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Null Emission vor Ort

Die Elektromobilität soll Problemlöser sein

Viele Hersteller von E-Fahrzeugen haben sich auf einen gemeinsamen Ladestandard verständigt. In 20 bis 30 Minuten ist das Fahrzeug an besonderen Schnellladesäulen zu 80 % mit Strom betankt. Bild: Thomas Dietrich

In Serie gefertigt: Der Citroën „Berlingo Electric“ kann als Kastenwagen in zwei unterschiedlichen Längen einen sauberen Handwerker-Job machen. Bild: Thomas Dietrich

Nächste Generation: Der Renault „Kangoo Z.E.“ ist jetzt in einer weiterentwickelten Version mit verlängerter Reichweite verfügbar. Bild: Renault

Konkurrenzlos: Der Iveco „Daily Electric“ ist derzeit der einzige E-Transporter auf dem Markt. Die Italiener bieten diesen Antrieb bereits seit einiger Zeit an. Bild: Iveco

Kooperation zwischen Ford und Streetscooter: Bis Ende 2018 sollen 2500 Ford „Transit“ mit E-Antrieb im Paketdienst der Post Erfahrungen sammeln. Bild: Deutsche Post DHL

Neustart bei Mercedes Benz Vans: Einen E-Antrieb gab es schon, jetzt starten „Vito“ und „Sprinter“ im Feldversuch mit dem Logistik-Unternehmen Hermes. Bild: Daimler

Am häufigsten verbreitet: Die Ladesäule Typ 2 benötigt ein paar Stunden, um den Akku – hier beim Nissan „eNV200“ – komplett zu laden. Bild: Thomas Dietrich

Standard mit Zukunft: Die Schnellladung mit CCS-Stecker benötigt 20 Minuten, doch die flächendeckende Infrastruktur ist erst im Aufbau. Bild: Daimler

Akkuladung im Blick: Fahrstil und Verbraucher wie Licht, Heizung oder Kühlung nehmen erheblichen Einfluss auf die verbleibende Reichweite. Bild: Thomas Dietrich

 

Möglichst wenige Emissionen durch Fahrzeuge in den Städten – diese allgemeine Erwartung bei Bürgern und Kommunen bringt den Elektroantrieb auf der Suche nach Lösungen in den Mittelpunkt. Einblicke in den Markt der E-Mobilität zeigen, dass zum Umstieg auf ein E-Auto Hintergrundwissen erforderlich ist, um mit den Besonderheiten klarzukommen. Sogar eine Portion Pioniergeist wäre hilfreich.

Pioniere gesucht
Wer in Deutschland ein Elektroauto nutzt, darf sich (noch) zu den Pionieren zählen. Pioniere sind Wegbereiter. Mal ist noch gar kein Weg da, mal ist er schmal. Ein schmaler Weg bedeutet in der Elektromobilität beispielsweise: Der Handwerksbetrieb kann für kürzere Fahrten in der City einen elektrisch angetriebenen Lieferwagen für alle möglichen Serviceleistungen nutzen, denn da spielt das Handikap der begrenzten Reichweite keine Rolle. Momentan gibt es eine Handvoll Modelle, die dafür infrage kommen. Gar kein Weg bedeutet in diesem Fall für den Handwerker: Braucht man einen Laderaum mit deutlich mehr als 4 m³, gibt es derzeit nur einen einzigen Elektrotransporter. Es ist der Iveco „Daily“, für den ein Listenpreis von etwa 70000 Euro genannt wird.
Warum hat dieser eine Transporter mit E-Antrieb keine Konkurrenz? Hat Deutschland als überaus bedeutender Nutzfahrzeughersteller den Markt der Elektromobilität verschlafen? Schaut man auf das übliche Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, so hat Daimler bereits vor etlichen Jahren mit dem Transporter „Mercedes Vito e-Cell“ ein Fahrzeug zur Marktreife gebracht, und auch ein „Sprinter“ surrte bereits zu Testzwecken übers Versuchsgelände. Das Ergebnis: Ob der hohe Preis, die geringe Reichweite oder andere Gründe bedeutend waren, die Nachfrage ließ jedenfalls erheblich zu wünschen übrig. Zu wenige Pioniere fanden sich, die der Elektromobilität mit Stern folgen mochten. Der „Vito e-Cell“ wurde vor etwa zwei Jahren aus dem Lieferprogramm genommen.

