarife als sie heute üblich sind. Der Kunde unter 100000 kWh kommt so in den Genuss einer individuellen Tarifierung wie sie heute nur Großkunden erhalten.
IKZ-ENERGY: Lohnt sich das tatsächlich für alle Unternehmen oder zahlen manche Unternehmen durch die Umstellung und die damit verbundenen Kosten unterm Strich sogar drauf?
Stefan Harder: Durch die Umrüstung auf smarte Zähler fallen Kosten für den Einbau und die Wartung an, die laut Gesetz der Stromkunde alleine trägt, da die Messstellenbetreiber diese direkt weiterberechnen können. Der Gesetzgeber hat hierfür jedoch – je nach Stromverbrauch – eine Obergrenze zwischen 100 und 200 Euro jährlich festgelegt. Diese Kosten sind nicht zu verleugnen, aber Unternehmen haben durch die Messung in Echtzeit und die so gewonnene Transparenz gute Aussichten auf langfristige Ersparnisse – sei es durch die Identifizierung von Stromfressern oder durch angepasste Tarife. Dabei darf natürlich nicht verheimlicht werden, dass es Unternehmen gibt, die ein ungünstiges Verbrauchsverhalten gegenüber dem bisher abgerechneten Standard haben. Werden die Unternehmen nicht tätig, könnten sie auch schlechter dastehen. Der Smart Meter hilft beim Erkennen der Verbrauchsstruktur. Er allein führt aber nicht immer zu einer Ersparnis. Die richtigen Handlungsoptionen kann der Kunde dann gemeinsam mit seinen Lieferanten ermitteln und umsetzen.
IKZ-ENERGY: Was müssen Unternehmen jetzt tun? Besteht sofortiger Handlungsbedarf, welche Fristen gelten?
Stefan Harder: Für die Einführung der Smart Meter wird es einen Ausbauplan der Netzbetreiber und Messstellenbetreiber geben. Der Kunde kann also prinzipiell einfach warten, bis er an der Reihe ist. Ab Januar 2017 sind Verbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 10000 kWh von der Verpflichtung zur Umstellung betroffen. Es steht aber jedem frei, sich einen Messstellenbetreiber zu suchen und den Umbau früher in die Wege zu leiten. Das gilt sogar für Haushaltskunden. Mit dem Umbau wird er sofort verbrauchsscharf bilanziert. Ergibt die Analyse des Produktionsprozesses Vorteile, sollten Kunden frühzeitig die Umstellung anstreben.
IKZ-ENERGY: Was bedeutet die Vernetzung der Verbrauchsdaten für das Energiemanagement in Unternehmen?
Stefan Harder: Die Grundlage für Energiemanagement sind präzise und verlässliche Daten. Dafür wird mit der vernetzten Verbrauchsmessung die Grundlage gelegt. Das ermöglicht vielen Unternehmen erstmals Transparenz über ihren Verbrauch – und damit auch die Möglichkeit hier steuernd einzugreifen. Unternehmen mit einem bestehenden Energiemanagement erhalten nun durch Smart Meter eine bessere Datengrundlage und haben damit die Chance auf weiteres Einsparpotenzial.
IKZ-ENERGY: Wem nützt die Vernetzung am meisten: Den Unternehmen oder eher den Energieversorgern und -händlern?
Stefan Harder: Die gesamte „Nahrungskette“ von der Produktion bis zum Verbrauch profitiert von präziseren Daten und deren Auswertung: Unternehmen können ihren Verbrauch gezielter einsehen und regelnd eingreifen. Aber auch diejenigen, die den Strom bereitstellen, können auf dieser Grundlage besser arbeiten: Dies betrifft zum einen die viel genauere Übersicht, wie die untertägliche Verbrauchsverteilung ist. Neben einer genaueren Einkaufspolitik für die Händler bekommen die Netzbetreiber so die Möglichkeit einer genaueren Planung ihrer Netzauslastung und damit die Information, wo ggf. Überkapazitäten bestehen oder ein Engpass wahrscheinlich ist. Gleichzeitig kann sich das aber auch in speziellen Tarifen für bestimmte Verbrauchsmuster positiv für die Kunden auswirken – die Möglichkeiten sind vielfältig. In Summe wird durch diese Maßnahme ein wichtiger Schritt zur Optimierung der Auslastung der bundesdeutschen Stromnetze erreicht und gleichzeitig mehr „Abrechnungsgerechtigkeit“ auf Kundenseite erzielt. Heute zahlt der Kunde mit einem günstigen oder bereits optimierten Verbrauchsprofil die Kunden mit, die diesen Weg noch nicht gegangen sind.
