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Kurskorrektur nötig oder nicht?

Energieeinsparverordnung: Eine Studie des Wuppertal Instituts sorgt für Diskussionen in der Branche

Wir bezweifeln nicht die Richtigkeit der Berechnung. Die ist zweifelsohne korrekt. Dr. Timm Kehler

Eine stärkere Nutzung des sauberen Energieträgers Strom im Wärme- und Verkehrssektor ist politisch gewollt. Karl-Heinz Stawiarski

Wer die Klimaschutzwirkung der EnEV erhöhen will, muss zu allererst beim Gebäudebestand ansetzen. Martin Bentele

 

Die Energiewende im Gebäudesektor kommt einfach nicht in Fahrt. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie will erkannt haben, woran das liegt: Das zentrale Steuerungselement für Energieeffizienz in Gebäuden, die Energieeinsparverordnung (EnEV), richtet sich nicht am Klimaschutz aus, sondern an der künstlich geschaffenen Größe des Primärenergieverbrauchs, heißt es in dem Papier. Die EnEV verfehle damit ihre Steuerungswirkung für den Klimaschutz. „Der falsche Fokus auf künstlich errechnete Primärenergie statt auf echten Klimaschutz kommt einer staatlichen Verbrauchertäuschung gleich“, sagt Dr. Timm Kehler, Vorstand der Kampagne Zukunft Erdgas. Die Verbände der Erneuerbaren Energien sehen das anders und positionieren sich in einer gemeinsamen Stellungnahme. Wir beleuchten die beiden unterschiedlichen Lager.

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Dr. Kehler, die, wie Sie es ausdrücken „künstlich geschaffene Größe des Primärenergieverbrauchs“ wurde von den beteiligten Kreisen entwickelt und mit Einführung der EnEV beschlossen. Der Primärenergieverbrauch als einzuhaltende Zielgröße ist nach einigen Jahren der Einführungsphase weitestgehend verstanden und hat sich mittlerweile etabliert. Dennoch erachten Sie eine Anpassung als notwendig, warum erst jetzt?
Dr. Timm Kehler: Wir bezweifeln nicht die Richtigkeit der Berechnung. Die ist zweifelsohne korrekt. Wir sehen aber, dass in der jetzigen Form falsche Anreize gesetzt werden. Aktuell führt der Primär­energiefaktor nicht zu mehr Klimaschutz oder Energieeffizienz. Daher ist eine Kurskorrektur nötig. Gerade nach den Pariser Beschlüssen sollten wir unseren Fokus auf möglichst effiziente CO2-Vermeidung richten. Dafür reicht das Instrumentarium der Primärenergiefaktoren allein aber nicht aus und sollte daher ergänzt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: In welcher Form können Sie sich die eingangs skizzierte notwendige Anpassung vorstellen? Oder anders gefragt: Was müsste in der EnEV geändert werden?
Dr. Timm Kehler: Wir haben hier eine Folgestudie beauftragt, die das genauer ausarbeiten soll. Wichtig ist, dass wir das Notwendige ändern, aber alles Vertretbare so belassen. Denn die EnEV ist kompliziert genug. Derzeit lässt sich der Ansatz relativ einfach zusammenfassen: Die entscheidende Größe CO2 wird derzeit in der EnEV nicht berücksichtigt. Um das zu ändern, müssen wir einen CO2-Faktor einführen. Ein umfassendes Konzept werden wir in den kommenden Monaten vorlegen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Kritiker könnten den Studienmachern vorwerfen, lediglich die Interessen der Auftraggeber wahrzunehmen, um – banal gesagt – den Kesselmarkt wieder in Schwung zu bringen. Es ist kein Geheimnis, dass gerade durch die Novelle der EnEV zu Beginn des Jahres die elektrisch betriebene Wärmepumpe einen deutlichen Vorteil gegenüber fossilen Heizungssystemen aufweist. Welche Argumente können Sie dem entgegenstellen?
Dr. Timm Kehler: Die Autoren der Studie arbeiten für ein unabhängiges Institut und sind im Übrigen anerkannte Berater der Bundesregierung. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass wir die Fragestellung aufgeworfen haben, weil wir Fehlentwicklungen im Markt beobachten. Der Primärenergieverbrauch und der CO2-Ausstoß driften aktuell beim Strom auseinander und kommen unter den aktuellen Gegebenheiten auch nicht wieder zusammen. Das muss man den Verbrauchern transparent vermitteln. Wir erwarten von keinem Politiker, dass er die EnEV anpasst, weil das für unseren Absatz besser wäre. Aber wir erwarten durchaus, dass auch die Politik ein Interesse hat, die Regeln am Klimaschutz auszurichten.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie groß schätzen Sie Ihre Erfolgschancen ein, dass die EnEV in Ihrem Sinne geändert wird?
Dr. Timm Kehler: Da sind wir optimistisch. Klimaschutz hat eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Jetzt ist eine Anpassung nötig, um dieses Ziel zu erreichen. Wieso sollten wir also mit diesem Ansinnen scheitern?

