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Bericht von der Herbstarbeitstagung 2010, Hannover

Knapp 200 ordentliche und außerordentliche Mitglieder, Aussteller und weitere Teilnehmer waren der Einladung zum diesjährigen Branchentreff am 25. und 26. Oktober nach Hannover gefolgt. Bis auf den letzten Platz besetzt war der Sitzungssaal, als der Vorstandsvorsitzende des DVFG, Hanns Richard Hareiner, die Teilnehmer begrüßte. Es referierten Ministerialrat Frank Bonaldo vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zum Stand des Energiekonzeptes der Bundesregierung und Paul Voss von der AEGPL zur Rolle Flüssiggas in einer sich ändernden EU-Arena. Im Anschluss berichtete Uwe Thomsen zum Projekt „Flamme für Olympia“. Der Nachmittag war alternativen Verfahren zur Gewinnung von Flüssiggas gewidmet – aus Biomasse bzw. nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren.

 

Hanns Richard Hareiner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verbands Flüssiggas,  ging zum Beginn seiner Begrüßungsansprache im Hannover Congress Centrum kurz auf den Tagungsort ein. Als Messeplatz ist Hannover international bekannt, seit 1947 zeigen Industrieunternehmen aus der ganzen Welt jährlich ihre Produkte und Neuheiten. Dieses Renommee wurde durch die Expo 2000 nochmals verstärkt. Hannover war 1825 aber auch die erste Stadt Europas, deren Straßen mit Gaslaternen beleuchtet waren.  Bis 1986 gab es hier eine Erdölraffinerie, die Deurag-Nerag, und auch die ehemalige deutsche Mineralölgesellschaft Gasolin hatte bis 1971 hier ihre Zentrale. Firmen, die in der einstigen Form nicht mehr existieren, denn damals wie heute erfordert der wirtschaftliche Wandel eine Anpassung der Marktteil-
nehmer.

„Als wir uns im November des vorigen Jahres zur Herbstarbeitstagung in Nürnberg trafen“, so Hanns Richard Hareiner wörtlich, „war die Finanz- und Wirtschafts-krise noch ein großes Thema, wenn auch der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung schon als überwunden galt. Durch ein auch im internationalen Zusammenspiel wirklich gutes Krisenmanagement konnten die schlimmsten Gefahren abgewendet werden. Besonders erfreulich ist, dass es auf dem Arbeitsmarkt keine größeren Einbrüche gab. Das erweist sich bei der derzeit guten Konjunkturentwicklung als großer Vorteil, weil den Firmen ihre bewährten Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.“ So ist die im DVFG organisierte Flüssiggaswirtschaft in der Phase der Krise ein stabilisierender Faktor gewesen. Das zeige sich auch am weiteren Ausbau des Autogas-Tankstellennetzes, der auch 2008 und 2009 nicht unterbrochen wurde. „Mittlerweile“, konstatiert Hareiner, „haben wir eine sinnvolle Größenordnung von 6000 Tankstellen für Autogas im Markt.“