IKZ-ENERGY: Mit Vernetzung stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Schutz der Verbraucherdaten. Sind dafür aus Ihrer Sicht alle Vorkehrungen getroffen?
Stefan Harder: Der Schutz der Daten ist ein wichtiger Faktor, der aber vom Gesetzgeber im Rahmen der Einführung durchaus mitgedacht ist. Beispielsweise werden die Verbrauchsdaten nur verschlüsselt und ggf. auch unpersonalisiert bzw. aggregiert übermittelt. Entscheidend ist darüber hinaus, dass sich die Unternehmen dessen bewusst sind und auch selbst ein Auge darauf haben. Die ermittelten Daten dürfen grundsätzlich nur für die im Gesetz definierten energiewirtschaftlichen Zwecke verwendet werden – einer Verwendung darüber hinaus muss der Verbraucher explizit zustimmen. Die Energiedaten werden an möglichst wenige Stellen übermittelt und bei den Maßnahmen sind die Daten des Letztverbrauchers geschützt. Jedem Letztverbraucher werden vom Messstellenbetreiber Datenblätter zur Verfügung gestellt, die den notwendigen Datenverkehr erläutern. Somit wird gewährleistet, dass der Letztverbraucher einsehen kann, wer wann welche Messdaten erhalten hat.
IKZ-ENERGY: Ist die vernetzte Messung bereits das Ziel oder nur ein erster Schritt in Richtung Vernetzung und flexible Steuerung der Energieströme?
Stefan Harder: Mit der Einführung von Smart Meter ist ein zentraler Schritt in Richtung flexible Energiesteuerung gemacht – auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis die vernetzten Messgeräte auch in den meisten Betrieben installiert sind. Unternehmen mit vernetzten Stromzählern sind für die Zukunft der Energieversorgung gerüstet. Zusammen mit dem weiter fortschreitenden Ausbau der dezentralen Erzeugung kommen wir einer intelligenten Steuerung der immer komplexer werdenden Welt der Energieströme einen Schritt näher. Am Ende müssen die ermittelten Daten aber auch konsequent dafür genutzt werden, die Produktion und den Verbrauch zusammenzubringen, um die Potenziale der Vernetzung wirklich zu heben.
IKZ-ENERGY: Auch E.VITA als Energiehändler wird durch Smart Meter Verbrauchsdaten in Echtzeit erhalten. Welche Verbesserungen bzw. welchen zusätzlichen Aufwand sehen Sie dadurch auf sich zukommen?
Stefan Harder: Wir als Energiehändler haben derzeit keinen Zugriff auf Echtzeit-Verbrauchsdaten unserer Kunden. Diesen erhoffen wir uns ganz klar durch die Einführung von Smart Meter. Damit erhalten wir dann die Chance, unsere Kunden noch individueller zu beraten und bei der Umsetzung von Effizienzmaßnahmen zu betreuen unter dem Angebot verbrauchsoptimierter Tarife. Gerade für den Stromeinkauf ermöglicht uns die Echtzeitübermittlung neue Möglichkeiten, da wir über den sogenannten Intraday-Markt, auf dem Mengen innerhalb des Verbrauchstages gehandelt werden, agieren können. Es gilt: Je zeitnäher ich den Verbrauch handeln kann, umso weniger unterliegen wir Preisbewegungen, die wir heute mit einpreisen müssen. Gleichzeitg bedeutet eine individuellere Tarifierung unserer Kunden für uns einen gewissen Mehraufwand – das sehen wir aber als Service und unseren Beitrag zur Optimierung der Verbrauchsrechnung unserer Kunden an.
IKZ-ENERGY: Abschließende Frage, Herr Harder, welche nächsten Schritte stehen bei E.VITA zur Einführung von Smart Meter an? Was konkret werden die zukünftigen Leistungen von E.VITA sein?
Stefan Harder: E.VITA selbst bietet keine technischen Dienstleistungen an. Deshalb empfehlen wir unseren Kunden, sich Angebote bei potenziellen Messdienstleistern einzuholen. Natürlich stehen wir auch gerne bei der Auswahl eines geeigneten Messdienstleisters zur Seite. Und für manche Unternehmen lohnt es sich durchaus, auch vor der gesetzlichen Frist über Smart Meter nachzudenken. Mit der Umstellung kommt E.VITA ins Spiel: Wir können unseren Kunden dann verbrauchsindividuelle Tarife anbieten. So bezahlt der Kunde genau das Verbrauchsprofil, das auch tatsächlich bei ihm anfällt.
IKZ-ENERGY: Herr Harder, vielen Dank für das Gespräch.