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Achtung Prüfpflicht

Unternehmer versäumen oftmals die Kontrolle ihrer elektrotechnischen Betriebsmittel

Die regelmäßige Prüfung von Werkzeugen, von denen eine gewisse Gefahr beim Gebrauch für den Anwender ausgehen, gehört zur Pflicht eines jeden SHK-Handwerks­betriebs bzw. des Handwerksunternehmers. Bild: uve GmbH

Fehler, die nicht nur im privaten Alltag gefunden werden sondern auch im Büro und auf Baustellen.

Auf der Baustelle muss der Anwender vor dem Gebrauch des Werkzeugs und des Zubehörs – hier ein Bohrhammer mit Bohrern – eine Sichtkontrolle auf Beschädigungen durchführen. Bild: IKZ-HAUSTECHNIK

Gerd Lehmann, Referent der TÜV Nord Akademie und Elektromeister im Handwerk, im Gespräch mit der IKZ-HAUSTECHNIK.

 

Eine gerissene Kabelisolierung an der Bohrmaschine, ein defekter Stecker bei der Bau-Lampe oder am elektrischen Trennschleifer – meist reicht ein kleiner Mangel, um Schäden vom leichten Stromschlag bis hin zum ernsthaften Arbeitsunfall zu verursachen. Gerade bei elektrischen Betriebsmitteln, die im alltäglichen Gebrauch sind, wird eine regelmäßige Wartung und Prüfung häufig vergessen. Viele Unternehmer versäumen hier ihre Pflicht. Gerd Lehmann, Referent der TÜV Nord Akademie und Elektromeister im Handwerk, klärt über typische Gefahren auf und wie sie am besten umgangen werden.

Kaum ein Unternehmen kommt heutzutage ohne elektrisch betriebene Arbeitsmittel oder Werkzeuge aus. Doch das birgt auch Gefahren: Laut Statistik der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) ereignen sich etwa 90 % der Stromunfälle im Bereich der Niederspannung, also einer Spannung unter 1000 V, wie beim Drucker im Büro oder dem Bohrhammer auf der Baustelle. „Sichtbare Mängel, wie defekte Kabel­isolation, sind eine der häufigsten und am meis­ten unterschätzten Unfallursachen. Das klassische ‚Eine-gewischt-bekommen’ ist ein Zeichen dafür, dass Strom fließt, wo er nicht hingehört“, erklärt Lehmann. „Das Problem ist, dass ein Großteil der Unternehmer schlicht nicht weiß, wie sie elektrotechnische Betriebsmittel richtig nutzen oder warten müssen.“ Zudem fehle oft die Zeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Nichtprüfung gilt als strafbarer Vorsatz
Unternehmer sind dafür verantwortlich, dass die Sicherheit für alle Mitarbeiter gewährleistet ist. Laut Vorschrift 3 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) haben sie dafür zu sorgen, dass alle elektrischen Anlagen und Betriebsmittel den elektronischen Regeln entsprechend betrieben werden. Zusätzlich müssen Unternehmer gewährleisten, dass die Inbetriebnahme, Wartung und Instandsetzung von einer dafür qualifizierten und geschulten Person durchgeführt werden. Entsprechende Weiterbildungen für Elektrofachkräfte (EFK) oder einer von ihr elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP) gibt es beispielsweise bei der TÜV Nord Akademie. Werden elektrotechnische Betriebsmittel nicht geprüft, handele es sich der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zufolge bereits um einen strafbaren Vorsatz. „Nicht selten müssen sich Unternehmer nach einem Arbeitsunfall mit Strom vor Gericht verantworten“, so Lehmann.

Gefahrenquellen – Ursachen und Prävention
Eine besonders große Gefahr geht von sogenannten ortsveränderlichen elektrotechnischen Betriebsmitteln aus. Hierbei handelt es sich um Geräte, die leicht von einem Ort zum anderen transportiert werden können und dabei wiederholt an einen Stromkreislauf angeschlossen und von diesem getrennt werden – z. B. Laptop-Trafos, Bohrmaschinen oder verschiedene Kabel. Da die Geräte viel in Bewegung sind und oft durch verschiedene Hände gehen, lauern hier durch Fehler in der Bedienung und schnelle Abnutzung die meisten Gefahren. Bereits eine regelmäßige Sichtprüfung, bei der elektrische Betriebsmittel auf äußere, sicherheitsrelevante Mängel geprüft werden, kann Unfälle verhindern. Zusätzlich sollte der Zustand der Isolierung auf Schäden untersucht und der Biegeschutz der Anschlussleitungen geprüft werden. Einer ersten Sichtprüfung müssen aber in regelmäßigen Abständen – je nach Betriebsmittel – Messungen und Funktionsprüfungen folgen. Hier wird z. B. der Isolationswiderstand oder der Berührungsstrom gemessen und das Gerät auf einwandfreie Funktionalität getestet.

www.tuev-nord.de/el-seminare

 

Nachgefragt

IKZ-HAUSTECHNIK: Herr Lehmann, woher kommen Ihrer Einschätzung nach die hohen Zahlen von Unternehmen, die ihrer Prüfpflicht nicht nachkommen? Fehlt es an Aufklärung?
Gerd Lehmann: Durch meine 16-jährigen Befragungen von Teilnehmern in den TÜV NORD Akademie-Schulungen kris­tallisierte sich ein Hauptgrund heraus: Meist nimmt sich der Unternehmer einfach nicht die Zeit, für Sicherheit im Betrieb zu sorgen. Im Vordergrund steht häufig das wirtschaftliche Interesse. Viele Unternehmer sehen in erster Linie das Geld, das investiert werden müsste, um einen Mangel abzustellen, und nicht den Schaden, den er mit sich bringen könnte.
Ich habe gehört, dass Waren, die nach Deutschland kommen, lediglich zu 5 % auf die Einhaltung europäischer Richtlinien kontrolliert werden. Leider kommt es auch gelegentlich vor, dass der Großhandel nicht sichere Elektrogeräte anbietet. Daher ist eine Erstprüfung wichtig und nach
Betr­SichV für alle Betriebe Pflicht! Keinesfalls sollten sich Betriebe darauf verlassen, dass alle Neu-Geräte sicher sind.

IKZ-HAUSTECHNIK: Dabei ist ein Nichtbeachten laut Ihrer Aussage ein strafbarer Vorsatz und führt bei Unfällen, die darauf zurückzuführen sind, nicht selten vor Gericht. Welche rechtlichen Konsequenzen können dem Unternehmer drohen? Können Sie ein Fallbeispiel nennen?
Gerd Lehmann: Das Nicht-Durchführen von zum Beispiel Wiederholungsprüfungen ist deshalb strafbar, weil es unter anderem die BetrSichV wie auch das ArbSchG als Gesetze zum Erreichen/zum Erhalt des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung von allen Beschäftigten sowie des Anlagenschutzes fordern. Strafrechtliche Konsequenzen ergeben sich in der Regel erst, wenn sich Unfälle/Sachschäden ereignen. Die staatlichen Gewerbeaufsichtsämter dürfen unter anderem Kontrollen durchführen, ob alle notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen in den Betrieben umgesetzt werden. Zudem dürfen Sie Anordnungen zur Beseitigung von festgestellten Mängeln geben, beziehungsweise Stilllegungen durchsetzen. Auch Beratungen durch dieses Amt neben den Gesetzlichen Unfallkassen sind möglich.
Soweit ich gehört habe, ermahnt die zuständige Unfallkasse oder das Gewerbeaufsichtsamt die betroffenen Firmen, dass sie bis zu einem bestimmten Termin ihre Arbeitsmittel geprüft haben müssen. Wie hoch die strafrechtlichen Konsequenzen in Form von Geld- oder Haftstrafen letztendlich bei einem Unfall sein können, entscheiden die Gerichte. Ein konkretes Fallbeispiel für den Fall einer wiederholten Nicht-Prüfung oder eines Unfalls durch Nicht-Prüfung kann ich nicht nennen. Allerdings enthält das Strafgesetzbuch § 222 den Satz „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“. Neben dem StGB können
auch zivilrechtliche Verfahren nach dem BGB gegen den Beschuldigten eingeleitet werden. Eine Unterlassung, also das Nicht-Prüfen von Arbeitsmitteln, gilt auch als Straftat. Das sollte man nicht vergessen. Wer hingegen seine Arbeitsmittel prüft bzw. prüfen lässt, kommt als Unternehmer seinen Sorgfaltspflichten nach.

IKZ-HAUSTECHNIK: Wo liegen speziell im Baustellenbereich die typischen Mängel an elektrotechnischen Betriebsmitteln, die Sie beobachten konnten?
Gerd Lehmann: Auf Baustellen sind es meistens Mängel in den Übergängen vom Stecker zum Kabel oder Kabel zum Eingang des Gehäuses von Geräten, beziehungsweise Kupplungen von Verlängerungen. Dort sind oft die Isolierungen/Mantelwerkstoffe eingerissen und können neben dem Ausfall des Gerätes zum elektrischen Schlag des Benutzers führen. Die Gehäuse von Geräten leiden natürlich auch vor allem durch den härteren Umgang auf Baustellen. Manchmal werden leider auch minderwertige Betriebsmittel eingekauft oder sogar von Beschäftigten selbst mitgebracht, die für den Einsatz auf Baustellen vom Hersteller nicht gebaut wurden – das heißt nicht geeignet sind.

IKZ-HAUSTECHNIK: Sicherlich ist es ein Stück weit richtig, dass der Unternehmer in die Pflicht genommen wird. Aber ist es nicht speziell vor diesem Hintergrund sinnvoll, auch den Handwerker mit einzubeziehen? Immerhin arbeitet er täglich mit seinen Maschinen und sollte sie sowie ihre Fehler kennen.
Gerd Lehmann: Da stimme ich ihnen voll und ganz zu. Jeder Beschäftigte sollte vor der Verwendung seiner Arbeitsmittel mindestens kontrollieren, ob Mängel im Sichtbaren erkennbar sind. Wenn ein sicherheitsrelevanter Mangel vorliegt, dürfen diese Arbeitsmittel nicht mehr in Betrieb gehen. Gegebenenfalls ist eine Sperrung notwendig, die den Vorgesetzen unverzüglich gemeldet werden muss. Denn wenn der Handwerker ein Laie ist, muss eine Elektrofachkraft entscheiden, ob eine Reparatur oder ein Austausch notwendig ist.

IKZ-HAUSTECHNIK: Also sitzen die Beschäftigten mit im Boot?
Gerd Lehmann: Ja. Wie bereits gesagt, jeder Beschäftigte hat die Pflicht, vor der Verwendung seiner Arbeitsmittel mindestens eine Sichtprüfung durchzuführen. Diese wichtige Information muss allerdings in der Erstunterweisung sowie auch in den Wiederholungsschulungen – also die jährlichen Unterweisungen – allen Arbeitnehmern mitgeteilt werden. Jeder Mitarbeiter muss für seinen Arbeitsplatz über alle möglichen Gefahren und Schutzmaßnahmen unterrichtet werden. Damit alles auch nach dieser Unterrichtung „eingehalten“ wird, sollten solche Informationen in sogenannten „Betriebsanweisungen“ festgehalten werden, die allen immer zugänglich sein müssen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Neben der Sichtprüfung müssen elektrotechnische Betriebsmittel auch regelmäßig begutachtet werden. In welchen Intervallen sollte dies geschehen?
Gerd Lehmann: Die Intervalle können zwischen drei Monaten bis zwei Jahre je nach Gerät liegen. Eine Orientierung gibt dafür die DGUV Vorschrift 3 – früher BGV A3 und TRBS 1201. Allerdings muss der Unternehmer bzw. die verantwortliche Elektrofachkraft für jedes Gerät nach den vorgegebenen Gefährdungsbeurteilungs-Kategorien die Fristen für die wiederkehrenden Prüfungen so festlegen, dass die Arbeitsmittel bis zur nächs­ten festgelegten Prüfung sicher verwendet werden können.

IKZ-HAUSTECHNIK:
Gibt es darüber hinaus auch eine Dokumentationspflicht der Ergebnisse und wenn, welche Details müssen dort angegeben werden?
Gerd Lehmann: Der Arbeitgeber legt fest, wie das Ergebnis der Prüfung durch die befähigte Person aufgezeichnet wird. Die zur Prüfung befähigte Person nach
BetrSichV – Prüfungen nach TRBS 1201 – legt fest, welche Angaben für die Durchführung der Prüfungen notwendig sind. In der Regel sind das: Datum der Prüfung, Name des Prüfers, Art der Prüfung sowie die Prüfgrundlage. Des Weiteren muss die Dokumentation beinhalten, was im Einzelnen geprüft wurde, welches Ergebnis die Prüfung hat, inkl. der Bewertung der festgestellten Mängel, und eine Aussage zum Weiterbetrieb. In der Gesamtübersicht sind das die Ergebnisse der Sicht-, Mess- und Funktionsprüfungen.

IKZ-HAUSTECHNIK: Eine letzte Frage. Wo bekommt der Unternehmer unabhängig vom TÜV Nord weitere Unterstützung zum Thema Prüfpflicht?
Gerd Lehmann: Jeder Unternehmer kann neben den Quellen aus dem Internet zum ArbSchG, zur BetrSichV sowie zu den TRBS 1201 und anderen auch seine zuständige Unfallkasse, sein Gewerbeaufsichtsamt und gegebenenfalls seine Innung sowie Prüf-Ingenieure/Firmen dazu befragen.

 


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