Werbung

Auf die Einhaltung des AGG achten - Diskriminierungsschutz auch für GmbH-Geschäftsführer

Allgemein bekannt ist, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Arbeitnehmer umfassend u.a. im Rahmen des Zugangs zur Erwerbstätigkeit, des beruflichen Aufstiegs und bei der Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses vor Diskrimierungen aus den im AGG genannten Gründen wie Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität schützt. Aber wie sieht es mit dem Diskrimierungsschutz für GmbH-Geschäftsführer, also Organmitgliedern, aus?

 

Mit dieser Frage des Diskrimierungsschutzes für GmbH-Geschäftsführer hat sich der BGH in seinem Urteil vom 23.04.2012 näher beschäftigt.

Was war passiert?

Ein 62-jähriger Geschäftsführer hatte sich bei Auslaufen seines Anstellungsvertrages bei einer städtschen GmbH um eine weitere 5-jährige Amtszeit als (Fremd-)Geschäftsführer beworben. Der Aufsichtsrat entschied sich jedoch gegen eine entsprechende Vertragsverlängerung und schlug der Gesellschafterversammlung stattdessen vor, den 41-jährigen Mitbewerber zum Geschäftsführer zu bestellen. Maßgebendes Motiv war die von der Alleingesellschafterin angestrebte Einführung einer unternehmensweiten Altersgrenze von 65 Jahren sowie die Absicht, den anstehenden Umbrüchen in der Branche mit langfristiger Kontinuität zu begegnen.
Der BGH sah darin eine AGG-widrige Diskrimierung des Geschäftsführers, sodass die Entscheidung für die Praxis elementare Auswirkung hat.
Das AGG ist auf Geschäftsführer gemäß § 6 Abs. 3 AGG entsprechend anwendbar, jedoch beschränkt auf die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbsfähigkeit sowie den beruflichen Aufstieg.
Der „Zugang zur Erwerbsfähigkeit“ erfaßt nach Auffassung ds BGH allerdings nicht allein den Abschluss des Anstellungsvertrages, sondern auch die Bestellung zum Geschäftsführer, da nur dies dem Schutzzweck Rechnung trage.
Darüber hinaus unterliegt dem AGG auch der „erneute Zugang“, also die  Konstellation, wonach die Bestellung eines Geschäftsführeres aufgrund einer Befristung endet und die Stelle neu besetzt werden soll.
Für die altersbedingte Benachteiligung ließ der BGH dem Geschäftsführer die in § 22 AGG geregelte Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugute kommen, was bedeutet, dass ein diskriminierendes Verhalten erst einmal vermutet wird und sich die  Gesellschaft entsprechend entlasten muss. Gelingt ihr dies nicht, geht dies zu ihren Lasten.
Ausreichendes Indiz für eine Altersbenachteiligung war die unwidersprochene Mitteilung des Aufsichtsratsvorsitzenden vor der Presse, dass im Zuge der Verlängerungsdebatte im Aufsichtsrat allein das Alter und nicht etwaige Leistungsdefizite des Geschäftsführers thematisiert worden waren.
Unschädlich war nach Auffassung des BGH, dass der Altersfaktor lediglich ein mitbestimmender Teil eines Motivbündels für die Nichtwiederbestellung war.

Tipp für die Praxis

Daher der Tipp: Aufgrund der Tragweite unreflektierter Presseveröffenlichungen sollten die – vollständig diskriminierungsfreien – Gründe über die Organbestellung sorgfältig dokumentiert werden, um in einem etwaigen Prozess das eigene diskrimierungsfreie Verhalten nachweisen und damit die Vermutung des § 22 AGG widerlegen zu können.
Allerdings scheint auch nach Auffassung des BGH eine auf das Lebensalter eines Kandidaten gestützte Entscheidung gerchtfertigt sein zu können, wenn das Alter für die konkrete Tätigkeit als Geschäftsführer eines vergleichbaren Unternehmens eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. So kömnte möglicherweise in eng umgrenzten Fällen ein Ansatzpunkt für die Rechtfertigung  einer altersbedingten Ablehnung bestehen, wenn in der konkreten Gesellschaft ein bestimmtes Alter im Rahmen eines unternehmerischen Konzepts für den Unternehmenserfolg erweislich entscheidend ist. Betriebs- und unternehmensbezogene Interessen können grundsätzlich als legitime Ziele eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Allein der Wunsch einer fünfjährigen Bestellungsdauer stellt jedoch im Falle der Wiederbestellung kein solches schützenswertes Interesse dar. In dem vom BGH entschiedenen Falle durfte die Ablehnung des Geschäftsführers daher nicht darauf gestützt werden, daß er schon nach drei Jahren wieder aus dem Amt ausgeschieden wäre. Ob dies auch für den Fall der Erstbestellung gilt, hat der BGH offen gelassen.
Auch wenn der BGH in seinem Urteil vom 23.04.2012 noch nicht alle Rechtsfragen geklärt hat, lässt die Entscheidung darauf schließen, dass der BGH auch bei Organmitgliedern für einen weitreichenden Diskrimierungsschutz eintritt. Die Unternehmen sollte dies veranlassen, bei der Bestellung von Geschäftsführern besonders sorgfältig auf die Einhaltung des AGG zu achten, um nicht unerheblichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sein.

Autor: Prof. Dr. Ulrich Dall, Essen, ist seit 1993 als Rechtsanwalt auf wirtschaftsrechtlichem Gebiet tätig. Sein Leistungsspektrum erstreckt sich auf die Beratung (insbesondere Vertragsgestaltung) sowie die bundesweite Prozessführung (einschließlich Schiedsverfahren) in den Bereichen Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wettbewerbsrecht und Arbeitsrecht.
Seine umfangreichen Erfahrungen bringt Prof. Dr. Dall auch in seine Vortrags- und Lehrtätigkeit ein. Im März 2002 wurde er zum Professor ernannt und ist Herausgeber mehrerer Gesetzeskommentare.

 


Artikel teilen:
Weitere Tags zu diesem Thema: