Lust oder Qual der Wahl?
Mobil sein – bei möglichst wenig Emissionen (Teil 1)
Obwohl Diesel und Benziner mit Euro 6d Temp inzwischen ein recht niedriges Schadstoffniveau erreicht haben, richtet sich die Aufmerksamkeit auf alternative Antriebe. Möglichst emissionsfrei, lautet da die Devise im Hinblick auf 2030. Ab dann nämlich werden für klimaschädliches CO2 und gesundheitsgefährdende Stickoxide (NOx) hierzulande Grenzwerte gelten, von denen die bislang zugelassenen Verbrenner weit entfernt sind. Wie steht es um die Alternativen? Batterieelektrische Antriebe, Erdgasoder Flüssiggasmotoren und neuerdings auch mit Wasserstobetriebene Range Extender1) warten auf Nutzfahrzeugkunden. Was soll der Entscheider im Handwerksbetrieb davon halten?
Angenommen, der Entscheider für einen neuen Lieferwagen oder Transporter hat ein Budget von 30 000 Euro: Was kann er damit erreichen, wenn er sich auf dem Nutzfahrzeugmarkt nach einem herkömmlichen Verbrenner oder einem alternativen Antrieb umschaut? Schwingt bereits eine Begeisterung mit, weil ein bestimmtes Modell mit Vorzügen glänzen kann oder gar ein idealer Imageträger fürs eigene Unternehmen ist? Dann wird man auch bereit sein, noch mehr Euros auszugeben. Vielleicht lässt sich ja auch mit der hochpreisigen Top-Entwicklung unter der Motorhaube ein Beitrag für das Weltklima leisten...
Preis muss akzeptabel sein
Ein nüchtern abwägender Betriebswirt behält im Blick, welchen TCO-Wert ein Fahrzeug ausweist. Der Total Cost of Ownership nämlich ist es, der aus betriebswirtschaft licher Kostenbetrachtung „für die nötige Bodenhaft ung“ beim Nutzfahrzeug sorgt. Sprich: Kann man sich möglichst klimagünstig verhalten und auch die tatsächlichen Kosten während der gesamten Nutzungsdauer eines Elektro-, Gas- oder Wasserstoff antriebs finanziell stemmen? Oder wirken die Rahmenbedingungen und die damit verbundenen Investitionen eher abgehoben? Einzubeziehen sind Kaufsumme, Betriebskosten und Restwert. Um konkret zu werden: Der TCO-Vergleich zwischen bewährten Dieselmodellen ist für den Flottenmanager ein routinierter Rechenvorgang.
Wie aber könnte sich in ein solches Bewertungsraster ein Elektroantrieb einfügen, dessen Reichweite eine Brennstoff - zelle neuerdings auf akzeptable Weise verlängert? Der exorbitante Mehrpreis für einen solchen Lieferwagen oder Transporter wirkt angesichts eines üblichen Diesel-TCOs wie eine Fehlzündung. Der Interessent erlebt eine Kostenexplosion.
Vergleich von Kosten und Nutzen
Was das bedeutet? Der Renault „Kangoo Z.E. Hydrogen“ oder der deutlich größere „Master Z.E. Hydrogen“ werden als viel beachtete Weiterentwicklungen dieses Jahr in Deutschland auf den Markt kommen. Allerdings zu einem Preis, der über den Daumen das Doppelte gegenüber einer Dieselvariante betragen wird. Ist es der Charme des Neuen, dem ein Entscheider erliegen soll? Die Eskapade würde mit einem Aufpreis von mindestens 20 000 Euro (beim „Kangoo“) zu Buche schlagen. Doch ob Nutzlast, Reichweite, Ladevolumen oder Tankmöglichkeiten für Wasserstoff: Kein entscheidender Vorteil bei einem solchen Mobilitätskonzept ließe sich gegenüber einem Diesel als Trumpf werten, außer dem Schmalspurargument, dass vor Ort keine Emissionen anfallen.
Wasserstoff hat Zukunft
Ohne Frage, die Brennstoffzelle etabliert sich bereits im Pkw-Bereich. Die Zahl der Modelle, die ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden, lassen sich allerdings noch an einer Hand abzählen. Bei leichten Nutzfahrzeugen wird das Konzept aller Voraussicht nach jenseits von 2030 auch eine bedeutende, wenn nicht gar die dominante Rolle unter den Antriebsarten einnehmen, sollten sich Wirkungsgrad und Herstellungskosten positiv entwickeln (siehe Kasten Brennstoffzelle). Doch um im Markt Fahrt aufzunehmen, müssen mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge zunächst einmal ein Preisniveau erreichen, das ein Betriebswirt mit seinem Blick auf den TCO akzeptieren kann.
Der Vollständigkeit halber muss man hinzufügen, dass die zusätzlich mit Range Extender ausgerüsteten „Kangoo Z.E. Hydrogen“ und „Master Z.E. Hydrogen“ wahrscheinlich (auch) im Leasing genutzt werden können. Und nach wie vor bleiben „Kangoo Z.E.“ und „Master Z.E.“ (ohne Range Extender) im Angebot.
Laut Renault liegt der Kundenbedarf für E-Fahrzeuge vorwiegend auf Kurzstrecken, sprich eine Tagesleistung von allenfalls 100 km. Daher bieten die Franzosen (aus Kostengründen) nicht einmal die Option einer Schnellladung.
Eine Wallbox als Kraftquelle, z. B. mit 11 oder 22 kW Ladeleistung, wird für den Firmenhof als geeignete Installation gewertet. Ein solcher Standard, der eine Ladezeit binnen weniger Stunden ermöglicht, gilt inzwischen allgemein als Voraussetzung, wenn man sich im Unternehmen für E-Mobilität entscheidet.
Dreimal E bei VW Nutzfahrzeuge
Was die Auswahl an Stromern für den gewerblichen Einsatz anbelangt, stellt sich Volkswagen Nutzfahrzeuge im Frühjahr 2020 breiter auf. Seit wenigen Wochen lässt sich in der Lieferwagenklasse der „Caddy Maxi“ als Kasten oder Kombi mit E-Antrieb bestellen. Kaufen kann man ihn nicht, sondern lediglich leasen, und zwar startet die preisgünstigste Monatsrate unter 300 Euro – das hat nichts Abschreckendes. Wer auch Strecken deutlich über 100 km zurücklegen möchte, kann die Option des Schnellladesystems CCS hinzubestellen und bekommt damit an einem 50-kW-Anschluss binnen 50 Minuten etwa 80 % der Akkuladung wieder bereitgestellt. Bei der Standardladung an der Wallbox (7,2 kW) wäre der Akku nach etwa vier Stunden komplett aufgefrischt.
Antrieb Elektromotor
Der E-Antrieb im leichten Nutzfahrzeug gründet derzeit noch in aller Regel auf das, was die Konstrukteure unter der Motorhaube für den herkömmlichen Antrieb auf der Vorderachse entwickelt haben. Doch statt der Einheit von Verbrenner und Abgasstrang ist jetzt der Elektromotor an das Getriebe geflanscht – mit offensichtlich weniger Bauteilen. Die Akkus samt Ladetechnik finden dort Platz, wo sich der bestmögliche Kompromiss dafür ergibt. Schließlich soll der Laderaum möglichst kein Volumen verlieren. Das ist vor allem dann schwierig, wenn das Konzept für die Karosse vor etlichen Jahren ohne die Option für E-Mobilität entwickelt wurde.
Bei kommenden E-Fahrzeugen (z.B. VW „I.D.Buzz Cargo“) bilden Vorder- und Hinterachse jeweils mit dem E-Antrieb eine Einheit. Den Sandwichboden füllen flache Akkus ähnlich wie Schokoriegel, und zwar in einer Anzahl, die entweder mehr Nutzlast oder mehr Reichweite möglich machen. Durch die Neuanordnung kann der Stromer deutlich mehr Ladevolumen bieten.
Der „e-Transporter 6.1“ (Volkswagen Nutzfahrzeuge) folgt dem „e-Caddy“ mit nahezu identischer Elektrotechnik. Der auch für den „e-T6.1“ zuständige zertifizierte Ausrüster Abt nennt für den langen Radstand eine Netto-Leasingrate ab 459 Euro und einen Netto-Startpreis von 44 990 Euro für den Kastenwagen (Kombi plus ca. 4600 Euro).
Antrieb Brennstoffzelle
Seit 25 Jahren ist die Brennstoffzelle bereits auf Achse. Doch trotz dieser langen Forschungszeit haben es erst in den letzten Jahren einige wenige Pkws bis zur Serienreife geschafft. Bei leichten Nutzfahrzeugen ist erst ein Anfang gemacht: Mit dem Range Extender bei den beiden Hydrogen-Modellen von Renault. Was die vielversprechende Technologie mit Wasserstoff (H2) bislang gebremst hat, ist der geringe Wirkungsgrad. Denn auf dem Weg von der Elektrolyse über die H2-Speicherung bis zurück zum Strom für den E-Antrieb geht bereits rund die Hälfte der eingesetzten Energie verloren. Bis zum Vortrieb an den Vorderrädern kommen weitere Verluste hinzu.
Dabei ist H2 ein Energieträger ohne klimaschädliche Emissionen, der sich unter Hochdruck binnen weniger Minuten tanken lässt und Langstrecken ähnlich einem Diesel ermöglicht. Mit derzeit nur etwa 100 Tanksäulen in Deutschland ähnelt die Entwicklung allerdings an den Netzausbau für Erdgasfahrzeuge in den 1990er-Jahren.
Der „e-Transporter 6.1“ (Volkswagen Nutzfahrzeuge) folgt dem „e-Caddy“ mit nahezu identischer Elektrotechnik. Der auch für den „e-T6.1“ zuständige zertifizierte Ausrüster Abt nennt für den langen Radstand eine Netto-Leasingrate ab 459 Euro und einen Netto-Startpreis von 44 990 Euro für den Kastenwagen (Kombi plus ca. 4600 Euro).
Der „e-Crafter“ sowie sein Zwillingsbruder MAN „eTGE“ starteten bereits 2018 in die Serienfertigung und können ebenfalls optional mit der CCS-Schnellladetechnik ausgestattet sein. Der Basispreis wurde mittlerweile auf knapp 54 000 Euro gesenkt, um die Voraussetzung für staatliches Fördergeld zu schaffen.
Fördergeld als Schub für Nutzfahrzeuge?
Ähnlich liegt der Basispreis beim Mercedes „eSprinter“, dessen offizielle Serienfertigung Mitte Dezember 2019 startete. Auch hier ist die Option für das CCS-Ladesystem gegeben. Darüber hinaus bestehen zwei verschieden große Akku-Ausstattungen, um eine größere Reichweite bzw. mehr Nutzlast an Bord nehmen zu können. Der kleinere „eVito“ ist als Kastenwagen noch in diesem Jahr – passend zu einer Wallbox – mit einfacher Ladetechnik ausgestattet und soll damit laut Werk mindestens 100 km weit kommen.
Die Liste der leichten Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb beschränkt sich im ersten Halbjahr 2020 derzeit auf 13 Modelle:
- Ford „Custom PHEV“ (mit Hybridtechnik, Teil 2 im nächsten Heft),
- Iveco „Daily Electric“,
- SAIC „Maxus EV80“,
- Mercedes Benz mit „eVito“ und „eSprinter“,
- Nissan „e-NV200“,
- Renault mit „Zoe Cargo Z.E.“, „Kangoo Z.E.“ und „Master Z.E.“,
- VW Nutzfahrzeuge „e-Transporter 6.1“, „e-Caddy“ und „e-Crafter“,
- MAN „eTGE“.
Weitere E-Antriebe sind noch für dieses Jahr angekündigt: sowohl der Fiat „Ducato“ als auch die drei stark bauähnlichen Modelle Citroën „Jumpy“, Opel „Vivaro“ und Peugeot „Expert“.
Ob sich die gestiegene Nachfrage für Stromer im Pkw-Bereich auch auf Lieferwagen und Transporter überträgt, ist ungewiss. Ebenso spannend ist, ob der (Mitnahme-) Effekt von max. 6000 Euro an staatlicher Förderung tatsächlich ausreicht, um die Akzeptanz im bislang zögerlich verlaufenden Nutzfahrzeugmarkt zu erhöhen.
Der Teil 2 zu alternativen Antrieben geht im nächsten Heft auf den Hybrid-Transporter ein, der den Elektroantrieb mit einem Ottomotor als Range Extender kombiniert. Zudem werden die Chancen für Nutzfahrzeuge mit Flüssiggas sowie Erd- und Biogas thematisiert. Auch wenn es sich dabei um eine Brückentechnologie handelt, geht es ohne Zweifel um Top-Technik, die Emissionen in erheblichem Maß reduzieren kann.
Autor: Thomas Dietrich, freier Journalist