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Die Europäische Union hat ihre bisherige Schrittmacher-Rolle in der globalen Klimaschutzpolitik aufgegeben. Das ist das erschreckende Fazit auf die jüngst bekannt gewordenen Kommissionspläne für die neuen EU-Klimaschutzziele.

 

Tiefschlag gegen Klimaschutz
Die Europäische Union hat ihre bisherige Schrittmacher-Rolle in der globalen Klimaschutzpolitik aufgegeben. Das ist das erschreckende Fazit auf die jüngst bekannt gewordenen Kommissionspläne für die neuen EU-Klimaschutzziele. Sollten diese Pläne Realität werden, würde die EU als aktiver Verhandlungspartner für ein weltweites Klimaabkommen weitgehend ausfallen, ein Tiefschlag gegen jede ernsthafte Bemühung um ein globales Klimaabkommen, so die ersten Stellungnahmen vom Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) und von Germanwatch. Nach den nun vorliegenden Plänen will die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten vorschlagen, sich für die Zeit von 2020 bis 2030 nur noch ein bindendes Treibhausgasziel zu setzen. Die Zielvorgaben für den Ausbau von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz sollen unkoordiniert jedem Land selbst überlassen werden. Darüber hinaus will die Kommission nur ein geringes Ziel unter 45% bei der Verringerung der CO2-Emissionen bis 2030 vorschlagen. Ganz offensichtlich hat die EU-Kommission den Ehrgeiz für eine entschlossene Bekämpfung des Klimawandels verloren.
Brüssel versage aber nicht nur beim Klimaschutz, sondern verschenke auch ein enormes wirtschaftliches Potenzial, kritisert der BEE weiter. Mit diesem unambitionierten Ziel entscheide sich die EU-Kommission für weniger Wachstum, weniger Arbeitsplätze und mehr Importe von fossilen Brennstoffen. Nach ihrer eigenen Folgenabschätzung würden mit einem verbindlichen Erneuerbaren-Ziel von 30% rund 570000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Zudem würden die EU-Staaten von 2011 bis 2030 Importe von fossilen Brennstoffen im Wert von 260 Mrd. Euro einsparen. Schlagkräftige Argument, die nicht einfach par or­d­re du mufti von der EU beiseite gelegt werden sollten.

Energiewende abgesagt?

Wie schwer sich nicht nur die EU, sondern auch die Politik hierzulande mit dem Klimaschutz und der vielzitierten Energiewende tut, zeigt das jüngste Husarenstück von Wirtschafts- und Energieminister Gabriel. Seine – inzwischen vom Bundeskabinett abgesegneten – Pläne zur Reform des EEG haben einen Strum der Entrüstung ausgelöst. Vor allem der Vorschlag, den Verbrauch selbst erzeugten Solarstroms zukünftig mit der Energiewende-Abgabe zu belasten, zeugt von mangelnder Weitsicht. Betreiber neuer PV-Anlagen sollen ab August dieses Jahres 70% der EEG-Umlage zahlen müssen. Dies entspräche einer Belastung von rund 4,4 ct. je selbstverbrauchter kWh Solarstrom. Die Abgabe wird die umweltfreundliche Eigenstromerzeugung insbesondere im Mittelstand, in der Landwirtschaft und im Gewerbe weitgehend unattraktiv machen, so die Analyse des BSW-Solar.
Als klares Zeichen gegen die Energiewende bewertet der Fachverband Biogas Gabriels Reformvorschläge, die existenziell wichtigen Vergütungsbestandteile für Biogas im neuen EEG zu streichen. Zusätzlich soll der Bioenergieausbau auf 100MW pro Jahr gedeckelt und zukünftig auch die Biogaseinspeisung nicht mehr vergütet werden. Nach den Vorstellungen des BMWE werden die Erweiterungen bestehender Biogasanlagen künftig nur noch nach dem neuen EEG vergütet. Aus Sicht des FV Biogas zielen die Vorschläge darauf ab, dass anscheinend ein ganzer Wirtschaftszweig mit deutschlandweit 40000 Arbeitsplätzen abgewickelt werden soll. Unter dem Deckmantel, Kosten zu senken, würden Kapazitätsmechanismen für konventionelle Kraftwerke und hohe Vergütungen für Offshore Wind vorgeschlagen.
Unter dem Strich lässt sich festhalten, dass die einst vollmundig angekündigte ambitionierte Energiewende, peu-a-peu durch die Hintertür wieder zu Grabe getragen wird. Einzige Hoffnung: Kein Gesetz  kommt so aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus, wie es eingereicht wurde.

Kapazitätsmarkt wenig sinnvoll

Apropos Kapazitätsmarkt: Trotz des Atomausstiegs ist die Versorgungssicherheit des deutschen Stromsystems in den nächsten zehn Jahren in keiner Region des Landes gefährdet. Demnach ist ein Systemwechsel in Richtung Kapazitätsmarkt derzeit weder notwendig noch sinnvoll. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Der Vorschlag der Wissenschaftler: Den derzeitigen, funktionierenden Strommarkt beibehalten und zu seiner Absicherung eine strategische Reserve aufbauen. Das sei mit geringeren Risiken und Kosten verbunden und besser mit den Zielen der Energiewende vereinbar.
Im Kern geht es bei der Diskussion um die Versorgungssicherheit darum, ob der derzeit bestehende Strommarkt aufrechterhalten, oder ob zusätzlich ein neuer Markt – ein sogenannter Kapazitätsmarkt – geschaffen werden soll. Auf einem Kapazitätsmarkt erhalten Kraftwerke nicht wie derzeit Erlöse nur für den erzeugten Strom, sondern auch für bereitgestellte Kraftwerkskapazitäten. Das DIW sieht darin einen erheblichen und irreversiblen Eingriff in den Markt, dessen Funktionsweise sich damit mittelfristig grundlegend ändern wird. So würde die Lenkung von Erzeugungskapazitäten nicht mehr durch den Markt erfolgen. Die Kosten für die Schaffung eines Kapazitätsmarkts könnten bis zu 3 Mrd. Euro im Jahr 2020 betragen, so das DIW. Insgesamt schneidet die strategische Reserve in mehrfacher Hinsicht günstiger ab als ein Kapazitätsmarkt: Sie ist einfacher auszugestalten, kostengüns­tiger und bringt geringere Verteilungs­wirkungen zulasten der Verbraucher mit sich.
Das Fazit des DIW-Experten: Der Fahrplan für den Atomausstieg kann auch ohne Systemwechsel eingehalten werden.

 


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