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Quo vadis Wärmewende? - IKZ-ENERGY Interview mit BDH-Präsident Manfred Greis

Wer an die Energiewende denkt, hatte bislang in erster Linie Windräder und PV-Module im Kopf. Mehr als alles andere stehen diese Technologien bislang für saubere und sichere Energie als Alternative zu Kohlekraftwerken und Atommeilern. Auch wenn z.B. die PV-Branche in den letzten Jahren mit starken Einbrüchen zu kämpfen hatte, der unaufhaltsame Aufstieg der EE-Technologien blieb unbestritten. Und lange Zeit ließ man sich vom Erfolg im Strommarkt so sehr blenden, dass eines völlig außer Acht gelassen wurde: Deutschland braucht dringend eine Wärmewende, um die Energiewende zu vollenden. Nur so lassen sich die anspruchsvollen, vereinbarten Klimaschutzziele noch erreichen. Hierüber und über weitere Branchenthemen sprach IKZ-ENERGY Chefredakteur Hilmar Düppel mit Manfred Greis, Präsident des Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH).

BDH-Präsident Manfred Greis.

Anteil der jährlichen Investitionsfälle mit Einkopplung Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt.

 

IKZ-ENERGY: Herr Greis, die SHK Essen hat am 12. März ihre Tore geschlossen. Sie ist damit ein erster, wichtiger Frühjahrsindikator für die Heizungsbranche. Wie lautet Ihr Fazit?  
Manfred Greis: Die SHK Essen hat zu ihrem fünfzigsten Jubiläum einmal mehr ihren Status als wichtiger Branchentreff im Nordwesten Deutschlands unter Beweis gestellt. Die deutsche Heizungsindustrie war so gut wie vollzählig vertreten. Die Hersteller zeigten einerseits bewährte Systemlösungen, die Effizienz und Erneuerbare Energien kombinieren. Aber auch künftige Trends wurden gezeigt, wie zum Beispiel digitale Heizsysteme, die sich über Smartphones und Tablets steuern lassen. Im Fokus stand auch die Brennstoffzellenheizung. Die SHK Essen hat die insgesamt optimistische Stimmung der Industrie gut eingefangen.

IKZ-ENERGY:
Im letzten Jahr wurden von der Deutschen Heizungsindustrie 710000 Wärmeerzeuger verkauft. Das bedeutet ein Plus von 4%. Wie zufrieden sind Sie mit diesen Absatzzahlen – vor allem mit Blick auf die immer noch ausstehende Wärmewende in den deutschen Heizungskellern?
Manfred Greis: Zunächst einmal stimmt uns ein Plus im Gesamtmarkt von 4% positiv. Man muss aber dazu sagen, dass die deutsche Heizungsindustrie um die Jahrtausendwende annähernd eine Million Wärmeerzeuger pro Jahr abgesetzt hat und dass der Markt zur Mitte des folgenden Jahrzehnts auf rund 550000 Geräte eingebrochen ist. Erst in den letzten Jahren erleben wir langsam wieder eine Stabilisierung des Marktes.

IKZ-ENERGY:
D.h. es gibt moch einen immensen Nachholbedarf?
Manfred Greis: Tatsache ist nach wie vor, dass die Modernisierung des veralteten Bestandes zu langsam vorangeht und dass sich Technologien für Erneuerbare Energien sogar rückläufig entwickeln. Bei der derzeitigen Modernisierungsrate von 3% würde es mehr als 30 Jahre dauern, die Altanlagen auf den Stand der Technik zu bringen. Bei Ölheizungen liegt die Modernisierungsrate sogar nur bei einem Prozent. Bei diesem Tempo brauchen wir ein ganzes Jahrhundert für die Sanierung des Bestandes. Im Sinne des Ressourcen- und Klimaschutzes muss dringend eine beschleunigte Hebung der immensen Potenziale des Wärmemarktes erfolgen.            

IKZ-ENERGY: Ein Gros des Zuwachses fällt auf die Gas- und Ölbrennwerttechnik, wohingegen sich die Erneuerbaren Wärmeenergien nach wie vor schwer tun im Markt?
Manfred Greis: Ja, während um die Jahre 2008 und 2009 bei nahezu jedem zweiten Modernisierungsfall Erneuerbare Energien eingekoppelt wurden, trifft dies aktuell nur noch bei rund jedem fünften Investitionsfall zu.

IKZ-ENERGY: Was sind die größten Hemmnisse, weshalb schreitet die Energiewende hier kaum voran?
Manfred Greis: Diese Entwicklung hat eine Reihe von Ursachen. Die Politik hat die Energiewende in der Vergangenheit vor allem als Stromwende betrachtet und den Ausbau volatiler erneuerbarer Stromerzeugung vorangetrieben. Der Wärmemarkt wurde lange Zeit kaum adressiert, und den Förderprogrammen im Wärmemarkt fehlte es zum Teil an Verlässlichkeit. Die Wärmepumpe geriet zuletzt durch die hohen Strompreise ins Hintertreffen. Thermische Solaranlagen litten unter einer Flächen- und Investitionskonkurrenz zu Photovoltaikanlagen, die für viele Endverbraucher attraktivere Renditemodelle darstellen und sicherlich hat der momentan niedrige Ölpreis die Biomasse unter Druck gesetzt.

