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Energetische Modernisierung im Baubestand: erst die Dämmung der Gebäudehülle, dann der Kessel?

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) ist seit Jahren in der SHK-Branche allgegenwärtig. Das Papier schreibt vor, wie viel Heizenergie ein gerade geplantes Gebäude maximal verbrauchen darf. Erst im Herbst dieses Jahres wurde eine verschärfte EnEV (-30%) in Kraft gesetzt. Und die nächste Anpassung ist bereits für das Jahr 2012 ins Auge gefasst - ebenfalls mit -30%.

Doch die EnEV wird bis auf wenige Ausnahmen nur auf den Neubaubereich angewendet. Der Gebäudebestand bleibt auf der Strecke, obschon hier das viel größere Einsparpotenzial steckt. Gerade 1% aller Gebäude entspricht dem Neubaustandard. 99% könnten ener­getisch modernisiert werden, um den Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser signifikant zu senken. Nicht nur die Besitzer und Mieter würden finanziell profitieren, auch die Umwelt: Sie würde mit weniger Kohlendioxid belastet.

Stellt sich die Frage, welche Modernisierungsmaßnahme nachhaltig und effektiv ist. Zwei Fraktionen stehen sich da gegenüber: die Heizungsbranche und die Dämmstoffindustrie, vertreten durch deren Gesamtverband. Er startet im Sommer eine Info-Kampagne unter dem Titel "Gut gedämmt - Geld gespart!" Ziel der Aktion ist und war es, das Dämmen von Fassade, Dach und Geschossdecken als erste und wichtigste Maßnahme im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und eine entsprechende Nachfrage auszulösen.

Das hat den BDH (Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V.) auf den Plan gerufen. Die Interessenvertretung nämlich sagt etwas ganz anderes. Wenn es nach ihr ginge, würden zuallererst die alten Kessel gegen hochmoderne Brennwertgeräte ersetzt, erst dann wäre das Gebäude dran.

Was ist nun von der GDI-Initiative zu halten, die das Dämmen der Gebäudehülle als Grundlage einer jeden energetisch sinnvollen Modernisierung ansieht?

 

Um diese Frage richtig zu beantworten, hilft der Blick ins vergangene Jahr. Wir haben’s schon fast vergessen (oder verdrängt): Die Ener­­giepreise stiegen 2008 auf absolute Rekordwerte. Ganz Deutschland wurde auf einen Schlag klar, dass es künftig vor allem ums Energiesparen gehen muss, genauer gesagt um eine höhere Energieeffizienz. Ener­gieeffizienz - das ist der Schlüsselbegriff für unsere Zukunft, auch wenn Öl und Gas derzeit etwas günstiger zu haben sind als vor zwölf Monaten.
Renommierte Wissenschaftler wie der Münchner Professor Gerd Hauser haben nachgewiesen, dass das Potenzial der Ener­gieeffizienz-Steigerung etwa um den Faktor 10 höher ist als das der Erneuerbaren Energien. Damit sollen Sonne, Wind und Wasser keineswegs schlecht geredet werden, sondern es geht um die optimale Reihenfolge der Maßnahmen. Hier bezieht auch der bekannte Architekt Dr. Burkhard Schulze Darup ganz klar Stellung: "Dämmung und Wärmeschutz stehen an erster Stelle und übertreffen in ihrer Wirtschaftlichkeit gebäudetechnische Investitionen in Solarthermie oder Photovoltaik um ein Vielfaches." Er weiß, wovon er spricht, denn er hat in zahlreichen Objekten energetische Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt und dokumentiert.
Wenn also die Erhöhung der Energieeffizienz das vordringlichste Ziel der nächsten Jahr(zehnt)e im Bestandsbau ist, dann kann die Antwort auf die hier eingangs gestellte Frage nur JA lauten. Die Dämmung der Gebäudehülle ist ganz klar die Nummer 1 bei der Reihenfolge energetischer Modernisierungsmaßnahmen. Die Gründe dafür:

  • Über die ungedämmte Gebäudehülle (Fassade, Dach, Decken) geht in Bestandsbauten mit Abstand die meiste Wärme verloren. Entsprechend ist hier der Einspareffekt durch eine hochwertige und fachgerecht installierte Dämmung auch am höchsten.
  • Unabhängig vom Alter und vom technischen Zustand der Heizungsanlage leistet Dämmung vor allem eines: Es wird vom ersten Tag an wirkungsvoll Energie gespart, die Heizkosten sinken. Davon profitiert nicht nur der Hausbesitzer direkt, es profitieren auch die Umwelt und der Klimaschutz, weil weniger verbrauchte Heizenergie auch weniger CO2- und Schadstoffemissionen bedeutet.
  • Die wenigsten Hausbesitzer können oder wollen sich eine Komplettsanierung in einem Zug leisten, sie gehen lieber schrittweise vor. Logischerweise beginnt man mit der Maßnahme, die am meisten Ener­gie spart. Das durch die Dämmung und den nachfolgend sinkenden Energieverbrauch schon im ersten Winter nicht benötigte Geld kann für spätere Modernisierungsmaßnahmen verwendet werden.
  • Auch wenn die Heizungsanlage ausgetauscht werden soll oder muss, ist die vollständige Dämmung der Gebäudehülle zeitlich vorzuziehen. Nur so ist gewährleistet, dass als Rechenbasis für die Dimensionierung einer neuen Heizung die tatsächlich im jetzt gedämmten Haus erzielten (nie­drigeren) Verbrauchswerte herangezogen werden. Entsprechend kleiner kann folglich die Heizungsanlage ausfallen.


Diesen Argumentationszusammenhang versteht jeder Hausbesitzer. Spätestens eine für ihn ebenso notwendige wie im wahrsten Sinne des Wortes gewinnbringende Energieberatung durch einen geschulten und zertifizierten Profi wird in aller Regel zu den gleichen Ergebnissen kommen.

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Wärmedämmung ist eine wichtige, richtige und vernünftige Sache. Deshalb kann es hier nicht darum gehen, gegen die Dämmung zu plädieren. Aber sie ist häufig nicht der Königsweg, um Gebäude energetisch zukunftsfähig zu machen.
Bei Neubauten geht es um eine optimale Abstimmung der Gebäudeeigenschaften mit der Anlagentechnik. Wenn hier ein ökologisches und ökonomisches Optimum gesucht wird, ist die Devise einer maximalen Wärmedämmung fehl am Platz. Vielmehr bietet in einem sehr gut gedämmten Haus die Kombination mit einer hoch effizienten Anlagentechnik die bestmögliche Lösung.
Viel wichtiger als der Neubau ist für die Herausforderungen der kommenden Jahre die Sanierung der Bestandsgebäude.
Nehmen wir als Beispiel ein Einfamilienhaus aus den 1970er-Jahren mit rund 200m2 Fläche, baujahrtypisch gedämmt, mit Doppelglasfenstern und einer Heizungsanlage auf dem damaligen Stand der Technik. Um ein solches Gebäude auf den Standard eines Niedrigenergiehauses zu bringen, muss ein Hausbesitzer rund 100000 Euro in die Sanierung und die nachträgliche Wärmedämmung investieren. Im Gegenzug werden rund 100 Euro pro Monat an Energiekosten eingespart. Das ergibt eine Amortisationszeit von 83 Jahren. Eine neue Brennwert-Heizungsanlage ist für weniger als 10.000 Euro zu haben und spart selbst ohne den Einsatz von Solarwärme oder anderen regenerativen Quellen rund 30% Energie. Diese Investition wird sich damit in deutlich weniger als zehn Jahren bezahlt machen.
Natürlich unterscheiden sich die Werte von Gebäude zu Gebäude. Aber das Beispiel zeigt deutlich das Problem: Wärmedämmung ist im Bestand als alleinige Lösung wirtschaftlich nicht darstellbar. Es ist trotzdem vernünftig, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob - und gegebenenfalls welche - Dämmmaßnahmen sinnvoll und bezahlbar sind, aber im Gebäudebestand wird es in aller Regel ohne die Modernisierung der Heizungsanlage kein wirtschaftlich vernünftiges Ergebnis geben.
Der Gebäudebestand ist klimapolitisch der entscheidende Hebel. Die aktuelle Neubauquote in Deutschland liegt bei weniger als 1% des Gebäudebestands.
Auch die Behauptung, bei der energetischen Gebäudemodernisierung spiele die Reihenfolge eine entscheidende Rolle, trägt zur Verunsicherung bei. Wer zuerst die Heizung saniere und dann das Gebäude dämme, habe am Ende eine zu groß dimensionierte Heizung. Das hat vor grauer Vorzeit aus zwei Gründen gestimmt. Erstens lag der Wärmebedarf für die Heizung bei Gebäuden höher als für die Warmwasserbereitung - und zweitens waren die Wärmeerzeuger selbst so schlecht isoliert, dass auch in Ruhezeiten viel Wärme verloren ging. Das ist heute natürlich anders. Die erforderliche Leistung für die Warmwasserbereitung ist heute typischerweise höher als die für die Heizwärme. Deshalb entscheidet meist der Warmwasserbedarf über die Dimensionierung der Anlage. Sollte dann im zweiten Schritt das Gebäude saniert werden, bleibt die Effizienz eines modernen Wärmeerzeugers unverändert hoch.
Welche Diskussion auch immer dafür verantwortlich ist - wenn die Verbraucher aus Verunsicherung nichts unternehmen, ist das die schlechteste aller denkbaren Entwicklungen.

 


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