Neustart für den E-Antrieb
Erst jüngst wurde bekannt, dass Daimler mit einem Neustart beschäftigt ist. In einem großen Feldversuch sollen in enger Zusammenarbeit mit dem Logistikunternehmen Hermes neue Weichen für die Zukunft gestellt werden. Als Lastenträger mit Elektromotor dienen sowohl „Vito“ als auch „Sprinter“. Was bei dieser Ko­operation herauskommt, muss der Handwerker erst einmal abwarten. Denn bevor das entsprechende Elektro-Angebot – frei von Schwierigkeiten unter Alltagsbedingungen – von jedermann geordert werden kann, wird es dauern. Spätestens im Jahr 2020 wollen die Stuttgarter im Markt sein. Bis dahin mag sich der interessierte Handwerker nach einer Alternative umsehen.

Auch Ford kooperiert elektrisch
Ford hatte in vergangenen Jahren ebenfalls ein marktreifes Angebot mit einem Elektro-Lieferwagen – und aufgegeben. Jetzt ist in Deutschland die Zeit für eine Neuentwicklung angebrochen. Der große „Transit“ startet als elektrisch angetriebener großvolumiger Paketwagen für die Deutsche Post DHL in die Produktion. Als Partner fungiert die DHL-Tochter Streetscooter, die bereits den kleinen kastenförmigen Elektrolieferwagen baut und dabei konsequent auf niedrige Produktionskosten Wert legt. Das könnte richtungsweisend für andere Automarken sein, die mit ihren Elektromobilen jetzt noch im Hochpreissegment unterwegs sind. Doch der Handwerker wird auch diese Lösungen nicht in absehbarer Zeit fahren können – neue Entwicklungen reif für den Markt zu machen, dauert...

Modellangebot noch begrenzt
Oder geht’s doch rasanter? Volkswagen Nutzfahrzeuge hat den „Crafter“ bereits in einer Elektroversion auf die Präsentationsbühne gefahren. Vielleicht belebt die Konkurrenz das Geschäft und die Transporterbranche bringt schneller als angekündigt – noch vor dem Jahr 2020 – den E-Antrieb in die Nutzfahrzeugzentren.
Bei den E-Lieferwagen sieht das bereits jetzt verfügbare Modellangebot wie folgt aus:

  • Citroën hat den „Berlingo Electric“ im Programm,
  • Nahezu identisch ist der Peugeot
  • „Partner Electric“,
  • Nissan bietet den „e-NV200“,
  • Renault hat den „Kangoo Z.E.“ (Zero Emission) jetzt mit modifiziertem Antrieb und verlängerter Reichweite,
  • VW Nutzfahrzeuge listet den „e-load up!“ als kleines Serviceauto.


Über Nutzfahrzeuge hinaus gibt es zahlreiche Pkws mit E-Antrieb sowie Hybridvarianten.

Gut einsetzbar für kurze Strecken
Diejenigen Handwerksbetriebe, die ihre Jobs ausschließlich in der Stadt oder in einem Umkreis von etwa 30 km Entfernung erledigen, werden sich bei einem E-Mobil weder mit einer begrenzten Reichweite noch mit dem Wirrwarr um diverse Ladesysteme und unterschiedliche Stecker auseinandersetzen müssen. Da kann man das ordern, was gefällt.
Wer allerdings über eine größere Distanz elektrisch mobil sein will, muss sich noch vor dem Kauf mit dem Lade-Dschungel vertraut machen. Rund 150 km waren es bislang, die beispielsweise ein Renault „Kangoo Z.E.“ oder Nissan „eNV200“ mit vollem Akku zurücklegen konnte – allerdings nur unter idealen Bedingungen. Denn der Energievorrat könnte im ungünstigen Fall nur für die Hälfte reichen, wenn von Licht, Heizung und Pedalen stark Gebrauch gemacht wird.
Jetzt, zu Beginn des Modelljahres 2018, ist beispielsweise Renault mit einer modifizierten Version des „Kangoo Z.E.“ angetreten, um auch unter Alltagsbedingungen etwa 200 km weit fahren zu können. Ähnlich klingen Erfolgsmeldungen zur Reichweitenverbesserung bei anderen Herstellern. Doch es ist keineswegs allein die zur Verfügung stehende Reichweite, die auf der Langstrecke ins Gewicht fällt.

