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„Hybridsysteme können weiterhin installiert werden“

„Hybridsysteme können weiterhin installiert werden“ Das Klimakabinett hat Eckpunkte für ein Klimaschutzprogramm beschlossen – der Energieträger Öl ist längst nicht vom Tisch

Studien zeigen, dass wir die Klimaziele mit einem breitgefächerten Technologiemix sicherer und günstiger erreichen können. Adrian Willig, IWO-Geschäftsführer. Bild: IWO

Das beschlossene Eckpunktepapier besagt in seiner aktuellen Form, dass der Einbau von Ölheizungen ab 2026 in Verbindung mit Erneuerbaren Energien erfolgen muss. Hybridlösungen sind also auch künftig möglich. Bild: IWO

 

Am 20. September hat das Klimakabinett seine Maßnahmenvorschläge für ein Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Tagesmedien berichteten in diesem Kontext vom „Aus für die Ölheizung ab 2026“. Doch was steht tatsächlich in dem Papier, wie sehen die Pläne der Großen Koalition im Detail aus? Wir sprachen darüber mit Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik – kurz IWO.

IKZ-HAUSTECHNIK: Das klingt als Einstieg zugegebenermaßen provokant, aber die Frage muss gestellt werden: War‘s das jetzt für das System Ölheizung?
Adrian Willig: Ölheizungen sind absolut zukunftsfähig, denn sie haben eine klimaneutrale Perspektive – genauso wie Gasgeräte oder Strom-Wärmepumpen. Eine aktuelle Studie des ITG Dresden zeigt, wie die Klimaziele im ölbeheizten Gebäudebestand erreicht werden können. Neben Effizienzsteigerung und Hybridisierung tragen dazu – als eine weitere Option – erneuerbare flüssige Energieträger bei. Es ist unverständlich und kontraproduktiv, dass die Bundesregierung in ihren Eckpunkten zum Klimaschutzprogramm dies nicht anerkennt, sondern stattdessen Verbote ankündigt. Bereits die Diskussionen im Vorfeld haben zu Verunsicherungen und Attentismus geführt. Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass Öl-Brennwertgeräte im Rahmen von Hybridsystemen gemäß der aktuellen Beschlusslage auch langfristig weiterhin installiert werden können.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wie sieht der Plan der Bundesregierung zum Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Heizöl zeitlich und inhaltlich konkret aus?
Adrian Willig: Für meine Begriffe geht es primär darum, wie wir schnell weniger Energie verbrauchen sowie mehr und mehr in die erneuerbare Wärmeversorgung einsteigen. Die am 20. September vom Klimakabinett beschlossenen Eckpunkte für ein Klimaschutzprogramm stellen hier noch keine verbindlichen Regelungen dar. Viele der Maßnahmenvorschläge müssen noch in ein Gesetzgebungsverfahren. Hier ist die Zustimmung des Bundestags und zum Teil des Bundesrats notwendig. Es ist wichtig, dass im Laufe der Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen an einzelnen Inhalten vorgenommen werden. Folgt man den Eckpunkten in ihrer momentanen Form, so kann auch klar gesagt werden, dass bestehende Ölheizungen weiter betrieben werden können. Bis Ende 2025 können auch alte Ölkessel ganz einfach gegen ein neues Öl-Brennwertgerät ausgetauscht werden. Eine solche Modernisierung lohnt sich weiterhin, da ein effizientes Öl-Brennwertgerät den Heizölbedarf deutlich reduzieren kann. Ab 2026 wird es nach aktuellem Stand jedoch erforderlich sein, bei der Modernisierung mit Öl-Brennwerttechnik zusätzlich Erneuerbare Energien einzubinden. Hier wird es wichtig sein, dass möglichst viele Erfüllungsoptionen anerkannt werden.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sind Ausnahme- oder Härteregelungen geplant, etwa für ländliche Gegenden ohne Gasanschluss oder für industrielle Ölanlagen?
Adrian Willig: Wie gesagt: Das beschlossene Eckpunktepapier besagt in seiner aktuellen Form, dass der Einbau von Ölheizungen ab 2026 in Verbindung mit Erneuerbaren Energien erfolgen muss. Die entsprechenden Formulierungen im Eckpunktepapier sind dahingehend interpretierbar, dass es hier auch Ausnahmen geben wird. Mehr wird der konkrete Gesetzgebungsprozess zeigen. Ausdrücklich heißt es zudem wörtlich: Im Neubau und Bestand sind Hybridlösungen auch künftig möglich.

