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Geprüft und zugelassen!?

Auswahl von Bauprodukten im Spannungsfeld Bauordnungsrecht, Zertifizierung, Vertragsrecht

 

Für eine technisch und rechtlich sichere Auswahl von Bauprodukten müssen u. a. Zulassungskriterien und Regelwerksanforderungen berücksichtigt und erfüllt werden. Bauprodukte, die im europäischen Sinne verkehrsfähig sind und damit in der Regel auch bauordnungsrechtlich verwendet werden dürfen, entsprechen nicht immer dem werkvertraglich geschuldeten Standard – den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.). Im Rahmen des Artikels werden u. a. die Bedeutungen und rechtlichen Anforderungen für Zulassung, Konformitätsbewertung und Kennzeichnung von Bauprodukten beleuchtet.

Technische Anforderungen und Normen sind dem Baupraktiker aus vielfältigen Zusammenhängen bekannt. Anforderungen an Bauprodukte und technische Normungen werden vertraglich vereinbart und den Ausschreibungsunterlagen zugrunde gelegt. Zudem werden sie zur Beurteilung von Baumängeln herangezogen und dienen als Basis zur Konkretisierung von Verkehrssicherungspflichten. In diesem Zusammenhang kann jedoch schnell der Überblick in der Flut von MBOs, Bauregellisten, ETBs, ABZs, ABPs, Ü-Zeichen, DIBt-Regelungen, Bauproduktengesetz
(BauPG), allgemein anerkannten Regeln der Technik, EN-Normen, CE-Zeichen, DVGW-Prüfzeichen usw. verloren gehen.
Die Nichteinhaltung der Vorgaben kann weitreichende juristische Folgen haben, angefangenen von zivilrechtlichen Gewährleistungsansprüchen über Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen, bis hin zu Beanstandungsverfahren bei den örtlichen Baubehörden.

Bauproduktenrecht
Das Bauproduktenrecht ist einerseits europarechtlich geregelt, vor allem in der EU-Bauproduktenverordnung. Andererseits finden sich Regelungen dieses Bereiches in der Bundesrepublik Deutschland – aufgrund der bundestaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern – in verschiedenen Vorschriften. Auf Bundesebene gilt das BauPG. Auf der Ebene der Bundesländer sind es die Regelungen in den 16 Landesbauordnungen. In all diesen gesetzlichen Vorgaben wird Bezug genommen auf technische Normen, die von anerkannten privaten Normungsorganisationen ausgearbeitet werden. Auf EU-Ebene das europäische Komitee für Normung (CEN), auf nationaler Ebene die jeweiligen anerkannten Normungsorganisationen (z. B. DIN). Unter diesen Normen gibt es jeweils einfache technische Normen, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen den Technikstandard der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) abbilden und solche, die von den Behörden bauaufsichtlich eingeführt (eingeführte technische Baubestimmungen, ETB) und dann in der Praxis verbindlich umzusetzen sind. Die Nichteinhaltung von ETBs kann dazu führen, dass notwendige bauordnungsrechtliche Genehmigungen versagt werden. ETBs konkretisieren Vorgaben aus den Landesbauordnungen und spielen damit eine ganz besondere Rolle für die Bewertung von Bauprodukten, da – wie schon ausgeführt – die Genehmigungsfähigkeit bzw. Nutzbarkeit von Gebäuden berührt ist.

Überwachung (DIBt)
Die Frage, wer die entsprechenden Regelungen in ihrer Anwendung zu überwachen hat, ist ausgesprochen kompliziert geregelt. Auf deutscher Ebene sind die Zuständigkeiten geteilt. Eine wichtige Rolle spielt das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der 16 Bundesländer. Zum einen wirkt das DIBt an der Ausarbeitung von Normen mit und führt zum anderen die Bauregellisten A, B und C. Die Liste der technischen Baubestimmungen schlägt das DIBt hingegen nur vor, da jedes Bundesland eine eigene Liste über Bauarten führt. Auf Landesebene existieren darüber hinaus noch sogenannte Marktüberwachungsbehörden, die dem DIBt aber behördentechnisch nicht unterstellt sind.
Die örtlichen Baubehörden auf Landesebene überwachen dann den Einsatz von Bauprodukten in Bauvorhaben. Eine sogenannte „Zustimmung im Einzelfall“ erteilen die obersten Baubehörden, also die jeweiligen Landesbauministerien. Die vorgenannten Regelungen entwickeln ihre Bedeutung im Bereich der Errichtung von Gebäuden, hier insbesondere im Bereich des Brandschutzes. Geht es um das Thema Trinkwasserhygiene, sind die gesetzlichen Vorgaben zur Hygiene einzuhalten. So verpflichten die Trinkwasserverordnung und die AVBWasserV Planer und Installateure bei der Auswahl der einzubauenden Materialien zur Beachtung der a. a. R. d. T. Dazu darf deren produktspezifische Einhaltung mit dem Zertifikat eines anerkannten Branchenzertifizierers geführt werden. Des Weiteren ist die UBA-Positivliste (Material) zu berücksichtigen.

Europäischer Einfluss
Aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofes wie auch der deutschen Instanzgerichte haben der Praxis vor Augen geführt, dass das deutsche Bauproduktenrecht europarechtlich stark beeinflusst wird. Die zum 1. Juli 2013 in Kraft getretene Bauproduktenverordnung (BauPVO (EU) Nr. 305/2011) löste die Bauproduktenrichtlinie (BPR 89/106/EWG) ab und schränkt auch die Anwendung des Bauproduktengesetzes erheblich ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei den vorgenannten Regelungen primär um das Inverkehrbringen und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten geht. Fernziel ist die Vollendung eines europäischen Binnenmarktes für Bauprodukte.

Deutsches Bauordnungsrecht
Das auf Landesebene geregelte Bauordnungsrecht beschäftigt sich nicht mit der Frage des Inverkehrbringens und dem freien Warenverkehr mit Bauprodukten. Hier geht es um die Verwendung von Bauprodukten, also regelmäßig deren Einbau in ein Vorhaben zur Gebäudeerrichtung. Die Verwendbarkeit von Bauprodukten ist in den einzelnen Landesbauordnungen nach abgestuften Kriterien geregelt. Soweit der Verwendbarkeitsnachweis durch bauaufsichtliche Zulassungen geführt wird, ist die Kompetenz zur Erteilung solcher Zertifikate dem DIBt aufgrund eines entsprechenden Staatsvertrages übertragen.
Die Verwendbarkeit eines Bauproduktes auf Basis des Bauordnungsrechts hat sich an folgender Prüfungsreihenfolge zur orientieren:

  • Bauprodukt mit untergeordneter Bedeutung, das in der Bauregelliste C aufgeführt ist,
  • sonstiges Bauprodukt mit untergeordneter Bedeutung,
  • geregeltes Bauprodukt, für das technische Regelungen in Bauregelliste A eingeführt sind,
  • harmonisiertes Bauprodukt, für das harmonisierte technische Regeln in der Bauregelliste B aufgeführt sind,
  • nicht geregeltes Bauprodukt, das bei Vorliegen einer bauaufsichtlichen Zulassung verwendet werden kann.


Geregelte Bauprodukte sind solche, die konform sind mit technischen Regeln, die in der Bauregelliste A eingeführt worden sind, oder von diesen nicht wesentlich abweichen. Diese Bauprodukte müssen zum Nachweis ihrer Konformität das sogenannte Ü-Zeichen tragen.
Bauprodukte nach harmonisierten Normen sind solche, die konform sind mit technischen Regeln, die nach der (EU) BPR bzw. BauPVO (EU) harmonisiert sind und das CE-Zeichen tragen. Die harmonisierten EN-Normen werden in der Bauregelliste B bekannt gegeben. Bauprodukte nach harmonisierten Normen dürfen ohne weitere Zulassung durch das DIBt verwendet werden, wenn das CE-Zeichen Klassen und Leis­tungsstufen ausweist, die den in der Bauregelliste C festgelegten Klassen und Leis­tungsstufen entsprechen.

EuGH zur Praxis des DIBt
Der EuGH hat am 16. April 2014 [1] festgestellt, dass zusätzliche Anforderungen an europäisch harmonisierte Bauprodukte europarechtswidrig seien. Dazu wurde entschieden, dass Bestimmungen in der Bauregelliste B mit zusätzlichen Anforderungen für europäisch harmonisierte Bauprodukte, die die CE-Kennzeichnung tragen, mit Artikel 4 Abs. 2 und Artikel 6 Abs. 1 der BPR (89/106/EWG) unvereinbar sind. Als Folge wurde die BPR durch die BauPVO, die am 1. Juli 2013 in Kraft trat, aufgehoben. Darüber hinaus finden sich in der BauPVO entsprechende Regelungen, dass in vergleichbaren Fällen mit der Fortführung dieser Rechtsprechung gerechnet werden kann. Grundlage dieser Entscheidung waren Beschwerden verschiedener Hersteller von Bauprodukten aus dem europäischen Ausland bei der EU-Kommission, die daraufhin Deutschland aufgrund von Verletzung des EU-Rechts vor dem EuGH verklagt hat. Den Herstellern waren die zusätzlichen Anforderungen, die das DIBt in der Bauregelliste B an viele CE-gekennzeichnete Bauprodukte stellte, ein Dorn im Auge. Diese Bauprodukte mussten entweder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des DIBt haben oder waren nach den nationalen Prüfvorschriften der Bauregelliste A zu beurteilen und mit einer Übereinstimmungserklärung sowie dem Ü-Zeichen zu versehen. Deutschland hat diese zusätzlichen Anforderungen an solche Bauprodukte mit Lücken und Sicherheitsmängeln in den harmonisierten EN-Normen begründet. Diese Möglichkeit, Lücken in der harmonisierten Normung national nachzuregeln, besteht nicht mehr. Eigenmächtige Maßnahmen durfte Deutschland nicht ergreifen, sondern war verpflichtet, sich strikt an die BPR bzw. jetzt die BauPVO (EU) zu halten.
Zur Stärkung der Glaubwürdigkeit der CE-Kennzeichnung und der Gewährleistung deren effektiven Wirkung sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, jegliche nationalen Maßnahmen in Bezug auf eine andere Konformitätskennzeichnung als die CE-Kennzeichnung zurückzunehmen bzw. künftig zu unterlassen [2].
Verboten sind damit allerdings nur nationale Anforderungen an die Konformitätskennzeichnung im Bereich harmonisierter Normen. Außerhalb des Anwendungsbereiches harmonisierter Normen sind nationale Konformitätsvorschriften weiterhin zulässig.

Meinungen prallen aufeinander
Nach Auffassung des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie führt dieses Urteil zu Qualitätsverlusten bei Bauprodukten. Der Hauptverband sieht die Bundesregierung und die Bauaufsichtsbehörden in der Pflicht, wesentliche Anforderungen an Bauprodukte, die den Schutz von Leben, Gesundheit und Umwelt tangieren, entweder auf europäischer Ebene durchzusetzen oder einen Lösungsweg für eine nationale Regelung zu finden. Die Erfolgsaussichten scheinen aber nicht vielversprechend zu sein. Die EU-Kommission vertritt nämlich die Auffassung, dass Deutschland durch zusätzliche Anforderungen an Bauprodukte, die harmonisierten Normen entsprechen, deren Verkehrsfähigkeit auf dem deutschen Markt einschränkt. Die Begründung der Bundesrepublik für weitere Anforderungen an abschließend harmonisierte Bauprodukte greift nach Auffassung der EU-Kommission und jetzt auch aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH nicht mehr. Deutschland hätte die vorgesehenen Maßnahmen (Beteiligung im Normungsprozess, Einleitung eines Schutzklauselverfahrens) ergreifen müssen, um eine eventuell bestehende Lückenhaftigkeit der europäischen harmonisierten Norm anzugreifen. Von diesen Möglichkeiten wurde jedoch kein Gebrauch gemacht.

Deutsche Rechtsprechung
Auf dieser Linie ist bereits eine vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen im Dezember 2011 gefallen [3], das die Zulassungspraxis des DIBt für rechtswidrig gehalten hat. Das Gericht hat festgestellt, dass die nach EU-Bauproduktenrecht harmonisierten Bauprodukte grundsätzlich den allgemein a. a. R. d. T. entsprechen. Das DIBt sei nicht berechtigt, für diese Produkte eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung zu verlangen. Diese Produkte dürften ohne nationale bauaufsichtliche Zulassung verwendet werden. Zusätzliche nationale Anforderungen an ein harmonisiertes Bauprodukt seien nur zulässig, wenn sie in den europäischen Normen ausdrücklich eröffnet sind. Wenn die Behörden eine Regelungslücke in einer harmonisierten Norm annehmen, dürften sie nur in den nach EU-Bauproduktenrecht geregelten Verfahren (Normüberprüfungs- und Schutzklauselverfahren) vorgehen, nicht aber von den Unternehmen verlangen, eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung einzuholen.

