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Licht im Dschungel der Rechtsprechung

Aus deutschen Gerichtssälen – eine Auswahl aktueller Urteile rund um Auto und Verkehr

Die Auslegung von Gesetzen obliegt den Gerichten. Sie geben Orientierung für ähnliche Fälle – dennoch können andere Gerichte anders entscheiden.

Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen gelten als schwerwiegend und können Punkte und Fahrverbote nach sich ziehen. Bild: Tim Reckmann pixelio.de

Wenn Mitarbeiter mit Firmenfahrzeugen unterwegs sind, muss der Geschäftsführer oder Inhaber des Handwerksbetriebs im Falle von Verkehrsverstößen nachvollziehen können, wer am Steuer saß, wenn die Polizei ermittelt. Bild: AR.Pics pixelio.de

Vorsicht ist geboten bei der Installation von sogenannten Blitzer-Apps auf dem Smartphone.

Fahrtenbuchauflagen sind lästig, doch nicht immer sind sie auch gerechtfertigt. Es lohnt der Blick auf einige Urteile.

 

Wer beruflich auf seinen Führerschein angewiesen ist, für den kann jeder zusätzliche Punkt in Flensburg problematisch sein. Vor allem, wenn das eigene Punktekonto bereits belastet ist. Es lohnt sich also, über die Verkehrsregeln Bescheid zu wissen und Verkehrsverstöße zu vermeiden. Aber Fehler sind menschlich. Und dann hilft ein Blick auf die aktuelle Rechtsprechung, um zu wissen, welche Konsequenzen drohen können.

Fahrverbot trotz einfacher Verstöße
Eine beharrliche Pflichtverletzung in Form von mehrfachen, „kleineren“ Verstößen innerhalb eines begrenzten Zeitraums können mit einem Fahrverbot belegt werden. So hat jedenfalls das Oberlandesgericht Hamm im vergangenen Jahr geurteilt (OLG Hamm, 17. 9. 2015, 1 Rbs 138/15).
In dem konkreten Fall hatte der Betroffene im September 2014 verbotswidrig ein Handy während des Autofahrens benutzt und war erwischt worden. Ein Gericht belegte ihn mit einer Geldbuße von 100 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot. Denn bereits im Januar 2012 sowie im März 2014 beging der Betroffene dieselben Verstöße, welche jeweils mit einem Bußgeld geahndet wurden. Weiterhin kam es in zwei Fällen zu Geschwindigkeitsverstößen, weshalb der Beschuldigte ebenfalls Bußgeld zahlen musste.
Der 1. Senat für Bußgeldverfahren des Oberlandesgerichts verwarf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die erstinstanzliche Verurteilung durch das Amtsgericht Hamm als unbegründet. Das zusätzliche Fahrverbot sei rechtmäßig. Begründung: Der Betroffene habe seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer beharrlich verletzt. Beharrliche Verletzungen lägen vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer durch die wiederholte Verletzung von Rechtsvorschriften erkennen lasse, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehle. Es komme dabei auf die Zahl der Verstöße, ihren zeitlichen Abstand und auch ihren Schweregrad an. In diesem Fall handelte es sich um fünf Verkehrsverstöße innerhalb von weniger als drei Jahren mit einem gewissen Gefährdungspotenzial für Dritte.

Rund ums Blitzen
Blitzer-App auf dem Handy verboten
Das Oberlandesgericht Celle hatte über die Geldbuße eines Autofahrers zu entscheiden, der während der Fahrt ein Smartphone mit einer Blitzer-App benutzt hatte. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle hielten Polizeibeamte den Fahrzeugführer an und entdeckten in einer Halterung am Armaturenbrett das Smartphone mit der Radarwarnfunktion. Der Betroffene verteidigte sich in zweiter Instanz damit, dass die App gar nicht in Betrieb gewesen sei. Denn die App funktioniere nur, wenn eine GPS-Verbindung hergestellt sei. Außerdem stelle der Betrieb einer Blitzer-App auf einem Smartphone keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO dar. Denn ein Smartphone sei nicht dazu bestimmt, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören, sondern diene der vornehmlich der Kommunikation und Informationsbeschaffung. Dieser Zweck bleibe auch durch die Installation einer bestimmten App bestehen.
Doch das Oberlandesgericht sah dies anders. Zwar könne das Mobiltelefon für viele verschiedene Zwecke genutzt werden. Wenn der Benutzer aber eine Blitzer-App installiert und diese App aktiviert habe, um vor Geschwindigkeitsmessungen gewarnt zu werden, gebe er seinem Smartphone durch dieses Verhalten aktiv und zielgerichtet eine neue Zweckbestimmung (Beschluss vom 3. 11. 2015, Oberlandesgericht Celle 2 Ss (Owi) 313/15). Der Tatbestand von § 23 Abs. 1b Satz 1 StVO sei erfüllt. Dort heißt es: Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören. Ohne Bedeutung sei dagegen, so das Gericht, ob die App tatsächlich einwandfrei funktioniert habe oder nicht. Außer dem tatsächlichen Betreiben ist also demnach auch das betriebsbereite Mitführen untersagt.

Weitergabe von Blitzerdaten rechtens
In einem Verfahren sollte das Oberlandesgericht Rostock klären, ob die Privatsphäre verletzt wird, wenn die Bußgeldbehörde Daten einer Geschwindigkeitsmessung an ein privates Unternehmen übermittelt. Das vorinstantliche Amtsgericht hatte die Auffassung vertreten, die Überlassung der Rohdaten sei unzulässig. Es handele sich dabei um eine originär hoheitliche Aufgabe der Behörde. Zudem widerspräche dieses Vorgehen einem Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern.
Das Oberlandesgericht Rostock folgte der Auffassung des Amtsgerichts jedoch nicht. In zwei Fällen entschied es, dass die Bußgeldbehörde private Unternehmen vertraglich mit der Aufbereitung und Auswertung von Rohdaten zur Geschwindigkeitsmessung beauftragen kann. Die Ergebnisse dieser Auswertung darf sie dann als Grundlage für Bußgeldverfahren gegen Verkehrssünder verwenden. Aus Rechtsgründen sei daran nichts zu beanstanden. Auch der vom Amtsgericht erwähnte Erlass des Wirtschaftsministeriums sehe die vertragliche Überlassung der Blitzerdaten an private Dienstleister vor, wenn diese die Vorgaben der physikalisch-technischen Bundesanstalt beachten und hinsichtlich der Auswertung sowie den Anforderungen an Qualität und Datenschutz genügen würden (Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 17. 11. 2015, 21 Ss Owi 158 und 161/15).

Auflage von Fahrtenbüchern
Sofortige Fahrtenbuchauflage nicht rechtmäßig
Der folgende Fall zeigt, dass eine Fahrtenbuchauflage für ein Unternehmen erst dann erfolgen darf, wenn die Behörde zuvor alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Täters getroffen hat. Im besagten Vorgang ging es um eine Geschwindigkeitsmessung bei einem Firmenfahrzeug, zu der ein Foto aufgrund von Geschwindigkeitsüberschreitung vorlag. Polizeibeamte hatten den Betriebssitz aufgesucht und dort die Seniorchefin angetroffen, der sie das Tatfoto vorlegten. Sie berief sich jedoch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.
Ohne weitere Befragungen erließ der zuständige Landkreis daraufhin eine Fahrtenbuchauflage. Doch das Verwaltungsgericht Trier sah es bei diesem Fall als nicht ausreichend an, lediglich die Seniorchefin eines Betriebs zu befragen. Vielmehr hätte weiter ermittelt werden müssen. Zu den notwendigen Maßnahmen gehören beispielsweise die Frage nach Geschäftsbüchern, anhand derer die betrieblichen Fahrten nachvollzogen werden könnten. Außerdem sei die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer bzw. sonstiger Vertreter durch Befragung oder einen Auszug aus dem Handelsregister zu ermitteln. Erst wenn die Verantwortlichen keine Auskünfte geben wollen oder können und auch keine Hinweise aus Geschäftsbüchern zu den Fahrten zu entnehmen seien, darf es zur Verhängung einer Fahrtenbuchauflage kommen (Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 23. 2. 2015, 1 L 349/15.TR).

Fahrtenbuchauflage für gesamten Fuhrpark rechtswidrig
In einem anderen Fall zeigte sich, dass einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs nur für das Fahrzeug auferlegt werden kann, mit dem er den Verkehrsverstoß begangen hat. Eine Erstreckung der Fahrtenbuchauflage für alle Fahrzeuge des Halters ist nur dann zulässig, wenn unaufklärbare Verkehrsverfehlungen auch für andere Fahrzeuge zu erwarten seien, entschied das Verwaltungsgericht Mainz.
Antragsstellerin im vorliegenden Verfahren war die Inhaberin eines Handwerksbetriebes in Form einer GmbH. Der Betrieb verfügt über sechs Fahrzeuge. Bei einem der Betriebsfahrzeuge wurde eine erhebliche Abstandsunterschreitung zum vorausfahrenden Fahrzeug gemessen. Der verantwortliche Fahrer war jedoch nicht zu ermitteln. So ordnete die Kreisverwaltung Mainz-Bingen das sofortige Führen eines Fahrtenbuchs für alle sechs Fahrzeuge an.
Der Fall kam vors Verwaltungsgericht. Dies urteilte, dass lediglich die Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug zulässig sei, mit dem die Abstandsvorschrift verletzt wurde. Die Halterin habe nicht ausreichend mitgewirkt, obwohl ein Lichtbild es ermöglicht hätte, den Fahrer zu benennen bzw. zumindest die in Betracht kommenden Mitarbeiter einzugrenzen. Auch hätte sie anhand von Geschäftsunterlagen rekonstruieren müssen, welcher Mitarbeiter als Fahrzeugführer in Betracht komme. Trotzdem sei die Fahrtenbuchauflage für die übrigen Kraftfahrzeuge nicht zulässig. Diese weitreichende Maßnahme sei nur verhältnismäßig, wenn die Ordnungsbehörde über Art und Umfang des Fahrzeugparks ermittelt und darüber hinaus eine Abschätzung vorgenommen habe, ob zukünftig unaufklärbare Verkehrsverfehlungen mit anderen Fahrzeugen des Halters zu erwarten seien. (Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 2. 12. 2015, 3 L 1482/15.MZ).

Fahrtenbuchauflage für gesamten Fuhrpark rechtens
Anders entschied das Verwaltungsgericht Neustadt in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall (Geschwindigkeits­überschreitung) und verwies dabei auf die Schwere des Vergehens. Die Antragsstellerin war eine Firma bzw. Halterin mit 31 Firmenfahrzeugen. Bei einem dieser Autos wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h in einem Baustellenbereich auf der Autobahn um 41 km/h überschritten. Das Beweisfoto zeigte einen männlichen Fahrer.
Die Polizei fuhr fünfmal in die Firma, um den Fahrzeugführer ausfindig zu machen. Der Fuhrparkleiter gab an, nicht zu wissen, wer der Fahrer sei. Daraufhin ordnete die Stadt Speyer die Führung eines Fahrtenbuchs für alle 31 Firmen-Pkws für einen Zeitraum von 12 Monaten an. Die Stadt begründete ihre Auflage mit der Schwere des Vergehens sowie damit, dass es offensichtlich seitens der Firma keine wirkungsvollen, internen Maßnahmen gebe, die dazu geeignet seien, betreffende Fahrzeugführer nach Verkehrsverstößen zu ermitteln. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle künftiger Verstöße die Verantwortlichen erneut ermittelt werden könnten.
Die Firmeninhaberin zog vor das Verwaltungsgericht Neustadt mit der Begründung, sie habe in ihrem Unternehmen umorganisiert und nun sei eine konkrete Zuordnung zu einem Fahrer sichergestellt. Das Verwaltungsgericht erklärte die Fahrtenbuchauflage jedoch für rechtmäßig. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung stelle einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht dar, der zu einem Punkteintrag und zu einem Fahrverbot von einem Monat geführt hätte. Die weiteren Voraussetzungen zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage seien ebenfalls erfüllt. Die Behörde habe hier hinsichtlich der Ermittlung des Fahrzeugführers bereits im überstiegenen Umfang alle Maßnahmen getroffen, die in gleichliegenden Fällen zum Ermittlungserfolg geführt hätten. Dagegen habe die Antragsstellerin in keiner Weise zur Aufklärung beigetragen (Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 22. 1. 2015, 3 L 22/15.NW). Bereits in der Vergangenheit sei es zu mehreren Verkehrsverstößen im Betrieb gekommen, die nicht aufgeklärt werden konnten.
An der nachträglichen Reorganisation des Fuhrparkmanagements hatte das Gericht zudem Zweifel. Trotz dessen konnte die Firmeninhaberin einen weiteren Verkehrsverstoß mit einem ihrer Fahrzeuge nach dem Zeitpunkt der angeblichen Umstrukturierung nicht einem Fahrer zuordnen. Insofern bestehe weiterhin die Veranlassung einer Fahrtenbuchauflage für alle Fahrzeuge, so das Gericht.

Mobile Halteverbotsschilder
Abschleppen bei nachträglich aufgestellten Schildern
Am frühen Morgen des 27. Mai 2013 parkte ein Autofahrer sein eigenes Fahrzeug, um mit einem Geschäftsfahrzeug für drei Tage zu einem Kunden zu fahren. Als er von seiner Montage zurückkam, war sein Privatauto abgeschleppt worden.
Er klagte vor dem Verwaltungsgericht Cottbus, wobei sich der Sachverhalt wie folgt zutrug. Im Laufe des 27. Mai 2013 stellten Mitarbeiter einer Firma mobile Halteverbotsschilder auf. Diese waren für den Zeitraum vom 30. zum 31. Mai in der Zeit von 7.00 Uhr bis 16.00 gültig. Am 30. Mai beauftragte das Ordnungsamt, gegen 9.00 Uhr das Fahrzeug des Klägers abzuschleppen und parkte es 250 Meter entfernt in einer Nebenstraße. Der Kläger erhielt einen Leistungsbescheid von 112,75 Euro.
Das Gericht sah die Kostenforderung als unverhältnismäßig an. Unverhältnismäßigkeit liegt z. B. vor, wenn das Fahrzeug ohne angemessene Reaktionszeit (Vorlauffrist) nach Errichtung eines mobilen Halteverbots abgeschleppt wird (Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 2. 2. 2015, Az. VG 1 K 758/13). Dabei war auch ausschlaggebend, dass sich die Parkbeschränkung auf eine Anwohnerstraße in einer Stadt mit etwa 10 000 Einwohnern bezog.
Der überwiegende Teil der Verwaltungsgerichte hält nämlich eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen zwischen dem Tag des Aufstellens und des Abschleppens für geboten. Dem schloss sich das Verwaltungsgericht Cottbus an. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Werk-, Sonn- oder Feiertage handelt.
Allerdings sind nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichte der Auffassung, dass bereits ein zeitlicher Vorlauf von 48 Stunden angemessen sei, sofern es sich nicht um besonders dringliche Angelegenheiten handele. Eine längere Frist sei vor dem Hintergrund der Anforderungen in straßenverkehrsrechtlicher und sonstiger Hinsicht, insbesondere in Großstädten, nicht vertretbar.

Sichtbarkeit von Halteverbotsschildern
Auch in einem anderen Urteil zu mobilen Halteverbotsschildern urteilte das Gericht zu Ungunsten eines Falschparkers. In diesem Fall klagte ein Falschparker vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gegen die Gebühr für das Abschleppen seines Fahrzeugs. Er hatte es in einem Bereich abgestellt, in dem mobile Halteverbotsschilder standen. Diese Schilder seien nicht mit einem raschen und beiläufigen Blick zu erkennen gewesen, so der Kläger.
Das Oberverwaltungsgericht folgte dieser Begründung nicht. Es befand vielmehr, dass jeder, der sein Fahrzeug abstelle, sich darüber informieren müsse, ob das Halten an der betreffenden Stelle zulässig sei. Der Fahrer müsse sich nach solchen Verkehrsschildern wie Halteverbote sorgfältig umsehen bzw. sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines etwaigen Verbotsschilds informieren. Dazu sei er beispielsweise verpflichtet, eine gewissen Strecke in beiden Richtungen abzuschreiten, insbesondere dann, wenn ihm die Sicht auf mögliche Aufstellorte, z. B. durch andere Fahrzeuge, versperrt sei.

Autorin: Angela Kanders, freie Journalistin

 


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