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Stiefkind Lüftung

50 000 zentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung und 144 500 dezentrale Lüftungsgeräte weist der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie in seiner Statistik für 2016 aus. Das ist ein Plus von 7 % bei den zentralen bzw. 22 % bei den dezentralen Geräten gegenüber dem Vorjahr. Tendenz steigend. Doch trotz dieser positiven Entwicklung: Die Wohnungslüftung ist nach wie vor ein Stiefkind des SHK-Fachhandwerks.

 

Das Geschäftsfeld läuft für viele Betriebe eher nebenher. Dabei bedingt die heutige luftdichte Bauweise eine nutzerunabhängige Lüftung, wie auch immer die aussehen mag. Auch die regulatorischen Vorgaben – Stichwort EnEV – zeigen seit Jahren in Richtung Wohnungslüftung. Der Markt bietet – und das belegen die im Vergleich zum Baubestand und den Neubauten in 2016 bescheidenen BDH-Zahlen – nach wie vor ein ungeheures Potenzial. Zumindest theoretisch.
Schauen wir in die Praxis: Das Thema Raumlufthygiene müsste beim Kunden eigentlich eine hohe Priorität besitzen und damit dem Fachbetrieb gute Voraussetzungen für einen Auftrag bescheren. Tut es aber offenbar nicht. Scheut der Kunde die Investition in die Anlagentechnik oder ist er der mechanischen Lüftung gegenüber eher negativ eingestellt? Oder liegt es gar am Handwerker, „der mal wieder nicht überzeugend beraten und verkaufen kann?“ Ein Argument, das Kritiker immer gern aus der Schublade ziehen. Doch die Frage ist zweifellos berechtigt.
Fakt ist, dass längst nicht jedes Lüftungskonzept im Neu- oder Altbau, das eine Anlage vorsieht, automatisch zum Auftrag führt. Sonst sähen die Marktzahlen anders aus. Dabei sprechen viele Gründe für eine Wohnungslüftung: Die Vermeidung von (Außen)Lärm durch geöffnete Fenster oder Schimmel durch unzureichenden Luftwechsel. Dem Nutzer den gut gemeinten Ratschlag zu erteilen, in regelmäßigen zeitlichen Abständen oder grundsätzlich nach dem Duschen oder dem Wäschetrocknen die Wohnung einer Stoßlüftung zu unterziehen, ist wohl kaum zielführend. Schimmelt es in der Wohnung oder kommt es zu einem Feuchteschaden an der Bausubstanz und liegt dies an einem mangelhaften Luftaustausch, beginnt die Suche nach dem Schuldigen. Die Crux dabei: Fachhandwerker, die keine Bedenken angemeldet haben, als der Kunde den Hinweis auf die Notwendigkeit einer Wohnungslüftung ignorierte, bekommen vor Gericht schnell den schwarzen Peter – und zahlen die Zeche. Auch das ist gelebte Praxis.

Markus Sironi
Handwerksmeister und
Chefredakteur
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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