Neue Rollenverteilung im Heizungskeller
Die Wärmepumpe bekommt einen neuen Stellenwert im häuslichen und regionalen Energiesystem
In Deutschland haben wir uns ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt, zu deren Erreichung wir unser Energiesystem grundlegend umgestalten. Neben dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist vor allem auch der Ausbau der Stromnetze kostenintensiv und langwierig. In den aktuellen Diskussionen um erneuerbare Stromspitzen und Dunkelflauten sehen wir, dass sich die Problemstellungen ändern: Zunehmend geht es darum, den Verbrauch an die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom anzupassen. Die marktbasierte Nutzung von Flexibilitäten in Wärmepumpen, Speichern und Elektroautos ist dafür ein wichtiges und unverzichtbares Hilfsmittel. Das hat Auswirkungen auf die Heizungsbranche, indem das Handwerk die Wärmepumpe mit der Stromseite verknüpfen muss.
Wandel des Energiesystems und der Rolle des Kunden
In der Vergangenheit haben sich Kraft werke permanent an den momentanen Verbrauch der Lastseite angepasst. Der Kunde hat aus einem – aus seiner Sicht – endlosen Energiepool beliebige Mengen zu beliebigen Zeiten verbraucht.
In Zukunft schwankt die Höhe der Stromerzeugung aber mit Sonne und Wind – Regelmöglichkeiten sind eingeschränkt. Eine der Gegenmaßnahmen ist die systemdienliche Nutzung von Flexibilität auf der Verbrauchsseite. Damit wollen wir sowohl Volatilität (Schwankungen) in der Erzeugung ausgleichen als auch auf Netzengpässe regieren: Sind Netze temporär überlastet, kann Verbrauch verschoben werden. Das erlaubt uns, das Netz nicht für alle seltenen Spitzenlastfälle ausbauen zu müssen und so volkswirtschaft lich signifikante Einsparungen zu realisieren.
Seit Anfang 2025 müssen Stromanbieter variable Tarife anbieten, die systemdienlichen Verbrauch honorieren. Folgt der Kunde diesem Preisanreiz, kann er durch die geschickte Steuerung seiner Produkte gleichzeitig Kostenvorteile und systemdienliche Effekte erzielen. Dabei verwendet er die vorhandene Flexibilität in seinem Verbrauch, die vorher ungenutzt blieb. Geschieht das alles automatisiert durch ein Energiemanagementsystem (EMS) und ohne signifikante Komforteinbußen, dürft e es für viele attraktiv sein und breite Akzeptanz finden. Damit werden Kunden zum „Flexumer“, die ihren Verbrauch sowie bestehende Erzeugungs- und Speicherungskapazitäten flexibel einsetzen und damit Markt-, Netzoder Systemdienstleistungen erbringen.
Wärmepumpen sind ebenso wie Elektroautos und Speicher gut dazu geeignet, einen Beitrag zu leisten: Zum einen wegen der Flexibilität, mit der die Bürgerinnen und Bürger sie verwenden und zum anderen, weil sie vor einem Massenrollout stehen, mit dem systemdienlich agierende Produkte in hoher Zahl in den Markt gebracht werden können. Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, dass systemdienliche Anforderungen in den Produkten nicht zu Lasten der Attraktivität der Produkte gehen und so den Massenrollout hemmen. Das kann nur durch die Berücksichtigung aller Perspektiven sichergestellt werden – vor allem der von Kundinnen und Kunden.
Kundenakzeptanz
Das große systemdienliche Potenzial von Wärmepumpen werden wir nur für die Energiewende nutzen können, wenn die Lösungen breite Akzeptanz bei den Millionen von Bürgerinnen und Bürgern finden, die in Wärmepumpen investieren sollen. Das kann man nicht erzwingen – sie müssen vielmehr überzeugt und begeistert werden. Heute diskutieren wir aber immer noch viel zu oft aus Sicht der Energienetze.
Mechanismen zur Partizipation sind für die Bürgerinnen und Bürger attraktiv, wenn ein finanzieller Anreiz damit verbunden ist. Dann wird auch der gesamtwirtschaftliche Nutzen – beispielsweise die Verringerung des Netzausbaus – realisiert.
Die Neuregelung von §14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist ein erstes Beispiel: Sie ermöglicht im Notfall eine Entschärfung von lokalen Engpässen im Verteilnetz durch die temporäre Dimmung von steuerbaren Verbrauchern. Das bedeutet in der Praxis eine temporäre Limitierung der maximalen Leistungsaufnahme dieser Produkte. Diese Limitierung kann vom Netzbetreiber stufenlos eingestellt werden, aber der Minimalwert von 4,2 kW ist für das Produkt immer garantiert. Größere Wärmepumpen mit einer Netzanschlussleistung von über 11 kW dürfen maximal auf 40 % ihrer Leistung gedimmt werden. Wärmepumpen und Wallboxen können so – im Gegensatz zu den früheren „Sperrzeiten“ – weiterbetrieben werden, müssen aber Lastspitzen auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Für diese „systemdienliche Bereitschaft “ erhält der Kunde eine Ermäßigung seiner Netzentgelte, unabhängig davon, ob überhaupt ein Engpass eintritt. Im Krisenfall ist der Mechanismus wertvoll für die Stabilität des Energiesystems. Aufgrund der Seltenheit der Ereignisse und der geringen Komforteinschränkung hat der Kunde keine gravierenden Nachteile und trotzdem einen finanziellen Anreiz.
Für das Handwerk ergeben sich damit neue Anforderungen bei der Installation von Wärmepumpen.
Nachgefragt
IKZ: Wärmepumpen müssen zukünftig systemdienlich eingesetzt werden. Das klingt erst einmal kompliziert. Wie stellt sich das aus der Sicht eines Verbrauchers oder Handwerkers dar?
Dr. Matthias Wagnitz, Dieter Kehren: Betroffen sind erst einmal nur neue Installationen. Der Bestand wird vorerst nicht zwangsweise umgestellt, auch wenn dies im Einzelfall durchaus sinnvoll sein kann. Dreh- und Angelpunkt sind die sich aus den Regelungen ergebenden Tarifmodelle. Die technische Umsetzung des Kundenwunsches muss sich dem unterordnen. Dabei sind aus Sicht des Handwerks die Anforderungen nicht dramatisch anders. Man muss es bei der Ausführung einfach nur berücksichtigen.
IKZ: Wie werden oder können diese Tarifmodelle aussehen?
Dr. Matthias Wagnitz, Dieter Kehren: Es gibt drei Preismodule. Diese orientieren sich letztlich am Kundenwunsch, inwieweit er sich persönlich einbringen möchte.
Modul 1
Alle steuerbaren Verbraucher werden an den Haushaltsstromzähler angeschlossen. Damit ist der Verbrauchsanteil des einzelnen Gerätes nicht mehr messbar. Teilnehmen müssen steuerbare Verbraucher aber dennoch. Wenn der einzelne Verbrauch nicht mehr messbar ist, ist eine Bonifizierung für die Steuerbarkeit nur als pauschaler Nachlass auf die Netzentgelte in Form einer jährlichen Summe möglich. Zahlen können hier nicht genannt werden, weil die Umsetzung als Preismodell dem jeweiligen Stromanbieter obliegt. Dieser kann letztlich beliebig kalkulieren.
Im Gegensatz zu Modul 2 wird hier kein zweiter Zähler mit entsprechender Grundgebühr und entsprechendem Installationsaufwand benötigt. In den meisten Fällen ist wohl davon auszugehen, dass dieses Preismodul nur bei geringen Verbräuchen finanziell attraktiv sein wird. Wenn zum Beispiel eine Wallbox und eine Wärmepumpe angeschlossen werden sollen, ist dies mit Preismodul 1 möglich. Der zu erwartende Verbrauch legt jedoch möglicherweise die Wahl eines anderen Moduls nahe.
Modul 2
Hier gibt es einen zweiten Zähler, der exklusiv für die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen vorgesehen ist. Damit ist ein Sondertarif auf den tatsächlichen Verbrauch möglich, der sich ebenfalls aus den Netzentgelten finanziert. Auch hier kann der jeweilige Versorger individuell kalkulieren und ggf. über diese Preisbestandteile hinaus aus der eigenen Spanne Nachlässe weitergeben. Damit entspricht dieses Modul von der Idee den bisherigen Wärmepumpentarifen mit zwei entscheidenden Unterschieden:
Dieser Tarif muss überall angeboten werden. Weiße Flecken auf der Landkarte ohne Wärmepumpentarife dürfte es damit zukünftig nicht mehr geben.
Anders als bisher gibt es keine regelmäßigen Sperrzeiten mehr. Diese konnten bis zu 3 x 2 Stunden pro Tag betragen und wurden nach Zeitplan durchgeführt. Die Dimmung, also die Reduzierung auf eine festgelegte Mindestleistung, erfolgt zukünftig nur im Fall einer Netzüberlastung. Sobald der Netzengpass vorbei ist, muss wieder die volle Leistung freigegeben werden. Feste Zeiten sind für einen Übergangszeitraum zulässig.
Sobald aber von der Dimmung auch nur einmal gebrauch gemacht wird, laufen für den Netzbetreiber Fristen zur Behebung des Engpasses. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Netzbetreiber die Dimmung nur sehr sorgsam einsetzen werden. Anders ausgedrückt: Zumindest anfangs werden die Wärmepumpen ohne Einschränkung durchlaufen. Sobald „gedimmt“ wird, verbleibt immer noch so viel Restleistung, dass das Gebäude sinnvoll weiter genutzt werden kann. Im Einfamilienhaus ist diese Mindestleistung so dimensioniert, dass üblicherweise der Kompressor der Wärmepumpe weiterlaufen kann. Am Ende ist im Wesentlichen der Heizstab abgeschaltet und auch das nur zu der Zeit, die benötigt wird, um das Netz wieder stabil zu bekommen.
Modul 3
Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung zu Modul 1. Es gibt also wieder „nur“ einen Zähler. Das Netzentgelt ist jedoch zeitvariabel gestaltet. Damit schwankt der Strompreis über den Tag. Die Schwankungen sind über einen langen Zeitraum vorher bekannt. Wenn man von vorne herein sich darauf einstellt, kann man gegenüber dem Haushaltstarif deutlich sparen. Wenn man nicht aufpasst, wird es teuer. Da es nur einen Zähler gibt, ist von diesem Modell auch der Haushaltsstrom betroffen. Um es etwas flapsig auszudrücken: Der Schweinebraten im Ofen wird zur falschen Zeit sehr teuer. Wenn man die positive Seite sehen möchte: Da, wo die Abnahme gezielt verlagert werden kann, das Aufladen des Elektroautos gehört vermutlich dazu, spart man richtig Geld. Dieses Modul eignet sich nur für Kunden, die sich aktiv einbringen und informieren.
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VdZ-Broschürenreihe „Umsteigen auf die Wärmepumpe“
Tiefer gehende Informationen gibt es zum Beispiel in der neuen Broschüre „Umsteigen auf die Wärmepumpe III – Praxishilfe: Anschluss Wärmepumpe und steuerbare Verbraucher an Smart Meter“. Dazu gehört auch eine Checkliste zur Abstimmung mit dem Elektrohandwerker.
Der erste Teil der Reihe trägt den Titel „Installation und Planung“, der zweite Teil „Inbetriebnahme und Wartung“.
Die digitalen Versionen der drei Broschüren können kostenlos über die VdZ-Website abgerufen werden. Für gedruckte Exemplare besteht die Möglichkeit, diese gegen eine Gebühr im VdZ-Shop zu bestellen.
Weitere Infos zum Thema netzdienliche Steuerung von Wärmepumpen: www.zvshk.de\netz
IKZ: Worauf muss der Handwerker beim Anschluss achten?