Konträre Verbändeerklärung zum EnEV-Papier
Soweit die Ausführungen des Sprechers der Kampagne Zukunft Erdgas. Indes erreichte uns eine gemeinsame Stellungnahme der Branchenverbände BWP und DEPV, die wir in gekürzter Fassung hier wiedergeben: „Das zentrale Problem der Klimaschutzwirkung der EnEV ist weniger die unzureichende Klimaschutzorientierung der Primärenergiefaktoren. Vielmehr entfaltet die EnEV für den Gebäudebestand kaum Wirkung. Das Gros der Energie wird jedoch im Gebäudebestand verbraucht, nicht im energieeffizienten Neubau. Wer die Klimaschutzwirkung der EnEV erhöhen will, muss demnach zu allererst beim Gebäudebestand ansetzen. Die Behauptung, niedrige Primärenergiefaktoren würden dazu führen, dass die EnEV ihre Steuerungswirkung hin zu energieeffizienten Gebäuden verliert, ist schlicht falsch. „Der Mythos, durch niedrige Primärenergiefaktoren Erneuerbarer Energien würden Gebäude mit einer schlechten Gebäudehülle gebaut, wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer“, so Martin Bentele, Geschäftsführer des Deutschen Energieholz- und Pellet-Verbands (DEPV). Die EnEV fordert neben einem niedrigen Primärenergieverbrauch als Hauptanforderung immer auch die Einhaltung von Mindestanforderungen an die energetische Qualität der Gebäudehülle und damit an den Wärmeschutz. „Es ist unzulässig, Gebäude mit einer ‚energiedurchlässigen‘ Gebäudehülle zu bauen. Wenn man der Meinung ist, dass die Nebenanforderung an den Wärmeschutz nicht anspruchsvoll genug sei, dann sollte man hier eine Verschärfung fordern, anstatt die niedrigen Primärenergiefaktoren der Erneuerbaren Energien zu beklagen“, so Bentele weiter.
Karl-Heinz Stawiarski, Vize-Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) und Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP): „Die Umstellung unserer Stromversorgung auf Erneuerbare Energien ist eine Erfolgsgeschichte. Die Kosten dafür tragen die Stromkunden. Parallel zum Ausbau von Photovoltaik und Windkraftanlagen muss sich selbstverständlich auch der Primärenergiefaktor für Strom verbessern.“ Eine stärkere Nutzung des sauberen Energieträgers Strom im Wärme- und Verkehrssektor ist politisch gewollt: Unter dem Schlagwort „Sektorkopplung“ fordern Wissenschaftler und Energiepolitiker eine bessere Verknüpfung zwischen Strom- und Wärmesektor. Und auch im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass der sogenannte Überschussstrom einer sinnvollen Verwendung im Wärmemarkt zugeführt werden soll.

Diskussionswürdiges Papier
Diskussionswürdig finden DEPV und BWP die Feststellung des Wuppertal Instituts, dass die Primärenergiefaktoren teilweise nicht konsistent festgelegt sind. Eine strikte Ausrichtung der nicht-erneuerbaren Primärenergiefaktoren am Klimaschutz und damit an den CO2-Emissionen könnte in der Tat energie- und klimapolitisch sinnvoll sein. Primär­energiefaktoren von nahezu null würde es dann nicht mehr geben. Diese Umstellung müsste von den Erneuerbaren Energien nicht gefürchtet werden, auch wenn einige ihrer Primärenergiefaktoren leicht steigen sollten. Insgesamt würden sie niedriger bleiben als die der fossilen Energien. Schlechter gestellt würden vor allem Heizöl, Kohle und fossile KWK. Die CO2-Emissionen bei der Stromerzeugung werden jedoch weiter sinken: Bundesumweltministerin Barbara Hen­dricks fordert, noch vor 2050 aus der Kohleverstromung auszusteigen, und möchte durch einen optimierten europäischen Emissionshandel die CO2-Emissionen zusätzlich minimieren. Die CO2-Emissionen nach österreichischem Vorbild verpflichtend im Gebäudeenergieausweis auszuweisen, findet bei beiden Verbänden Zustimmung.“

www.depv.de
www.waermepumpe.de
www.zukunft-erdgas.info

 


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