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Die Basis guter (Raum-)Luftqualität: Die neue VDI-Richtlinie 6022 im Überblick

Die VDI-Richtlinie 6022 wurde 1998 erstmalig mit dem Ziel herausgegeben, der öffentlichen Diskussion um Erkrankungen durch Klimaanlagen entgegenzutreten. Die damalige Ausgabe war auf die Instandhaltung von RLT-Anlagen konzentriert. Mit der Ausgabe 2006 kamen dann Erfahrungen aus Hygieneinspektionen sowie weitere Aspekte der Planung und Errichtung von RLT-Anlagen hinzu. Im Juli 2011 wurde die Richtlinie unter dem Titel „Raumlufttechnik, Raumluftqualität“ neu veröffentlicht. Berücksichtigt werden jetzt neben den geänderten Grundlagen in der europäischen Normung auch Aspekte der Raumluftqualität. Dadurch ergibt sich eine Ausweitung des Geltungsbereichs über die RLT-Anlage hinaus bis zur Atemluft im Raum.

Die korrodierte Kondensatwanne dieser Lüftungs-/Klimaanlage zeigt, dass es immer noch dringenden Bedarf gibt, im Sinne der Verbesserung von Lufthygiene zu handeln.

Außenluftansaugung neben Müllcontainer.

Verschmutzter und korrodierter Kanal.

Sauberer Kanal – so wie es sein sollte.

 

Wenn es früher in Gebäuden, in denen eine RLT-Anlage installiert war, zu Befindlichkeitsstörungen gekommen ist, war oft das bloße Vorhandensein einer solchen Anlage ein allgemein gültiger Erklärungsansatz für die Störungen. Mittlerweile hat sich jedoch verstärkt die Erkenntnis durchgesetzt, dass es auf die Beachtung elementarer Grundregeln bei der Planung, Konstruktion und Wartung dieser Anlagen ankommt. Die VDI 6022, die erstmalig 1998 unter dem Titel „Hygiene – Anforderungen an Raumlufttechnische Anlagen und Geräte“ erschienen ist, bündelte bereits viele dieser Grundregeln. In der Zwischenzeit hat sie nicht nur in Deutschland, sondern auch im internationalen Umfeld eine hohe Anerkennung erworben. In der Schweiz und in Österreich wurde sie z.B. nahezu unverändert übernommen. Darüber hinaus wurde die Richtlinie in englischer Übersetzung als „Guidebook Nr. 9“ veröffentlicht und hat damit auch die europäische Bedeutung unterstrichen.
RLT-Anlagen, die analog der VDI 6022 konstruiert und überwacht werden, sind nachweislich in der Lage, relevante Mengen von Schadstoffen aus der Luft zu entfernen und damit die Beschwerdeprävalenz der Raumnutzer zu reduzieren. Insoweit dokumentiert die Richtlinie den anerkannten Stand der Technik, den betroffene Gebäudebetreiber zu beachten haben.
Um den sich kontinuierlich entwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen, dem Fortschreiten der Technik und den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden, hat sich der VDI im letzten Jahr entschlossen, in der VDI 6022 alle zum Thema „Hygiene“ vorliegenden Teile zu vereinen. Dazu wurden die einzelnen Teile entweder überarbeitet oder neu erstellt.

Hygieneanforderungen und Prüfung (Blatt 1 und Beiblatt 1.1)
Die VDI 6022 Blatt 1 wurde redaktionell überarbeitet. Das bisherige Blatt 2 der Richtlinie wurde in Blatt 1 integriert. Neu hinzugekommen ist das Beiblatt (1.1), das bereits zum Weißdruck verabschiedet wurde und im Sommer dieses Jahres erscheinen wird, in dem die Zertifizierung von fertig installierten Anlagen geregelt ist.  Damit wird der immer wieder im Markt auftauchenden Zertifizierung von RLT-Komponenten, die die VDI 6022 bisher weder vorgesehen noch gefordert hat, die notwendige Grundlage durch Schaffung neuer Tatsachen entzogen. Das bedeutet, dass eine Komponente, die auf Übereinstimmung mit der VDI 6022 überprüft wurde, keinen Einfluss auf die Zertifizierung der Anlage hat. Nur das erfolgreiche und hygienisch stimmige Zusammenfügen von Bauteilen kann zu einer Zertifizierung gemäß VDI 6022 führen, die vom VDI anerkannt wird. Diese Maßnahme kann im Rahmen der Hygieneerstinspektion durch speziell qualifizierte und geschulte Personen angeboten und durchgeführt werden.

Qualifizierungsmaßnahmen (Blatt 4)
Die notwendige Ausbildung, um sich als Person derart zu qualifizieren („VDI geprüfter Fachingenieur-RLQ“), ist im neuen Blatt 4 festgelegt, das im Juli 2011 als Gründruck erschienen ist. Das Blatt enthält dazu neben den Beschreibungen der seit 1998 bekannten Hygieneschulungen der Kategorie A und B die Eingangsvoraussetzungen, Lerninhalte und Rahmenbedingungen für jede Schulungskategorie. Ebenso ist die Qualifizierung der Schulungsstätten aufgeführt, die im Auftrag des VDI zertifiziert werden. Die Schulung der Kategorie „RLQ“ nimmt in der Regel eine gesamte Woche nebst Prüfung in Anspruch, was auch ein Zeichen für die gewünschte Qualität und Wertigkeit ist.

Beurteilung der Raumluftqualität (Blatt 3)
Ein wesentliches neues Blatt der VDI 6022 ist das Blatt 3, das als Weißdruck ebenfalls im Juli 2011 erschienen ist. Hier wird erstmalig auch der Raum betrachtet und nicht mit der Systemgrenze „Zuluftöffnung“ geendet.
Die Interdisziplinarität bei der Erfassung und Bewertung von Raumluftparametern ist der einzig zielführende Ansatz, um den Hygieneanspruch in Gebäuden sowie die Gesundheit und Zufriedenheit der Nutzer zu erhalten. Diesen Gedanken hat die VDI 6022 Blatt 3 durchgängig, also von der Entwurfsfassung über die Behandlung von Einsprüchen bis zum verabschiedeten Weißdruck, zum wesentlichen Kern gemacht. Dazu werden abgestimmte Parameter mit Beurteilungswerten der Luft aus der Sicht der Hygiene in insgesamt drei Beurteilungsstufen aufgeführt. Die Messparameter sind so ausgewählt, dass deren Erfassung in Stufe 1 für erfahrene Techniker problemlos möglich sein sollte. Hier sind Kohlendioxid, Luftfeuchte und Lufttemperatur aufgeführt. In Stufe 2 wird die Messaufgabe deutlich anspruchsvoller. Hier sollen Raumluftkonzentrationen von Feinstaub (PM 2,5), Kohlenmonoxid, Radon und TVOC ermittelt werden. Aus diesem Grund dürfen diese Messungen nur von entsprechend geschulten Technikern durchgeführt werden. Die Stufe 3 erfordert für die Ermittlung von Schimmelpilzkonzentrationen, Ozon, Formaldehyd und anderen Noxen (Stoffe, die eine schädigende Wirkung auf den Organismus ausüben) eine besondere Qualifikation und Erfahrung des Messenden und auch des nachgeschalteten, analysierenden Labors. Hier sind spezialisierte Sachverständige und Akkreditierungen Grundvoraussetzung für die Schaffung einer soliden Datenlage.
Darüber hinaus ist auch die Beurteilung von Räumen mit besonderer Eignung für Allergiker Inhalt des Blatts 3, um dieser stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe, die in Deutschland mittlerweile rund 30% und bei Kindern sogar 40% ausmacht, gerecht werden zu können. In einer zielführenden Messstrategie muss dazu das Wissen um Allergenträger und Allergenproduzenten, wie auch der Relevanzen einzelner Allergene und deren Wirkungen eingebunden sein.

Ausblick/Fazit
In diesem und den nächsten Jahren werden weitere Blätter, wie „Vermeidung al­lergener Belastungen“, „Dezentrale Luftbefeuchtung“ und „Innenraum-Lufthygiene in Abfallbehandlungsanlagen“ hinzukommen.
Die im Artikel dargestellten Fotos zeigen den Zustand von RLT-Anlagen, die in den letzten zwei Jahren bei diversen Klimaanlageninspektionen aufgenommen wurden. Diese Beispiele zeigen, dass es immer noch dringenden Bedarf gibt, im Sinne der Verbesserung von Lufthygiene zu handeln und die Leitlinien dafür im Rahmen der VDI 6022 kontinuierlich zu fixieren.

Autor: Dr. Dipl.-Ing. Andreas Winkens VDI, Ingenieurbüro Dr. Winkens, Wegberg

Bilder: Dr. Dipl.-Ing. Andreas Winkens VDI

 


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