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Per Bollerwagen in die City

 

Nach den mageren Ergebnissen des Diesel-Gipfels steckt der Selbstzünder weiterhin in der Krise. Software-Updates an Millionen Alt-Pkws sollen den Schadstoffausstoß der Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugklassen senken, Prämien der Hersteller den Wechsel von Altfahrzeugen auf die aktuelle zweite Euro-6-Diesel-Generation forcieren. Im Nachgang wurde von der Politik sogar eine Quote für Elektroautos ins Gespräch gebracht. Ein kaum durchsetzbarer Vorschlag, wenn auch mit einem gewissen Charmefaktor. Denn die Zulassungszahlen für Pkws mit E-Antrieb bewegen sich in Deutschland fernab jeglicher Euphorie. Statt der ursprünglich angestrebten 2 Mio. E-Fahrzeuge bis 2020 kommt der Status Quo mit 34000 Zulassungen (Anfang 2017) einem Flop gleich.
Auf der Suche nach Alternativen gewinnt das Konzept des Erdgasantriebes wieder an Bedeutung. Transporter und Lieferwagen zahlreicher Hersteller lassen sich inzwischen mit dem besonders schadstoffarmen Antrieb ausstatten. Feinstaub ist hier kein Thema und die Emissionen erreichen allemal Euro-6-Niveau. Inzwischen steht in vielen Regionen eine ausreichende Infrastruktur von Tankstellen bereit. Auch Autogas darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Mit mehr als 7100 Tankstellen verfügt der Alternativkraftstoff in Deutschland über eine lückenlose Infrastruktur. Emissionsarme Mobilität ist also heute schon möglich. Das ist gut.
Nach wie vor aber verrichten Tausende Alt-Dieselfahrzeuge im Handwerk ihren Dienst. Und für diesen Fuhrparkbestand muss ein bundesweiter, wenn nicht sogar europaweiter Konsens gefunden werden. Ansonsten drohen ab 2018 Fahrverbote in besonders belasteten Stadtgebieten und Straßenzügen aufgrund der Vorgaben der EU-Luftqualitätsrichtlinie. Und das längst nicht nur in Großstädten wie Hamburg, Stuttgart und München, sondern auch in kleineren Gemeinden oder Städten. Wie aber sollen Aufträge ausgeführt und Güter geliefert werden, wenn der Handwerker mit seiner in die Jahre gekommenen Fahrzeugflotte nicht mehr zum Kunden kann? Per Bollerwagen in die City?
Dem Vernehmen nach sollen Repräsentanten des Verkehrsministeriums geäußert haben, dass Handwerker auch künftig in die Städte fahren können, wohl wissentlich, dass die Kommunen vor dem Zusammenbruch stehen würden, wenn Handwerksbetrieben der Zugang in die Städte verwehrt würde. Das nimmt dem Fachhandwerk zumindest ein wenig den Druck aus dem Kessel. Es löst aber das grundsätzliche Problem nicht. Zudem lehrt die Erfahrung, dass Aussagen aus der Politik immer mit Vorsicht zu genießen sind. Was bleibt ist die Ungewissheit – und die Erkenntnis, dass das Handwerk möglicherweise mal wieder die Zeche zahlen darf für die Versäumnisse der Politik, die sich blauäugig auf die Aussagen der Fahrzeughersteller verlassen hat.

Markus Sironi
Handwerksmeister und Chefredakteur
m.sironi@strobel-verlag.de

 


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