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Massenprotest gegen Röttgens Rotstift-Amoklauf - Solarwirtschaft übt scharfe Kritik an geplanter Kürzung der Förderung

Deutschlands Solarunternehmen bangen um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Technologieführerschaft. Der BSW-Solar und zahlreiche andere Verbände und Unternehmen warnen eindringlich vor einer Insolvenzwelle in der Zukunftsbranche PV und dem Verlust zehntausender Arbeitsplätze, sollten die von Bundesumweltminister Röttgen vorgestellten drastischen Kürzungen bei der Solarförderung in den nächsten Wochen umgesetzt werden. Eine Nachbesserung der Ministerpläne sei unverzichtbar. Inzwischen formiert sich der Widerstand.

Technologiestandort Deutschland in Gefahr: Symbolische Werksschließung und Demonstration auf dem Gelände der Sulfurcell Solartechnik im Rahmen des bundesweiten Aktionstags „Solar – Made in Germany“.

Demonstration auch bei der SolarMarkt und Creotecc: In beiden Unternehmen wurde am 4. Februar die Arbeit für eine halbe Stunde niedergelegt. Günter Elbrecht, Vorstandsvorsitzender der SolarMarkt AG, kritisiert die beabsichtigten Kürzungen scharf: „Die Pläne sind viel zu kurzfristig - der Markt hat keine Chance sich darauf einzustellen. Anlagenbauer und Bauwillige haben kaum eine Möglichkeit, in dieser kurzen Zeit die PV-Anlage wie geplant zu verwirklichen, die dafür nötigen Kapazitäten gibt es nicht.“

Etwa 300 Mitarbeiter der Schott Solar AG haben in Alzenau gegen die Gefährdung ihrer Arbeitsplätze durch einen neuen Gesetzentwurf protestiert. „Wir haben bereits 2009 ein schwieriges Jahr hinter uns. Mit der geplanten zusätzlichen Absenkung würde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Wir beschäftigen in Deutschland allein 1200 Mitarbeiter. Deren Arbeitsplätze sehen wir gefährdet“, sagt Dr. Martin Heming, CEO von Schott Solar.

Bei Alfasolar versammelten sich die Mitarbeiter des Unternehmens geschlossen vor dem Haupteingang und bewegten sich anschließend mit einem Banner zum Produktionstor. Die Produktion stand in diesem Augenblick still, das Licht erlosch. Alfasolar bringt damit zum Ausdruck, dass eine solch schnelle und drastische Senkung der Einspeisevergütungssätze in dieser Form inakzeptabel und nicht umsetzbar ist.

Die geplanten Kürzungen in der Solarförderung stoßen bei den Vertretern des bayerischen Mittelstands und des Handwerks auf massiven Widerstand. Das neu gegründete „Bündnis Solare Zukunft“ setzt sich für eine moderate und maßvolle Absenkung der Vergütungssätze ein und appelliert eindringlich an die Bundesregierung, den Solarstandort Deutschland nicht zu gefährden.

 

Als gänzlich überzogen und dringend nachbesserungswürdig bezeichnet der BSW-Solar mit seinen angeschlossenen 800 Solarunternehmen sowie zahlreiche Experten den aktuellen Kürzungsvorschlag aus dem Bundesumweltministerium. Er sieht eine Einmalabsenkung von 15 bis 25% bis zum Sommer 2010 vor. Darüber hinaus soll zu Beginn der Folgejahre zusätzlich zu der bereits jetzt im EEG verankerten Kürzung von jährlich 9% eine bis zu 10% schnellere Absenkung der Solarstrom-Fördersätze erfolgen.
BSW-Solar Geschäftführer Carsten Körnig: „Damit summiert sich die Förderkürzung für Solarenergie vom 31.12.2009 bis 1.1.2011 je nach Wachstum und Marktsegment auf 25,5 – 55%. Ein derart radikaler und plötzlicher Einschnitt beraubt deutsche Solarunternehmen der Geschäftsgrundlage. Es bleiben ihnen keine Investitionsspielräume, um im harten internationalen Wettbewerb zu bestehen.“
Durch intensive Anstrengungen der Solarindustrie zur Kostensenkung und harten Wettbewerb kann Solarstrom bereits in den nächsten drei bis vier Jahren mit konventionellen Verbraucher-Stromtarifen konkurrieren, so die Einschätzung von Branchenexperten. Dies ermögliche ein schrittweises und wachstumsabhängiges Absenken der Solarstromvergütung um jährlich zwischen 9 bis 14%, wie von der Industrie bereits Ende letzten Jahres vorgeschlagen. Die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Solaranlagen in allen Marktsegmenten, ob auf dem Dach oder in der Freifläche, müsse so gesichert bleiben.

Merkels Klimapolitik Makulatur

„Wenn die zusätzlichen Kürzungspläne im zweistelligen Prozentbereich Gesetz würden, dann wird die Klimapolitik der Bundeskanzlerin zur Makulatur. Dann stehen Dutzende deutsche Solarunternehmen vor der Insolvenz oder wären gezwungen, ihre Produktion aus Deutschland zu verlagern“, warnt Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft. Eindringlich appelliert er an die Bundeskanzlerin Merkel, den aktuell vorgelegten Vorschlag einer drastischen Reduktion der Solarförderung zu korrigieren. Nach Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit liegen große Wachstumsmärkte im In- und Ausland vor der deutschen Solarindustrie.
„Die überzogene Förderkürzung gefährdet einen der wichtigsten Job- und Wirtschaftsmotoren für unser Land. Wertschöpfung bei der Produktion von PV-Modulen muss auch weiter in Deutschland stattfinden können“, so Cramer. Die Solarförderung im EEG hatte in den letzten Jahren einen rasanten Ausbau der Solarwirtschaft in Deutschland ermöglicht. Die Solarstrombranche setzte im letzten Jahr rund zehn Milliarden Euro um und zählt inzwischen rund 60000 Beschäftigte in Industrie und Handwerk. Deutschland gilt weltweit als führend im Bereich der Solarenergie. Neben dem hohen Innovationspotenzial aus über 60 Forschungseinrichtungen und dem starken Maschinen- und Anlagenbau gelten die bislang attraktiven gesetzlichen Förderbedingungen für Solarstrom des EEG als unverzichtbarer Marktöffner.

Handwerksbetriebe in Gefahr

Auch der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), Frankfurt/Main, sprach sich bei einer Anhörung vor der FDP-Bundestagsfraktion am 25. Januar 2010 in Berlin klar gegen die Röttgen-Pläne aus. Die Umstellung der Förderkonditionen bereits zum 1. April 2010 entzieht einigen Tausend Elektrohandwerksbetrieben die Geschäftsgrundlage. Der Elektroverband fordert ein Vorgehen mit Augenmaß. „Das überstürzte und übergroße Absenken der Einspeisevergütung bereits zum 1. April – mithin in wenigen Wochen – wird den PV-Markt in Deutschland weitgehend zum Erliegen bringen“, sagt ZVEH-Hauptgeschäftsführer Ingolf Jakobi. Der vom BMU beabsichtigte Adhoc-Eingriff in bestehende Planungsabläufe droht viele Handwerksbetriebe in die Insolvenz zu führen. Daher fordert der ZVEH, eine weitere Degression entsprechend den Marktzyklen auf die ohnehin bevorstehende Degressionsstufe zum Jahreswechsel 2010/2011 aufzuschlagen.
Von den vorgesehenen Änderungen des EEG sind keinesfalls nur industrielle Hersteller betroffen. „Allein die Ankündigungen des BMU lassen den Markt im Handwerk schon jetzt signifikant einbrechen“, schreibt der ZVEH in einem offiziellen Positionspapier. Die Kunden von Handwerksbetrieben se-hen ihre Finanzierung durch diesen Schnellschuss konterkariert und kündigen Aufträge im größeren Umfang. „Die Kalkulationen und auch die Einkäufe für das Frühjahrsgeschäft sind bereits getätigt. Unsere Mitgliedsunternehmen haben im Vertrauen auf den bisherigen Förderrahmen Material wie Sonnenkollektoren und Wechselrichter zu aktuellen Preisen längst eingekauft“, so Jakobi. Solche Investitionsentscheidungen ließen sich nicht binnen weniger Wochen wieder rückgängig machen.

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Landesweite Proteste

Inzwischen regt sich auch starker Widerstand. Dem Aufruf des BSW-Solar, gegen die Kürzungspläne zu protestieren, sind Tausende Beschäftigte der Solarbranche gefolgt. Mehr als 35 Unternehmen mit insgesamt über 20000 Mitarbeitern appellierten mit zahlreichen Kundgebungen und Protest-aktionen an die Bundesregierung, ihre wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden und am Solarstandort „Made in Germany“ festzuhalten.
„Der massenhafte Protest zeigt, wie groß die Ängste bei den Beschäftigten sind, durch die völlig überhöhten Kürzungspläne des Umweltministers ihren Arbeitsplatz zu verlieren“, erklärte BSW-Solar Geschäftsführer Carsten Körnig.
An mehreren Solar-Standorten, unter anderem in Berlin, Dresden, München, Hamburg, Köln, Nürnberg, Jena, Frankfurt an der Oder, Erfurt, Alzenau, Arnstadt, Neckarsulm und Thalheim demonstrierten Angestellte, Facharbeiter und Handwerker der Solarbranche gegen den Kahlschlag bei der Solarförderung.
Prominente politische Unterstützung bekam die Solarbranche unter anderem in  Thüringen. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte: „Es geht darum, einen politischen Fehler auf Bundesebene zu vermeiden.“ Die Regierungschefin sprach vor rund 500 demonstrierenden Beschäftigten in Arnstadt.
Im „Solar Valley Germany“, einem der Cluster der Branche in Europa, machten Mitarbeiter von Sovello, Q-Cells, Solibro, Calyxo und CSG Solar lautstark und auf Transparenten ihrem Unmut Luft. Im Raum Erfurt demonstrierten über tausend Beschäftigte der dort ansässigen Solar-Unternehmen. Dort waren die Firmen Bosch Solar Energy, Sunways, Masdar PV, PV Crystalox und Asola an verschiedenen Aktionen beteiligt.
In Sachsen beteiligten sich bei SolarWorld in Freiberg Hunderte Mitarbeiter an einer Kundgebung und schlossen symbolisch für einige Stunden die Werkstore. Das Unternehmen beschäftigt an diesem Standort rund 1500 Menschen. In Dresden beteiligten sich etwa 100 Mitarbeiter des Modulherstellers Solarwatt an einer Protestaktion.
Sowohl in Jena als auch in Alzenau protestierten die Mitarbeiter von Schott Solar. Allein in dem unterfränkischen Alzenau arbeiten gut 650 Schott-Mitarbeiter. Sie fürchten um ihre Jobs, sollte die Bundesregierung die Solarförderung tatsächlich erneut kürzen. In Neckarsulm demonstrierten etwa tausend Mitarbeiter des Wechselrichterherstellers Kaco und ihre Familien.
Die Firmen Conergy und First Solar, die moderne Fabriken für die Produktion von Solarmodulen in Frankfurt (Oder) aufgebaut haben und zusammen über 1000 Mitarbeiter beschäftigen, haben sich ebenfalls gegen eine zu rasche und überhöhte Senkung der Solarförderung ausgesprochen: „Röttgens Regulierungspläne“, so Mathias Kamolz, technischer Geschäftsführer der Conergy Solarfabrik, „gefährden die gesunde Entwicklung der gesamten deutschen Branche. Die dort vorgeschlagenen Absenkungen kommen zu schnell und zu drastisch. Das gleicht einer Regulierung mit dem Vorschlaghammer.“
Die Mitarbeiter der Berliner Sulfurcell Solartechnik schlossen sich ebenfalls dem Protest an. „Hochinnovative deutsche Solarunternehmen, die ständig an der Weiterentwicklung neuer Technologien arbeiten, benötigen langfristige Planungssicherheit und einen stabilen Markt. Dazu darf die Solarförderung nicht sprunghaft reduziert werden, sondern sollte in verkraftbaren Jahresschritten zurückgeführt werden“, so Dr. Nikolaus Meyer, Geschäftsführer und Gründer der Sulfurcell Solartechnik.
In München wurde am 26. Januar 2010 das „Bündnis Solare Zukunft“ ins Leben gerufen. Auf Initiative des ansässigen Projektierers und Energiedienstleisters Green City Energy trafen Vertreter aus Verbänden, des Handwerks und von Unternehmen zusammen, um gegen die geplanten, überzogenen und überhasteten Kürzungen der EEG-Vergütung für PV-Anlagen zu protestieren. Das neu gegründete Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, die Kürzungspläne auf ein verhältnismäßiges Niveau zu bringen. Der Vorschlag des Bündnisses liegt bei einer 5%-igen Absenkung zum 1. Juli. Auf diese Weise würden nicht nur Arbeitsplätze gesichert, auch der Wissensvorsprung des Technologiestandortes Deutschland bliebe erhalten. „Technologische Innovationen basieren auf stabilen politischen Rahmenbedingungen“, so Robert Händel, Geschäftsführer des Solarunternehmens ITS Innotech Solar. „Wenn man bedenkt, dass Solarstrom bereits 2013 auf Niveau der Verbraucher-Stromtarife sein wird, sind die Pläne der Bundesregierung geradezu absurd“, schließt der Solarexperte.

Unterstützung aus der Politik

Unterstützt wurden die Protestaktionen von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen sowie Handwerksverbänden und den Gewerkschaften. Parteiübergreifend folgten auch mehrere Bundes- und Landespolitiker dem Protestaufruf.
Hermann Scheer, Präsident von EURO-SOLAR e.V. und MdB, ist mit den von der Bundesregierung geplanten Kürzungen der Solarförderung nicht einverstanden. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau kündigte er an, sich im Parlament für eine vernünftige Veränderung der von Umweltminister Norbert Röttgen ins Spiel gebrachten neuen Fördersätze einsetzen. „Der Plan des Umweltministers setzt nicht nur Arbeitsplätze in der Solarbranche aufs Spiel, er gefährdet auch die bisher geradlinige Entwicklung der PV, bei der Deutschland weltweit an der Spitze steht“, sagte Scheer.
„Der einzigartige Vorteil des EEG war bislang seine Berechenbarkeit. Der Stop-und-Go-Prozess, den die Regierung jetzt beabsichtigt, riskiert ernsthafte und dauerhafte Schäden für die industrielle Entwicklung dieser Zukunftsbranche“, warnte Scheer. Dass Kürzungen der Vergütungen heute möglich sind, „ist unbestritten ein Erfolg des vor zehn Jahren von uns auf den Weg gebrachten Gesetzes“, sagte er. „Aber sie dürfen die stetige Entwicklung der PV nicht gefährden. Diese Kürzung ist zu abrupt. Es muss zumindest gleitende Übergänge geben, die den Sinn der Förderung Erneuerbarer Energien nicht ins Gegenteil verkehren.“
Verlässliche Rahmenbedingungen für die Solarbranche fordert auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Der Ausbau der Solarstromerzeugung spiele bei der Schaffung einer ökologischen Industriegesellschaft eine bedeutende Rolle, so Platzeck.
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Renate Künast, sagte bei einer Protest-Veranstaltung des Berliner Solarunternehmens Inventux: „Der Bundesumweltminister Herr Röttgen hält Sonntagsreden und danach praktiziert er einen Kahlschlag.“

KONTAKT: Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar), 10243 Berlin, Tel. 30 29777880, Fax 30 297778899, info@bsw-solar.de, www.solarwirtschaft.de


PV-Förderung – Zwischenstand der politischen Beratungen
Jüngst gab es verschiedene Agenturmeldungen zu einer angeblichen Koalitionseinigung zur Änderung der PV-Vergütung. Entgegen dieser Agenturberichte gibt es nach Kenntnis des BSW-Solar noch keine offizielle Einigung der Koalition, sondern lediglich einen neuen Verhandlungsstand, der in allen Punkten noch unter Vorbehalt steht und nach wie vor zahlreiche offene Punkte beinhaltet. Der BSW-Solar ist mit dem Zwischenstand noch keinesfalls zufrieden und wird sich weiterhin mit Nachdruck für Nachbesserungen einsetzen.
Hier der gegenwärtige – noch nicht abgeschlossene - Verhandlungsstand in der Koalition nach Kenntnis des BSW-Solar:

  • Absenkung bei Dachanlagen um 16% zum 1.6., statt zum 1.4.2010 (BMU-Vorschlag)
  • Absenkung bei Freiflächenanlagen allg. um 15% zum [x.x., offener Stichtag]
  • Absenkung bei Freiflächenanlagen auf Konversionsflächen um 11% zum [x.x., offener Stichtag] statt um 15% (BMU-Vorschlag)
  • Korridor: Wie im BMU-Novellierungsvorschlag, Basisdegression von 9% erhöht sich jedoch nicht um 2,5%-Punkte, sondern um 2%-Punkte je 1000 MW Überschreitung der Oberkante des Wachstumskorridors von 3500 MW zum 1.1.2011 und um 3%-Punkte je 1000 MW Überschreitung zum 1.1.2012.
  • Eigenverbrauch: soll bei 10ct/kWh Vorteil bleiben bis 1 MW [offen, ob auch für Freiflächen]
  • [Noch offen: Absenkung bei Ackerflächen]

 


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