Strategie für den Lade-Dschungel
Wer unterwegs seinen Akku aufpeppen muss, wird nicht viel Zeit dafür verwenden wollen. Deshalb kommt es darauf an, welche Schnelllademöglichkeit im jeweiligen E-Modell eingebaut ist. In der Vergangenheit nutzten Automobilhersteller die unterschiedlichsten Ladesysteme, mal mit Gleich- mal mit Wechselstrom. Es war normal, dass die Ladezeit Stunden brauchte. Auch war die Ladeleistung und damit die Wartezeit abhängig von der gerade erreichbaren Ladesäule des Energieversorgers oder vom Hausanschluss. Doch dieses Pionierwissen ist heute weniger wichtig.

Langsam oder schnell laden?
Bei neuen Fahrzeugen sind folgende Systeme gebräuchlich und sollten vor der Kaufentscheidung Beachtung finden:

  • Der CCS-Ladestandard ist die derzeit modernste Entwicklungsstufe und wird sich nach Einschätzung der Branche in Europa durchsetzen. Lediglich 20 Minuten muss man hier an einer Gleichstrom-Ladesäule pausieren. Allerdings sind diese Hochleistungssäulen noch nicht oft zu finden.
  • Die amerikanische Pkw-Marke Tesla hat ebenfalls ein hochleistungsfähiges Ladesystem, das jedoch nicht von anderen Fahrzeugen genutzt werden kann.
  • Bei den Marken Renault/Nissan, Toyota, Honda, Mitsubishi, Peugeot/Citroen und auch bei Opel hat sich derCHAdeMO-Standard etabliert. Er lädt mit max. 400 V Gleichstrom ebenfalls zügig und sorgt dafür, dass in etwa 30 Minuten bis zu 80 % anLadekapazität zur Verfügung stehenkann. Danach schaltet die Ladesäule aus Sicherheitsgründen ab. Auch dieses Netz an Schnellladesäulen ist nicht überall präsent.
  • Als weitere Option bieten E-Fahrzeuge die Langzeitladung via 230-V-Steckdose. Hier lassen sich 100 % der Ladekapazität in ca. 8,5 Stunden per Ladestecker Typ 2 (Wechselstrom) erreichen. Er ist an öffentlichen Ladesäulen weit verbreitet. Je nach Ausführung einer Ladesäule Typ 2 kann auch eine höhere Ladeleistung zur Verfügung stehen und sich die Ladezeit dadurch auf ein paar Stunden verkürzen.


Für Fernfahrten sollen bald 400 Ladesäulen an den Bundesautobahnen errichtet sein, damit E-Mobile auch die Langstrecke bewältigen können und die Wartezeit zum Laden mit einer ohnehin sinnvollen Pause von einer hal­ben Stunde kombiniert werden kann. Geplant und gebaut werden sogenannte Triple Charger, die alle drei Lade-Standards (CCS, CHAdeMO und Typ 2) bedienen können.
Was aber ist, wenn gleich mehrere Fahrzeuge Energie aufnehmen wollen, aber keine freie Ladesäule mehr zur Verfügung steht? Bei allem Pioniergeist, den man haben mag: Der Frust durch Wartezeiten scheint vorprogrammiert.
BMW, Daimler, Ford und der Volkswagen-Konzern mit Audi und Porsche wollen gemeinsam dafür sorgen, dass die geplante Lade-Infrastruktur in kurzer Zeit aufgebaut und stetig ausgebaut wird. Dazu gehört auch, dass langfristig eine Ladeleis­tung von bis zu 350 kW unterstützt und somit ein wesentlich rasanteres Laden als über derzeitige Schnellladenetze ermöglicht wird.

Bezahlsystem nicht einheitlich
An der Tankkasse schnell ein paar wenige Euro hinlegen für die schnelle Ladung? Das wäre einfach. Ladesäulen verstehen jedoch nur Kartensprachen. Und es können viele verschiedene Chipkarten sein, die man je nach Region und Energieversorger braucht. Problem kann z. B. sein, mit fast leerem Akku eine Ladesäule zu erreichen, jedoch keine passende Tankkarte zur Verfügung zu haben. Eher beschwerlich wäre die Lademöglichkeit auf dem Supermarkt-Parkplatz während der Öffnungszeit. Oft muss die Tankkarte zum kostenlosen Laden erst einmal an der Kasse oder an der Info erbeten werden – und nicht selten ist das gute Stück auch noch im Ladensafe gesichert...
Es kann auch unkompliziert sein: Aldi Süd hat Filialen, die während der Öffnungszeiten Zugang zur deutlich ausgewiesenen Schnellladesäule für CCS und CHAdeMO gewähren. Man dockt das Ladekabel ohne jegliche Chipkarte an, aktiviert menügesteuert den Ladevorgang und geht 20 Minuten einkaufen. Während dessen füllt der auf dem Dach gewonnene Solarstrom den Energievorrat im Auto auf – fertig.

Vorteile durch E-Mobilität
Die Hürden und technischen Besonderheiten bei der Nutzung von Elektrofahrzeugen sollte man kennen, entscheidende Trümpfe aber auch. Die Gesamtenergiebilanz für ein E-Auto einmal bewusst ausgeblendet: Ein Elektroantrieb macht keine Emissionen vor Ort, keinen Dreck und keinen Lärm. Für eine Innenstadt sind das willkommene Attribute, die man als Bewohner sicher befürwortet.

Für den Besitzer eines leistungsstarken E-Autos kommt der Fahrspaß hinzu. Denn ein E-Antrieb vermag verblüffende Kraft auf die Straße zu bringen. Es bedarf dazu keines aufbrüllenden Motors – im Gegenteil. Es zeugt von purem Understatement, wenn ein Elektroantrieb nahezu geräuschlos anrollt und kontinuierlich beschleunigt – ohne die Leistungshemmung einer Gangschaltung spürbar zu machen. Es ist dieser Eindruck unaufhörlicher und unaufdringlicher Rasanz, die der Fahrer bereits mit einem gut 100 PS starken Elektrofahrzeug erlebt – ganz zu schweigen von den Fahreindrücken im Sportwagen...

Wann kommt der Marktdurchbruch?
Die Zulassungszahlen für Pkws mit E-Antrieb bewegen sich in Deutschland fernab jeglicher Euphorie. E-Nutzfahrzeuge dürfen sich getrost zu den ganz besonderen zählen. Eine Prämie von 4000 Euro für ein reines Elektrofahrzeug und 3000 Euro für einen Hybrid erweisen sich nur für wenige Interessenten als entscheidender Kaufanreiz.
Norwegen ist erheblich weiter: Inzwischen ist Oslo Europas Metropole mit der größten Elektromobilität. Die Gründe sind vielfältig. Strom wird zu 98 % regenerativ aus Wasserkraft preisgünstig erzeugt und es besteht bereits eine auf Strom ausgerichtete Infrastruktur. Beim Kauf eines Elektroautos fällt keine Mehrwertsteuer an und weitere Vergüns­tigungen führen dazu, dass bei einem Mittelklasse-E-Pkw kaum mehr zu bezahlen ist als bei einem mit Verbrennungsmotor. Auch kommt beispielsweise das Privileg hinzu, in der City die Busspuren nutzen zu dürfen, wenn man zu mehreren Personen im E-Mobil unterwegs ist. Vom Automarkt (insgesamt bereits mehr als 110 000 E-Mobile) über Ladestationen bis hin zu Bezahlsystemen: Inzwischen ist der Großraum Oslo für die Entwickler der E-Mobilität zum wichtigsten Testmarkt Europas geworden.
Und Deutschland? Statt der ursprünglich angestrebten 2 Mio. E-Fahrzeuge bis 2020 kommt der Status Quo mit 34000 Zulassungen (Anfang 2017) einem Flop gleich. Dabei ähnelt das Kaufverhalten dem, was bereits vor Jahren im Zusammenhang mit Erdgasfahrzeugen zu beobachten war: Die allermeisten Interessenten für eine neue Fahrzeugtechnik gehen auf Distanz, sobald sich Komforteinbußen gegenüber dem Gewohnten offenbaren. Ein verringerter Laderaum, ungenügende Motorleistung, eine begrenzte Reichweite, ein erhöhter Anschaffungspreis oder eine allzu entfernte Tankmöglichkeit bieten jeweils eine Steilvorlage zur Abstinenz. Entscheider mit Pioniergeist gibt es dabei offenbar selten.

Autor: Thomas Dietrich, freier Journalist

 


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