IKZ-HAUSTECHNIK: Welche Anreize, Fördermaßnahmen oder Vergünstigungen soll es für den Wechsel auf andere Energieträger geben?
Adrian Willig: Die Beschlüsse sehen eine „Austauschprämie“ vor – zum Beispiel für den Einbau von Hybridsystemen. Wichtig ist, dass dazu auch Öl-Hybridsysteme zählen sollten. Das ist momentan aus unserer Sicht noch offen. Eine solche Förderung wäre aber wichtig, damit es nicht zu einer massiven Benachteiligung von Menschen im ländlichen Raum kommt. Gerade wenn kein Gasanschluss in der Nähe ist, und das ist bei schätzungsweise rund 60 % der ölbeheizten Gebäude der Fall, ist die Modernisierung mit Öl-Brennwerttechnik in Kombination mit Erneuerbaren Energien ein empfehlenswerter Weg. In älteren Gebäuden oftmals auch der einzige, der technisch sinnvoll oder für die Eigentümer finanziell machbar ist. Eine zukünftige Förderung sollte vielfältige Erfüllungsoptionen ermöglichen. Dazu sollte, neben der Einbindung Erneuerbarer Ener­gien in Form eines ölbasierten Hybridsystems, auch der Einsatz CO2-reduzierten Heizöls gehören.

IKZ-HAUSTECHNIK: Zugegeben, der Vergleich hinkt etwas: Aber bei Braunkohlekraftwerken lässt sich die Bundesregierung sehr viel Zeit mit dem Ausstieg, im Bereich der häuslichen Öl-Feuerstädten geht’s vergleichsweise richtig schnell. Zahlt der kleine Mann mal wieder die Zeche, angefüttert mit finanziellen Förderversprechen?
Adrian Willig: Die Herausforderung besteht darin, dass sich die Energiewende im Gebäudebereich, anders als der Kohleausstieg, nicht einfach politisch beschließen lässt. Wir haben es im Wärmemarkt mit Millionen unterschiedlicher Akteure wie Eigentümern, Mietern und Handwerkern zu tun. Zudem greifen ener­getische Modernisierungen ganz unmittelbar in den Alltag der Menschen ein. Deshalb sind Fragen nach der Akzeptanz und gerade soziale Aspekte entscheidend. Hausbesitzer müssen ja nicht nur die Motivation haben, Investitionen zu tätigen, sondern auch in der finanziellen Lage dazu sein. Attraktive, nachhaltige Fördermaßnahmen sind daher begrüßenswert, auch die nun angekündigte steuerliche Förderung, die lang schon überfällig ist. Doch solche Maßnahmen sollten stets technologieoffen angelegt werden. Der ländliche Raum wird sonst benachteiligt: Die sofortige Einrichtung einer 100-prozentig erneuerbaren Wärmeversorgung ist vor allem hier in sehr vielen älteren Häusern technisch nicht machbar, beziehungsweise nur mit sehr hohen Kosten zu realisieren. In strukturschwachen Gebieten können diese den Wert des Gebäudes übersteigen. Dauerhaft verlässliche, technologieoffene Anreize entsprechen den Anforderungen daher am bes­ten. Es ist nicht einzusehen, warum die Bunderegierung zwischen „guten“ und vermeintlich „schlechten“ CO2-Einsparungen unterscheiden will.

IKZ-HAUSTECHNIK:
Welche Einsparungen in Bezug auf CO2 und andere Emissionen verspricht sich die Bundesregierung von dem Öl-Ausstieg?
Adrian Willig: Das müssen sie die Bundesregierung fragen. Gewiss gibt es hinsichtlich alter Öl- und Gasheizungen ein großes Modernisierungspotenzial. Doch gerade weil sich die technischen Voraussetzungen und Anforderungen von Haus zu Haus unterscheiden, weil nicht für jeden Hauseigentümer jede technische Möglichkeit finanziell umsetzbar ist, brauchen wir ein breites Spektrum an Lösungsoptionen. Deswegen ist Technologieoffenheit der beste Weg.

IKZ-HAUSTECHNIK:
Das Handwerk ist nach den Beschlüssen verunsichert. Viele Fachunternehmer werden sich die Frage stellen, ob man einen Ölkessel noch guten Gewissens einbauen kann. Wie beantworten Sie diese berechtigte Frage?
Adrian Willig: Mit einem klaren „Ja“! Neue Ölheizungen werden heute praktisch ausschließlich mit Brennwerttechnik verkauft, die dafür sorgt, dass Heizöl nahezu verlustfrei in Wärme umgewandelt werden kann. Im Rahmen des EU-Energieeffizienzlabels erhalten Öl-Brennwertgeräte mit „A“ eine gleich gute Bewertung wie zum Beispiel Gas-Brennwertkessel. Die Technologie ist zuverlässig und kann, auch nach dem Eckpunktepapier, dauerhaft betrieben werden. Ölheizungen eignen sich gut für die Kombination mit erneuerbaren Energieträgern. Das bedeutet: Handwerker können zusätzlich auch sehr gut zum Beispiel Solarthermie mit verkaufen. Hinzu kommt, dass Ölheizungen selbst auch nicht nur rein fossil betrieben werden müssen. Durch den künftigen Einsatz regenerativer Kraft- und Brennstoffe, wie zum Beispiel fortschrittlicher Biobrennstoffe oder Power-to-X, haben sie eine klimaneutrale Perspektive.

IKZ-HAUSTECHNIK: Im Neubau spielt die Ölheizung längst schon keine Rolle mehr. Derzeit gibt es aber noch einige Millionen Ölheizungen im Bestand. Es ist davon auszugehen, dass Hunderttausende Anlagen noch viele Jahre wenn nicht Jahrzehnte ihren Dienst verrichten werden. Insofern abschließend die Frage: Werden die erwarteten Einsparpotenziale mittelfristig überhaupt realisiert werden können?
Adrian Willig: In Anbetracht der enormen Herausforderungen bei der Wärmewende haben wir in der Tat noch einen Marathonlauf vor uns, keinen Sprint. Und gerade weil die Herausforderungen so groß sind, ist es falsch, mögliche Lösungen auszuschließen. Studien zeigen, dass wir die Klimaziele mit einem breitgefächerten Technologiemix sicherer und günstiger erreichen können. Wichtig sind dabei zunächst schnelle und nachhaltige Effizienzsteigerungen. Neben moderner Öl- und Gas-Brennwerttechnik leistet hier auch die Gebäudedämmung einen großen Beitrag. Erneuerbare Energien sollten bei der Modernisierung so gut wie möglich mit eingebunden werden. Neben Solarthermie und Holz verfügen hier insbesondere noch Photovoltaik-Anlagen über ein erhebliches Potenzial. Diese Maßnahmen können auch schrittweise erfolgen, sodass Hauseigentümer nicht überfordert werden. Der Bedarf an Heizöl oder Erdgas lässt sich dadurch insgesamt um 80 % und mehr senken. Der noch verbleibende Brennstoffbedarf könnte dann langfristig durch neue, weitgehend CO2-neutrale Energieträger gedeckt werden, die die bislang fossilen Produkte zunehmend ersetzen. Dieser erfolgversprechende Weg wird durch die unsinnigen Verbotsankündigungen jedoch eher gefährdet als unterstützt. Eine Sache wird zum Beispiel in der Diskussion sehr gern unterschlagen: Die Treibhausgasminderung bei ölbeheizten Gebäuden beträgt seit 1990 beachtliche 45 %. Der gesamte Gebäudesektor hat im gleichen Zeitraum lediglich eine Emissionsminderung von 38 % erzielt. 

 


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