„Die Umsetzungsgeschwindigkeit der F-Gase-Verordnung ist nicht marktgerecht“
Auswirkungen und Aussichten rund um das Kältemittel-Verbotsverfahren
Die Umsetzung der F-Gase-Reduzierung hat seit Mitte des letzten Jahres sowohl für Anlagenbetreiber als auch Anlagenerrichter zum Teil massive Auswirkungen mit sich gebracht. Im Vordergrund stehen dabei Versorgungsengpässe einiger Kältemittel und damit verbundene Preissteigerungen. Die IKZ-Redaktion sprach mit Kai Michael Kuder, Vizepräsident des VDKF (Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe e. V.) über die derzeitige Situation und möglichen Marktentwicklungen.
IKZ-Fachplaner: In den vergangenen Monaten entstanden Versorgungsengpässe nicht nur bei Kältemitteln mit einem hohen Treibhauspotenzial, wie z. B. R404A bzw. R507, die aufgrund ihrer Klimaschädlichkeit allmählich vom Markt genommen werden sollen, sondern auch bei anderen Kältemitteln wie R134a. Wie ist die derzeitige Situation? Und wie wird sich die Lage weiterentwickeln?
Kai Michael Kuder: Die Situation ist insbesondere für R404A/R507 nach wie vor extrem angespannt, während R134a nach unserer Kenntnis meist gut verfügbar ist. Problematisch können jedoch Anlagen mit sehr hohen R134a-Füllmengen (> 300 kg) sein. Bei solchen Anlagen kann es passieren, dass bei Totalverlust der Kältemittelfüllung der Nachfüllbedarf nicht ad-hoc durch einen Lieferanten gedeckt werden kann. Bedenkt man weiterhin wie viele Kraftfahrzeuge mit R134a-Klimaanlagen ausgestattet sind und an die betriebsbedingten schleichenden Kältemittelverluste, so könnte R134a in der näheren Zukunft zum „gasförmigen Gold“ werden.
Die zukünftige Entwicklung der Gesamtsituation ist stark abhängig von der Finanzstärke und der Investitionsbereitschaft der Anlagenbetreiber, welche Anlagen mit großen Mengen R134a/R404A/R507 besitzen. Wenn diese ihre betreffenden Anlagen auf alternative Kältemittel umstellen bzw. diese Anlagen ersetzen, besteht eine gute Chance, dass die Kältemittelreserven für den Betrieb kleinerer Anlagen weitestgehend bis zu dessen Anlagenneu- oder -umbau ausreichen.
IKZ-Fachplaner: Seit welchem Zeitpunkt sind regelmäßige Dichtheitsprüfungen durchzuführen? Und führen diese zu weniger Kältemittel-Emissionen?
Kai Michael Kuder: Im Zuge der FCKW-Halon-Verbotsverordnung aus dem Jahr 1991 ist es damals leider versäumt worden, verbindliche Dichtheitsprüfungen und ihre Dokumentation festzuschreiben. Aus den Herstellervorschriften, dem VDMA-Einheitsblatt 24186 T3 „Leistungsprogramm für die Wartung von technischen Anlagen und Ausrüstungen in Gebäuden“ und anderen Quellen konnte zwar eine Dichtheitsprüfung abgeleitet werden, aber es bestand eben keine Pflicht zu derselben. Mit der Einführung der EG-VO 2037/2000 vom 29. Juni 2000, welche die Verwendung ozonabbauender FCKW- und H-FCKW-Kältemittel regelt, wurden zwar Termine für regelmäßige Dichtheitsprüfungen festgelegt, die Umsetzung dieser EU-Verordnung in Deutschland erfolgte jedoch erst mit der Chemikalien-Ozonschichtverordnung im Jahr 2006. Für die sogenannten F-Gase (FKW- und H-FKW-Kältemittel) wurde die Pflicht zu regelmäßigen Dichtheitsprüfungen mit der EU-VO 842/2006 eingeführt, gültig seit Juli 2007 und im Jahr 2008 mit der Chemikalien-Klimaschutzverordnung umgesetzt. Der VDKF sammelt in diesem Zusammenhang seit 2009 Daten zur Dichtheit und kann anhand statistischer Auswertungen belegen, dass Anlagen, die gewartet und instandgesetzt werden, im Verhältnis zu Anlagen ohne regelmäßige Wartungen nur sehr geringe Leckageraten aufweisen.
IKZ-Fachplaner: Gehen Anlagenbetreiber den gesetzlich geforderten Dichtheitsprüfungen nach? Wird dies zudem von behördlicher Seite kontrolliert?
Kai Michael Kuder: Trotz der jetzt bestehenden Prüfpflicht ist dies einigen Betreibern nach wie vor egal, da es – und hier mag es Unterschiede in den einzelnen Bundesländern geben – meist keine behördliche Instanz gibt, die die Einhaltung umfassend und wiederkehrend kontrolliert.
IKZ-Fachplaner: Wie bewerten Sie das aktuelle Kältemittel-Verbotsverfahren?
Kai Michael Kuder: Sicherlich führt das Kältemittel-Verbotsverfahren zur Entwicklung neuer und auch besserer Technologien. Die Umsetzungsgeschwindigkeit der F-Gase-Verordnung ist derzeit aber nicht mehr marktgerecht. Wir erleben Ähnliches im Autosektor, wenn hier die weltgrößten Automobilhersteller den Vorgaben der Verordnungsgeber kaum mehr folgen können, dann stimmt etwas Grundsätzliches nicht. Eine Kälteanlage sollte mindestens 20 Jahre lang betrieben werden können, ohne dass ein indirekter Zwang von außen (z. B. R404A nicht mehr verfügbar) zur vorzeitigen Aufgabe der Anlage besteht.
IKZ-Fachplaner: Unterliegen recycelte Kältemittel einer Qualitätsanforderung bzw. -prüfung? Und wo sind sie preislich angesiedelt?
Kai Michael Kuder: Allgemein vorab: Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen recycelten und aufgearbeiteten Kältemitteln. Recycling ist die Wiederverwendung eines rückgewonnenen, das heißt, aus der Anlage abgesaugten Kältemittels im Anschluss an ein einfaches Reinigungsverfahren. Die Qualitätsanforderungen an das Recycling richten sich nach der DIN EN 378 Teil 4. Diese Ware kommt aber aufgrund geringerer Qualität in der Regel nicht in den Verkauf.
Das bei einer Aufarbeitung rückgewonnene Kältemittel wird einer aufwendigen Behandlung durch den Hersteller unterzogen. Es erreicht dabei wieder Eigenschaften, die denen eines ungebrauchten Stoffes gleichwertig sind. Daher haben vom Hersteller aufgearbeitete Kältemittel meist den gleichen Preis wie die Neuware.
IKZ-Fachplaner: Werden synthetische Kältemittel zukünftig weiter das Rennen machen oder wird sich nun der Fokus auf natürliche Kältemittel verschieben? Und welche Mittel werden es voraussichtlich sein?
Kai Michael Kuder: Der Fokus liegt klar bei den natürlichen Kältemitteln Propan, Ammoniak und Kohlendioxid. Aber ganz ohne synthetische Kältemittel wird es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gehen. Und hier dominieren zurzeit R449a, R452a und R513a.
IKZ-Fachplaner: Wasser als Kältemittel ist in diesem Zusammenhang aufgrund seiner Einsatzgrenzen sicher als Exot zu betrachten. Könnte es dennoch eine zumindest beschränkt einsetzbare Lösung sein? Welche technischen Hürden sind dabei noch zu nehmen?
Kai Michael Kuder: Nach unserem Kenntnisstand ist Wasser als Kältemittel möglich, aber so eingeschränkt praktikabel, dass wir diese Technologie nicht bewerten wollen.
IKZ-Fachplaner: Ist zu erwarten, dass es zukünftig abseits der bekannten Kältemittel-Alternativen weitere Neuentwicklungen geben wird? Wenn ja, welche Hürden müssen dafür überwunden werden?
Kai Michael Kuder: Hierzu liegen uns keine konkreten Informationen vor. Tatsache ist aber, dass bei neuen Kältemitteln auch deren Auswirkungen auf die mechanischen Komponenten einer Kälteanlage geprüft werden müssen. Und hier gilt zu beachten, dass die Prüfzeit für die Freigabe beispielsweise eines Verdichters rund zwei Jahre beträgt. Die gesamte Prozesskette ist somit langwierig. Dazu noch ein Beispiel: Das Kältemittel R410a wurde um das Jahr 2000 mit den passenden Geräten vorgestellt und auf den Markt gebracht. Anfänglich gab es für mehrere Jahre keine und bis heute nur eine geringe Anzahl an R410a-Systemkomponenten am Markt frei zu kaufen.