IKZ-ENERGY:
Wäre da ein generelles Installationsverbot fossil beheizter Neuanlagen nicht hilfreich, ähnlich wie es unsere dänischen Nachbarn praktizieren?
Manfred Greis: Das vielzitierte Beispiel Dänemarks hinkt, denn ein solch absolutes Verbot gibt es gar nicht. Davon abgesehen setzt sich der BDH grundsätzlich für ideologiefreie, marktwirtschaftliche Prinzipien ein und gegen jegliche Zwangsmaßnahmen. Zudem sind rund 90% der 20,7 Mio. in Deutschland installierten Anlagen gas- oder ölbasiert. Ein Verbot fossiler Energieträger im Wärmemarkt würde also die Mehrheit der Anlagenbetreiber ins Kalte setzen. Der BDH vertritt daher die Doppelstrategie aus Effizienz und Erneuerbaren Energien. Es gilt, den veralteten Bestand beschleunigt durch moderne Brennwerttechnik zu erneuern und zugleich in hybriden Systemen den Anteil Erneuerbarer Energien sukzessive zu steigern. Dazu bietet die deutsche Heizungsindustrie ein umfassendes Produktportfolio.          

IKZ-ENERGY:
Der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) enthält eine Vielzahl von Maßnahmen. Sind diese alle sinnvoll, werden diese den gewünschten positiven Effekt haben?
Manfred Greis: Zunächst einmal zeugt der NAPE davon, dass die Politik die Potenziale des Wärmemarktes inzwischen erkannt hat. Auch ist der NAPE grundsätzlich an marktwirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet. Wir begrüßen, dass auf Ordnungsrecht im Bestand weitestgehend verzichtet und dieses auf den Neubau beschränkt wird. Das Beispiel Baden-Württemberg hat gezeigt, dass Ordnungsrecht im Bestand zu Attentismus im Markt führt. Bedauerlich ist, dass ein zentrales Instrument des NAPE, nämlich die steuerliche Förderung, abermals nicht umgesetzt worden ist. Im Gegensatz dazu ist die Verstetigung und Aufstockung der KfW-Programme sowie die Fortentwicklung des Marktanreizprogrammes zu begrüßen. Auch das Anfang des Jahres eingeführte Energielabel für Bestandsanlagen ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.  

IKZ-ENERGY:
Die meisten Kessel werden nicht aus ökologischen oder ökonomischen Gründen ausgetauscht, sondern weil die Altanlage ausfällt. Was kann die Industrie und das Fachhandwerk tun, um hier eine Trendwende in die Wege zu leiten?
Manfred Greis: Ich sehe dies als Gemeinschaftsaufgabe an. Politik, Industrie und Handwerk müssen gemeinsam pro Wärmemarkt agieren. Von zentraler Bedeutung neben der richtigen Ausgestaltung der Rahmenbedingungen ist vor allem eine einheitliche Kommunikation. Zu oft wurden Verbraucher in der Vergangenheit durch widersprüchliche Aussagen irritiert. Investitionen sind dadurch unterblieben. Dabei ist genügend privates Kapital vorhanden. Dieses gilt es zu mobilisieren. Die Akteure müssen den Menschen gemeinsam und gleichlautend erklären, dass die Investition in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien eine Investition in die Zukunft ist, die sich in einem überschaubaren Zeitraum amortisiert. Im Übrigen gehen wir davon aus, dass das Bestandslabel sehr viel Problembewusstsein schaffen wird.           

IKZ-ENERGY: Was denken Sie, wie wird sich der Heizungsmarkt zukünftig entwickeln?
Manfred Greis: Die gewollte Dekarbonisierung erfordert eine stärkere Verzahnung von Strom- und Wärmemarkt sowie Mobilität. Die Politik spricht hier von Sektorkopplung. Auch hier setzt sich der BDH für eine technologieoffene und energieträgerneutrale Ausgestaltung mit Augenmaß ein. So können verstärkt hybride Heizsysteme zum Einsatz kommen, die Strom aus Erneuerbaren Energien mit effizienter Nutzung von Gas und Heizöl kombinieren.

IKZ-ENERGY: Welche Möglichkeiten bestehen da?
Manfred Greis: Im Wesentlichen kommen hier zwei Optionen zum Tragen. Power-to-Gas ermöglicht es, den Ökostrom in das Erdgasnetz und damit in den größten Energiespeicher Deutschlands einzubringen. Mittels Power-to-Heat können Stromspitzen aus erneuerbarem Strom über hocheffiziente Wärmepumpen in den Wärmemarkt eingebracht werden. In diesem Zusammenhang wird auch die Digitalisierung des Wärmemarktes eine wichtige Rolle spielen. Mithilfe intelligenter Stromnetze  können künftig flexible Strompreise über entsprechende Tarifsignale an das Heizsystem weitergegeben werden. Das hybride System kann so immer den jeweils günstigsten Energieträger einkoppeln. Weiterhin kann der Endverbraucher durch die Digitalisierung seine Heizung per Smartphone oder Tablet steuern. Das bedeutet einen Komfortgewinn und eröffnet zudem weitere Einsparpotenziale.
Nach wie vor gilt: Die Energiewende kann nur erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Potenziale des Wärmemarktes zu heben.   

IKZ-ENERGY: Herr Greis, vielen Dank für das Gespräch.

Bilder:
BDH

 


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