In diesem Jahr sorge die Energiepolitik mit der umstrittenen Verlängerung der Genehmigungslaufzeiten für Atomkraftwerke für viel Aufregung. „Ich verzichte im Folgenden bewusst darauf, auf dieses Thema einzugehen, weil es nicht unser ureigenes Thema als Verband ist,“ so Hareiner, und weiter: „Vielmehr beschäftigt uns ein mittlerweile recht lautlos realisiertes Gesetzesvorhaben, nämlich die Umwandlung der EU-Energiedienstleistungsrichtlinie in deutsches Recht, das ‚Gesetz über Energiedienstleistungen und anderen Energieeffizienzmaßnahmen‘, kurz EDL-G. Dieses Gesetz ist im Gesamtkontext mit der Energiepolitik zu sehen und stellt einen wahren Paradigmenwechsel dar.  War es bisher unser Bestreben, so viel Flüssiggas als möglich zu verkaufen, sind wir nunmehr gehalten, unsere Kunden dahin zu bringen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen“, bringt Hareiner die widersprüchlichen
Anforderungen auf den Punkt. Energie- und klimapolitisch sei das Ziel nachvollziehbar. Problematisch bleibe der betriebswirtschaftliche Aspekt. „Schrumpfung ist schwerer zu bewältigen als Wachstum“, so Hareiner. „Der ursprüngliche Gesetzentwurf aus der Zeit der großen Koalition ist auf die ursprüngliche Fassung der EU-Energiedienstleistungsrichtlinie zurückgeführt und in Punkten, die auch von uns kritisiert wurden, ‚entschärft‘ worden. Jetzt geht es darum, das Gesetz Schritt für Schritt umzusetzen. Es besteht noch eini­ger Klärungsbedarf, wie das zu geschehen hat. Wir sind mit den zuständigen Stellen im Gespräch und hoffen, bald über die Konkretisierung der für unsere Branche wichtigen Punkte berichten zu können.“

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Für kontroverse Diskussionen sorge ebenfalls das Energiekonzept der Bundesregierung, das Ende September vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Dabei geht es um einen strategischen Ausblick bis ins Jahr 2050 und eine entsprechende Zielsetzung. Um mindestens 80 % sollen die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 gesenkt werden. Auf 60 % des Brutto-End­energieverbrauchs soll der Anteil der erneuerbaren Energien anwachsen. Im Bereich der Mobilität soll der Endenergieverbrauch um 40 % gegenüber 2005 abnehmen. „Damit sind nur die für unsere Branche wesentlichen Teilziele genannt,“ so Hareiner, der anschließend das strategische Gesamtziel skizzierte: „Deutschland soll in Zukunft bei wettbewerbsfähigen Preisen und hohem Wohlstandsniveau eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt werden. Wer könnte dagegen etwas einwenden? Aber“, so warnte der Vorstandsvorsitzende, „wo Licht ist, ist auch Schatten. Und im Schatten stehen die fossilen Energien und die mit ihnen verbundenen Wirtschaftszweige. Für diese stehen große Veränderungen an, mit ebenso großen Herausforderungen. Wer unternehmerische Verantwortung trägt, muss diese Herausforderungen frühzeitig annehmen und in eine positive Richtung lenken.“

Aus diesem Bewusstsein heraus sei die Unruhe der Betroffenen zu verstehen. „Aber, um im Bild zu bleiben, schließlich gibt es ja nicht nur Schatten, sondern auch Licht: Neue Geschäftsfelder tun sich auf und neue Geschäftsmodelle,“ ermutigte Hanns Richard Hareiner die Betroffenen und lenkte die Blick der versammelten Zuhörer auf die Vergangenheit: „Aus dem Kohlehändler der 1950-er Jahre ist längst der Heizölhändler geworden und aus dem Heizöl- oder Flüssiggashändler wird zusätzlich der Anbieter alternativer, erneuerbarer Energien, der Energieeffizienzberater, der Energiekontraktor und vieles mehr. In der Praxis ist dieser Prozess doch schon längst in Gange!“

So viel man an diesem Energiekonzept im Detail bemängeln könne: es spricht eine deutliche Sprache und gibt – als konsequente Fortentwicklung des integrierten Energie- und Klimaprogramms der Bundesregierung von 2007 – langfristige Orientierung. Natürlich habe auch der DVFG seine Stimme zum Energiekonzept erhoben. „Wir haben beanstandet, dass wir unter ‚Mobilität‘ auf Seite 31 nicht vorkommen“, so Hareiner. „Hier steht: ‚Die Bundesregierung fördert einen steigenden Anteil von Erdgasfahrzeugen. Sie wird prüfen, mit welchen Maßnahmen ein verstärkter Einsatz von Biogas im Kraftstoffbereich erreicht werden kann.‘ Wir sind der Meinung, hier hätte Flüssiggas gleichberechtigt erwähnt werden müssen. Wir sind daran gewöhnt, dass wir um die Wahrnehmung unserer Energie Flüssiggas und der Interessen unserer Mitglieder kämpfen müssen. Hier ist es uns, trotz teilweise vielversprechender Ansätze, leider nicht gelungen,“ gestand Hareiner ein. Trotzdem gibt es auch hier einen „Lichtblick“: „Wo wir mit wohlwollender Wahrnehmung rechnen dürfen, ist das für uns zuständige Referat des BMWi, dem Herr Bonaldo vorsteht. Es freut uns ganz besonders, dass Herr Bonaldo sich bereit erklärt hat, zu den für alle am Energiegeschehen Beteiligten so wichtigen Absichten der Bundesregierung, die das Energiekonzept beinhaltet, zu uns zu sprechen.“

Mit diesen abschließenden Worten übergab Hanns Richard Hareiner die Moderation an Hauptgeschäftsführer Robert Schneiderbanger, der zu dem von vielen Teilnehmern mit Spannung erwarteten Vortrag von Ministerialrat Frank Bonaldo überleitete.

Der Klimawandel und die Kosten
Am Anfang seiner Rede ging Frank Bonaldo auf die gewaltigen Herausforderungen ein, vor denen wir alle stehen. „Weltweite Erwärmung, steigender Meeresspiegel, beschleunigte Versteppung bzw. Vergrößerung der Wüsten, dadurch hervorgerufene weltweite Wanderungsbewegungen, Kriege um Wasserreserven bei einer wachsenden Erdbevölkerung: Das sind nur einige der Stichworte, die hier zu nennen wären,“ so der Ministerialrat, und weiter: „Man kann es auch einfach so sagen: Wir wollen eine Welt hinterlassen, die auch unsere Enkel als lebenswert empfinden, wo Nahrungsmittel- und Energiebereitstellung kein existenzielles Problem darstellen, und eine Situation, die nicht davon abhängt, dass es anderen, den ‚Ferneren’ schlechter geht.“ Mit diesen Worten erläuterte Bonaldo die Motivation, die zu einem Energiekon­zept geführt hat, das Wege in die Welt von 2050 ebnen will.

Ziele und Kriterien des Konzepts
„Dass die erstrebenswerte Welt der Zukunft nicht zum Nulltarif zu haben ist, steht außer Frage,“ wischte Bonaldo jeden Zweifel beiseite. „Die Frage ist, wie wir die hohen Anforderungen an eine umweltschonende, zuverlässige und gleichzeitig bezahlbare Energieversorgung auf einen Nenner bringen. Es ist kein Zufall, dass diese Kriterien auch im Untertitel des Energiekonzepts der Bundesregierung aufgeführt sind: sie zeigen deutlich, dass unsere gemeinsame Aufgabe alles andere als banal ist.“ Eine Aufgabe, die nach Ansicht Bonaldos allzu oft von der zwar wichtigen, aber für das Energiekonzept nicht Ausschlag gebenden öffentlichen Diskussion über die Verlängerung der Restlaufzeiten der Kernkraftwerke überschattet werde. „Die Kernkraftthematik nimmt formal sogar nur eine Seite des Energiekonzepts ein, erläutert der Ministerialrat, und weiter: „ Leitlinien sind moderate Verlängerung der Restlaufzeiten um durchschnittlich 12 Jahre, zusätzliche Sicherheitsanforderungen sowie angemessenes Abschöpfen der Zusatzgewinne und Nutzung dieser Einnahmen für Ziele dieses Energiekonzepts. Die Bundesregierung will also die Vorteile der Kernkraft als Brückentechnologie nutzen.“
Zuverlässig, bezahlbar und umweltschonend
Das Energiekonzept sei viel mehr als nur ein Anhängsel der Kernkraft. „Eine zuverlässige Energieversorgung kann sich beispielsweise auszeichnen durch heimische Produktion; durch enge, vertrauensvolle, von gegenseitigen Interessen bestimmte Beziehungen zwischen Förder-, Produzenten- und Transitstaaten. Eine bezahlbare Energieversorgung nimmt Rücksicht auf die tatsächlichen Möglichkeiten zum einen unserer Bürger, also z. B. auf die jungen Familien, die ein Haus bauen wollen; oder auch auf die ältere Generation, die die Sanierungsfrage stellt; zum anderen ist die Bezahlbarkeit ein entscheidendes Wettbewerbskriterium für unsere Wirtschaft, für Arbeitsplätze und Wohlstand. Eine umweltschonende Energieversorgung richtet sich sicherlich an der Tugend des Energiesparens aus [Halbierung des Primärenergieverbrauchs bis 2050]; bei Gebäuden soll der Primärenergiebedarf sogar bis 2050 um 80 % gesenkt werden; hinzu kommt das Nutzen von Energieträgern mit möglichst wenigen Umweltauswirkungen; es sollen bis 2020 immerhin 40 % und bis 2050 mindestens 80 % der CO2-Emissionen einge­spart werden, und der Anteil erneuerbarer Energien soll 60 % erreichen. Das Energiekonzept fälle Grundsatzentscheidungen, die bis übers nächste Jahr hinaus jeweils in konkrete Gesetzesform bzw. Förderregeln gebracht werden müssen. „Das ist dann die Zeit, wo die Wirtschaft ihre Argumente vorbringen kann, wenn um die besten Regelungen gerungen werden wird,“ stellte Bonaldo fest, nicht ohne im nächsten Atemzug ausdrücklich an die Mitarbeit aller zu appellieren.

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Integration erneuerbarer Energieträger
Bei der Integration erneuerbarer Energieträger müsse vor allem an die Windkraft gedacht werden: Hier soll z. B. ein KfW-Programm die Errichtung von Off-Shore-Windparks erleichtern. Die Bundesregierung werde zusammen mit den anderen Akteuren ein „Zielnetz 2050“ entwickeln, das einerseits der Herausforderung – Stromproduktion im Norden, Verbrauchszentren im Westen und Süden – sowie andererseits der wachsenden Dezentralität der Stromerzeugung Rechnung trage. Das geschehe durch Erleichterungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber auch durch Anpassung von Regulierungsregeln. Außerdem wolle die Bundesregierung eine Informationsoffensive ‚Netze für eine umweltschonende Energieversorgung‘ starten, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für den notwendigen Um- und Ausbau der Netze zu erhöhen. Da die Windenergie und Strom aus Photovoltaik aber nicht regel- und gleichmäßig anfällt, müssten beträchtliche Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen. Als Stichpunkte nannte Bonaldo Pumpspeicherkraftwerke, Druckluftspeicher, Wasserstoff- oder Erdgaserzeugung mit Einspeisung ins Netz, Batterien und nicht zuletzt die Elektromobilität.

Mobilität
„Der Kraftfahrzeugverkehr ist für einen beträchtlichen Teil des Endenergieverbrauchs und der CO2-Emissionen verantwortlich. Die zentrale Strategie lautet: Die Elektrifizierung des Verkehrs beginnt in diesem Jahrzehnt und verbreitert sich dann zügig,“ so der Ministerialrat. Hier seien vor allem die Kraftstoff- und die Automobilwirtschaft gefordert. In der neuen „Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“ der Bundesregierung, für die die Vorarbeiten gerade begonnen habe, werde sich sowohl die Förderung als auch die Besteuerung der Kraftstoffe stärker als bisher an ihrer Treibhausgasbilanz bemessen lassen müssen. Aber auch Bahnverkehr und Binnenschifffahrt sollen in die Strategie eingebunden werden, und nicht zuletzt der Flugverkehr.

Energieforschung
„Die Ziele in den angesprochenen Bereichen können aber nur dann realistisch verfolgt werden, wenn die Energieforschung intensiviert wird,“ so Bonaldo weiter. Die Bundesregierung werde 2011 ein Energieforschungsprogramm für die Zeit bis 2020 vorlegen. Schwerpunkte sollen sein Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Energiespeichertechnologien und Netztechnik, Integration der erneuerbaren Energien in die Energieversorgung sowie das Zusammenwirken verschiedener Technologien. Auch hier sollen die Mittel aus dem Energie und Klimafonds kommen.

Missverständnisse
„Welcher Art sind die Missverständnisse beim Energiekonzept?“ Die Antwort auf die rhetorische Frage folgte sofort: „Ich denke, die größten Missverständnisse ergaben sich nach der Feststellung, dass vor allem die derzeit wichtigsten Energieträger Öl und Gas und auch Flüssiggas kaum oder gar nicht auftauchen. Dass dies zu ernsthaften Fragen führt in einer Branche, die von mittel- und langfristigen Investitionszyklen geprägt ist, verwundert nicht“, gab Bonaldo zu und nutzte die Gelegenheit klarzustellen, was im Energiekonzept angesprochen wird und was eine Nichtnennung bedeutet. „Im Energiekonzept sind diejenigen Bereiche aufgenommen, die die Bundesregierung als solche identifiziert hat, wo die öffentliche Hand selbst eine größere Rolle zu spielen hat. Also dort wo geforscht und gefördert wird sowie dort, wo das Ordnungsrecht angepasst werden muss. Aber selbst in diesen ‚Eingriffsbereichen‘ sind immer wieder Formulierungen zu finden hinsichtlich weitestgehender Technologieoffenheit und Hinführung zu marktgetriebenen Mechanismen. Wenn wir nun die Entwicklung der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahrzehnten betrachten, stellen wir fest: Der weit überwiegende Teil der Energieversorgung wird auch in der Zeit bis 2050 über fossile Energieträger erbracht werden müssen. Und dort, wo keine Ausführungen gemacht werden, ist ganz einfach marktwirtschaftlicher Wettbewerb angesagt.“

Die Flüssiggas-Branche

Damit kam Bonaldo zum letzten Teil seiner Ausführungen, nämlich der von den Zuhörern mit Spannung erwarteten Ant­wort auf die Frage, welche Rolle die Flüssig­gaswirtschaft im Energiemix der Zukunft spielen kann. Hierzu stellte er drei Thesen auf. Erstens: Je mehr Energieeffizienz, desto klarere Möglichkeiten für netzunabhängige Energieträger im Wärmemarkt. Vor allem im Neubaubereich werde es zukünftig immer weniger ökonomische Anreize geben, eine Erdgasinfrastruktur aufzubauen. Ähnliches gelte für Kraft-Wärme-Kopplung in Form von Fernwärme. Beispiele für Energieträger bzw. Technologien in dieser neuen Situation wären daher: Flüssiggas, Heizöl, Holzpellets, Erdwärme und Wärme­pumpe sowie Solarthermie. Zweitens: Je höher der Anteil Erneuerbarer am Kraftstoff ist, desto geringer die Besteuerung. Im Rahmen der geplanten neuen Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie werde Förderung bzw. Besteuerung nach Treibhausgassenkungspotenzial neu justiert – und zwar unabhängig davon, ob im Energiekonzept „Erdgas“ oder „Autogas“ erwähnt würden. Um die Position von Autogas zu halten, müsse die Forschung fortgeführt werden. Dabei stelle sich beispielsweise die Frage, ob bei den zurzeit erforschten Technologien zur Herstellung von Biokraftstoffen der 2.  Generation Flüssiggas als Nebenprodukt anfalle. Drittens: Je besser die technologische Kombination mit erneuerbaren Energien, desto länger bleibe ein Markt erhalten. Mindeststandard seien Brennwertkessel in Kombination mit Solarenergie. Die Zukunft fokussiere sich in Richtung Mini- oder Mikro-Blockheizkraftwerke und Brennstoffzelle. Alles in allem werde das Energiegeschäft anspruchsvoller: Mehr Beratung bis hin zum Energiecontracting seien die Voraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche Marktpräsenz. „So, wie ich inzwischen den Mittelstand kenne, wird mir aber nicht bang“, so Frank Bonaldo: „Da werden Herausforderungen zu Chancen, und Chancen zum Geschäftsmodell.“

Doch so ganz auf die Schnelle ließen sich die Missverständnisse zum Energiekonzept wohl nicht beiseite räumen, das zeigte die anschließende Gelegenheit zu Fragen an den Ministerialrat. Als erster meldete Rainer Scharr sich zu Wort: „Alle reden vom CO2 als Treibhausgas, aber was ist eigentlich mit der in neueren Studien angesprochenen klimaschädlichen Wirkung von Ruß oder Feinstaub?“ Bonaldo stellte zunächst klar, dass „CO2“ immer das „CO2-Äquivalent“ meine und gab zu, dass die Klimaauswirkung von „Feinstaub“ durchaus auch mit betrachtet werden müsse.

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Prof. Dr. Siegbert Weiss stellte die Umsetzbarkeit der Elektromobilität in Frage. Seiner Ansicht nach müsse da schon „ein kleines Wunder“ geschehen, um die ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung Realität werden zu lassen. Mit dieser Ansicht steht Prof. Weiss wohl nicht allein, wie das zustimmende Nicken vieler bedeutete, doch Bonaldo macht unmissverständlich klar, dass an der Elektromobilität kein Weg vorbeiführe. „Nicht heute oder morgen“, so der Ministerialrat, „sondern es geht darum, einen Weg zu beschreiten, der mehr Antriebsarten und mehr Kombinationen zulässt, und auch zwischen Stadtverkehr und Überlandfahrten unterscheidet.“

Alexander Stöhr, Referent Technik der Geschäftsstelle des DVFG, wollte wissen, ob eine Beimischung des biogenen Anteils im Kraftstoff bundesweit unabdingbar sei. Weiterhin sei von Interesse, ob zwingend Propan bzw. Butan aus biogenen Quellen oder ob– wie bei Benzin auch Ethanol akzeptiert wird – Ersatzstoffe mit vergleichbarem physikalischen Verhalten beigemischt werden dürfen. Für Flüssiggas, so Bonaldo, werde wie bei Erdgas auch nach dem Massenbilanzsystem kalkuliert. Eine Beimischung in jeden verkauften Liter Flüssiggas sei nicht notwendig. Ganz gleich, ob der Grundkraftstoff Erdgas, Flüssiggas oder Benzin heiße, entscheidend sei die „Biogenität“ und nicht die chemische Bezeichnung des Biokraftstoffs.

Das Thema „Kraftstoffe“ bzw. „LPG“ leitete direkt über zum Vortrag von Paul Voss von der AEGPL, der über „Flüssiggas und die EU – Veränderung, Herausforderung und Chancen“ referierte.

Veränderung
Wie differenziert Veränderungen wahrgenommen werden, könnte man kaum anschaulicher verdeutlichen als anhand der Ernennung von Günther Oettinger zum Energiekommissar der EU. Hand aufs Herz: wer von uns kannte seinen Vorgänger Andris Piebalgs, den EU-Kommissar aus Lettland, der das Amt seit 2004, also lange vor den Gaskrisen und drei Jahre, bevor Al Gores „Unbequeme Wahrheit“ den Klimawandel auf die erste Seite aller Zeitungen brachte, innehatte? Der Unterschied: Oettinger kommt aus Deutschland, dem größten Beitragszahler des EU-Etats. Welches Land welches Ministeramt für sich beansprucht, zeige deutlich die Prioritäten der politischen Zielsetzung und in diesem Fall eben auch, dass sich das Thema Energie innerhalb weniger Jahre von einem kleinen Punkt auf dem europäischen Radar zur flächendeckenden Bewegung entwickelt hat. „Die EU hat die Führung übernommen und drängt Europa in Richtung eines neuen Energiesystems, was mich zu meinem zweiten Beispiel der Veränderung bringt, nämlich dem Rahmenkonzept der neuen europäischen Energiestrategie.

Die 2020 „20/20/20“-Energierevolution

Der Zielkonflikt zwischen der „Verbesserung der Nachhaltigkeit“ und der Beibehal­tung der „Wettbewerbsfähigkeit“ sei zugegebenermaßen groß. Dennoch müssen die folgenden Ziele erreicht werden: Erstens: minus 20 % Treibhausgase durch eine Kom­bination des Emissionshandelssystems (EHS) und anderer Sektoren. Deutschlands Zielsetzung für Nicht-EHS-Sektoren, in erster Linie Transport und Heizung, ist eine Reduktion von 14 %. Zweitens: Ein Anteil von 20 % für erneuerbare Energie in der EU. Die deutsche Zielsetzung beläuft sich auf 18 %, im Vergleich zu 5,8 % in 2005. Drittens: mehr Energieeffizienz. Die Kommission werde im kommenden Jahr dazu einen Aktionsplan veröffentlichen. „Wir erwarten insbesondere eine Revision der Direktive über Energiedienstleistungen“, so Voss. „Auch, wenn sich erste Anzeichen einer ‚20/20/20-Ermüdung‘ zeigen, ist eine ernsthafte Diskussion über die Zukunft des europäischen Energiemarkts ohne Bezugnahme auf diese Ziele nicht möglich. Die langfristige Vorstellung, eine Minderung von 80 – 90 %, ist nichts weniger als eine Energierevolution.“

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Herausforderung
Es ist nicht klar, wie und zu welchem Preis dieses Ziel erreicht werden könne, entscheidend sei die politische Unterstützung für das Konzept. Aus der Sicht der Flüssiggaswirtschaft und auch aller anderen Sektoren fossiler Brennstoffe heraus handele es sich um ein Problem, denn es bedeutet das Aufkommen neuer und stark subventionierter Wettbewerbsenergien. Trotz der mildernden Auswirkungen der Bemühungen der AEGPL bringe es einen stetigen Strom an zunehmend nachteiliger Gesetzgebung mit sich. Die Gesetzgebung über erneuerbare Energie soll die Verwendung fossiler Brennstoffe allmählich abbauen. Restriktionen gegen energieverbrauchende Produkte sollen die Nachfrage reduzieren. Die EU-Gebäudepolitik sieht vor, dass bis 2018 Neubauten energieneu­tral sind.
„Was wir hier haben, ist eine umfangreiche Bewegung, die darauf abzielt, die Verwendung gerade der Energiequelle, die uns alle hier heute zusammengebracht hat, nämlich Flüssiggas, zu reduzieren und letztendlich abzubauen. Ich bin sicher, dass Sie bei Ihrer täglichen Arbeit bereits die Auswirkungen spüren“, richtete Paul Voss sich an das Publikum. „Alle nationalen Regierungen stehen unter Druck, Energieverbrauch zu senken und die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zu fördern. Das gilt besonders für Deutschland, angesichts der neuen Energiestrategie, die sich während der letzten Wochen herauskristallisiert hat.“

Voss zumindest bekommt diesen Druck in seiner Arbeit für die AEGPL täglich zu spüren: „Es ist schwer, für Autogas zu werben, wenn den politischen Entscheidungsträgern elektrische, ‚abgasfreie‘ Autos vorschweben. Man kann sie kaum für innovative Heiztechnik in Verbindung mit Flüssiggas erwärmen, wenn sie sich auf die Suche nach erneuerbaren Patentrezepten konzentrieren“, resümiert er, und weiter: „Alle Industriebereiche für fossile Brenn- und Treibstoffe müssen sich dieser Herausforderung stellen, wobei Flüssiggas aufgrund seines geringen Anteils am Energiemix einen zusätzlichen Nachteil hat: ständig kämpfen wir darum, uns von den anderen Energieträgern abzuheben, die größer, lauter und ‚sexier‘ sind.“
Chancen. Oder: warum Europa immer noch Flüssiggas braucht
Wenn man über die Rezession überhaupt etwas Positives sagen könne, dann, so Voss, dass sie einen gewissen Realismus zur Energiedebatte beigetragen habe. Die herkömmliche Vorstellung über die perfekte Kompatibilität von Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum sei verführerisch, jedoch wenig überzeugend. „Wer an genügend vielen Diskussionen über erneuerbare Energie in Brüssel teilgenommen hat“, so Voss, „erhält allmählich den Eindruck, dass wir Öl, Gas und Kohle nicht wirklich noch länger benötigen, dass fossile Brennstoffe ein Relikt aus einer Vergangenheit sind, die sich durch den verantwortungslosen Umgang mit Energie auszeichnet. Ich möchte mich gerne davon überzeugen lassen: die Vorstellung, dass meine Kinder in einer Welt aufwachsen, deren Energie von Sonne, Meer und Wind kommt, gefällt mir. Es gibt da nur ein klitzekleines Problem: Das ist nicht die Welt, in der wir leben.“
Die Welt, in der wir leben, „ernährt“ sich zu 80 % von fossilen Brennstoffen. Und auch der Ausblick auf das Jahr 2030 zeigt, dass fossile Brennstoffe immer noch eine Rolle spielen. Flüssiggas kann mit dabei sein; auch, wenn es um Treibstoffe geht: In einem 2007 veröffentlichten Beschluss forderte das Europäische Parlament die Kommission dazu auf, „der Rolle und dem Potenzial alternativer gasförmiger Brennstoffe, wie Flüssiggas oder Erdgas, Rechnung zu tragen, da diese zu einer sofortigen Verringerung der CO2-Emissionen und zur Diversifizierung der Energieversorgung beitragen können.“

Demzufolge gehört zur endgültigen Fassung der EU-Verordnung über CO2-Emissionen von PKW ein Unterstützungsmechanismus für Gaskraftstoffe. Sie sagt aus, dass, wenn ein Auto sowohl mit Gas als auch mit Benzin betrieben werden kann, sein CO2-Ausstoß auf der Annahme errechnet werden sollte, dass es 100 % mit Gas betrieben wird. Hierdurch können Kfz-Hersteller den CO2-Ausstoß ihres Fuhrparks reduzieren, indem sie mehr Flüssiggas-Modelle anbieten. Dies hat bereits erheblich dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit der Kfz-Industrie auf Flüssiggas und seine Vorteile zu lenken.

„In ähnlicher Weise hoffen wir“, so Voss weiter, „dass unsere Arbeit für die so genannte ‚LPG beyond the grid‘-Roadmap dazu beiträgt, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Flüssigas weiterhin zur Gebäudeheizung beitragen kann. Das Dokument stützt sich auf die Vorlage der Autogas-Roadmap und soll auf dem AEGPL-Kongress im Juni 2011 in Bukarest offiziell vorgestellt werden. Die Roadmap betont die Kompatibilität von Flüssiggas mit dem Energiemodell der Zukunft, durch neue Anwendungen und Technologien, wie zum Beispiel Mikro-KWK oder die Möglichkeit, Biopropan zu erzeugen.“

In der Tat wird die Erzeugung von Biopropan derzeit an verschiedenen Universitäten intensiv erforscht. Über die Möglichkeit, Flüssiggas aus Biomasse zu erzeugen, referierte am Nachmittag Dr. Mario Mocker vom ATZ Entwicklungszentrum. Um die wirtschaftliche Optimierung der Herstellung von Flüssiggas nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren ging es in dem daran anschließenden Vortrag von Dr. Andreas Lindermeir vom CUTEC Clausthaler Umwelttechnik-Institut GmbH. Diesen beiden Vorträgen wird sich die FLÜSSIGGAS in ihrer kommenden Ausgabe widmen.

 


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