Spannungsfeld für Planer und Installateure
Für Planer und Installateure ergibt sich daraus ein nicht zu gering einzuschätzendes Spannungsfeld. Nationale Anforderungen zur Nachregulierung im Bereich harmonisierter Normen sind unzulässig, sodass entsprechend gekennzeichnete Bauprodukte, die solche Vorgaben erfüllen, bauordnungsrechtlich verwendbar sind.
Berührt ist hier das Verhältnis zwischen Zivilrecht (Werkvertrag) und dem Bauordnungsrecht. Aufgrund entsprechender Regelungen in den Bauordnungen sind Bauprodukte, die einer europäisch harmonisierten Norm entsprechen, verwendungsfähig. Zivilrechtlich stellt sich aber die Frage, ob die Verwendung derartiger Bauprodukte auch zur Erfüllung der insoweit geltenden a. a. R. d. T. führt. Die Meinung in Fachkreisen geht davon aus, dass – z. B. im Bereich des Brandschutzes – europäisch harmonisierte Normen nicht ausreichen, um den Standard der in Deutschland geltenden a. a. R. d. T. zu erfüllen.
Das Werkvertragsrecht, dem Planer und Installateur verpflichtet sind, fordert die Sachmangelfreiheit des Werks. Dies bedeutet die Beachtung der a. a. R. d. T. Die Materialien zur Schuldrechtsreform [4] führen aus, dass die Unternehmer (also Planer und Installateure) auch ohne jegliche Benennung in § 633 BGB die a. a. R. d. T. zu beachten haben.
Diesen Konflikt müssen nun Planer und Installateur lösen, wenn sie sich nicht einer werkvertraglichen Haftung gegenüber dem Auftraggeber aussetzen wollen. Der Verwendung von Bauprodukten, die einer europäischen harmonisierten Norm entsprechen, muss also eine sorgfältige Nachprüfung vorangehen, ob auch der zivilrechtlich geschuldete Standard der a. a. R. d. T. eingehalten werden. Sollten daran Zweifel bestehen, muss eine Aufklärung erfolgen. Für den Fall, dass der Auftraggeber eine Vorgabe für die Materialverwendung macht, sollte in jedem Falle ein Bedenkenhinweis erfolgen. Werden Bauprodukte verwendet, die nicht den a. a. R. d. T. entsprechen, ist dies zivilrechtlich (werkvertraglich) ein Gewährleistungstatbestand und rechtfertigt Mängelbeseitigungsansprüche des Auftraggebers. Sollte mit der Verwendung derartiger Bauprodukte eine Gefährdung Dritter einhergehen, hat eine sorgfältige Abwägung dahingehend zu erfolgen, wie hoch hier ein tatsächliches Gefährdungsrisiko ist.

Trinkwasser und nationale Zertifikate
Ein ähnliches Konfliktpotenzial besteht im Bereich der Verwendung von Materialien in der Trinkwasserinstallation. Auch wenn wir es hier noch nicht mit der Thematik europäisch harmonisierter Produktnormen zu tun haben, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, ob die zum Einsatz kommenden Materialien (Armaturen, Rohrleitungen, Fittinge) im Sinne der einschlägigen Vorschriften verwendbar sind.
Die sich aus der Trinkwasserverordnung sowie der AVBWasserV ergebende Anforderung lautet schlicht: „Einhaltung der a.a.R.d.T.“. Dieser Nachweis kann durch das Zertifikat eines anerkannten Branchenzertifizierers geführt werden. Erteilt werden solche Zertifikate z. B. vom DVGW aufgrund eines festgelegten Zertifizierungsverfahrens.

EuGH versus DVGW-Prüfzeichen
Das deutsche Zertifizierungssystem steht allerdings nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 14. August 2013 [5] auf dem Prüfstand. In dem entschiedenen Fall hatte ein italienischer Fittinghersteller gegen den DVGW auf Erteilung eines DVGW-Zertifizierungszeichens geklagt. Nachdem der Hersteller weitergehend ein Zertifikat für seine Fittinge vom DVGW nicht erhalten hat, erhob er Klage gegen den DVGW. Die Begründung: Ohne erneutes Prüfzeichen seien seine Produkte in Deutschland nicht verkaufsfähig, sodass für ihn damit eine Behinderung des freien Warenverkehrs auf dem EU-Binnenmarkt verbunden sei. Das OLG Düsseldorf hat dazu entschieden, dass das vom DVGW erhobene Verlangen, den Pressfitting des italienischen Herstellers zusätzlichen Tests auszusetzen, gegen das unionsrechtliche Verbot von Einfuhrbeschränkungen verstoße. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei jede Regelung der Mitgliedsstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen und daher verboten [6].
Weiter entschied der EuGH, dass ein Mitgliedstaat gegen die ihm nach Artikel 34 AEUV [7] obliegenden Verpflichtungen verstoße, wenn er ohne triftige Rechtfertigung die Wirtschaftsteilnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und/oder vertriebene Produkte in seinem Hoheitsgebiet vertreiben wollen, dazu veranlasst, nationale Konformitätskennzeichen zu erwerben. Artikel 34 AEUV enthalte das Verbot, solche Produkte von einem Vertrieb in dem betreffenden Mitgliedstaat auszuschließen, wenn es in einem anderen Mitgliedstaat nach den dort geltenden Bestimmungen zum Vertrieb (in Verkehr bringen) zugelassen ist [8].
Im Ergebnis wurde der DVGW verpflichtet, ohne Zertifizierungsverfahren gleichwohl das DVGW-Zertifikat zu erteilen, weil ohne dieses Zertifikat dem italienischen Hersteller der Zutritt auf den deutschen Markt erheblich erschwert worden wäre.

Was bedeutet dies für Planer und Installateure?
Auch wenn sich diese Entscheidung zunächst nicht heute und nicht morgen auf das Thema Materialauswahl groß auswirken wird, wird sich doch dem Praktiker künftig die Frage stellen, welchen Nachweis ein Zertifikat für ein aus dem europäischen Ausland stammendes Bauprodukt zum Einsatz im Trinkwasser hat. Die Erteilung eines Zertifikates, um damit den europarechtlichen Anforderungen an die Warenverkehrsfreiheit zu entsprechen, kann nicht der Führung des Nachweises dahingehend dienen, ob dieses Produkt dann auch den inländisch vorgegebenen Anforderungen nach Einhaltung der a. a. R. d. T. entspricht. Es wird also bei dem Einsatz derartiger Materialien eine jeweils im Einzelfall vorgenommene Überprüfung zu erfolgen haben, die sich wahrscheinlich nicht wenig anspruchsvoll gestaltet. Auch hier sollte eine Aufklärung des Auftraggebers bei dem Wunsch nach Einsatz eines betroffenen Materials erfolgen.

Fazit
Europa beeinflusst nachhaltig die Kriterien für die sichere Auswahl von Bauprodukten. Einerseits geschieht dies über die zunehmende europäisch harmonisierte Normung. Anderseits wird auch das Urteil des EuGH zum deutschen Zertifizierungswesen sicher nicht ohne Folgen bleiben.
Die Meinung in Fachkreisen geht weitgehend davon aus, dass europäisch harmonisierte Normen nicht ausreichen, um den Standard der in Deutschland geltenden a. a. R. d. T. zu erfüllen. Die Möglichkeit, Lücken in der harmonisierten Normung national nachzuregeln, besteht nicht mehr. Diesen Konflikt müssen Planer und Installateur nun lösen, wenn sie sich nicht einer werkvertraglichen Haftung gegenüber dem Auftraggeber aussetzen wollen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich zu prüfen, ob das zum Einsatz vorgesehene Produkt dem werkvertraglichen Standard der a. a. R. d. T. entspricht.

Literatur:
[1]    EuGH, 16. April 2014, RS C-100/13
[2]    Artikel 8 Abs. 3 und Absatz 2 BauPVO (EU) Nr. 305/2011
[3]    Urteil vom 10. Dezember 2011, Az: 9 K 906/10
[4]    BR-Drucksache 14/4060, Seite 261; Urteile des BGH vom 7. März 2013, Az: VII ZR 134/12 und vom 10. Juli 2014, Az: VII ZR 55/13
[5]    OLG Düsseldorf vom 14. August 2013, 2 U (Kart) 15/08
[6]    EuGH, 12. Juli 2012, Az: C - 171/11
[7]    Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
[8]    vgl. EuGH, Entscheidung 10. November 2005, Az: C - 432/03

Autor: Thomas Herrig, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin

www.raherrig.de

 


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