Dr. Matthias Wagnitz, Dieter Kehren: Damit die Preismodule umsetzbar sind, müssen die steuerbaren Verbrauchseinrichtungen wie die Wärmepumpe über den Smartmeter aus dem Netz ansteuerbar sein. Derzeit sind zwei Varianten im Gespräch, die sich deutlich unterscheiden:
Relaiskontakte
Relaiskontakte sind schon von der Umsetzung der bisherigen Sperrzeiten bekannt („SG-ready“). Der Unterschied ist, dass die Wärmepumpe lernen muss, wie der Kontakt interpretiert wird. Bei der Installation muss der Wärmepumpe gesagt werden, dass ein entsprechendes Signal, als Reduzierung der Leistungsaufnahmen von zum Beispiel 4,2 kW umgesetzt werden muss. Die Umsetzung ist wegen der Ähnlichkeit zur bisherigen Vorgehensweise einfach. Es gibt aber Nachteile. Der Netzbetreiber möchte im Fall der Fälle vielleicht gar nicht auf die gerade noch zulässige Mindestleistung dimmen. Eventuell benötigt er für die Netzstabilität nur eine geringere Einschränkung. Das wäre mit Relaiskontakten nicht umsetzbar. Wärmepumpen mit alten Regelungen könnten das überhaupt nicht umsetzen. Sie müssten im Dimmfall sogar abschalten. (Damit wären sie aber zumindest nicht schlechter dran als bisher.) Außerdem fehlt eine „Erfolgskontrolle“ an den Netzbetreiber, ob das Signal auch umgesetzt wurde. Insofern werden Relaiskontakte nur begrenzt als zukunftsfähig betrachtet.
Digitale Schnittstelle
Vom Smart Meter (genauer: von der am Smart Meter befindlichen Steuerbox) geht ein LAN-Kabel zum Kundenrouter. Die Signale werden dann vom Router per WLAN oder per LAN-Kabel bis zur Wärmepumpe geliefert. Hierfür sind zwei Standards vorgesehen, die produktseitig eingekauft werden müssen: EEBUS oder KNX. Die eigentliche Kopplung ist ähnlich einfach wie die Kopplung eines Handys mit einem WLAN-Signal. Diese Standards erlauben eine positive Rückmeldung, ob die Wärmepumpe das Signal umgesetzt hat. Letzteres kann im Streitfall mit dem Versorger viel Ärger vermeiden. Digitale Schnittstellen werden daher als die bessere Lösung angesehen. Sie erlauben aber noch mehr.
IKZ: Sie meinen vermutlich das Thema Energiemanagement, das immer mehr Stellenwert bekommt. Wie kommt hier der Handwerker ins Spiel?
Dr. Matthias Wagnitz, Dieter Kehren: Ein Treiber ist sicherlich die immer größer werdende Anzahl von Photovoltaikanlagen. Wenn der eigene kostenlose PV-Strom besser ausgenutzt werden soll, ist es hilfreich, wenn der Energiemanager der Wärmepumpe oder der Wallbox einen Überschussstrom signalisieren könnte, damit dieser Strom auch genutzt wird. Das ist wirtschaftlich sinnvoll und entlastet nebenbei die Netze. Die so angesteuerten Verbraucher reagieren dann zum Beispiel mit einer höheren Speichertemperatur oder dem Starten des Ladevorganges. Für diese Szenarien bieten sich EEBUS und KNX geradezu an, also die Standards, die für den Anschluss an das Smart Meter-Gateway benötigt werden.
IKZ: Wie könnte ein Fazit dieser Thematik lauten?
Dr. Matthias Wagnitz, Dieter Kehren: Bei der Installation und Planung einer Wärmepumpe muss zukünftig auf die Netzdienlichkeit geachtet werden. Das bedeutet u.a., dass die Wärmepumpe mit EEBus, KNX oder übergangsweise über einen Relaiskontakt ansteuerbar sein muss. Wenn man sich Stück für Stück der Thematik nähert, ist der Aufwand für den Handwerker überschaubar. Der Nutzen für den Kunden ist umso größer.
Autoren: Dieter Kehren, Abteilungsleiter Forum Digitale Heizung im Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) Dr. Matthias Wagnitz, Referent für Energie- und Wärmetechnik beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK)