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Eine Frage der Integrationsstrategie - Solarwärme in Industrie und Gewerbe

Viele Industrielle Prozesse benötigen Wärme auf recht niedrigem Temperaturniveau, somit bieten sie ein gutes Einsatzgebiet für Sonnenkollektoren. Seit August 2012 bewilligt der Staat Fördergelder, die bis zu 50% der Investitionskosten abdecken. Je komplexer die Prozesse werden, desto mehr Fachkenntnisse sind allerdings in der Planung gefragt. Denn nur wer einen Prozess gut kennt, weiß, wie man Solarwärme am besten einbindet. Und nur wenn das gelingt, lohnt sich die Anlage.

Bei der Autowaschanlage Solarwash in Lübeck bleibt im Sommer der Kessel aus. Vorteil für die Solaranlage: Autos werden meist bei schönem Wetter gewaschen und die benötigten Temperaturen liegen bei 50°C. Bild: Solarwash

Die Kollektoren auf dem Dach der Laguna-Wäscherei in Marburg sind mit einer doppelten transparenten Abdeckung versehen. Einige besitzen zusätzlich noch einen Reflektor. Der Vergleich der Kollektoren mit und ohne Reflektor gehörte zum Forschungsprojekt „RefleC“. Bild: Stefan Heß/Fraunhofer ISE

Brauereien eignen sich meist gut für den Einsatz von Solarwärme: Die Temperaturen sind nicht allzu hoch und der Bedarf steigt bei sonnigem Wetter. Bild: Bastian Schmitt/Universität Kassel

Damit der Tunnelpasteur in Valenzia mit Solarwärme versorgt werden kann, hat die Heineken Brauerei die Wärmetübertragerflächen vergrößert. Bild: AEE Intec

 

Das Potenzial von Solarwärme in der Industrie ist recht hoch. Etwa 3,1% des industriellen Wärmebedarfs könnte man in Deutschland technisch sinnvoll mit der Sonne decken, haben Wissenschaftler der Uni Kassel 2011 in einer Studie* ausgerechnet. In absoluten Zahlen heißt das: Hier gibt es einen Markt für 35 Mio.m² Sonnenkollektoren – etwa drei Mal so viel, wie bisher in ganz Deutschland installiert sind. Es lohnt sich also, diesen Markt näher unter die Lupe zu nehmen.
Vor allem in der Lebensmittelindustrie gibt es viele Prozesse, die bei niedrigen Temperaturen ablaufen. Ähnlich sieht es in der Textilindustrie aus. Viele Waschprozesse kommen ebenfalls mit niedrigen Temperaturen aus, und können daher mit Solarenergie betrieben werden. In der Kasseler Studie sind die meisten Waschprozesse allerdings gar nicht erfasst, denn Autowaschanlagen und Wäschereien zählen als Dienstleistungsbetriebe und nicht als Industrie.

Autowaschanlagen: Unkomplizierte Einbindung

Sonnenkollektoren und Autowaschanlagen können eine sinnvolle Kombination sein. Schließlich waschen die meisten Kunden ihr Auto dann, wenn die Sonne scheint. Auch die benötigte Temperatur von ca. 50°C kann die Solaranlage problemlos liefern. Im Vergleich zu den meisten Industrieprozessen ist die Prozessführung eher unkompliziert.
Ein Beispiel ist die Autowaschanlage „Solarwash Lübeck“, die seit 2007 das Wasser mithilfe von Sonnenkollektoren erwärmt. 100m² Kollektorfläche und 1500l Speichervolumen sorgen dafür, dass der installierte Gaskessel von März bis Oktober stillsteht. An die Kollektorfläche hat man sich in mehreren Ausbaustufen herangetastet – zwei mal 40 und einmal 20m² Kollektoren wurden nacheinander installiert, bis im Sommer kein Gas mehr gebraucht wurde.
Rund 50000 Euro hat die Solaranlage inkl. der Installation gekostet. Gefördert wurde sie 2007 im Rahmen der Innnovationsförderung des Marktanreizprogramms. Der genaue Ertrag ist allerdings schwerer in Zahlen zu erfassen. Die Gaskosten sind zwar auf etwa ein Viertel der früheren Kos­ten gesunken. Allerdings kann nicht die gesamte Ersparnis auf die Solaranlage zurückgeführt werden, da gleichzeitig auch wassersparende Waschprozesse eingeführt wurden. Somit muss deutlich weniger Wasser erwärmt werden als zuvor. Auf der anderen Seite sind die Betreiber überzeugt, dass der Imagevorteil durch die Solaranlage ihnen deutlich mehr Kunden beschert.

Wäschereien: Komplexe Prozesse

Schon deutlich komplexer sehen die Prozesse in einer Wäscherei für Textilien aus. Viele Waschprozesse laufen zwischen 60 und 90°C ab. Wenn die Waschmaschinen anlaufen, muss in sehr kurzer Zeit sehr viel warmes Wasser bereitstehen. Dieses wird normalerweise in einem Schüttspeicher bereitgehalten. In der Wäscherei Laguna im hessischen Marburg, die mit solarer Unterstützung arbeitet, liegt diese Temperatur bei 60°C. Ist heißeres Wasser gefragt, leitet man zusätzlich Dampf aus einem Dampfnetz direkt ins Waschwasser.
Um die Solarwärme möglichst effizient einzubinden, gilt es nun, die Stellen auszumachen, an denen man Wärme mit nie­drigem Temperaturniveau sinnvoll nutzen kann. Zum einen kann man mit der Solarwärme das Waschwasser vorwärmen. Als nächstes bietet sich das Kesselzusatzwasser an. Es muss von 20°C auf bis zu 90°C erwärmt werden, bevor es im Kessel verdampft werden kann. Auch das sind noch recht günstige Arbeitsbedingungen für die Solaranlage.
Da es sich bei dem Projekt der Wäscherei Laguna um ein Forschungsprojekt handelt, ging man noch einen Schritt weiter. Auch für die Speisewasservorwärmung wird Solarwärme eingesetzt. Wann immer die Sonnenstrahlung es erlaubt, wärmt die Solaranlage das Speisewasser auf 120°C vor. Die Wärme von der Solaranlage wird dann in einen Hochtemperaturspeicher abgegeben. Im Winter und bei trübem Wetter konzentrierte man sich auf die anderen beiden Prozesse.
Um die hohen Temperaturen für die Speisewasservorwärmung zu erreichen, wurden spezielle Kollektoren eingesetzt: zum einen 16m² Flachkollektoren mit doppelter transparenter Abdeckung (Glasscheibe plus transparente Kunststoff­folie), zum anderen waren gut 40 m² Kollektoren zusätzlich mit einem einfachen Reflektor ausgestattet. Die Messwerte zeigen, dass diese recht einfache Konstruktion vor allem bei höheren Temperaturen deutlich bessere Erträge bringt als Kollektoren ohne Reflektoren.
Insgesamt machen die solarunterstützten Prozesse knapp ein Zehntel des Wärmebedarfs der Wäscherei aus. Im Mittel eines Jahres und im Schnitt über die unterstützten Prozesse erreichte die Anlage einen solaren Deckungsgrad von 23% und dadurch eine Gasersparnis von etwa 2%. Allerdings fällt der Deckungsanteil sehr unterschiedlich aus: Bei der Speisewasservorwärmung sind es 0,4%, bei Waschwasser 30% und beim Kesselzusatzwasser 38%.
Das Projekt brachte den Wäschereibetreibern aber schon am Anfang einen größeren Nutzen ein. Anlässlich der Planung der Solaranlage schaute man sich die benötigten Wärmeprofile und den Gasverbrauch genau an. Dabei zeigte sich, dass es unnötig große Lastspitzen gab, da zu viele Prozesse gleichzeitig liefen. „Es wurden nur Kleinigkeiten an der Betriebsführung geändert. Aber allein das hat dazu geführt, dass einer von zwei Gaskesseln stillgelegt werden konnte, der bis dahin die meiste Zeit im Standby lief“, berichtet Stefan Hess vom Fraunhofer ISE. 8% des bisherigen Gasbedarfs hat man alleine durch diese Optimierung gespart.

Brauereien als ideales Einsatzgebiet

Brauereien sind oft nahezu ideal für den Einsatz von Sonnenkollektoren. Die benötigten Temperaturen sind niedrig, das Produktionsmaximum liegt im Sommer und der Anteil von Wärme im Verhältnis zu Strom ist recht hoch. Bei Prozessen, in denen es neben dem hohen Wärmebedarf einen hohen Strombedarf gibt, lohnt sich Solarthermie in Deutschland selten. Aufgrund der hiesigen Randbedingungen in der Stromwirtschaft sind dabei oft Blockheizkraftwerke so attraktiv, dass sie sich allein über den produzierten Strom innerhalb von wenigen Jahren amortisieren.
Die Hofmühl-Brauerei im bayrischen Eichstätt und die Hütt-Brauerei im hessischen Kassel-Baunatal waren die ersten Brauereien in Deutschland, die Solarwärme in ihre Prozesse einbanden. Die beiden Anlagen wurden im Rahmen des Förderprogramms „Solarwärme2000plus“ vom Bundesumweltministerium unterstützt.
Auf zwei Dächern der Hofmühl-Brauerei sind insgesamt 835 m² Vakuumröhrenkollektoren installiert. Sie sind mit schwach konzentrierenden Reflektoren (CPC = Compound Parabolic Collector) ausgestattet, sodass sie die Solarwärme-Ringleitung mit 110°C heißem Wasser speisen können. Von dort aus wird zuerst die Flaschenwaschanlage (90°C) versorgt und dann Brau- und Brauchwasser auf 60 bis 90°C erwärmt. Zuletzt kommt die Raumheizung mit 45 bis 65°C an die Reihe. Besonders luxuriös für die Solarplaner: Die Kapazität der Brauerei erlaubt eine gewisse Flexibilität bei den Produktionszeiten – es wird also dann am meisten gebraut, wenn die Sonne scheint.
Mit 155m² Flachkollektoren und 10m³ Speichervolumen ist die Solaranlage in Kassel-Baunatal deutlich kleiner. Sie wärmt lediglich das Brauwasser vor.
Ein neueres Beispiel ist der Brauriese Heineken. Das Unternehmen lässt gleich drei seiner Standorte mit Sonnenkollektoren ausstatten: jeweils eine Brauerei in Valencia (Spanien) und Göß (Österreich) sowie eine Mälzerei in Vialonga (Portugal). Die EU gibt einen Zuschuss von 50% zu den Investitionskosten. Auch an diesen Projekten zeigt sich, wie Solaranlage und Prozess aneinander angepasst werden können. Denn obwohl die eigentlichen Prozesse keine allzu hohen Temperaturen benötigen, wird die Wärme in einem Dampfnetz transportiert. Würde die Solaranlage in dieses Netz einspeisen, müsste sie unnötig hohe Temperaturen erzeugen und der Solarertrag würde darunter leiden. Setzt man dagegen die Temperatur der Wärmezulieferung herunter, sinkt die Wärmeleistung und die Aufheizprozesse würden zu lange dauern. Es müssen also neue Wärmeübertrager her. In der österreichischen Heineken-Brauerei in Göß beispielsweise heizte man die Maischpfanne bisher mit einem Wärmeübertrager aus Rohrschlangen auf, die von außen auf die Pfanne geschweißt waren. Der neue Wärmeübertrager liegt im Inneren der Maischpfanne, sodass die Wärme besser übertragen wird. Das Trägermedium strömt durch eine strukturierte Platte, die den Rand der Pfanne auskleidet. Die Rührwerke in der Maischpfanne sind so angepasst worden, dass sich die Wärme optimal in der Maische verteilt. Der außen liegende Wärmetauscher wird im normalen Betrieb nicht mehr genutzt.

Fazit

Benötigt ein Kunde viel Wärme auf niedrigem Temperaturniveau, lohnt es sich, den Einsatz von Solarwärme mithilfe eines Schnellchecks zu prüfen. Liefert bisher ein Ölkessel die Wärme, rentiert sich der Einsatz von Solarwärme mit der neuen Förderung fast immer. Ist man nicht sicher, ob die Anlage gefördert werden kann, sorgt eine Vorabanfrage** beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) für Klarheit. Stehen auch Effizienzmaßnahmen an, sollten diese vor der Solaranlage umgesetzt bzw. berücksichtigt werden, denn eine überdimensionierte Solaranlage arbeitet ineffizient. Bei der Entscheidung sollte man als Maßstab der Wirtschaftlichkeit nicht die Amortisationszeit zugrunde legen, sondern die erwartete Rendite. Da Solarthermieanlagen langlebige Investitionsgüter sind, fällt diese oft besser aus, als es die Amortisationszeit vermuten lässt.


Solare Prozesswärme im „Schnell-Check“

Um einen Eindruck zu bekommen, ob Solarwärme für einen bestimmten Prozess infrage kommt, sollte man zunächst die folgenden Kriterien überprüfen, die die Teilnehmer des EU-Programms SO-PRO erarbeitet haben:

  • Wird Prozesswärme mit Temperaturen unterhalb von 80 °C benötigt?
  • Ist eine ausreichende Fläche vorhanden, um die Kollektoren zu installieren (z.B. Flachdach, Schrägdach, mindestens 50m²)?
  • Sind diese Flächen tendenziell nach Süden orientiert und ohne nennenswerte Verschattung?

Trifft eines davon NICHT zu, ist es unwahrscheinlich, dass Solarwärme an dieser Stelle wirtschaftlich ist.

Treffen alle zu, sollte man die folgenden Kriterien überprüfen:

  • Wird die Prozesswärme (vorwiegend) von März bis September benötigt?
  • Wird Prozesswärme an mindestens fünf Tagen pro Woche benötigt?
  • Ist genug Raum (z.B. Lagerraum, Abstellfläche) zur Installation von Pufferspeichern (mindestens 10m³) vorhanden?
  • Ist in den nächsten Jahren eine Erweiterung oder ein Umbau der Produktionsstätten-/anlagen geplant?
  • Ist die Nutzung von Abwärme aus anderen Prozessen/Systemen wie Kompressoren oder Rückkühlwerken, Economizern ausgeschlossen oder bereits ausgeschöpft?
  • Ist eine Amortisationszeit in Energieversorgung von über fünf Jahren akzeptabel?
  • Sind stabile Energiekosten ein entscheidender Faktor für das Unternehmen?
  • Gibt es im Unternehmen ein grundsätzliches Interesse an der Nutzung Erneuerbarer Energien (Umwelt/Klimaschutz, CO2-Reduktionsziele, Imagewert)?

Je mehr dieser Kriterien zutreffen, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich solare Prozesswärme für diesen Fall lohnt. Diese Checkliste dient nur der ersten Orientierung. Eine gründliche Prüfung im Anschluss ist unumgänglich.
Diese Checkliste und weitere Planungshilfen finden sich online unter: www.solar-process-heat.eu/publications/.


*) Solare Prozesswärme an der Uni Kassel – Potenzialstudie, Leitfaden und Branchenkonzept für Solarwärme in Brauereien: www.uni-kassel.de/fb15/ite/solar/downloads/



Autor: Eva Augsten, freie Journalistin

 


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