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Nationale Wasserstoffstrategie –Einschätzungen aus Politik, Wirtschaft und Forschung

Das Bundeskabinett hat am vergangenen Mittwoch, 10. Juni 2020, die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Deutschland will die gesamten Wasserstofftechnologien als Schlüsselelemente der Energiewende etablieren, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in diesem Bereich stärken und alle damit verbundenen Wertschöpfungsketten nachhaltig in Deutschland sichern. Unterschiedliche Ansichten gibt es in puncto blauem und türkisem Wasserstoff. Wir haben Statements und Einschätzungen aus der Branche gesammelt.

Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie will Deutschland Wasserstofftechnologien als Schlüsselelemente der Energiewende etablieren. Ziel ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Bild: AdobeStock – malp

 

Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist sich sicher: „Die Nationale Wasserstoffstrategie wird Deutschland doppelten Schub verleihen - für den Klimaschutz und für die nachhaltige Erholung unserer Wirtschaft nach der Corona-Krise.“ Grüner Wasserstoff biete die Chance, Klimaschutz Bereiche voranzubringen, wo es bisher noch keine Lösungen gäbe, zum Beispiel in der Stahlindustrie oder im Flugverkehr.
„Mit unserer Wasserstoff-Strategie geben wir den Unternehmen jetzt einen klaren Rahmen vor und machen Investitionsentscheidungen planbar“, sagt Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Ulf Heitmüller wüscht Tempo bei der Umsetzung

Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns VNG AG, Ulf Heitmüller, würdigt das Bekenntnis der Bundesregierung, mahnt jedoch ein schnelles Tempo bei der Umsetzung an. Zurückhaltend bewertet er den Umgang mit den derzeit zur Verfügung stehenden Technologien innerhalb der Strategie. Diese beinhaltet, dass hierzulande mit Blick auf die Entwicklung des Energiebedarfs neben grünem Wasserstoff auch CO2-neutraler Wasserstoff aus Erdgas unter Einsatz der CCS-Technologie (blauer Wasserstoff) oder der Methanpyrolyse (türkiser Wasserstoff) übergangsweise eine Rolle spielen und genutzt werden soll. Heitmüller hätte sich eine langfristige Förderung dieser drei Technologien gewünscht (Hinweis der Redaktion: Infos zu den „Wasserstofffarben“ gibt es am Ende des Beitrags). „Es ist bedauerlich, dass lediglich grüner Wasserstoff langfristig gefördert wird, denn dadurch bleiben große Potenziale ungenutzt. Wir sind der festen Überzeugung, dass Wasserstoff in all seinen Facetten als klimaneutraler und leistungsfähiger Energieträger ein fester Bestandteil im Energiemix werden muss. Die viel diskutierte Frage, welche Technologien genutzt werden, ist letztlich auch eine Frage der Bezahlbarkeit, denn die Kosten für den Einsatz von grünem Wasserstoff sind noch sehr hoch, wohingegen blauer und türkiser Wasserstoff in der Herstellung günstiger, aber noch immer nicht wirtschaftlich sind“, sagt Heitmüller.
„Wenige Maßnahmen, um nachhaltig Märkte für Wasserstoff zu schaffen“
Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), schlägt in die gleiche Kerbe: „Blauer und türkiser Wasserstoff dürfen bei der Marktentwicklung nicht unter den Tisch fallen, um auf die industriell benötigten Mengen zu kommen.“ Die Bundesregierung habe zwar die tragende Rolle von Wasserstoff in der Energiewende verbrieft, aber bislang kaum regulatorische Hindernisse aus dem Weg geräumt. „In der Strategie finden sich nur wenige Maßnahmen, um nachhaltig Märkte für Wasserstoff zu schaffen“, mahnt Linke.

Fehlentscheidung wider besseren Wissens
Anders sieht das Greenpeace Energy. Dessen Wasserstoffexperte Marcel Keiffenheim kritisiert, dass die Bundesregierung massiv auf blauen Wasserstoff setzt – und damit auf eine klimaschädliche Scheinlösung. Das sei eine Fehlentscheidung wider besseren Wissens. „Anders als die Bundesregierung behauptet, ist der aus Erdgas hergestellte blaue Wasserstoff nicht CO2-neutral. Blau wird dieser fossile Wasserstoff durch die CCS-Technik, mit der CO2 in unterirdische Lager gepresst wird.“ Bei diesen Verfahren gelangten jedoch erhebliche Treibhausgasmengen in die Atmosphäre; hinzu kämen weitere Risiken durch CCS. „Förderung und Transport von Erdgas belasten das Klima ebenfalls schwer. Es ist nicht akzeptabel, dass die Bundesregierung die Nachteile einer Technologie verschleiert, indem sie diese faktenwidrig als CO2-neutral erklärt“, sagt Keiffenheim. Zwar sehe die Nationale Wasserstoffstrategie auch den Zubau von Elektrolyseuren in Deutschland vor. Das mache aber nur dann Sinn, wenn die Regierung dafür Sorge trage, dass die Erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden könnten. Ansonsten liefen die Elektrolyseure mit Kohle statt mit Ökostrom.

Herausragende Chancen für Norddeutschland
Janina Marahrens-Hashagen von der IHK Nord sieht in der Nationalen Wasserstoffstrategie „herausragende Chancen“ für Norddeutschland. „Hier sind die Erneuerbaren Energien beheimatet und hier entsteht der grüne Wasserstoff. Die Energiewende wird sich in Norddeutschland entscheiden“, sagt die Vorsitzende der IHK Nord. Gleichwohl hätte sie sich in dem Paket eine zielstrebigere und mutigere Positionierung mit einer gesetzlichen Verankerung der Umlagenbefreiung gewünscht. Zur angekündigten Förderung auf Wasserstoff-Umstellung sagt sie: „Es ist wichtig, dass der regulatorische Rahmen für Power-to-X-Technologien zeitnah angepasst wird und weitere Steuern, Abgaben und Umlagen beim Strompreis auf den Prüfstand kommen. Erst dann können sich neue Technologien im Bereich der notwendigen Sektorkopplung auf lange Sicht am Markt behaupten.“ Wichtig sei, dass viele der zentralen Maßnahmen in dem Papier auch kurzfristig umgesetzt würden, betont Marahrens-Hashagen.

Infrastruktur muss geschaffen werden

Wasserstoff als Energieträger zu nutzen, ist also erklärtes Ziel der Bundesregierung. Zumindest im häuslichen Bereich wird das noch einige Zeit dauern. Dafür muss vorrangig eine Infrastruktur geschaffen werden. Möglich wäre das in Form von Quartierslösungen, sagt Burkhard Maier, Bereichsleiter Marketing bei der August Brötje GmbH. Hier würden z. B. 50 bis 100 Häuser an eine dezentrale Wasserstoffversorgung angeschlossen, die dann mit Brennstoffzellenheizgeräten oder auch Wasserstoffheizgeräten beheizt würden. „Aktuell sind solche Systemgrößen jedoch noch nicht verfügbar. An dieser Stelle muss die Entwicklung weiter vorangetrieben werden.“
Dr. Kai Schiefelbein, Geschäftsführer des Heiz- und Wärmetechnikunternehmens Stiebel Eltron, weist in diesem Zusammenhang auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: „Der Einsatz von grünem Wasserstoff im häuslichen Wärmemarkt ist generell nicht sinnvoll, solange nicht erneuerbar erzeugter Strom im Überfluss vorhanden ist“, sagt er und ergänzt: „Es braucht etwa fünf Mal so viel Strom, um den Wasserstoff erst zu produzieren und dann wieder in Wärme umzuwandeln, als wenn man die gleiche Menge Wärme mit einer elektrischen Wärmepumpe erzeugt.“

Das 32-seitige Papier der Bundesregierung „Die Nationale Wasserstoffstrategie“ findet sich hier.


Wasserstoff: Unterschiedliche Farben, unterschiedliche Produktion
Grün, blau, grau oder türkis: Je seinem nach Ursprung trägt Wasserstoff unterschiedliche Namen. Die Farben in der Bezeichnung geben Auskunft über die Art der Produktion. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung klärt auf.

Grüner Wasserstoff

Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wobei für die Elektrolyse ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommt. Unabhängig von der gewählten Elektrolysetechnologie erfolgt die Produktion von Wasserstoff CO2-frei, da der eingesetzte Strom zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt und damit CO2-frei ist.

Grauer Wasserstoff
Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. In der Regel wird bei der Herstellung Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung). Das CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den globalen Treibhauseffekt: Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2.

Blauer Wasserstoff

Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (engl. Carbon Capture and Storage, CCS). Das bei der Wasserstoffproduktion erzeugte CO2 gelangt so nicht in die Atmosphäre und die Wasserstoffproduktion kann bilanziell als CO2-neutral betrachtet werden.

Türkiser Wasserstoff

Türkiser Wasserstoff ist Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt wurde. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen, sowie die dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs.

(Quelle: www.bmbf.de/de/eine-kleine-wasserstoff-farbenlehre-10879.html)

 


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