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Ausbildung

Thema: Gefahren erkennen und vermeiden

Handlungsschritte zur Gefährdungsbeurteilung und Vorgehensweise. Bild: BG Bau

 

Im Mai 2013 wurde in Zeitungs-, Rundfunks- und Fernsehnachrichten über zwei Opfer einer Kohlenmonoxidvergiftung, ein Absturz­opfer, zwei Stromschlagopfer, ein Opfer durch Verbrennungen im Gesicht, einen Chlorgasunfall und viele andere Unfälle allein im Rhein-Neckar-Kreis berichtet. Spektakuläre Unfälle oder solche mit Todesfolge schaffen es in die Nachrichten. Nicht berichtet wird über die vielen Unfälle, die in den verschiedensten Werkstätten und Baustellen geschehen. Unfälle erleiden besonders unerfahrene Berufsanfänger, aber auch besonders geschulte Mitarbeiter oder Führungskräfte, die es eigentlich besser wissen sollten. Jeder Unfall ist ein Unfall zuviel, deshalb müssen besonders Berufsanfänger durch Schulung auf Gefahren und Unfallrisiken hingewiesen werden. Jedoch ist auch bei noch so erfahrenen Mitarbeitern die Sensibilität für Gefahren wach zu halten.

Gefahren lauern überall
So vielfältig, wie die Aufgabenbereiche und Tätigkeiten dieser Berufe sind, so unterschiedlich sind die Gefahrenpotenziale. Über diese muss sich jeder Mitarbeiter informieren bzw. schulen lassen.
Jeder Arbeitsplatz, ob in den Werkstätten oder Baustellen vor Ort, unterscheidet sich von anderen. Hinzu kommt noch, dass sich die Situation an Ort und Stelle in jedem Augenblick ändern kann. Bereits die Wegefreiheit und Standfestigkeit beim Arbeiten beinhaltet Gefahrenpotenziale. Auch leichte Stolperfallen bergen Gefahren. Rollende, spitze und scharfe Werkstoffteile sind ein andere Risiko. Weitere Gefahren sind z.B. Werkzeuge und Maschinen, Arbeiten auf Leitern, Tritten, Gerüsten und Dächern, in engen Räumen, mit Löt- und Schweißbrenner, mit chemischen Produkten wie Farben, Säuren oder Laugen. Kommen mehrere Faktoren zusammen, vervielfacht sich das Gefahrenpotenzial beträchtlich.

Informationen über Gefahren
Die Bau-Berufgenossenschaft (BG Bau) stellt für die Berufsgruppen Merkblätter, Informationen und besondere Schulungen bereit. Sicherheitsbeauftragte der Firmen und deren Inhaber selbst sind zur Einweisung, Prüfung bzw. Einhaltung von Sicherheitsvorgaben ihrer Mitarbeiter verpflichtet. Informationen gibt es auch im Internet und als App für Smartphones.
Unfälle sind alle plötzlich eintretenden Schadensereignisse, die durch Personen oder technische Geräte verursacht werden. Zu diesen gehören Sach- und Personenschäden gleichermaßen.
Ob eine kleine Verletzung, die nach kurzer Zeit wieder verheilt sein wird, oder meldepflichtige schwere Verletzungen, die wochenlangen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen: Alle zählen als Unfälle mit Personenschaden. Entsteht ein Schaden an einem Gegenstand, wäre das ein Sachschadensunfall.

Dokumentation eines Unfalls
Alle Unfall- und Schadensereignisse sind prinzipiell zu dokumentieren. Aus einer unbedeutenden Schnittverletzung kann eine lebensbedrohliche Blutvergiftung entstehen. Die aus der Hand gefallene Bohrmaschine kann von außen nicht erkennbare Schäden an stromführenden Teilen davongetragen haben. Diese können bei der nächsten Benutzung dann zu deren Ausfall oder einem Folgeunfall mit erheblichem Schaden führen.
Neben den zeitlichen Angaben wie Tag und Uhrzeit sind die beteiligten Personen und mögliche Zeugen zu benennen. Der Unfallhergang ist möglichst detailgetreu zu beschreiben. Die beim Unfall genutzten Geräte oder Hilfsmittel sind aufzuführen. Gibt es eine Herstellernummer, ist sie zu nennen. Alle festgestellten Schäden, gleich ob Personen- oder Sachschäden, sind zu dokumentieren. Eventuell sind Skizzen oder Fotos hilfreich.
Die eingeleiteten Sofortmaßnahmen sind zu benennen, ebenso die Maßnahmen zur sofortigen als auch zukünftigen Schadensvermeidung. Die Aufzeichnungen sind zu unterschreiben und an die für die Sicherheit zuständigen Mitarbeiter weiterzuleiten.

Unfall durch Selbst- oder Fremdverschulden
Nach dem Unfall steht immer die Schuldfrage im Raum. Liegt z.B. in einer Werkstätte ein spitzer Gegenstand auf dem Boden und ein Mitarbeiter tritt darauf, stellt das eine Gefährdung dar – ist jedoch noch kein Unfall. Durchdringt der Gegenstand die Schuhsohle und verursacht eine Verletzung am Fuß, so handelt es sich um einen Unfall mit Personenschaden. Verursacher ist zunächst der Nagel bzw. die Person, die den Nagel in den Weg legte. Also Fremdverschulden?
Handelt es sich jedoch um eine Arbeits- oder Werkstätte, in der man es regelmäßig mit spitzen Gegenständen zu tun hat, hätte der Geschädigte dies erkennen können bzw. wissen müssen. Dann ist der Unfall als teilweise selbst verursacht zu werten. Er hätte dann entsprechende Schutzkleidung bzw. Arbeitsschuhe tragen müssen. Beim Begehen wäre zusätzlich besonderes Augenmerk auf den Weg zu legen. Es wäre auch zu prüfen, ob der Geschädigte auf die möglichen Gefahren hingewiesen wurde oder entsprechende Gefahrenschilder aufgestellt waren. Ein Selbstverschulden ist immer dann anzunehmen, wenn der Geschädigte nach seinem Alter, seiner Ausbildung sowie seiner Erfahrung die möglichen Gefahren hätte erkennen können bzw. müssen.
Beispiel: Eine Dachrinne von 1,5 m Länge ist in 6 m Höhe zu erneuern. Mit einer Alu-Ausziehleiter von 7,60 m Ausziehlänge kann die Höhe „mühelos“ erreicht werden. Mit etwas akrobatischer „Handwerkstechnik“ kann die alte Rinne entfernt und durch eine neue ersetzt werden. Der zweite Mann am Boden hatte bei der Demontage die Aufgabe, die Leiter nach den Anweisungen des Leiter­akrobaten von der Wand bzw. der Leiterauflage an der Altrinne weg zu drücken. Dabei stürzte der Geselle herab und brach sich die Hüfte. Er handelte grob fahrlässig. Denn er hätte wissen müssen, dass sich beim Wegdrücken der Leiter die Standsicherheit schlagartig verändert. Zudem wäre in dieser Höhe ein Gerüst erforderlich gewesen. Er ist somit Selbstverschulder des Unfalles. Dem zweiten Mann, der noch in der Ausbildung war, ist kein Vorwurf zu machen.
In einem ähnlichen Falle wurde das Gerüst von einer Malerfirma aufgestellt, befestigt, geprüft und für die Malerarbeiten frei gegeben. Der mit der Rinnenerneuerung beauftragte Installationsbetrieb löste die Wandbefestigungen und verschob das Gerüst um ca. 30 cm weiter von der Wand, um die Rinne erneuern zu können. Als am Tag darauf die Malerfirma ihre Arbeit fortsetzte, stürzte ein Geselle durch den ca. 50 cm breiten Spalt zwischen Gerüst und Mauerwerk. Obwohl dieser nur von der untersten Gerüstebene fiel, brach er sich seinen Unterkiefer und zog sich erhebliche Prellungen und Schürfverletzungen zu. Die Polizei nahm den Sachverhalt auf. Die Berufsgenossenschaft ermittelte und sprach dem Installationsbetrieb die Schuld zu. Ein Gericht bestätigte die Auffassung, dass die Veränderung des Gerüststandortes der Malerfirma und deren Mitarbeitern hätte bekannt gemacht werden müssen.

Unfallgefahren erkennen und vorbeugen
Gefahren gehören zum Alltag eines jeden Menschen. Im Alltag ist in der Regel das Bewusstsein darauf eingestellt, Gefahren abzuschätzen. Immer dann, wenn Gefahren nicht abgeschätzt werden können, ist besondere Vorsicht walten zu lassen. Alles Unbekannte, ob Werkstoffe, Geräte, Maschinen oder Arbeitstechniken, ist auf mögliche Unfallrisiken zu prüfen. Das „Bauchgefühl“ ist zunächst ein guter Indikator, der zu Prüfungen auffordert.
Durch Nachfragen bei einem Sachkundigen, Lesen von Unfall-Verhütungs-Vorschriften (UVV) sowie Betriebs- und Handhabungsrichtlinien sind Gefahren zu minimieren. Das Wissen um eine Gefahr reicht jedoch allein nicht aus. Man muss sich auch entsprechend Verhalten. Sicher mag es im ersten Augenblick als cool erscheinen, wenn man mit freiem Oberkörper ungesichert an einem Dachrand in luftiger Höhe hantiert. Doch spätes­tens nach einem Absturz müsste jedem klar werden, dass so etwas ein Defizit an Verantwortung und fachlichem Wissen erkennen lassen.

Viele kleine Fehler werden zu einem großen
Beispiel: An einem Gerüst wurde eine Kabeltrommel zur Versorgung der Gerüstbegrenzungsleuchten verwendet. Einige Handwerker benutzten diese Kabeltrommel, um ihrerseits Verlängerungskabel daran anzuschließen. Aus Bequemlichkeit blieb eine der Kabeltrommeln mehrere Tage ausgerollt bis zur obersten Arbeitsplattform angeschlossen. Das Kabel selbst lag quer auf der untersten hölzernen Plattform im Durchgangsbereich.
Ein Monteur setzte sich – wie auch vor dem Regen getan – auf eine Styroporplatte, die nun auf der nassen Gerüstfläche lag. Er entzündete seinen Lötbrenner und schnitt eine Wulst zum Auflöten an einem Regenrohr zu. In dem Augenblick, als er wieder an das Regenrohr fasste und gleichzeitig sich zum Aufstehen auf dem hölzernen Gerüst abstützte, bekam er einen elektrischen Schlag. Mit einem Fuß stieß der Monteur gegen den Lötbrenner, der auf am Boden liegende Styroporreste entzündete. Sein Kollege versuchte den Stürzenden aufzufangen und erhielt ebenfalls einen Stromschlag.
Insgesamt waren es am Ende vier verletzte Personen. Zwei mussten wegen Stromschlags und Verdacht auf Herzkammerflimmern im Krankenhaus behandelt werden. Einer erlitt Verbrennungen durch abtropfende Styroporteile und ein weiterer an den Händen, weil er versuchte, das brennende Styropor durch Ausschlagen zu löschen.
Ursache des Ganzen war zunächst, dass die Gerüstbeleuchtung aus einer Stromversorgung ohne Fehlerstrom-Schutzschaltung gespeist wurde. Die auf dem Gerüst liegende Leitung der Kabeltrommel war durch das mehrfache Betreten beschädigt worden, sodass die Schutzummantelung aufgerissen wurde. Die hölzerne Gerüstebene wurde in Verbindung mit dem Regenwasser selbst zum stromführenden Leiter.
Nicht unglückliche Verkettungen, sondern viele kleine, grundlegende Verstöße verschiedener Handwerker gegen die Sicherheitsvorgaben führten zu diesem Unfall.

Unfälle vermeiden
Jeder ist für sich selbst und die anderen mitverantwortlich. Arbeitssicherheit ist stets das erste Gebot. Vor Beginn einer Arbeit sollte jeder die möglichen Gefahren abschätzen. Durch geeignete Maßnahmen sind die Gefahren einzugrenzen oder zu beseitigen. Schutzeinrichtungen sind zur Gefahrenminimierung zu verwenden und dürfen nicht entfernt werden. Im Zweifelsfalle mit der Arbeit nicht vor Klärung der Sicherheit beginnen. Restrisiken werden jedoch immer bleiben.

 


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